Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus thermoplastischen Kunststoffen mittels
Spritzgiessmaschinen unter Anwendung verschiedener Drücke und
Einspritzgeschwindigkeiten
Bei der Aufgabe, hochfeste Spritzlinge, beispielsweise Fittingteile für Druckrohrleitungen, herzustellen, wurde, wie allgemein bekannt ist, ursprünglich davon ausgegangen, dass, speziell bei der Verarbeitung von weichmacherfreiem Polyvinylchlorid, ein Druck von etwa 2500 kg/cm2 und mehr, die höchsten Festigkeitswerte erbringt.
Es wurde nun im Gegensatz dazu beim Verarbeiten mit Spritzgussmaschinen, speziell Schnecken-Spritzgussmaschinen, entdeckt, dass immer dann, wenn hohe Drücke in dem Spritzling wirksam werden, zwar ein sehr harter, aber völlig glasspröder Fitting entsteht, der sehr niedrige Kerbschlagwerte und entsprechend niedrige und stark schwankende Berstdruckfestigkeitswerte aufweist. Diese Feststellung wurde an allen auf dem Markt befindlichen weichmacherfreien Polyvinylchloridtypen gemacht und ist als allgemein gültig anzusehen.
Die Erfindung vermeidet diesen Nachteil bei einem Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus thermoplastischen Kunststoffen mittels Spritzgiessmaschinen unter Anwendung verschiedener Drücke und Einspritzgeschwindigkeiten dadurch, dass zuerst mit hohem Einspritzdruck und hoher Ge- schwindigkeit eingespritzt wird, und dass dann kurz vor vollendeter Formfüllung der Einspritzdruck einoder mehrmals stufenweise oder stufenlos in Anpassung an die Viskosität der jeweils zu verarbeitenden Kunststoffmasse und an den Formfüllgrad entweder zur Erzielung eines ganz oder teilweise zähen oder weichen Formkörpers um so mehr auf einen niedrigeren Druck reduziert wird, je geringer die Viskosität ist, und/oder umgekehrt zur Erzielung eines ganz oder teilweise spröden oder harten Formkörpers auf einen um so höheren Druck gesteuert wird,
je höher die Viskosität der Schmelze ist.
Die Erfindung beruht auf der durch eingehende Untersuchungen bei der Herstellung von Fittingteilen aus thermoplastischen Massen gewonnenen Erkenntnis, dass ein Spritzling eine um so höhere Kerbschlagzähigkeit und ein um so grösseres Dehnvermögen erhält, je niedriger der im Augenblick der Erstarrung auf ihn wirkende Druck ist. Diese Steigerung des Dehnvermögens geht einher mit einem so bedeutenden Festigkeitszuwachs, dass im Dauerbetrieb eine Festigkeit bis zum eineinhalbfachen Wert der bekannten Grundmaterialfestigkeit von vergleichbaren homogenen Rohrkörpern erreicht wird.
In mehreren Versuchsreihen auf der gleichen Maschine, aber mit unterschiedlichen Plastifizier zylindem und auf zwei anderen Maschinentypen konnte eindeutig gefunden und nachgewiesen werden, dass die an sich im Material vorhandene Zähigkeit bei der Plastifizierung nur dann erhalten bleibt, wenn die Erstarrung bei Drücken erfolgt, die im Bereich von etwa 20-800 kg/cm2 liegen. Je dünnflüssiger dabei die Masse ist, desto niedriger muss der Erstarrungsdruck gewählt werden, damit keine innere Kompression im Material erstarrt, die das Material versprödet.
Es wurde gefunden, dass mit dem erfindungsgemässen Verfahren Spritzlinge hergestellt werden können, die je nach Wunsch durchgehend ein sprödes oder durchgehend ein zähes Verhalten zeigen oder örtlich je nach der Drucksteuerung einen zähen Schweissnahtbereich und einen spröden Angussbereich oder eine spröde Fliessnaht und einen zähen Anguss aufweisen. Beim seitlichen Anspritzen von muffenartigen Körpern können durch eine entsprechende Drucksteuerung eine zähe Schweissnaht und ein zäher Anguss erzeugt werden, wobei zwischen beiden Zonen durch eine zeitabhängige Drucksteuerung eine Sprödzone wählbarer Grösse eingeschoben werden kann.
