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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum reversiblen Straffen eines
Gurtbands in aktiven Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystemen.
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Fahrzeuginsassen-Rückhaltesysteme,
die einen Sicherheitsgurt umfassen, sind selbst in Kleinwagen inzwischen
oft mit einem Gurtstraffer versehen, der den Sicherheitsgurt im
Rückhaltefall
so strafft, daß der
Gurt möglichst
eng am Körper
des Fahrzeuginsassen anliegt. Bislang übliche Gurtstraffer gibt es
als Aufrollstraffer, Schlußstraffer
oder Endbeschlagstraffer. Diese sind an unterschiedlichen Stellen
im Fahrzeug befestigt und leiten die von ihnen ausgeübte Kraft
entsprechend an unterschiedlichen Stellen in das Gurtsystem ein.
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In
modernen, aktiven Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystemen werden mittlerweile
sogenannte Vorstraffer eingesetzt, d.h. Gurtstraffer, die bereits
vor einer Fahrzeugkollision aufgrund von Sensordaten auslösen. So
ist beispielsweise in der
DE
44 11 184 C2 ein Vorstraffer offenbart, der die Gefahr
einer bevorstehenden Kollision mit einem anderen Objekt aufgrund
einer Abstands- und Geschwindigkeitsmessung bewertet und gegebenenfalls
eine Straffung einleitet. Diese reversible Vorstraffung wird durch
einen zweiten, pyrotechnischen Gurtstraffer ergänzt, der erst im Falle einer
Fahrzeugkollision aktiviert wird.
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Wünschenswert
wäre es,
den Insassen nicht nur vor einer möglichen Frontalkollision zu
stabilisieren, sondern auch in Gefahrensituationen, in denen das
Fahrzeug schleudert oder sich überschlägt. Dafür müssen alle
sensierten Informationen, die einen Einfluß auf das fahrdynamische Verhalten
des Fahrzeugs geben, berücksichtigt
werden. Bei der Vorstraffung steht ferner auch der Insassenkomfort
im Vordergrund. Daher ist es die Aufgabe der vorliegenden Erfindung,
die Straffung möglichst
zeitnah und angepaßt
an die verschiedenen Sensordaten auszuführen, wobei die Straffung auch
während
eines Straffvorgangs aufgrund veränderter Sensordaten angepaßt werden
kann.
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Die
Erfindung schafft hierzu ein Verfahren zum reversiblen Straffen
eines Gurtbands in aktiven Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystemen, welches die folgenden
Schritte umfaßt:
- 1.) Ermittlung von Eingangsdaten, die den fahrdynamischen
Zustand eines Fahrzeugs beschreiben;
- 2.) Verarbeitung der Eingangsdaten durch einen Algorithmus zu
einem Wert, der eine Kritikalität der
Fahrsituation angibt;
- 3.) Vergleichen des Kritikalitätswerts mit vorgegebenen Schwellenwerten
der Kritikalität;
- 4.) Straffung des Gurtbands bei Überschreitung eines Schwellenwerts
der Kritikalität
durch einen ersten Straffvorgang, der diesem Schwellenwert zugeordnet
ist und einen vorgegebenen Verlauf der Gurtbandkraft über der
Zeit aufweist; und
- 5.) Starten eines zweiten Straffvorgangs, falls die Kritikalität während des
ersten Straffvorgangs weiter ansteigt und einen Schwellenwert, der
dem zweiten Straffvorgang zugeordnet ist, überschreitet.
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Bei
diesem erfindungsgemäßen Verfahren werden
alle fahrdynamisch relevanten Kenngrößen, die durch Sensoren erfaßt werden,
berücksichtigt. Diese
einzelnen Größen (z.B.
Raddrehzahlen, Gierwinkel, Bremsaktivitäten ...) werden jedoch nicht
einzeln überprüft und bewertet,
sondern zu einer fahrdynamischen Gesamtsituation zusammengefaßt und in einem
Wert, der eine sogenannte Kritikalität angibt, dargestellt. Die
fortwährende
Ermittlung des Kritikalitätswerts
und der Vergleich mit vorgegebenen Schwellenwerten der Kritikalität erlaubt
bei Verwendung eines reversiblen Gurtstraffers, z.B. eines Elektromotors,
eine sehr zeitnahe Umsetzung veränderter
Sensordaten in den Straffvorgang.
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Bevorzugt
wird bei Überschreiten
des Schwellenwerts der Kritikalität, der dem zweiten Straffvorgang
zugeordnet ist, der erste Straffvorgang abgebrochen und unmittelbar
der zweite Straffvorgang gestartet. Durch den sofortigen Abbruch
des ersten Straffvorgangs findet keine zeitliche Verzögerung statt,
um auf die erhöhte
Kritikalität
mit dem angepaßten
zweiten Straffvorgang zu reagieren.
