Die Erfindung betrifft eine Verfahren zur Vermeidung von Presssitzschäden an
Radsätzen, insbesondere an Radsätzen von Schienenfahrzeugen, sowie eine
Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.
Am Radsatz von Schienenfahrzeugen wird die überwiegende Anzahl der Ver
bindungen zwischen Radsatzwelle und Rad als Längspressverband ausgeführt.
In der Instandhaltung von Radsätzen ist ein mehrmaliges Lösen und Neufügen
der Pressverbände notwendig. Dabei treten oft Pressschäden in Gestalt von
Längsriefen, Kaltverschweißungen und Oberflächenbeschädigungen bis hin zur
Unbrauchbarkeit der Radsatzwelle auf. Radsitze mit Pressschäden müssen ü
berarbeitet werden, um eine weitere Verwendung der Radsatzwellen zu ermög
lichen. Das Bearbeiten der Radsitze verursacht jedoch Fertigungskosten und
verringert durch die Bearbeitung den Durchmesser der Welle. Durch mehrmali
ge Bearbeitung des Radsitzes wird das zulässige Grenzmaß des Durchmessers
erreicht und die Radsatzwelle wird vorzeitig unbrauchbar.
Aus DD 152 972 B kann zum Stand der Technik entnommen werden, dass bei
Längspressverbänden Molybdändisulfidpaste zur Verhinderung fortschreitender
Passungsrostbildung mit teilweisem Erfolg zur Anwendung gebracht wurde.
Molybdändisulfidpulver soll auch bei Quer- und Längspressverbindungen die
Passungsrostbildung mit geringem Erfolg verhindern. Das Patent selbst sieht
vor, dass Passflächen einer Wellen-Nabenverbindung mit aus einer chemischen
Verbindung des Grundwerkstoffes bestehenden nicht-metallisch-organischen
Schichten versehen sind. In diese können auch temporäre Korrosionsschutz
mittel eingelagert werden. Dadurch soll Passungsrost verhindert und der Haft
wert zwischen den Passflächen erhöht werden.
Weiterhin ist es seit längerer Zeit bekannt, die Wellen durch Metallspritzen mit
Molybdän zu beschichten. Der Vorteil der besseren Gleitfähigkeit wird aller
dings mit einem hohen Fertigungsaufwand und einer Schwächung der Welle
erkauft.
In der Praxis zeigt sich, dass die Metallspritzschichten oft nicht ausreichend
haften und unter Betriebsbeanspruchungen zum Ablösen neigen. Außerdem tritt
in den Naben Passungsrost auf.
In DE 23 46 144 A1 wird eine Leichtmetallscheibe mit Stahlbandage durch ei
nen konischen Sitz mit Zweikomponentenkleber verbunden. Nach DE 23 61 891 A1
kommt eine Buchse zum Einsatz, die weicher als die Welle ist und in die
Radnabe eingeschrumpft wird. Diese Kombination wird wiederum auf die Welle
aufgeschrumpft.
In DE 23 54 206 A1 wird eine Klebschrumpfverbindung vorgestellt. Nach DE 23 62 434 A1
haben die Vollräder eine spezielle Formgebung, so dass bei einem
Press- oder Schrumpfsitz Wärmeeintragungen durch die Klotzbremse bis über
300°C keine Spurmaßänderungen bzw. Lockerungen der Scheiben bewirken.
In DE 23 63 403 A1 ragt bei einer normalen Pressung die Nabe über den Wel
lensitz hinaus, so dass an dieser Stelle eine elastische Masse gegen das Ein
dringen von Feuchtigkeit eingebracht werden kann.
Im EP 223759 A1 wird ein Verfahren zur Herstellung von Oberflächen für
mehrfach verwendbare Längssitzverbindungen erläutert.
Die härtbaren Stahlwellen weisen parallele in axialer Richtung, d. h. in Press
kraftrichtung verlaufende Härtespuren, insbesondere Laserhärtespuren der
Festphase mit einem Martensitgefüge auf.
