Auf
Polymeren basierende Knochenzemente sind an sich bekannt und werden
beispielsweise in der Orthopädie,
Unfallchirurgie und/oder Wirbelsäulenchirurgie
oder auch in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zur Auffüllung und Überbrückung von
Knochendefekten und zur Fixierung von Implantaten eingesetzt. Ihr
Vorteil gegenüber
anderen üblichen
Materialien, wie z. B. Metallimplantaten, mineralischen Knochenzementen
auf der Basis von Calcium-Phosphaten, Calcium-Phosphat-basierten
Knochenersatzmaterialien und alternativen Behandlungsmethoden besteht
in der einfachen Handhabung, der schnell erreichbaren Endfestigkeit
(10–30
min.), der hohen Dauerlastfestigkeit und Beständigkeit, der relativ guten
Verträglichkeit
(ausreichenden Biokompatibilität),
der freien Modellierbarkeit und der vergleichsweise kostengünstigen
Anwendungsmöglichkeit
in vielen Bereichen der Knochenchirurgie allgemein. Angesichts des
hohen Qualitätsstandes
dieser Materialien, die seit mehr als 40 Jahren im klinischen Einsatz
sind, sind in den letzten Jahren auf dem Gebiet der polymer-basierten
Knochenzemente nur wenige innovative Ansätze in die klinische Praxis
eingeführt worden.
Als Beispiele für
aktuelle Forschungsansätze
seien folgende Arbeitsrichtungen genannt:
• Verbesserung der Handhabung
durch Ersatz der Pulver-Flüssigkeits-Mischungen durch
2-Pasten-Systeme;
- – Belkoff
et al; Biomechanical Evaluation of a New Bone Cement for Use in
Vertebroplaty. Spine. 25(9): 1061–64, May 1, 2000.
• Verstärkung durch Faserzusatz;
- – Saha
S.; Pal S. Improvement of mechanical properties of acrylic bone
cement by fibre reinforcement. J. Biomech. 17:467–478. 1984;
- – Gilbert
et al. Self-Reinforced composite poly(methylmethacrylate): static
and fatige properties. Biomaterials. 16:1043–1055. 1955.
• Alternative Röntgenkontrast-Medien;
- – Van
Hooy-Corstjens et al. Mechanical behaviour of a new acrylic radiopaque
iodine-containing bone cement. Biomaterials, 25, 2657–2667, (2004);
- – Kjellsson
et al. Tensile properties of a bone cement containing non-ionic
contrast media. J Mater Sci Mater Med. 2001 Oct-Dec: 12 (10–12):889–94
• Zumischung unterschiedlicher
Füll- und
Trägerstoffe;
- – Liebendörfer et
al. Experimental studies on a new bone cement: hydroxyapatite composite
resin. The 21st Annual Meeting of the Society
for Biomaterials. San Francisco. USA, 335. 1995.
- – Shinzato
et al.: Bioactive bone cement: effect of phosphoric ester monomer
on mechanical properties and osteoconductivity in J. Biomed. Mater.
Res. 2001; 56(4); 571–577.
- – Miyazaki
et al.: Bioactive PMMA bone cement prepared by modification with
methacryloxypropyltrimethoxysilane and calcium chloride. J. Biomed.
Mater. Res. 2003; 67A(4); 1417–1423.
- – Fujita
et al.: Bioactive bone cement: effect of the amount of glass-ceramic
powder on bone bonding strength. J Biomed Mater Res.1998 Apr;(1):145–52.
Publizierte
Ansätze
zur Bioaktivierung von Knochenzementen basieren ausschließlich auf
der Zumischung bioaktiver Substanzen zur Polymermatrix unter Verwendung
meist sehr hoher Füllungsgrade
(Komposit-Zemente). Dagegen wurden die Aspekte Biokompatibilität und Bioaktivität/Osteokonduktivität von Polymer-basierten
konventionellen Knochenzementen selbst bisher kaum beachtet, denn
die bisher verwendeten Produkte sind zwar grundsätzlich bioverträglich, und
verursachen keine ausgeprägten
Fremdkörperreaktionen,
haben aber den großen
und eindeutigen Nachteil, dass sie nicht hinreichend bioaktiv sind,
um eine direkte Anbindung an den Knochen, also eine Verwachsung
mit demselben zu ermöglichen.
