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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen des lokalen Kristallgitterzustandes
von Stoffen aus dem örtlichen
Verlauf der Dichte der Rückstreuelektronen,
die bei Bestrahlung eines vorgegebenen Stoffbereichs mit Elektronen
entstehen. Das Verfahren ermöglicht
insbesondere die Bestimmung des lokalen Verformungszustandes kristalliner
Stoffe sowie die Bestimmung von Abweichungen der Kristallstruktur
vom Idealzustand.
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Der
Verformungszustand von kristallinen Stoffen kann über die Änderung
der als Netzebenenabstände
bezeichneten Abstände
der Atomlagen bestimmt werden, weil diese ein Maß für die auf den Stoff von außen wirkenden
mechanischen Spannungen und die im Stoff vorhandenen Eigenspannungen und
die plastische Verformung des Stoffes sind. Die Messung des Verformungszustandes
wird bisher überwiegend
mittels Röntgenbeugung
durchgeführt. Ein
Nachteil der bekannten Verfahren ist, dass nur relativ große Bereiche
eines Stoffes mit Durchmessern größer als ein Mikrometer vermessen
werden können.
Messungen an kleineren Bereichen bis herab zu etwa 0,02 μm Durchmesser
sind jedoch zur Charakterisierung von ausgewählten Stoffbereichen notwendig,
beispielsweise zum Ermitteln des Spannungszustandes an Rissspitzen,
an einzelnen Bestandteilen der Mikrostruktur, in der Umgebung von Füllstoffen
und Fasern sowie an kleinen Bauteilen der Mikrosystemtechnik und
an kleinen beschichteten Materialbereichen. Für die richtige Zuordnung des
Messbereiches muss dieser gleichzeitig mit einem mikroskopischen
Verfahren abgebildet werden.
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Für das Messen
der Kristallgitterzustände kleiner
Materialbereiche, die eine Fläche
von weniger als einem bis zu einigen Quadratmikrometern haben, kann
die Rückstreuelektronenbeugung
eingesetzt werden. Diese beruht darauf, dass bei der Bestrahlung
von kristallinen Stoffe mit Elektronenstrahlen, beispielsweise in
einem Rasterelektronenmikroskop, Elektronen aus der Oberfläche der
zu untersuchenden Probe austreten. Diese Rückstreuelektronen weisen infolge
ihrer Beugung an Kristallgittern bestimmte örtliche Variationen der Elektronendichte auf.
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Der örtliche
Verlauf der Rückstreuelektronen-Dichte
in einer Ebene wird beispielsweise mit einem Fluorenszenzschirm
und einer dahinter angeordneten Kamera auf einem Display visualisiert.
Die dargestellten Rückstreuelektronen-Beugungsmuster enthalten
als Kikuchi-Linien
bezeichnete Muster, wobei zwei parallele Linien, die durch Beugung
an einer Gitterebene entstehen, als Beugungsband bezeichnet werden
[K.Z. Baba-Kishi; Journal of Materials Science, 37(2002)1715–1746].
Aus der Lage der Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
zueinander werden die Kristallstruktur und die Kristallorientierung
bestimmt. Dieses Verfahren ist unter der Bezeichnung Rückstreuelektronenbeugung
(electron back scatter diffraction/EBSD) bekannt.
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Aus
den Rückstreuelektronen-Beugungsbildern
können
auch die in den kristallinen Stoffen vorhandenen plastischen Verformungszustände und
die elastischen Spannungen ermittelt werden.