Durch die gehärteten Flächen soll die Reibung in axialer Richtung, um den
Pressvorgang zu erleichtern, verringert werden, während die Reibung in radia
ler Richtung durch leichtes Eindringen der Härtespuren in die Nabenoberfläche
erhöht werden soll.
In DE 26 35 608 A1 wird schließlich der klassische Presssitz der Radsätze
verlassen und auf eine Befestigung mit Schrauben, auch für andere Konstrukti
onsteile der Welle übergegangen.
Bei diesen Lösungen bleiben jedoch die Nachteile des Fressens, d. h. erhebli
che Beschädigungen der Oberflächen infolge des Auftretens starker Festkör
perreibung bei Presssitzen weitgehend bestehen. Eine Schmierung ist bei den
hier wirkenden hohen Drücken nur begrenzt wirksam, weil der Schmierstoff-
Film durchbrochen wird.
Der Einsatz nicht metallisch-organischer Schichten ist nicht auf eine Reibungs
reduzierung beim mehrfachen Fügen und Lösen von Längspressverbindungen
ausgelegt.
Es findet weiterhin, wenn auch z. T. mit gehärteten Flächen, eine Reibung von
Stahl auf Stahl bzw. auf Stahlguss statt, ohne eine Gleitschicht einzubringen
und dem Passungsrost wirksam entgegenzutreten.
Bei konischen Sitzen mit Zweikomponentenklebern besteht das Risiko des Lö
sens der Verbindung, insbesondere bei höheren Wärmeeintragungen.
Eine zusätzliche Buchse einzusetzen bedeutet erhöhten Fertigungsaufwand,
wobei die Fressneigungen nicht beseitigt sind.
Bei Klebschrumpfverbindungen besteht das Risiko extremer Abpresskräfte mit
anschließendem Fressen.
Desweiteren ist ein Verfahren zur Herstellung von Flächen mehrfach verwend
barer Längspresssitzverbindungen, insbesondere für Radsätze von Bahnen be
kannt, wobei auf den härtbaren Stahlwellen parallele Laserhärtespuren in der
Festphase mit einem Martensitgefüge in direkter Richtung der Längspresskraft,
d. h. axial zur Welle auf der Fläche der Presssitzverbindung und beidseitig dar
über hinaus gezogen werden, so daß die Oberflächenhärte um ein Mehrfaches
zum Grundmaterial angehoben wird, um anschließend Messing mit kubisch
flächenzentrierten α-Mischkristallen, vorzugsweise mit 30-37% Zn-Gehalt, als
Festschmierstoff, in Form feiner Partikel aufzutragen, um dann über das sehr
harte und feinstrukturierte Werkstoffgefüge der Laserspuren die hohen Reib
kräfte beim Auf- und Abpressen und die Haftkräfte der Presssitzverbindung in
das weichere Grundmaterial auch nach wiederholten Fügevorgängen ohne Be
schädigungen der Oberflächen sicher einzutragen (DE 196 24 598 C1).
Das Verfahren ist für die notwendigen hohen Ansprüche an eine sehr niedrige
Oberflächenrauhigkeit der Radsätze von Schienenfahrzeugen bei einer höchs
ten Härte nicht ausreichend. Presssitzschäden können damit nicht wirkungsvoll
genug vermieden werden.
Durch den mit der Härtesteigerung einhergehenden Verlust an Zähigkeit ist ei
ne Verringerung der ertragbaren Spannung, insbesondere in Kerben und Quer
schnittsübergängen, zwangsläufig verbunden. Aus diesem Grund ist bei An
wendung des Verfahrens die ursprüngliche Sicherheit gegen Dauerbrüche nicht
mehr gegeben.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu entwickeln, welches
arbeitsplatz- und umweltfreundlich, sowie energie- und kostengünstig die Rad
sitze vor Pressschäden schützt. Dieses Verfahren soll sich in die bestehende
Instandhaltungstechnologie einfügen sowie ohne konstruktive Änderungen der
Radsatzbauarten (Übermaße) und des Fügeverfahrens nach UIC 813 auskom
men. Weiterhin soll das Verfahren eine mit den gegenwärtig angewendeten
Fertigungs- und Fügeverfahren vergleichbar hohe Sicherheit gegen Dauerbrü
che sowie vergleichbar hohe Übertragungsfähigkeit für Kräfte und Momente
bieten.
