Verfahren zur Aufbereitung von schwermetallhaltigen Abwässern
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Aufbereitung von schwermetallhaltigen Abwässern durch selektives Entfernen der komplexen Schwermetallanionen.
Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass man neutrale, alkalische oder saure neutralsalzreiche Abwässer über schwach bis mittel basische Anionenaustauscher leitet, deren Anionen zumindest zu 10 Prozent aus metallfreien, nichtkondensierten Säureanionen und zum Rest aus Hydroxylionen bestehen.
In Beizereien, in Phosphatieranlagen oder in galvanischen Betrieben der metallverarbeitenden Industrie fallen neben aufgebrauchten Konzentraten vor allem grosse Mengen an Spülwässern mit einem Gehalt an einfachen und komplexen Schwermetallsalzen an, der in der Regel über dem für ihre Ableitung zulässigen Grenzwert liegt. Zur Entfernung dieser Metallverbindungen werden die Lösungen neutralisiert, bzw. je nach Anwesenheit besonderer Giftstoffe reduziert oder oxydiert. Das dazu üblicherweise angewandte Verfahren bestand bisher vorwiegend in einer Durchlaufentgiftung, bei welcher die zur Aufarbeitung benötigten Chemikalien mit Hilfe aufwendiger und störanfälliger elektronischer Steuer- und Regeleinrichtungen zudosiert wurden.
Einen wichtigen Fortschritt bedeutete in diesem Zusammenhang die Einführung des Ionenaustauschers.
Mit Hilfe solcher Austauscherharze lassen sich alle kationisch und anionisch geladenen einfachen und komplexen Verbindungen mit nahezu vollständiger Sicherheit und ohne Abhängigkeit von komplizierten Mess- und Schalteinrichtungen kontinuierlich aus dem Abwasser entfernen. Die bei der Regeneration erschöpften Austauscher gewonnenen Konzentrate werden gemeinsam mit den in der Fertigung anfallenden Abfall säuren bnv. -laugen im Standverfahren entgiftet.
Die Sicherheit der Entgiftung ist dabei wesentlich höher und der Aufwand an Mess- und Regeltechnik weitaus geringer als bei den alten Durchlaufentgiftungsverfahren.
Die bisher zur Verfügung gestandenen Austauscherharze erlaubten einen selektiven Austausch nur in beschränktem Masse. Unter selektivem Austausch versteht man die Anwendung einer Harzform, die nur auf bestimmte Ionen anspricht. So war es z. B. schon bekannt, Kationenaustauscher in Form ihrer Erdalkalisalze zu verwenden, um einen selektiven Austausch nur von Schwermetallen, nicht aber von den in der Lösung gleichzeitig anwesenden Kalzium--oder Magnesiumionen zu erzielen.
Was bisher nicht versucht wurde, war die Anwendung selektiv arbeitender Anionenaustauschharze zur Entfernung giftiger Schwermetall-Komplexsalze aus Industrieabwässern.
Diesen Komplexen kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als bisher keine Methode bekannt war, zu ihrer halbwegs wirtschaftlichen Beseitigung und Entgiftung. Im speziellen handelt es sich dabei um alle Schwermetallcyanide, die durch aktives Chlor oder Chlorbleichlauge nicht aufgespalten und oxydiert werden wie z.B. den Nickel-Quecksilber oder Eisen-Cyanid Komplex oder um Schwermetallkomplexe mit organischen Säuren wie Weinsäure, Zitronensäure oder Oxalsäure, die bei der Neutralisation nicht gefällt werden, später im freien Gewässer aber durch biologischen Abbau ihre giftigen Bestandteile wieder freigeben. Ferner gehören hierher die löslichen Chromate, Uranate oder Wolframate, kurz alle komplexen Anionen, die ein oder, wie im Falle z. B. des Berliner Blaus, mehrere Schwermetallionen enthalten.
Die Zerstörung dieser komplexen Schwermetallverbindungen wäre selbst in Halbkonzentraten nur mit sehr grossem Aufwand durchführbar, da sie meist nur einen sehr kleinen Anteil der Gesamtverunreinigungen ausmachen, bzw. nach erfolgter Allgemeinentgiftung in nur geringen Mengen in zum Teil hochkonzentrierten Neutralsalzlösungen vorliegen.
Es hat sich nun überraschenderweise gezeigt, dass alle bisher einer Entgiftung nicht zugänglichen Metallkomplexe auf schwach bis mittel basischen Anionen austauschern selektiv zurückgehalten werden, wenn diese mit einem Säureanion einfacherer Struktur beladen sind, dessen Affinität zum Gegenion des Ionenaustauschers geringer ist als das des aufzunehmenden Komplexes. Da die Affinität aller in Frage stehenden komplexen Schwermetallanionen deutlich grösser ist als die der einfachen Anionen, wie z. B. Sulfat, Chlo rid, Fluorid oder Nitrat, können solche Komplexe selbst dann noch aus Neutralsalzlösungen entfernt werden, wenn sie dort nur in Spuren vokommen, auch wenn es sich um Salzlaugen höherer Konzentration handelt.