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Mit
zunehmendem Verformungszustand von kristallinen Stoffen werden die
Konturen der Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
weniger schart. Der Verformungszustand kann deshalb über das
Elektronendichteprofil ermittelt werden, das entlang einer gedachten
Linie senkrecht zu den Beugungsbändern/Kikuchi-Linien
auftritt. Durch Vergleich des Elektronendichteprofils mit denen,
die von Vergleichsproben erhalten werden, wird der Verformungszustand
bestimmt. Dazu wird das Elektronendichteprofil mit Hilfe eines Bildverarbeitungssystems
anhand des mittels Leuchtschirm und Kamera erhaltenen digitalen
Beugungsbildes ausgemessen [P.J. Buchanan, V. Randle, P.E.J. Flewitt;
Scripta Materialia, 37(1997)1511–1518]. Dieses Verfahren hat
den Nachteil, dass die Ortsauflösung
bei Verwendung der bekannten Leuchtschirm/Kamera-Systeme begrenzt ist
und damit nur ein grobes Ausmessen des Elektronendichteprofils möglich ist.
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Eine
andere Möglichkeit
besteht darin, das Elektronendichteprofil durch Belichten eines
elektronenempfindlichen photographischen Films und das densitometrische
Ausmessen der Schwärzung
des Films zu bestimmen [A.J. Wilkinson, D.J. Dingley; Acta metall.mater.,
12(1992)3357–3368].
Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass die Aufnahme der Elektronendichteverteilung
aus mehreren Schritten besteht: Belichten und Entwickeln des Films
sowie densitometrisches Ausmessen der Filmschwärzung.
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Eine
weitere Möglichkeit
zum Bestimmen der in Kristallen vorhandenen elastischen Spannung
mit Hilfe der Elektronenrückstreubeugung
ist das Ausmessen der Breite von Beugungsbändern/Kikuchi-Linien und das
Messen der Veränderung
von Winkeln zwischen den aus den Beugungsmustern erhaltenen Zonenachsen
der Kristalle [A.J. Wilkinson; Materials Science and Technology,
13(1997)79–84].
Diese Verfahren beruhen auf der Aufnahme der Beugungsmuster mittels
Leuchtschirm und Kamera oder elektronenempfindlichem Film.
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Nachteilig
an den vorstehend beschriebenen Verfahren ist, dass bei Verwendung
der bekannten Systeme zur Aufnahme der Beugungsmuster mittels Leuchtschirm
und Kamera die Ortsauflösung
so gering ist, dass nur relativ große elastische Spannungen gemessen
werden können,
und bei der Verwendung von elektronenempfindlichem Film mehrere Verfahrensschritte
notwendig sind, um die Messergebnisse zu erhalten. Dadurch sind
der Messaufwand für
eine Probenstelle und die Aufnahme von Spannungs- und Verformungsverteilungen
sehr zeitintensiv.
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Eine
Verkürzung
der Messzeit soll mit einem Verfahren und einer Einrichtung gemäß der
US 5 466 934 erreicht werden.
Hierzu wird die Rückstreuelektronen-Dichte
mit zwei Bildaufnehmern unterschiedlicher Ortsauflösung erfasst.
Nach einem Einsatz des höher
auflösenden
1. Bildaufnehmers, z. B. mit einer Videokamera für die generelle Auswahl des
Beugungsmusters von einem Meßort
auf der Probe, wird nachfolgend zur Erfassung der von benachbarten Meßorten auf
der Probe stammenden Beugungsmuster nur noch der niedriger auflösende 2.
Bildaufnehmer verwendet, der z. B. als Dioden-Array ausgebildet
ist. Diese Lösung
verzichtet zugunsten einer schnellen Auswertung der Rückstreuelektronen-Beugungsmuster auf
eine hohe örtliche
Auflösung
beim 2. Bildaufnehmer, sodass keine für die Bewertung der Beugungsmuster
erforderliche örtliche
Auflösung
erreicht wird, die über
die bekannten Aufnahmetechniken hinausgeht.
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Es
besteht deshalb die Aufgabe, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem
der örtliche
Verlauf der Dichte der Rückstreuelektronen
in ausgewählten
Regionen von Rückstreuelektronenmustern
mit geringem experimentellem Aufwand und einer solchen Ortsauflösung gemessen
werden kann, dass daraus der Kristallgitterzustand von Stoffen mit
einer hohen Genauigkeit bestimmt werden kann und das es ermöglicht,
die Breite der Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
und die Winkel zwischen Zonenachsen mit einer für das Errechnen der Kristallgitterkonstanten
und elastischen Spannungen ausreichenden Genauigkeit zu vermessen.