Dies wird erfindungsgemäß dadurch erreicht, dass vorab in mindestens einem
Schritt die Radsatzwelle in ihrem zylindrischen sowie kegelförmigen Endbereich
längsgedreht oder -geschliffen und der entstandene Übergang geglättet
und/oder abgerundet wird, so dass die Behandlung der Oberfläche der
Radsatzwelle mittels eines Plasma-Ionenimplantationsverfahrens in derart
durchgeführt wird, dass unter Atmosphärendruck durch ein reaktionsfähiges
Gas als Trägergas aufweisendes kaltes Plasma ein fein verteiltes Pulver, ins
besondere ein sulfidhaltiges Pulver auf die rotierende Radsatzwelle so aufge
bracht wird, dass im Nano-/Mikrometerbereich eine sehr harte metallische
Gleitschicht mit geringer Adhäsionsneigung ausgebildet wird, wobei bei höchs
ten Anpressdrücken zwischen Radsatzwelle und Rad, gerade nach dem Abrei
ßen eines Schmierstofffilmes eine Pressschäden verhindernde Feststoffschmie
rung erzeugt wird. Das Fügen des Radsatzes erfolgt dabei im Längspressver
fahren.
Das mittels Plasma-Ionenimplantationsverfahren auf die Oberfläche der
Radsatzwelle aufgebrachte Pulver, insbesondere sulfidhaltige Pulver wird in
einer Gleitschichtdicke im einstelligen Mikrometerbereich, vorzugsweise von 50 nm
bis < 2 µm aufgebracht.
Durch das Längsdrehen der Oberfläche der Radsatzwelle wird eine maximale
Oberflächenrauhigkeit von Ra = 1,2 µm erreicht.
Die Plasma-Oberflächenbehandlung kann dabei mehrmals im Instandhaltungs
prozess durchgeführt werden. Der Festschmierstoff wird auf die rotierende
Radsatzwelle mit einem Vorschub von 5-50 mm/min., vorzugsweise 10 mm/min.
aufgebracht.
Überraschender Weise hat sich gezeigt, dass zwei entgegengesetzte Vorschub
richtungen bei der spanenden Bearbeitung im zylindrischen und im kegelförmi
gen Endbereich der Radsatzwelle zu einer stark verbesserten Unterdrückung
der Pressriefenbildung führt.
Der zylindrische Endbereich der Radsitzes wird mit einem optimiertem Vor
schub im ersten Schritt von außen nach innen längsgedreht oder -geschliffen.
Der kegelförmige Endbereich der Radsitzes wird dagegen von innen nach au
ßen längsgedreht oder -geschliffen. Ein entstehender Übergangsbereich wird
geglättet und/oder abgerundet.
Die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens ist dadurch gekennzeichnet,
dass die Vorrichtung vorzugsweise eine Drehmaschine ist und die längsge
drehte oder -geschliffene Radsatzwelle des Weiteren in eine Plasma-
Ionenimplantationsanlage eingebunden ist, deren mit reaktionsfähigem Gas als
Trägergas gespeiste Plasmaentladung unter Atmosphärendruck ein fein ver
teiltes Festschmierstoff-Pulver auf die Welle aufbringt, wobei die Plasmaentla
dung vorzugsweise im Winkel von 90° auf die rotierende Welle gerichtet ist.
Die Plasmaentladung ist in einem Abstand von 20-80 mm, vorzugsweise 30 mm,
von der Radsatzwelle entfernt angeordnet mit einem Vorschub zur Ober
fläche der Radsatzwelle versehen, so dass der Plasmastrahl eine größere Flä
che bestreichen kann.
Dabei ist die Vorrichtung zur Plasmaentladung vorzugsweise an einem Support
einer Drehmaschine oder einer ähnlichen Einrichtung befestigt.