Von einer solchen Osteokonduktivität kann man definitionsgemäß nur dann
sprechen, wenn der Knochen das implantierte Material aktiv integriert
und direkt, also ohne eine fibröse
Zwischenschicht auszubilden, an der Oberfläche anwächst bzw. diese ohne Ausbildung
eines störenden
Zwischenraums belegt. Diese fibrösen
Zwischenschichten, treten bei allen bisher bekannten polymer-basierten
(konventionellen) Knochenzementen aufgrund der unzureichenden Integration
auf. Die fibrösen,
bindegewebsartigen Zwischenschichten kann man auch als Narbengewebe
ansehen, über
die der Körper
sich nach einer Verletzung von der Umgebung oder einem Fremdkörper abgrenzt. Derartige
Schichtensysteme, Knochen – fibröse Zwischenschicht – implantiertes
Material, haben den großen Nachteil,
dass sie mechanisch nicht stark belastbar sind und bilden die Ursache
für Mikrobewegungen,
die letztlich zur Abstoßung
des Implantats, also zu sogenanntem Implantatversagen führen können.
Erfolgreiche
Implantationen mit Polymer-basierten Knochenzementen sind daher
von einer innigen Verzahnung von spongiösem Knochen und der pastösen Zementmasse
während
der Implantation stark abhängig.
Gerade diese Notwendigkeit schränkt
das Einsatzgebiet von Polymer-basierten Knochenzementen erheblich
ein. Dieser Nachteil wiegt um so schwerer, als viele alternative
und konkurrierende Implantatmaterialien inzwischen mit osteokonduktiven
Oberflächen
ausgestattet sind, z. B. Metallimplantate mit bioaktiven Beschichtungen,
mineralische Knochenzemente auf der Basis von Calcium-phosphaten,
Calcium-phosphat-basierte Knochenersatzmaterialien.
Abgrenzung zum Stand der
Technik:
Die
Patentrecherche zu bioaktiven PMMA-Zementen (PMMA = Polymethylmethcrylat)
brachte keine Treffer bzw. Fundstellen. In der Literatur werden
bioaktive PMMA-Zemente ausschließlich. als Komposite aus PMMA-Zement
und Füllstoffen
aus bioaktivem Glas oder Hydroxylapatit beschrieben.
Von
besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Publikation
von Shinzato et al.: Bioactive bone cement: effect of phosphoric
ester monomer on mechanical properties and osteoconductivity in
J. Biomed. Mater. Res. 2001; 56(4); 571–577. Anders als in der (weiter
unten beschriebenen) vorliegenden Erfindung wird in diesem Beispiel
von Shinzato das Phosphorsäure-Ester-Monomer
aber auch hier nicht einem klassischen PMMA-Zement zugesetzt, sondern
wird als Adhäsionsvermittler
zu einem PMMA-Bioglas-Komposit-Zement beigefügt. Der Effekt auf die Mechanik
und die Bioaktivität
wird als positiv beschrieben. Die Autoren interpretieren die gefundenen
Ergebnisse als Effekt der im Vergleich zu MMA (MMA = Methylmetacrylat)
geringeren Polymerisationsneigung des Phosphorsäure-Ester (PE) -Monomers, die letztlich
zu einer Anreicherung bzw. stärkeren
Exposition der Bioglas-Partikel an der Zementoberfläche führt. Ein
Hinweis auf die bioaktive Wirkung des PE-Monomers und anderer erfindungsgemäßer Monomere
in klassischen PMMA-Zement ist dieser Publikation nicht zu entnehmen.
Die bioaktive Wirkung wird ausschließlich den Bioglas-Partikeln
zugeschrieben.
In
der Arbeit von Miyazaki et al.: Bioaktive PMMA bone cement prepared
by modification with methacryloxypropyltrimethoxysilane and calcium
chloride (J. Biomed. Mater. Res. 2003; 67A(4); 1417–1423) wird
die Bildung von Apatit auf entsprechend modifizierten Zementen nach
Inkubation in SBF (SBF = Simulated Body Fluid) beschrieben. Die
als notwendig angegebenen Konzentrationen sind allerdings so hoch,
dass sowohl das Abbindeverhalten, als auch die mechanischen Eigenschaften
des erhaltenen Zements signifikant verschlechtert werden.
Beide
Publikationen lassen die in unseren Versuchen zur vorliegenden Erfindung
gefundenen Ergebnisse nicht erwarten und legen diese auch nicht
nahe, zumal in der Arbeit von Shinzato die Bioaktivität dem Zusatz
von ca. 70 Gewichts-% an bioaktivem Glas zugeschrieben wird. In
der Arbeit von Miyazaki wird eine Apatit-Bildung auf der Zementoberfläche nur
nach Zusatz von mehr als 16% CaCl2 festgestellt.