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Die
Gurtbandkraft beim Starten des zweiten Straffvorgangs steigt vorzugsweise,
ausgehend vom erreichten Niveau der Gurtbandkraft bei Abbruch des ersten
Straffvorgangs, weiter an und folgt dem Verlauf der Gurtbandkraft
des zweiten Straffvorgangs. Dies bietet den Vorteil, daß die Gurtbandkraft
zwischen dem ersten und dem zweiten Straffvorgang nicht abfällt, so
daß der
Insasse nicht durch Sprünge in
der Gurtbandkraft unnötig
belastet wird.
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Die
Gurtbandkraft kann im Verlauf der jeweiligen Straffvorgänge zunächst auf
eine maximale Gurtbandkraft des Straffvorgangs ansteigen und danach
stufenweise abfallen. Dieser Verlauf der Gurtbandkraft ist für den Insassen
besonders verträglich.
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In
einer Ausführungsvariante
wird bei Überschreitung
mehrerer Schwellenwerte der Kritikalität nur derjenige Straffvorgang
ausgeführt,
der dem höchsten überschrittenen
Schwellenwert zugeordnet ist. Dies reduziert die Anzahl der Straffungen,
denen der Insasse ausgesetzt ist. Außerdem hat im Sinne der Insassensicherheit
der Straffvorgang entsprechend der höchsten aufgetretenen Kritikalität Priorität.
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Vorzugsweise
werden mit Beginn des ersten Straffvorgangs aufgrund der Überschreitung
eines Schwellenwerts der Kritikalität alle höherliegenden Schwellenwerte
bis zur vollständigen
Aufhebung der Straffung erhöht.
Dies führt
zu einer verzögerten
Auslösung
aufeinanderfolgender Straffvorgänge,
so daß die
Anzahl der aufeinanderfolgenden Straffungen reduziert wird. Infolge
der reduzierten Anzahl der Straffvorgänge steigt der Komfort für den Insassen.
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Weitere
Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden
Beschreibung unter Bezugnahme auf die Zeichnungen. In diesen zeigen:
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1 ein
Flußdiagramm
zur Veranschaulichung des erfindungsgemäßen Verfahrens;
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2 die
Grundform eines Straffvorgangs, wobei die Gurtbandkraft über der
Zeit aufgetragen ist;
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3 zwei
Beispiele für
Straffvorgänge
gemäß der Grundform
aus 2;
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4 den Übergang
von einem ersten Straffvorgang in einen zweiten Straffvorgang;
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5 einen
Verlauf der Kritikalität über der Zeit,
wobei ein zweiter Straffvorgang ohne Verzögerung einsetzt; und
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6 einen
Verlauf der Kritikalität über der Zeit,
wobei ein zweiter Straffvorgang mit Verzögerung einsetzt.
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Die 1 verdeutlicht
das erfindungsgemäße Verfahren
zum reversiblen Straffen eines Gurtbands in Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystemen
anhand eines Flußdiagramms.
In einem ersten Schritt werden Eingangsdaten ermittelt, die den
fahrdynamischen Zustand des Fahrzeugs beschreiben. Dies sind in
der Regel Sensorsignale, die über
Kenngrößen wie
beispielsweise Raddrehzahlen, Lenkwinkel, Gierrate, Längs- und
Querbeschleunigung oder Bremsaktivität Auskunft geben.
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Diese
einzelnen Eingangsdaten werden in einem zweiten Schritt mit Hilfe
eines Algorithmus auf eine Größe abgebildet,
welche einer „Kritikalität" der Fahrsituation
entspricht. Der entsprechende Wert wird im folgenden Kritikalitätswert genannt
und gibt an, wie kritisch der fahrdynamische Zustand des Fahrzeugs
im Moment der Datenerhebung ist. Ein starkes schleuderndes Fahrzeug
bewirkt z.B. einen hohen Kritikalitätswert. In einer Verfahrensvariante können die
Kritikalitätswerte
zwischen 0 und 1 normiert sein, wobei 0 beispielsweise eine Parksituation und
1 eine eintretende Unfallsituation des Fahrzeugs angibt.
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Die
Ermittlung der Eingangsdaten und deren Weiterverarbeitung zu einem
Kritikalitätswert
erfolgt in sehr kurzen Zeitintervallen, so daß eine nahezu stetige Kurve
der Kritikalität über der
Zeit vorliegt (vgl. 5 und 6).