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Erfindungsgemäß wird diese
Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.
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In
einer besonders vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens wird
die Dichte der aus dem Stoff bei Bestrahlung mit einem fokussierten Elektronenstrahl
austretenden Rückstreuelektronen mit
einer beweglichen Sonde gemessen. Von besonderem Vorteil ist dabei
die Verwendung eines elektronenempfindlichen Leuchtschirms als Justierhilfe
für die
Auswahl des mit der beweglichen Sonde zu vermessenden Bereiches.
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Weitere
vorteihafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen des Verfahrens ergeben
sich unmittelbar aus den Unteransprüchen.
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Mit
dem erfindungsgemäßen Verfahren
wird der örtliche
Verlauf der Dichte der Rückstreuelektronen
im Bereich der als Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
bezeichneten örtlichen
Dichte-Maxima mit einer hohen Ortsauflösung und Genauigkeit vermessen. Dies
ermöglicht
ein Bestimmen der im Kristallgitter vorhandenen mechanischen Spannungen
aus den Gitterdehnungen und Gitterstauchungen oder den Winkeln zwischen
Zonenachsen sowie das Bestimmen der plastischen Kristallgitterverformungen
anhand der Schärfe
des Elektronendichteprofils. Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt es, die
Dichte der Rückstreuelektronen
mit einer Auflösung
von besser als 10 Nanometern in einem Abstand von der Probe zwischen
10 und 80 Millimetern zu messen, wodurch Kristalgitterverformungen
von weniger als 0,1 % nachweisbar sind.
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Im
Folgenden wird das Verfahren anhand von zwei Ausführungsbeispielen
mit weiteren Einzelheiten näher
erläutert.
Dabei wird auf die in 1 und 2 der beigefügten Zeichnungen
schematisch dargestellten Anordnungen Bezug genommen, die zur Durchführung des
Verfahrens geeignet sind.
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Mit
Bezug auf 1 sind in einer durch mechanische
Belastung gebogenen Probe a aus Si die örtlich auftretenden Kristallgitterspannungen
mit einer lokalen Auflösung
von 0,1 Mikrometer in einem Rasterelektronenmikroskop zu bestimmen.
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Hierzu
werden einzelne Bereiche der Probe a punktförmig mit dem Primärelektronenstrahl
b bestrahlt, wodurch Rückstreuelektronen
c in einen Raumwinkel-Bereich ausgestrahlt werden. Die Rückstreuelektronen
c treffen in bekannter Weise auf einen mit einem elektronenempfindlichen
Leuchtstoff versehenen durchsichtigen Schirm d, wodurch in der Ebene
des Schirms d eine dem örtlichen
Verlauf der Rückstreuelektronen-Dichte
entsprechende Intensitätsverteilung
erzeugt wird. Die maximale Auflösung für Details
dieser Intensitätsverteilung – hier als
erste Ortsauflösung
bezeichnet – ist
durch die Korngröße des verfügbaren Leuchtstoffmaterials
bedingt. Wegen dieser niedrigen ersten Ortsauflösung ist es nicht möglich, die
Dichte der Rückstreuelektronen
mit der für
hochgenaue Auswertungen nötigen
Auflösung von
einigen 10 Nanometern in einem Abstand von der Probe a zwischen
10 und 80 Millimetern zu bestimmen.
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Hinter
dem Schirm d befindet sich eine Kamera e, mit deren Hilfe unter
Nutzung von bekannter Software und einem Rechner die auf dem Schirm
d erzeugte Intensitätsverteilung
auf einem Display dargestellt wird. Anhand der Darstellung auf dem
Display wird ein Bildbereich ausgewählt, in dem ein oder mehrere
Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
auftreten. Der so ausgewählte
Bildbereich ist das Messgebiet, in dem in einem weiteren Verfahrensschritt
die Rückstreuelektronen-Dichte
mit einer zweiten Ortsauflösung
bestimmt wird, die höher
als erste Ortsauflösung
ist.