In unseren Versuchen zur vorliegenden Erfindung dagegen, wird schon
bei geringen Zusätzen
an erfindungsgemäßen Monomeren,
wie z. B. Methacrylsäure
oder Ethylenglycol-Methacrylat-Phosphat,
bei Anteilen von weniger als 10% Gewichtprozent, vorzugsweise aber
unter 5% und besonders bevorzugt unter 3% Gewichtsprozent, ohne Zusatz
von CaCl2 der gewünschte Effekt der Bioakvität festgestellt
und nachgewiesen. In unserer erfindungsgemäßen Problemlösung zur
Bereitstellung eines verbesserten bioaktiven Knochenzements liegt
die primäre Wirkung
in der Bildung von Kristallisationskeimen, die durch spontane Calcium-Ionen
Freisetzung aus dem Knochenzement zugemischten wasserlöslichen
Calciumsalzen und kurzfristige Anhebung des lokalen pH-Werts auf
neutrale bis leicht alkalische Werte unterstützt wird. Dieser überraschende
und ebenso unerwartete Effekt wird bei keinem bisher bekannten Knochenzemente
bzw. Polymer-basierten
Knochenzemente beobachtet.
Das
einzige derzeit bekannte, am Markt verfügbare Produkt eines Polymer-basierten Knochenzements,
das den Anspruch erhebt, bioaktiv zu sein, ist Cortoss® von
Orthovita. Hierbei handelt es sich um ein Kompositmaterial aus einer
vernetzenden Polymermatrix mit einem hohen Füllstoffgehalt an partikulärem Bioglas.
Dort wo die Bioglas-Partikel an die Oberfläche des Zements zu liegen kommen,
kommt die Bioaktivität des
Bioglases zum tragen. Die Polymermatrix selbst ist auch in diesem
Fall, im Gegensatz zur vorliegenden Erfindung, nicht bioaktiv. Der
notwendigerweise hohe Zuschlag an bioaktivem Füllstoff von bis zu 70 Gewichtsprozent
ist bei diesem Zement – ebenso
wie bei einigen aus anderen Quellen bekannten experimentellen Zusammensetzungen
(s.o.) – mit
erheblichen Nachteilen hinsichtlich relevanter, unbedingt benötigter Zementeigenschaften
für eine
Reihe klinisch bedeutender Indikationen verbunden. Besonders ins
Gewicht fallen veränderte
mechanische Daten und hier insbesondere eine stark erhöhte Steifigkeit
(E-Modul) bei geringerer Biegefestigkeit. Aufgrund dieser Sprödigkeit
ist Cortoss® nicht
für die
Befestigung von Gelenkimplantaten geeignet. Weitere Nachteile ergeben
sich aus der Notwendigkeit, diese Art von Zementen als 2-Pasten-Systeme
auslegen zu müssen,
da sich die Feststoff- und Flüssigkeits-Komponenten
nicht in konventioneller Weise mischen lassen. Besonders hervorzuheben
sind hier die resultierenden Probleme der Sedimentation des Bioglas-Füllstoffs
und der regelmäßig stattfindende,
vorzeitige Zerfall des Radikalstarters vor der Aushärtung (während der Lagerung).
Beide Probleme begrenzen die Lagerstabilität erheblich und machen eine
dauerhafte Lagerung im Kühlschrank
notwendig. Als Polymer-Komponente kommen bei diesem Zement vernetzende
Makromere auf der Basis von Bisphenol A (Bis-GMA = Bisphenol A Glycidyl
Methacrylat) zum Einsatz, die potenziell eine höhere Toxizität aufweisen
als das konventionelle Methyl-Methacrylat. Ein weiterer großer Nachteil
solcher Zemente auf der Basis neuer Polymer-Basis-Zusammensetzungen
(für das
Einsatzgebiet als Implantatmaterialien) ist die mangelnde Langzeiterfahrung
im Vergleich mit den bislang eingesetzten Produkten aus der Gruppe der
konventionellen PMMA-Knochenzemente, die aber allesamt nicht bioaktiv
sind.
Die
Aufgabe und das Ziel der vorliegenden Erfindung ist es daher, einen
Weg zur Erzielung einer bioaktiven/osteokonduktiven Zementoberfläche zu finden,
die sich nach oder während
der Anmischung und Implantation schnell aber auch dauerhaft ausbildet,
und dabei die anderen relevanten Eigenschaften des Ausgangszements
beibehält,
ohne diese, wie im Fall von Cortoss® zuvor
beschrieben, nachteilig zu beeinflussen. Es ist dem Fachmann bekannt,
dass zweckmäßigerweise
die Menge an zugesetzten Komponenten zur Erzielung der Bioaktivität möglichst
gering zu halten ist. Der verfolgte Forschungsansatz war daher gegensätzlich zu
solchen 2-Pasten-Systemen
wie Cortoss®,
die im Sinne der Bioaktivität
die Zusammensetzung in einer Weise modifizieren müssen, dass über einen
sehr hohen Füllungsgrad
ausreichend viele bioaktive Partikel an die Implantatoberfläche kommen.
