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Die
Erfindung betrifft ein Arzneimittel zur Behandlung von kognitiven
Störungen
und Verhaltenstörungen,
welche im Rahmen des fetalen Alkoholsyndroms auftreten. Das fetale
Alkoholsyndrom (FAS), welches auf eine Alkoholexposition während der
Schwangerschaft zurückzuführen ist,
stellt heute eine der häufigsten Ursachen
von geistigen und körperlichen
Fehlentwicklungen in der westlichen Welt dar. Allein in der BRD
wird die Zahl der jährlichen
Geburten mit fetalem Alhololsyndrom auf 2200 geschätzt, dies
entspricht etwa 1 von 300 Neugeborenen (Löser 1995). Eine wirksame Behandlung
ist daher von sozialpolitischem und wirtschaftlichem Interesse.
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Das
fetale Alkoholsyndrom zeichnet sich hauptsächlich durch kognitive Störungen und
eine Wachstumsretardierung aus.
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Unter
fetalem Alkoholsyndrom (FAS) im Sinne der nachfolgenden Erfindung
werden durch eine Alkoholexposition während der Schwangerschaft hervorgerufene
zentralnervöse
Dysfunktionen (Streissguth et al. 1993), eine prä- und postnatale Wachstumsretardierung
(Becker et al. 1996) und charakteristische kraniofaziale Anomalien
(Clarren and Smith 1978, Abel 1984b) verstanden. Der Begriff schließt Fälle mit
leichterer, inkompletter Ausprägung
der Symptome, die häufig
als fetale Alkoholeffekte (FAE) oder Alcohol-Related Neurodevelopmental
Disorder (ARND) oder Alcohol-Related Birth Defects (ARBD) bezeichnet
werden (Streissgut und Martin 1983) mit ein.
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Es
ist derzeit keine wirksame Therapie von kognitiven Störungen und
Verhaltenstörungen,
welche im Rahmen des fetalen Alkoholsyndroms auftreten, bekannt.
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Der
Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Arzneimittel zur
Behandlung von kognitiven Störungen
und Verhaltenstörungen
anzugeben, welche im Rahmen des fetalen Alkoholsyndroms auftreten.
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Erfindungsgemäß wird die
Aufgabe gelöst
durch die Behandlung mit einem Arzneimittel, welches eine therapeutisch
wirksame Menge eines CholinesteraseInhibitors oder eines Pro-Pharmakon
eines Cholinesterase-Inhibitors enthält zur Therapie von Verhaltensstörungen und/oder
Störungen
von kognitiven Funktionen, welche im Rahmen des fetalen Alkoholsyndroms
auftreten.
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Mit
dem Ziel mehr über
die Pathologie von FAS herauszufinden, wurden die Störungen der
kognitiven Funktionen in einem Tiermodell für FAS untersucht. Ein bevorzugtes
Tiermodell sind Ratten, die prenataler Alkoholexposition ausgesetzt
werden. Die Route und das Muster der Alkoholexposition ist der des
humanem FAS vergleichbar. Die Ratten zeigen im Tiermodell kognitive
Störungen,
Verhaltensstörungen
und eine Wachstumsretardierung: Diese sind die typischen Symptome
von FAS, wie sie bei Säuglingen
bei humanem FAS auftreten.
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Überraschend
wurde festgestellt, dass die Administration einer therapeutisch
wirksamen Menge eines Cholinesterase-Inhibitors zur Therapie von
kognitiven Störungen
und Verhaltensstörungen,
die durch eine pränatale
Alkoholexposition induziertes FAS hervorgerufen werden, geeignet
ist.
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Der
Cholinesterase-Inhibitor wird aus der Gruppe der Cholinesterase-Inhibitoren
gewählt,
welche zerebral wirksam sind, d. h. die Blut-Hirn-Schranke passieren
können.
Besonders bevorzugte Cholinesterase-Inhibitoren sind Rivastigmin,
Donepezil, Tacrin (Tetrahydroaminoacridin), Galantamin, Metrifonat
oder deren Pro-Pharmaka, deren therapeutisch wirksame Derivate oder
Salze.
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Unter
Pro-Pharmakon im Sinne der Erfindung wird ein Stoff verstanden,
der nach metabolischer Umsetzung im Organismus, das therapeutisch
wirksame Arzneimittel freisetzt.
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Alternativ
können
andere Cholinesterase-Inhibitoren oder deren Pro-Pharmaka, deren
therapeutisch wirksame Derivate oder Salze, für welche bekannt ist, dass
sie in therapeutisch wirksamer Menge die Blut-Hirn-Schranke passieren
zur erfindungsgemäßen Therapie
von FAS verwendet werden.