Das erfindungsgemässe Verfahren zur Herstellung von Formkörpern aus thermoplastischen Kunststoffen sei nachfolgend und an den Fig. 1 bis 8 der Zeichnung noch näher erläutert.
Die in an sich bekannter Weise erzeugte Schmelze wird bei Anwendung geeigneter Angüsse unter einem Druck eingespritzt (Einspritz- oder Fülldruck, ein rein hydro-dynamischer Vorgang), der durch Über- windung der Fliesswiderstände in der Form zur Formfüllung in günstigster Zeit führt, wobei im allgemeinen hoher Druck zur schnellsten Formfüllung angewandt wird. Während des Erstarrungsvorgangs wird die Masse dann unter einen Druck gesetzt (Nachdruck oder Strukturdruck, ein quasistatischer Vorgang), der dem gewünschten Festigkeitsverhalten des Formkörpers entspricht.
Durch die Wahl des Zeitpunktes für die Druckumsteuerung und der Höhe dieses Nachdruckes kann hierbei festgelegt werden, ob der Formkörper ein durchgehend zähes oder ein durchgehend sprödes oder in einzelnen Zonen ein zähes, in anderen Zonen ein sprödes Verhalten bekommt. Die Umsteuerung des Druckes auf niedrige Werte kurz vor Beendigung der Formfüllung führt dabei zu durchgehend zähem Verhalten formgerechter und lunkerfreier Formkörper. Dieser Prozess kann noch eine Verfeinerung dadurch erhalten, dass während der restlichen Formfüllung unter Strukturdruck mit der hohen Einspritzgeschwindigkeit der Fülldruckphase gearbeitet wird, die axiale Geschwindigkeitsbeaufschlagung des Kolbens bzw. der Schnecke also erst nach voller Füllung reduziert wird. Eine in diesem Augenblick steuerbar einsetzende zweite Druckumsteuerung lässt die Strukturbeeinflussung ebenfalls noch feiner beherrschen.
Die Drucksenkung kann auch stufenlos erfolgen, wenn sie nur dem genannten Verformungs- und Strukturprozess angeglichen ist.
Der grosse technische Vorteil des erfindungsgemässen Verfahrens liegt darin, dass es erstmals durch Anwendung des erfindungsgemässen Verf ah- rens bei der Verarbeitung von weichmacherfreiem Polyvinylchlorid ohne Elastomerbeigabe möglich wurde, streng wiederholbar, je nach Wahl zähe Teile mit bis eineinhalbfacher bekannter Grundmaterialfestigkeit oder spröde Teile mit niedrigen Festigkeitswerten (bis etwa 30 % der bekannten Grundmaterialfestigkeit) zu erzeugen. Seither ist es kein Risiko mehr, technisch hochbelastete Teile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid, z. B. Rohrverbindungen, herzustellen. Die teueren Beimengungen von Elastomeren können eingespart werden. Gewöhnliches weichmacherfreies Polyvinylchlorid ist damit ein hochwertiger Spritzgusswerkstoff geworden.
Die Spritzgussmaschinen können bei Anwendung des erfindungsgemässen Verfahrens bis zur vierfachen Leistung eingesetzt werden und grösste Formkörper höchster Qualität erzeugen, da die Spritzdrücke teilweise bis auf ein Zehntel absinken.
Bei der Herstellung beispielsweise von zähen oder weichen Formkörpern hochwertiger Qualität nach dem erfindungsgemässen Verfahren ist dafür zu sorgen, dass die Form rasch gefüllt wird und der Formkörper in allen Bereichen unter geeignetem, der Viskosität des Kunststoffes angepasstem niedrigem Druck erstarrt, wodurch keine Schwindungslunker entstehen und auch wenig oder keine Massenkompression einfriert, die ein sprödes Verhalten erzeugt.