Das Verfahren findet seine Anwendung vorwiegend bei der Entgiftung von Abwässern aus der metallverarbeitenden Industrie, ist hierauf aber nicht beschränkt, sondern kann z. B. mit gutem Nutzeffekt auch zur Rückgewinnung wertvoller Metalle eingesetzt werden, wenn diese als anionisch gebundene Komplexe vorliegen, bzw. vor der Adsorption in einen solchen überführt wurden. Eine weitere Anwendung des Verfahrens wird in der Trennung bestimmter Metalle gesehen, die zuvor in verschiedene Anionenkomplexe mit unterschiedlicher Affinität zum Harz überführt wurden.
Das Verfahren ist nicht auf bestimmte Harztypen beschränkt. Dem gegenwärtigen Stand der Technik entsprechend wurden die besten Ergebnisse aber mit schwachbasischen Anionenaustauschern mit einer Matrix aus Polystyrolharzen und tertiären Aminen als austausch aktive Gruppen erzielt.
Für die Komplexsalz-Adsorption wird das Harz vorzugsweise mit Sulfat- oder Chloridionen oder mit einer Mischung von Sulfat- oder bzw. und Chloridionen und Hydroxylionen beladen.
Beispiel 1
Eine mit einem sich in der Hydroxylfonn befindlichen Anionenaustauscherharz gefüllte Austauschkolonne, Typ Levatit MP 60 der Firma Bayer, Leverkusen, wird mittels 4 %iger H2SO4 zu etwa 75 % in die Sulfatform überführt.
Pro Liter Harz werden 100 Liter einer wässrigen Lösung folgender Salze und Konzentrationen über den Austauscher geleitet:
20 mgll Kupfer als Kalium-KupferÇyanid,
20 mgll Nickel als Kalium-Nickel-Cyanid,
20 mg/I Eisen als gelbes Blutiaugensalz,
20 mgll Eisen als rotes Blutiaugensalz,
15000 mg/I Natriumsulfat,
150001 mgll Natriumchlorid,
15000 mg/1 Kalziumchlorid.
Die gereinigte Lösung enthält noch die gesamte Menge an Neutralsalzen, dagegen keine nachweisbaren Schwermetalle und kein komplexgabundenes oder freies Cyanid mehr.
Beispiel 2
In den gesammelten Ablauf der Spülwässer eines Kupfer-Nickel-Chrom-Galvano-Automaten wurde eine selektiv arbeitende Kation- und eine selektiv arbeitende Anionenaustauschkolonne des oben beschriebenen Typs geschaltet.
Der Salzgehalt des Abwassers betrug:
950 mgll Alkalisalze
320 mg/I gelöste Erdalkalisalze (aus der Wasserhärte)
23 mgll Kupfer als Kalium-Kupfer-Cyanid
11 mgll Nickel als Nickelsulfat
7 mgll Chrom als Kalium-Chromat
Die Analyse des gereinigten Abwassers ergab folgende Werte:
990 mg Alkalisalze
310 mg Erdalkalisalze keine Schwermetalle kein Cyanid
Bespiel 3
Der Gehalt eines entgifteten Konzentrates (Regene- rat einer Ionenaustausch-Kreislaufanlage) an Neutralsalzen und komplexen Metallverbindungen war:
35000 mg Natriumsulfat
18000 mg Natriumchlorid
1200 mg Kalziumchlorid
760 mg Nickel als komplexes Kalium-Nickel-Cyanid
140 mg Quecksilber als Kalium-Qucoksilber-Cyanid
90 mg Silber als Kalium-Silber-Cyanid
425 mg Kupfer als Kalium-KupferEyanid ca. 100 mg Schwermetalle gebunden an Weinsäure.
Nachdem die Lauge über einen Austauscher des Typs Imacti A2OR de Firma Industriele Matschappij Activit N. V., Amsterdam oder Duolite A 7 der Firma Diamond Corp., USA, geleitet worden war, konnten weder Schwermetalle noch freies oder gebundenes Cyanid und ebenfalls keine Weinsäure bzw. Tartrate mehr nachgewiesen werden. Das abfliessende Wasser enthielt die Neutralsalze dagegen noch in vollem Umfange. Bei der Regeneration des Austauschers mit Natronlauge konnten die Schwermetallkomplexe quantitativ vom Austauscher abgelöst werden, wobei ihre Konzentration auf etwa das 80-fache der Ausgangskonzentration gestiegen war. Aus dieser Schwermetall Cyanid- bzw. Tartratlösung wurden die Metalle mittels Elektrolyse zurückgewonnen und das freigesetzte Cyanid anschliessend durch Oxydation mittels Chlorbleichlauge zerstört.