Ein
bekanntes Prinzip zur Bioaktivierung von Materialoberflächen im
Knochenkontakt ist die Beschichtung oder sonstige Erzeugung von
Calcium Phosphat Phasen auf der Materialoberfläche, insbesondere bei Metallen
(HA-Plasma-Spray oder elektrochemisch gestützte Beschichtung – BoneMaster).
Versuche zur Bioaktivierung mittels Abscheidung von Calciumphosphat-Phasen
auf Polymeren wurden bei einer Reihe von Materialien synthetischen
und biologischen Ursprungs durchgeführt:
- – Mineralisierung
von Gelatine, R. Kniep, S. Busch, Angew. Chem., 1996, 108, 2788
- – Mineralisierung
von Kollagen, S. Rössler
et al. Mineralised collagen coating as a biomimetic approach to implant
surfaces. Biomaterials 2004.
- – Kokubo
et al. Apatite formation on non-woven fabric of carboxymethylated
chitin in SBF. Biomaterials, 2003.
- – Kawai
et al. Coating of an apatite layer on polyamide films containing
sulfonic groups by a biomimetic process. Biomaterials, 2003.
Nachteilig
für eine
mögliche
technische/medizinische Anwendung war bei den bekannten synthetischen
Polymeren aber immer, sofern sie überhaupt als lasttragende Implantatmaterialien
in Betracht kommen können,
dass sie entweder chemisch vorbehandelt werden mussten, um saure
Gruppen als Kristallisationskeime an der Oberfläche zu erhalten und/oder die
Notwendigkeit erfordern, wasserlösliche
Calcium Salze einzuarbeiten, wie im Beispiel von Miyazaki et al.
zuvor beschrieben, wo eine Apatit-Bildung auf der Zementoberfläche nur
nach Zusatz von mehr als 16% CaCl2 erreicht
werden kann. Nach diesen Modifikationen zeigten auch die synthetischen
Polymere eine mehr oder weniger gute Mineralisierung mit Calcium
Phosphat Phasen nach Inkubation in simulierter Körperflüssigkeit wie z. B. SBF (simulated
body fluid, Rezeptur siehe unten), die darauf schließen lässt, dass
sich entsprechende Mineralphasen nach der Implantation auch in vivo
ausbilden können.
Zementartige
Präparationen
auf Polymerbasis mit dem Potenzial zur Oberflächen-Mineralisierung in SBF
sind aus der Literatur bisher nicht bekannt, offenbar auch aufgrund
der Tatsache, dass die bekannten Ansätze bei Zementen nicht anwendbar
sind, da im Gegensatz zu fertig geformten Implantaten sich die Oberfläche eines
Zements erst im Verlauf der Anmischung, bzw. während und nach der Einbringung
in den Körper bildet.
Es ist zwingend erforderlich und eine Grundlage der vorliegenden
Erfindung, das Ansätze
zur Bioaktivierung der Zementoberfläche daher ebenfalls im Zuge
der Zementaushärtung
an der Oberfläche
wirksam werden müssen.
Die eigentliche Mineralisierung kann dann vorzugsweise in vivo erfolgen,
sie sollte allerdings möglichst
schnell vonstatten gehen, um den Knochenzellen in der Umgebung bereits
früh nach
der Implantation die Möglichkeit
zur Adhäsion
zu geben.
Im
Sinne der Aufgaben- und Zielstellung der vorliegenden Erfindung
wurde überraschend
gefunden, dass der Zusatz von geringen Mengen an polymerisierbaren
Monomeren, die anionische Gruppen enthalten, die Oberflächeneigenschaften
von Polymer-basierten Knochenzementen in einer Weise beeinflussen,
dass Proben aus entsprechend modifizierten Knochenzementen nach
Inkubation in SBF spontan mit einer Schicht aus Calcium-Phosphat
Phasen bedeckt werden. Der erforderliche Zusatz an Monomeren mit
anionischen Gruppen zu ansonsten unveränderten Polymer-basierten Knochenzementen
ist von der Auswahl des jeweiligen Monomers abhängig, liegt aber in der Regel
unter 10 Gewichtsprozent bezogen auf die Gesamtmasse der Zementpräparation
und bevorzugt unter 5% bezogen auf die Gesamtmasse. Besonders bevorzugt
sind Zumischungen im Konzentrationsbereich zwischen 0,03% und 3%
bezogen auf die Zementmasse. Es können auch Monomerenmischungen
eingesetzt werden, bevorzugt sind aber reine Monomere.