Durch die Plasmabehandlung werden die Festschmierstoff-Partikel in die Ober
fläche implantiert und bewirken eine Feststoffschmierung gerade dort, wo der
Schmierstofffilm des Presshilfsmittels abreißt. Mit dem verwendeten Reaktions
gas als Trägergas diffundiert dieses bzw. dessen Inhibitoren in die Oberfläche
des Radsitzes ein und bewirken über die Härtesteigerung zusätzlich einen er
höhten Werkstoffwiderstand gegen das Auftreten von Pressriefen.
Die Implantation von Festschmierstoffpartikeln und die Eindiffusion von Reakti
onsgas findet in Nano-/Mikrometerbereich in die Oberfläche statt. Somit wird
die Dauerfestigkeit des Radsitzes nicht verringert.
An das Plasma-Ionenimplantieren anschließend wird der Radsatz im Längs
pressverfahren unter Verwendung vorzugsweise einer Molybdändisulft-Paste
als Presshilfsmittel gefügt.
Im Pressvorgang wird durch die Vorbehandlung ein Haftbeiwert gegen Lösen in
Längsrichtung νll von max. 0,15 und ein Haftbeiwert gegen Rutschen νrl von
max. 0,12 erzielt.
Im Instandhaltungsprozess kann die Ionen-Implantationsanlage aufgrund von
kurzen Behandlungszeiten (Minutenbereich) sowie geringem Platz- und Ener
giebedarf in den Fertigungsprozess integriert werden. Es ist möglich, das
Plasma-Ionenimplantieren zu wiederholen, wenn im Instandhaltungsprozess z. B.
eine Durchmesseranpassung des Radsitzes notwendig wird. Ebenso kann
das Verfahren gleichermaßen in Neufertigung und Instandhaltung angewendet
werden.
Zur arbeitsplatz- und umweltfreundlichen Charakteristik der erfindungsgemäßen
Vorrichtung trägt die Verwendung nichttoxischer Gase, die sehr geringe Ge
räuschentwicklung der Plasmaimplantationsanlage, die Vermeidung von auf
wändigen elektrischen Schutzmaßnahmen und der Verzicht auf spezielle Vor
richtungen zur industrieüblichen Absicherung des 230/400 V-Netzes bei.
Anhand eines Ausführungsbeispieles soll nachfolgend die Erfindung näher er
läutert werden.
Dabei zeigen:
Fig. 1 die Vorrichtung zum Aufbringen der Plasma-
Gleitschicht auf die Radsatzwelle im Längsschnitt
Fig. 2 die Entstehung von Adhäsionsriefen.
Mittels des Plasma-Ionenimplantierens wurden die Radsitze einer Radsatzwelle
behandelt, wobei die Plasma-Implantationsanlage auf dem Support einer Dreh
maschine befestigt war. Die Presssitzübermaße wurden so gewählt, dass ein
Radsitz die untere Grenze und ein Radsitz die obere Grenze der zulässigen
Presssitzübermaße nach UIC 813 verkörperte.
Zwischen der Anode (1) und der Kathode (2) der Plasmaentladung wird dabei
durch eine frequente Hochspannung das Trägergas mit den Festschmierstoff-
Partikeln (3) vermischt und in einen ionisierten Kalt-Plasmazustand überführt.
Das ionisierte Reaktionsgas-Plasma (5) wird auf den Radsitz (6) der rotieren
den Radsatzwelle (7) gelenkt. Durch die Translationsbewegung der Plas
maentladung wird die gesamte Oberfläche des Radsitzes behandelt.
Nach dem Plasma-Ionenimplantieren wurden die Räder unter Produktionsbe
dingungen auf einer Radsatzpresse aufgepresst und nach 48 Stunden ohne
Ölweitungsverfahren abgepresst. Insgesamt wurden die Radsitze achtmal ge
fügt und gelöst, ohne dass Pressriefen auftraten.
Zum Nachweis der Dauerfestigkeit wurde der Radsatz auf einem Rollprüfstand
10 Millionen Überrollungen mit einer Radaufstandskraft von 170 kN und Quer
kraft von 60 kN unterworfen. Während des Versuches traten keine Risse und
keine bleibende Verschiebung des Rades auf.