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In
einem dritten Schritt werden die ständig aktualisierten Kritikalitätswerte
mit vorgegebenen Schwellenwerten der Kritikalität verglichen. Bleibt der Kritikalitätswert unter
dem kleinsten vorgegebenen Schwellenwert, müssen keine besonderen Maßnahmen
ergriffen werden. Es werden lediglich weiter aktuelle Eingangsdaten
ermittelt, die wiederum zu einem Kritikalitätswert weiterverarbeitet und
mit den vorgegebenen Schwellenwerten verglichen werden.
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Die
Schwellenwerte entstehen aus zahlreichen Parameterkombinationen,
die über
den Algorithmus durch den Kritikalitätswert charakterisiert werden.
Die Schwellenwerte sind also Kritikalitätswerte, bei denen die zugrundeliegende
Parameterkombination auf eine kritische Fahrsituation hindeutet.
Um die Gurtbandstraffung der fahrdynamischen Situation gut anpassen
zu können,
sind mehrere Schwellenwerte auf verschiedenen Kritikalitätsstufen vorgesehen.
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Sobald
der ermittelte Kritikalitätswert
einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet, setzt in einem
vierten Schritt des Verfahrens die Straffung des Gurtbands ein.
Genauer gesagt wird ein erster Straffvorgang gestartet, der dem überschrittenen Schwellenwert
zugeordnet ist und einen vorgegebenen Verlauf der Gurtbandkraft über der
Zeit aufweist. Für
den Fall, daß die
Kritikalität sprunghaft
ansteigt und zwischen zwei Messungen des Kritikalitätswerts mehrere
Schwellenwerte überschritten
werden, wird nur derjenige Straffvorgang ausgeführt, der dem höchsten überschrittenen
Schwellenwert zugeordnet ist.
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Während dem
ersten Straffvorgang werden weiterhin aktuelle Kritikalitätswerte
ermittelt und mit den vorgegebenen Schwellenwerten verglichen. Wird
nun kein höherer
als der dem ersten Straffvorgang zugeordnete Schwellenwert überschritten,
so wird der Straffvorgang entsprechend seinem vorgegebenen Verlauf
beendet. Das Verfahren zum Straffen des Gurtbandes ist damit beendet,
die Gurtbandkraft geht auf nahezu Null zurück.
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Steigt
der Kritikalitätswert
während
des ersten Straffvorgangs jedoch weiter an und überschreitet einen weiteren
Schwellenwert der Kritikalität,
bevor der erste Straffvorgang beendet ist, so wird der erste Straffvorgang
beendet und ein zweiter Straffvorgang gestartet. Dies entspricht
einem fünften Schritt
des erfindungsgemäßen Verfahrens,
wobei der zweite Straffvorgang dem neu überschrittenen Schwellenwert
zugeordnet ist. Wiederum gilt, daß beim Überschreiten von mehreren Schwellenwerten nur
derjenige Straffvorgang als zweiter Straffvorgang ausgeführt wird,
der dem höchsten überschrittenen Schwellenwert
zugeordnet ist. In der Verfahrensvariante nach 1 wird
der erste Straffvorgang sofort nach dem Überschreiten eines weiteren
Schwellenwerts abgebrochen und unmittelbar der zweite Straffvorgang
gestartet. Dadurch wird die zeitliche Verzögerung zwischen der aktuellen
fahrdynamischen Situation des Fahrzeugs und einer entsprechenden Straffung
des Gurtbands gering gehalten.
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Das
Abbrechen des aktuell laufenden Straffvorgangs und Starten des nächsten Straffvorgangs aufgrund
der Überschreitung
höherliegender
Schwellenwerte kann mehrmals erfolgen. Letztlich wird der Kritikalitätswert bis
zu einem Unfallereignis ansteigen oder aber zu irgend einem Zeitpunkt
wieder zurückgehen.
Bei einem Rückgang
der Kritikalität
wird der aktuell laufende Straffvorgang, und damit die Straffung
insgesamt, beendet und das Verfahren beginnt von neuem mit der Ermittlung
von Eingangsdaten.
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Die 2 zeigt
eine Grundform der Straffvorgänge,
wobei eine Gurtbandkraft bzw. Straffkraft F über der Zeit t aufgetragen
ist. Es ist zu erkennen, daß alle
Straffvorgänge
zunächst
auf eine maximale Gurtbandkraft F1 ansteigen und danach über F2,
F3 und F4 stufenweise abfallen. Die Zeitdauer, über die ein Kraftniveau des
Gurtbandes gehalten wird, ist mit t1, t2, t3 und t4 bezeichnet.