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Zu
diesem Zweck wird die Rückstreuelektronen-Dichte
dieses Messgebietes mit einer Sonde f, die zwischen der Probe a
und dem Schirm d angeordnet ist und die an ihrem einen Ende eine
für Rückstreuelektronen
empfindliche Detektorzelle trägt,
mit der zweiten Ortsauflösung
aufgezeichnet, die hier 10 nm beträgt.
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Das
von der Sonde kommende Signal wird rechentechnisch in an sich bekannter
Weise verarbeitet und mit einem der bekannte Algorithmen so ausgewertet,
dass der örtliche
Verlauf der Dichte der Rückstreuelektronen
erhalten wird. Aus diesem Verlauf wird in bekannter Weise die Kristallgitterdehnung oder
-stauchung und daraus die Gitterspannung berechnet.
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Aus
dem Vorhergehenden folgt, dass die erste Ortsauflösung nur
so hoch sein muss, wie es für die
Positionsbestimmung des auszuwählenden
Bildbereiches notwendig ist, der als Messgebiet für die nachfolgende
Messung mittels der hochauflösenden Sonde
f dienen soll. Die mittels der Sonde f erzielte zweite Ortsauflösung muss
dagegen so groß sein, dass
sie die Bestimmung des lokalen Kristallgitterzustandes mit der gewünschten
Genauigkeit gestattet.
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Mit
Bezug auf 2 sind in einer durch schnelles
Abschrecken verzogenen Probe a aus einem Kohlenstoffstahl die örtlich auftretenden
Kristallgitterspannungen in den Ferritbereichen mit einer lokalen
Auflösung
von 0,5 Mikrometer in einem Rasterelektronenmikroskop zu bestimmen.
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Analog
zum Vorgehen gemäß Beispiel
1 werden einzelne punktförmige
Bereiche der Probe a mit dem Primärelektronenstrahl b bestrahlt,
wodurch Rückstreuelektronen
c in einen Raumwinkel-Bereich ausgestrahlt werden. Die Rückstreuelektronen
c treffen auf den mit einem Leuchtstoff versehenen durchsichtigen
Schirm d auf, hinter dem sich eine Kamera e befindet, mit deren
Hilfe unter Nutzung von bekannter Software und einem Rechner die
auf dem Schirm erzeugte Intensitätsverteilung
auf einem Display dargestellt wird.
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Hinsichtlich
der mit dem Schirm d bzw. dem Display erzielbaren Auflösung und
der Auswahl des Messgebietes für
die hochauflösende
Messung der Dichte der Rückstreuelektronen
gilt das in Beispiel 1 Gesagte entsprechend. Im Unterschied zu Beispiel
1 ist jedoch der Schirm d mit einer elektronendurchlässigen Öffnung versehen,
die durch Bewegen des Schirms mit Hilfe eines Antriebes im Bereich
der zu vermessenden Beugungsbänder/Kikuchi-Linien
positioniert werden kann. Der örtliche
Dichteverlauf der durch die genannte Öffnung hindurchtretenden Rückstreuelektronen
g wird mit einer Sonde f aufgezeichnet, die zwischen dem Schirm
d und der Kamera e hinter der elektronendurchlässigen Öffnung angeordnet ist. Die
Sonde f trägt
an ihrem einen Ende eine für
Rückstreuelektronen
empfindliche Halbleiterschicht von 10 nm Durchmesser und weist einen
Antrieb auf, der eine Positionierung der Sonde f innerhalb des Messgebietes
mit einer entsprechenden Genauigkeit ermöglicht.
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Das
von der Sonde f kommende Signal wird rechentechnisch in an sich
bekannter Weise verarbeitet und mit einem der bekannte Algorithmen
so ausgewertet, dass das Dichteprofil der Rückstreulelektronen erhalten
wird. Aus diesem wird in bekannter Weise die Kristallgitterdehnung
oder -stauchung und daraus die Gitterspannung berechnet.