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Der
Cholinesterase-Inhibitor wird bevorzugt in folgender Konzentration
(pro kg Körpergewicht)
oral in 1 bis 2 Dosen täglich
verabreicht:
Donepezil
(Aricept): | 50 – 200 μg/kg und
Tag |
Rivastigmin
(Exelon): | 30 – 200 μg/kg und
Tag |
Tacrin
(Cognex): | 500 – 3000 μg/kg und
Tag |
Galantamin
(Reminyl) | 200 – 500 μg/kg und
Tag |
Metrifonat | 300 – 2000 μg/kg und
Tag |
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Die
Therapie wird bevorzugt unmittelbar nach Diagnose, besonders bevorzugt
unmittelbar nach der Geburt, begonnen und für mehrere Jahre aufrecht erhalten.
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Anhland
der nachfolgenden Ausführungsbeispiele
wird die Erfindung näher
erläutert:
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Ausführungsbeispiel 1:
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Die
Wirkungsweise von Cholinesterase-Inhibitoren zur Therapie von FAS
wurde in einem Rattenmodell für
FAS getestet. Dieses Modell wird zunächst erläutert:
Es werden Sprague-Dawley
Ratten oder Ratten eines anderen geeigneten Inzuchtstammes einzeln
in Laborkäfigen
unter konstanten Umweltbedingungen (Temperatur 22-24°C, relative
Luftfeuchte 60%, künstlicher Tag-Nacht-Rhythmus)
bei freiem Zugang zu Futter und Leitungswasser gehalten. Nach einer
Eingewöhnungszeit
von ca. 1 Woche, erhält
die Hälfte
der weiblichen Ratten ein Wasser-Alkohol-Gemisch anstelle des Leitungswassers
zur Tränke.
Die Alkoholkonzentration im Trinkwasser beginnt mit 5 % v/v und
wird schrittweise alle sieben Tage um jeweils 5% erhöht, bis
20% erreicht sind. Nach sechs Wochen Tränkung mit 20% Alkohol werden
die Weibchen für
eine Woche mit männlichen
Tieren zur Paarung zusammengesetzt, und danach wieder vereinzelt.
Während
der gesamten Tragzeit erhalten die Weibchen unverändert 20%
Alkohol zur Tränke.
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Parallel
zur oben dargestellten Vorgehensweise werden Weibchen zur Paarung
gebracht, die nur reines Trinkwasser erhalten haben. Nach dem Werfen
dienen diese Weibchen zum einen als Kontrollgruppe, zum anderen
als „Foster-Mütter" zur Aufzucht der
Nachkommen derjenigen Weibchen, die während ihrer gesamten Tragzeit
Alkohol erhalten haben. Durch den Einsatz dieser Foster-Mütter wird
sichergestellt, dass der Alkohol-Einfluss auf die Nachkommenschaft
auf die Tragzeit beschränkt
ist, und sich nicht während
der Laktation fortsetzt.
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Die
Nachkommenschaft wird zunächst
gemeinsam mit den Foster-Müttern,
und ab der siebenten Lebenswoche von den Müttern getrennt unter Standardbedingungen
aufgezogen. Körpergewicht
und körperliche Entwicklung
werden zweimal pro Woche dokumentiert. Die Tiere werden zunächst in
geschlechtsgleichen Gruppen von 3 bis 5 Tieren pro Käfig gehalten.
Mit der Trennung von den Muttertieren beginnt eine sechswöchige Phase
des Handling, daran schließt
sich eine drei-wöchige
Phase des Shaping im Acht-Arm-Labyrinth an.
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In
der Phase des Handling werden die Tiere an den Versuchsleiter, der
später
die kognitiven Leistungen testet, gewöhnt. Hierdurch wird eine Verfälschung
der Testergebnisse durch Angstreaktionen, selektive Aufmerksamkeit
oder Abwehr der Tiere vermieden. Der Versuchsleiter nimmt die Tiere
mehrmals täglich
mit der Hand auf, wo sie für
einige Zeit verbleiben und setzt sie dann in eine für sie neue
Umgebung um.
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In
der Phase des Shaping werden die Tiere an den Versuchsapparat zur
Testung der kognitiven Leistungen und an den Versuchsablauf gewöhnt, um
hierdurch eine Verfälschung
im nachfolgenden Testablauf zu vermeiden. Hierbei werden die Tiere
mehrmals täglich
vom Versuchsleiter aufgenommen und auf die zentrale Plattform des
zur Testung verwendeten Acht-Arm-Labyrinthes gesetzt, wo sie die
Futterbelohnung vorfinden, die sich während der Testung an den Enden
einiger Arme befindet. Den Tieren wird einige Minuten Zeit zur Exploration
im Labyrinth gegeben, bevor sie in ihre Käfige zurück gesetzt werden.