Die Zeitabschnitte, in denen sich die Gurtbandkraft verändert, sind
mit t1a, t2a, t3a, t4a und t5a bezeichnet. Diese Grundform aller
Straffvorgänge
wird bei der Zuordnung zu den verschiedenen Schwellenwerten der
Kritikalität
in ihren einzelnen Werten angepaßt. Bei dieser Anpassung können die
Werte t1a bis t5a, t1 bis t4 und F1 bis F4 verändert werden. Insbesondere
können
einzelne Größen auch
den Wert 0 annehmen, wobei jedoch stets F1 ≥ F2 ≥ F3 ≥ F4 gelten muß.
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In 3 sind
ein erster Straffvorgang (durchgezogene Linie) und ein zweiter Straffvorgang
(gestrichelte Linie) entsprechend der Grundform nach 2 dargestellt.
Da die maximale Gurtbandkraft des ersten Straffvorgangs unter der
maximalen Gurtbandkraft des zweiten Straffvorgangs liegt, ist der erste
Straffvorgang einem Schwellenwert der Kritikalität zugeordnet, der kleiner ist
als der Schwellenwert der Kritikalität, der dem zweiten Straffvorgang
zugeordnet ist. Als Besonderheit des ersten Straffvorgangs ist hervorzuheben,
daß F3
= F4 = t3 = t4 = t4a = t5a = 0 ist. Bei einer derart niedrigen maximalen Gurtbandkraft
sind weitere Abstufungen nicht nötig. Um
bei sehr hoher Kritikalität
sehr schnell hohe Straffkräfte
zur Verfügung
zu haben, die hohe Insassenbelastung dann aber auch möglichst
schnell abbauen zu können,
ist beim zweiten Straffvorgang t1a = t2a = t3a = t4a = t5a = 0.
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In 4 ist
ein Fall gezeigt, bei dem der erste Straffvorgang gestartet worden
ist, nachdem der Kritikalitätswert
einen Schwellenwert, der dem ersten Straffvorgang zugeordnet ist, überschritten
wurde. Während
des ersten Straffvorgangs überschritt
der Kritikalitätswert
dann einen weiteren, höherliegenden Schwellenwert
der Kritikalität,
woraufhin der erste Straffvorgang abgebrochen und der zweite Straffvorgang
gestartet wurde. Wie in 4 zu sehen ist, steigt die Gurtbandkraft
gemäß einer
bevorzugten Variante des Verfahrens beim Starten des zweiten Straffvorgangs
ausgehend vom erreichten Niveau der Gurtbandkraft bei Abbruch des
ersten Straffvorgangs weiter an und folgt im weiteren dem Verlauf der
Gurtbandkraft des zweiten Straffvorgangs.
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Die 5 und 6 weisen
auf eine weitere Variante des Verfahrens hin, bei welcher die Anzahl der
eingeleiteten Straffvorgänge
durch verzögertes Auslösen der
Straffvorgänge
verringert wird, was auch die Insassenbelastung reduziert. Bei einem Verlauf
des Kritikalitätswerts
C entsprechend 5 wird ein erster Straffvorgang
zum Zeitpunkt T1 und ein zweiter Straffvorgang zum Zeitpunkt T2
gestartet, da zu diesen Zeitpunkten die vorgegebenen Schwellenwerte
der Kritikalität
C1 bzw. C2 überschritten werden.
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In 6 wird
bei identischem Verlauf des Kritikalitätswerts der zweite Straffvorgang
verzögert gestartet,
zu einem Zeitpunkt T2' > T2. Dieses verzögerte Starten
des zweiten Straffvorgangs wird dadurch erreicht, daß mit Beginn
des ersten Straffvorgangs aufgrund der Überschreitung eines Schwellenwerts
der Kritikalität
alle höherliegenden
Schwellenwerte bis zur vollständigen
Aufhebung der Straffung temporär
erhöht
werden. Dies führt
unter anderem zu einer Erhöhung
des dem zweiten Straffvorgang zugeordneten Schwellenwerts von S2
auf S2'. Im vorliegenden
Fall wird dadurch eine verzögerte
Auslösung des
zweiten Straffvorgangs erreicht, was den Rückhaltekomfort für den Insassen
verbessert. In Fällen, in
denen die Kritikalität
den erhöhten
Wert S2' gar nicht
erreicht, bliebe der Insasse von einem zweiten Straffvorgang vollkommen „verschont". Diese verzögerte Auslösung ist
dadurch gerechtfertigt, daß der Insasse
durch das Starten des ersten Straffvorgangs einerseits bereits auf
die erhöhte
Gefahr aufmerksam wurde und andererseits in seiner Position bereits
teilweise stabilisiert ist.