Einfachstes
erfindungsgemäßes Monomer
ist die Methacrylsäure,
weitere sind Acrylamidoglycolsäure,
Ethylenglycol-Methacrylat-Phosphat, Sulfopropyl-Methacrylat, 2-Acrylamido-2-Methylpropan-Sulfonsäure. Bei
diesen Beispielen handelt es sich um ausgewählte Monomere aus verschiedenen
Gruppen. Im weiteren Verlauf wird das Prinzip der Erfindung und
die daraus abgeleitete Auswahl der Zusätze detailliert beschrieben, so
dass dem Experten klar wird, welche Zusätze als erfindungsgemäß anzusehen
sind, auch wenn sie nicht explizit genannt sind.
Der
gefundene Effekt bestätigt,
dass entsprechend modifizierte konventionelle Polymer-basierte Knochenzemente,
bzw. entsprechend ausgerüstete
neuartige Zementzusammensetzungen von Polymer-basierten Knochenzementen
eine hohe Bioaktivität
nach Implantation in den Körper
aufweisen, indem sie sich mit einer Calcium Phosphat Schicht überziehen
und dadurch osteokonduktiv werden. Diese, mit der vorliegenden Erfindung
erzielte Verbesserung, versetzt uns also in die Lage, Polymer-basierte
Knochenzemente herzustellen, die osteokonduktiv sind und sich fest – ohne nachteiliger
Ausbildung fibröser
Zwischenschichten oder anderer Zwischenräume – mit dem Knochengewebe verbinden
können.
Gegenstand
der Erfindung ist daher ein Knochenzemente auf der Basis von Polymethyl-methcrylat (PMMA),
Co-Polymeren und analogen Systemen, die über radikalische Polymerisation
aushärten,
aber dadurch gekennzeichnet sind, dass sie Zusätze enthalten, die zu einer
Mineralisation der Zementoberfläche
nach Inkubation in simulierter Körperflüssigkeit
führen
und bei denen die erhaltenen Mineralisationsschichten in ihrer Zusammensetzung
Calcium Phosphat Phasen enthalten, so dass nach der Implantation
in Knochen die Ausbildung fibröser
Zwischenschichten unterdrückt
wird.
Weiterhin
kennzeichnend für
die erfindungsgemäßen Knochenzemente
sind die gebildeten Mineralablagerungen, die in simulierter Körperflüssigkeit
zu größer 80%
aus präzipitiertem
Hydroxylapatit bzw. Calcium-defizientem und/oder substituiertem,
carbonatisiertem und/oder Na-, K-, oder Mg-substituiertem Hydroxylapatit bestehen.
Die Knochenzemente enthalten einen Zusatz (nachfolgend Zusatz 1),
der als Mineralisationskeim für
die heterogene Keimbildung für
die Abscheidung von Mineralisationsschichten und insbesondere Calcium
Phosphat Phasen dienen kann.
Gegenstand
der Erfindung ist außerdem
ein Knochenzement, bei dem der Zusatz 1 jeweils mindestens eine
polymerisierbare Monomereinheit, wie z. B. Acrylat-, Methacrylat-,
Vinyl-, oder sonstige ethylenisch ungesättigte Doppelbindung enthält oder
dieser aus Co-Oligomeren oder Co-Polymeren besteht, die unter Verwendung
der zuvor genannten Monomere hergestellt wurden.
Erfindungsgemäße Monomere
(als Zusatz zu Polymer-basierten Knochenzementen) enthalten einerseits
mindestens eine ethylenisch, ungesättigte Doppelbindung, über die
das Monomer-Molekül
bei radikalischer Polymerisation in die Polymermatrix des Knochenzements
eingebaut werden kann und andererseits mindestens eine anionische
Gruppe, die nach erfolgter Polymerisation an der Zementoberfläche als
Kristallisationskeim für
die Mineralisierung in vivo dienen kann. Beide Gruppen können über chemisch
unterschiedlich zusammengesetzte Molekülabschnitte miteinander verbunden
sein.