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Bis
zum Testbeginn erhalten die Tiere unbegrenzt Zugang zu Nahrung und
Leitungswasser, kurz vor Testbeginn wird die Nahrung reduziert,
so dass sich zum Zeitpunkt des Testbeginns eine Reduktion des ad-libitum
Körpergewichtes
von 80% eingestellt hat.
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Nach
erfolgtem Handling und Shaping wird zur Untersuchung der kognitiven
Leistungsfähigkeit
die „performance", sowie der „working
memory"- und der „reference
memory"-Fehler im
Acht-Arm-Labyrinth in der Methode nach Jarrard (Behav. Neurosci.
97, 1983, 873) getestet.
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Ausführungsbeispiel 2:
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Die
kognitiven Leistungen von Tieren, deren Muttertiere wie in Ausführungsbeispiel
1 ausgeführt,
während
der Tragzeit mit Alkohol behandelt wurden sowie von Tieren, deren
Muttertiere nicht Alkohol-behandelt wurden, werden im Acht-Arm-Labyrinth
mit und ohne Acetylcholinesteras-Inhibitoren getestet.
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Das
Acht-Arm-Labyrinth besteht aus einer zentralen runden Plattform
von 60 cm Durchmesser, von der radial acht Arme von jeweils 60 cm
Länge und
10 cm Breite zentralsymmetrisch abgehen. Am Ende jedes Armes befindet
sich eine Vertiefung von 2 cm Durchmesser, die zur Aufnahme der
Futterbelohnung (10 Tropfen konzentrierter Zuckerlösung) dient.
Diese Belohnung befindet sich auf vier der insgesamt acht Arme,
und zwar auf den Armen 1, 2, 4 und 6 (Nummerierung im Uhrzeigersinn).
Die vier übrigen
Arme bleiben ohne Belohnung.
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Zu
Versuchsbeginn wird das Tier auf die zentrale Plattform gesetzt,
kann sich dann im Labyrinth frei bewegen und verbleibt dort maximal
5 Minuten bzw. wird früher
in den Käfig
zurückgebracht,
wenn eines der folgenden beiden Kriterien erreicht wird: 1. es wurden
alle vier „belohnten" Arme aufgesucht;
oder 2. es wurde insgesamt 16 mal ein Arm aufgesucht. Die Läufe der
Tiere in die Arme wird fortlaufend registriert und die kognitive
Leistung wird folgendermaßen
bewertet:
- 1. „Performance": der prozentuale
Anteil der korrekt aufgesuchten Arme (mit Belohnung), bezogen auf
die Gesamtanzahl aller Läufe;
- 2. „Reference
memory"-Fehler:
Anzahl aller Läufe
in nicht belohnte Arme;
- 3. „Working
memory"-Fehler:
Anzahl aller während
eines Testes wiederholt aufgesuchten Arme. Pro Tag werden pro Tier
zwei Tests durchgeführt
(vormittags und nachmittags).
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Jeweils
20 Minuten vor der Testung erhalten die Tiere eine Injektion des
Acetylcholinesterase-Inhibitors Tacrin (9-Amino-1,2,3,4-Tetrahydroacridin)
(1 mg/kg i. p.) bzw. Neostigmin (0,45 mg/kg i. p.) bzw. der Placebokontrolle
(äquivalente
Volumina Kochsalz). Es werden insgesamt 60 Tests pro Tier durchgeführt. Nach etwa
40 Tests erreichen die zu testenden kognitiven Leistungen ein stabiles
Niveau und verbessern sich danach nicht weiter. Zur Auswertung wird
daher der Mittelwert aus den 10 letzten Tests herangezogen.
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Es
werden folgende Ergebnisse erhalten (als FAS-Tiere werden solche
bezeichnet, deren Mutter während
der Tragzeit mit Alkohol behandelt wurden; jede Gruppe besteht aus
8 Tieren):
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Hieraus
wird ersichtlich, dass die kognitiven heistungsparameter bei FAS-Tieren
gegenüber
Kontrolltieren deutlich beeinträchtigt
sind, und dass die Gabe von Tacrin, einem zerebral wirksamen Acetylcholinesterase-Inhibitor,
diese Werte wieder normalisiert. Demgegenüber bleiben Placebo und Neostigmin,
ein Acetylcholinesterase-Inhibitor,
der nicht in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren,
ohne Wirkung.