Die
polymerisierbare Funktionalität
des Monomers kann unterschiedlich zusammengesetzt sein und darf
im wesentlichen eine oder mehrere Gruppen aufweisen, die zu einer
radikalischen Polymerisation geeignet sind und die sich direkt oder über einen
Spacer mit einer anionischen Gruppe modifizieren lassen. Die radikalische
Polymerisation kann hierbei vorzugsweise unter Umgebungsbedingungen
erfolgen, kann aber auch durch Wärm
oder Lichtquellen etc. initiiert werden. Weiterhin kann die polymerisierbare
Funktionalität
des Monomers eine oder mehrere olefinisch ungesättigte Doppelbindungen enthalten,
ohne den Gegenstand und Sinn der Erfindung zu verändern. Bevorzugte
Gruppen für
diesen Abschnitt sind Acrylat- und Methacrylat-Gruppen, aber auch
Vinyl- und Styrol-Derivate. Ausdrücklich eingeschlossen sind
Monomere, die mehr als eine Methacrylat- bzw. Vinyl- und/oder Styrol-Gruppe
enthalten.
Alternativ
zur kovalenten Anbindung erfindungsgemäßer Zusätze zum Knochenzement können diese auch über Nebenvalenzen
an die Zementmatrix angebunden sein. Die polymerisierbare Funktionalität kann daher
auch von Molekülabschnitten
ersetzt werden, die eine gute Verträglichkeit mit der Zementmatrix
aufweisen und sich aus diesem Grund nachhaltig mit ihr verbinden.
Entsprechende Molekülabschnitte
können
daher aus grundsätzlich
allen Zusammensetzungen gebildet sein, für die diese Voraussetzung zutrifft.
Besonders in Betracht kommen Komponenten, die mit der Polymermatrix
des Zements verwandt sind. Als Beispiele seien hier vor allem Oligomere
und Polymere des (Meth-)Acrylats, Vinyls oder Styrols, sowie deren
Co-Oligomere und Co-Polymere untereinander und mit anderen radikalisch
polymerisierbaren Monomeren genannt, so wie sie aus der Polymer-Industrie
bekannt sind. Als erfindungsgemäße Verbindungen
enthalten diese mindestens jeweils eine direkt oder über Spacer
angebundene Funktionalität,
die zu einer anionischen Gruppe dissoziieren oder hydrolysieren
kann.
Als
Spacer fungiert eine optional verwendeter oder notwendiger Molekülabschnitt, über die
eine polymerisierbare Gruppe mit der anionischen Gruppe verbunden
ist/wird. Dabei kann der Spacer praktisch jede Zusammensetzung aufweisen,
die dem Sinn der Erfindung nicht widerspricht. Insbesondere kann
der Spacer großen
Einfluss auf die Kompatibilität
(z. B. Löslichkeit
und Polymerisationsgeschwindigkeit) des zugesetzten Monomers mit
der sonstigen Zementflüssigkeit
haben. Vorausgesetzt wird, dass der Spacer selbst und seine Verbindung
mit den anderen Funktionalitäten
(dem polymerisierbaren Molekülabschnitt
und der anionischen Gruppe) unter Lagerbedingungen chemisch stabil
und physiologisch unbedenklich sind. Für den Spacer kommen vor allem
verzweigte oder unverzweigte Kohlenwasserstoffe mit 1–18 C-Atomen,
kurzkettige Poly-Ether, kurzkettige Poly-Ester (jeweils 1–12 Einheiten,
z.B. PEG und PPG) Poly-Aminosäuren
(z.B. Poly-Amino-Hexansäure), aromatische
Verbindungen mit einem oder mehreren Benzolringen und ähnliche
in Betracht.
Erfindungsbestimmend
ist vor allem der Molekülabschnitt
des Monomer-Zusatzes,
der unter physiologischen Bedingungen in eine anionische Gruppe
dissoziieren oder hydrolysieren kann (anionische Funktionalität), da er
letztlich für
die Ausbildung von Kristallisationskeimen auf der Zementoberfläche entscheidend
ist. Experimentell wurde in dieser Erfindung der erfindungsgemäße Effekt
anhand zahlreicher Beispiele für
Monomere mit Carboxyl-, Phosphat-, Posphonat- und Sulfatgruppen
nachgewiesen (siehe Beispiele). Die anionische Funktionalität kann jedoch
auch jeweils mehr als eine der zuvor genannten Gruppen enthalten,
also Mischungen von Carboxyl-, Phosphat-, Phosphonat-, Sulfatgruppen
und/oder anderen geeigneten anionischen Gruppen enthalten, ohne
den Sinn der Erfindung zu verändern
oder den beobachteten Effekt zu ändern.
Neben den Monomeren mit freien, dissoziierbaren, anionischen Gruppen
sind auch solche Verbindungen eingeschlossen, die erst nach der
Implantation in den Körper
und bei Kontakt mit wässriger
Lösung
zu dissoziierbaren, anionischen Gruppen hydrolysieren, vorzugsweise
und insbesondere Ester der Carboxylgruppe, Phosphat-, Phosphonat-
und Sulfatgruppen. Beispiele für
geeignete Monomere (Zusätze):
- • Carboxylgruppen-haltig:
Einfachstes erfindungsgemäßes Monomer
ist die Methacrylsäure
(die keinen Spacer enthält);
Acrylamidoglycolsäure
- • Phosphatgruppen-haltig:
Ethylenglycol-Methacrylat-Phosphat; Homologe mit mehr als einer
Ethylenglycol-Einheit
- • Phosphonatgruppen-haltig
- • Sulfatgruppen-haltig:
Sulfopropyl-Methacrylat; 2-Acrylamido-2-Methylpropan-Sulfonsäure
Die
genannten Beispiele für
den Zusatz 1 sollen die möglichen
Ausgestaltungsformen der Erfindung anhand einfacher Lösungen demonstrieren;
sie sollen aber in keiner Weise als Einschränkung angesehen werden. Komplexer
aufgebaute Zusätze,
die mehr als eine der oben genannten Funktionalitäten tragen
und/oder weitere Funktionalitäten
enthalten, die in der obigen Beschreibung nicht genannt sind (beispielsweise
Funktionalitäten,
die aus biologischen Molekülen
abgeleitet sind), sind ausdrücklich
als erfindungsgemäße Zusätze anzusehen,
sofern sie sich mit der Zementmatrix verbinden oder an dieser adhärieren und
nach Inkubation von Zementproben, die diese Zusätze enthalten, in simulierter
Körperflüssigkeit
(SBF) zur Ausbildung von Mineralisation auf der Zementoberfläche führen.
Gegenstand
der Erfindung sind zudem auch Knochenzemente, bei denen der Zusatz
1 eine Funktionalität
aufweist, über
die er während
der Aushärtung
oder Polymerisationsreaktion in die Zementmatrix eingebunden oder
an diese adsorbiert werden kann und bei denen der Zusatz 1 eine
Funktionalität
aufweist, die unter physiologischen Bedingungen in eine anionische
Gruppe dissoziieren oder hydrolysiert werden kann und bei dem diese
beiden Funktionalitäten
direkt oder über
einen Spacer-Abschnitt miteinander verbunden sind. Der Zusatz 1
liegt vorzugsweise in einer Endkonzentration von 0,01 bis 10 Gewichts-%,
besonders bevorzugt bei 0,01 bis 5 Gewichts-%, in der Gesamtmasse
des abgebundenen Knochenzements vor. Der am meisten bevorzugte Konzentrationsbereich
liegt zwischen 0,03 und 3 Gewichts-% des abgebundenen Knochenzements.
Eine
bevorzugte Ausführungsform
besteht darin, dass der Knochenzement so vorbereitet angeboten wird,
dass der Zusatz mit der Monomerflüssigkeit schon homogen vermischt
oder in der Monomerflüssigkeit bereits
gelöst
ist oder bei denen der Zusatz in fester Form fein verteilt und homogen
mit dem Zementpulver vermischt ist.
Zur
Verstärkung
des erfindungsgemäßen Effekts
können
dem Polymer-basierten
Knochenzement weitere Zusätze
beigemischt werden, um die Mineralisierungsneigung der Oberfläche nach
der Implantation zu erhöhen.
Dies ist optional möglich,
muss aber nicht erfolgen und gilt somit als besondere Ausführungsform der
Erfindung.
Als
besonders wirksam werden wasserlösliche
Calcium Salze als Zusatz (Zusatz 2) angesehen, wie auch experimentell
nachgewiesen (siehe Beispiele). Die Freisetzung von Ca2+-Ionen
aus der oberflächennahen
Zementmatrix erhöht
lokal die Ca2+-Konzentration in der Nähe des Zements
und führt
zu einer schnelleren und stärkeren
Ausbildung von Calcium Phosphat Phasen an den Kristallisationskeimen.
Bevorzugt sind bioverträgliche
Calcium-Salze, deren Löslichkeit
in Wasser vorzugsweise bei über
1 g/l liegt. Beispiele sind: CaCl2, Ca(NO3)2, Calciumacetat,
Calciumascorbat oder ein anderes Calcium-Salz einer im tierischen
Organismus natürlich
vorkommenden organische Säure
oder eine Mischung derartiger Salze ist. Die Zumischung dieser Salze
(Zusatz 2) liegt im Bereich von 0,01 bis 20 Gewichtsprozent, bevorzugt
zwischen 0,1 und 10 Gewichtsprozent. Besonders bevorzugt sind jedoch
Zumischungen an wasserlöslichen
Calcium-Salzen im Bereich zwischen 0,1 und 7,5 Gewichtsprozenten.
Weitere
erfindungsgemäße Zusätze sind
Puffersubstanzen (Zusatz 3), die durch ihre Freisetzung an der Zementoberfläche zu einer
Anhebung des lokalen pH-Wertes führen.
Aufgrund der pH-Wert-abhängigen Löslichkeit
und Kristallisation von Calcium Phosphat Phasen führt eine
Anhebung des lokalen pH-Wertes zu einer stärkeren Zunahme der relativen Übersättigung
bezüglich
der Bildung von Calcium Phosphat Phasen im Vergleich zum Löslichkeitsprodukt
an der Zementoberfläche
und zu einer Förderung
der Abscheidung von Hydroxylapatit (bzw. Ca-defizientem und carbonatisiertem
Hydroxylapatit). Als pH-Wert anhebende Puffersubstanzen (Zusatz
3) kommen hauptsächlich
und vorzugsweise Na2CO3,
NaHCO3, Na3PO4, Na2HPO4, Na3Citrat in Betracht
(bzw. die entsprechenden K-Salze) – grundsätzlich aber alle bioverträglichen
Puffersubstanzen, deren größte Pufferkapazität im neutralen
oder leicht basischen Bereich liegt vorzugsweise aber solche, deren pK-Wert
bei oder höher
als 7,4 liegt. Die Zumischung der Puffersubstanzen liegt im Bereich
zwischen 0,1 und 15 Gewichtsprozent, bevorzugt bei 0,1 bis 10 Gewichtsprozent
bezogen auf die Gesamtmasse des Zements. Besonders bevorzugt sind
Zumischungen an Puffersubstanz im Bereich zwischen 0,1 und 7,5 Gewichtsprozent.
Die
Gesamtmenge an erfindungsgemäßen Zumischungen
(Zusätze
1 bis 3, ohne Röntgenkontrast und
Antibiotika) liegt bevorzugt unter 20 Gewichtsprozent bezogen auf
die Gesamtmasse und besonders bevorzugt unter 10 Gewichtsprozent,
wobei, besonders bevorzugt, der Gehalt an Zusatz 1 0,03 bis 3 Gewichtsprozent,
der Gehalt an Zusatz 2 0,1 bis 7,5 Gewichtsprozent und der Gehalt
an Zusatz 3 0,1 bis 7,5 Gewichtsprozent beträgt.
Gegenstand
der Erfindung sind ferner Knochenzemente, bei denen die erfindungsgemäßen Zusätze und
sonstigen Zementkomponenten in 2- oder Mehr-Pastensystemen formuliert
sind und dort entweder suspendiert oder gelöst in der Polymerpaste vorliegen.
Außerdem können die
erfindungsgemäßen Knochenzemente
noch weitere Zusätze,
wie z. B. Röntgenkontrastmittel,
Antibiotika, andere antimikrobielle Wirkstoffe und/oder anti-inflammatorische
Wirkstoffe enthalten, die in der Lage sind Entzündungsreaktionen des Körpers nach
der Implantation des Zements zu unterdrücken.
Weiterhin
sind Bestandteil der Erfindung, Knochenzementformulierungen, die
in geschlossenen oder teilweise geschlossenen Mischsystemen formuliert
sind und/oder die als fertig konfektionierte Systeme in sterilisierter
Form vorliegen. Ebenso umschließt
die Erfindung Knochenzementformulierungen, die als Bausatz aus zwei
oder mehr getrennt abgepackten und in ihren Mengenverhältnissen
aufeinander abgestimmten Komponenten bestehen, die erst unmittelbar
vor der Anwendung miteinander kombiniert und gemischt werden.
Schließlich umfasst
die Erfindung die Verwendung des erfindungsgemäßen Knochenzements zur Verankerung
von Prothesenkomponenten im Knochen, zur Versteifung von Knochen,
zur Füllung
und Rekonstruktion von Knochendefekten aller Art, als Dübel für Knochenschrauben
oder als Implantatmaterial zur Verankerung von Schrauben u.a. Implantaten
für die
Osteosynthese.
Der
erfinderische Ansatz und dessen Lösung des aus dem Stand der
Technik bekannten Problems, geht aus den nachfolgenden Darstellungen,
Abbildungen und Beispielen näher
hervor. Die nachfolgenden Darstellungen, Abbildungen und Beispiele
sollen die Erfindung näher
erläutern,
diese aber keinesfalls einschränken.