Das heisst also, es dürfen keine Druckspitzen in der Masse auftreten und die Abkühlungsfront in dem Spritzling sollte sich in möglichst idealer Weise vom entferntesten Punkt in Richtung auf den Anguss bewegen. Auf diese Weise ist es möglich, den Druck während der Abkühlung im Spritzling zu steuern und die Formkörper ganz oder teilweise zäh zu erzeugen.
Als weiterer technischer Vorteil des erfindungsgemässen Verfahrens ergibt sich, dass die erforderlichen Formzuhaltekräfte der Maschine wesentlich kleiner sind und deshalb entsprechend grössere Formteile auf der gleichen Maschine hergestellt werden können. Ausserdem können die verwendeten Stahlformen mit wesentlich dünneren Wandstärken gebaut werden, da keine Drucke in der Grössenordnung eines Einspritzdruckes bis etwa 2500 kg/cm2 auftreten. Während man bisher zur Erhöhung des Druckes die Plastifizierleistung der Maschinen auf den halben Wert und weniger verringern musste, kann man bei der Verwendung des erfindungsgemässen Verfahrens mit Plastifiziermengen und Drücken arbeiten, wie sie bisher nur bei dem leicht plastifizierbaren und fliessenden Polyäthylen erreichbar waren.
Das folgende Beispiel zeigt, auf welche Weise das erfindungsgemässe Verfahren ausgeübt und die vorerwähnten technischen Vorteile erzielt werden können.
Auf einer Spritzgussmaschine wird weichmacherfreies Polyvinylchlorid plastifiziert. Man steigert die Temperatur und die sonstige Wirkung der Plastifiziervorrichtung so, dass eine möglichst hohe Dünnflüssig keit der plastischen Masse, etwa 2-3 C unterhalb einer erkennbaren Verbrennung, erreicht wird. Dann spritzt man möglichst rasch in eine für den Spritzvorgang geeignete Form, wobei man vorteilhaft die Form zunächst nur teilweise füllt, um an der Oberfläche der Fliessfront die Qualität der Schmelze prüfen zu können. Werden die Oberflächen auch bei raschem Füllen rauh, so ist die Temperatur der Masse in der Form zu niedrig. Man verbessert die Temperaturführung der Masse bis zum Eintritt in die Form so lange, bis deutlich glänzende Fliessfronten beobachtet werden.
Dann spritzt man mehr und mehr Kunststoff in die Form, bis etwa 80-90% der Form gefüllt sind. Man bestimmt den zu dieser teilweisen Füllung notwendigen axialen Kolben- oder Schneckenweg und/oder die erforderliche Einspritzzeit und erhöht erneut die einzuspritzende Menge, jedoch derart, dass bei Erreichen von 90-95 % Füllung, je nach Art der Form, mit den an sich bekannten Vorrichtungen der Einspritzdruck auf einen niedrigeren Wert weg- und/oder zeitabhängig heruntergeschaltet wird.
Ein Teil der restlichen Füllung erfolgt zweckmässig mit grosser Einspritzgeschwindigkeit, jedoch bereits bei ermässigtem Druck. Der letzte Rest der Formfüllung kann dann mit niedriger Geschwindigkeit, und wenn einstellbar, noch niedrigerem Druck erfolgen.
Die nachfolgende Tabelle zeigt zum Vergleich die beispielsweise in einer Versuchsserie mit einem 1"-Muffenstück aus Hart-Polyvinylchlorid gefundenen Berstdruck- und Bruchspannungswerte einerseits bei einer Herstellung nach den bisher bekannten Verfahren (Zeilen 1, 2 und 3) und anderseits bei einer Herstellung nach den erfindungsgemässen Verfahren (Zeile 4).
Bruchverhalten
Art der Einspritz- Nachdruck hydraulischer Bruch- Zeile Spritzguss- Angussform druck kg/cm2 Berstdruck spannung unter Quetschprobe maschine kg/cm2 kg/cm2 p kg/cm2 ov V Berstdruck im Schraubstock
1 Kolben- punktförmig 2500 2500 140-220 420-660 glasspröde spröder Bruch maschine
2 Schnecken.
punktförmig 1800 1800 90-180 270-540 glasspröde spröder Bruch spritzguss maschine
3 Stangenanguss 1800 1800 130-180 330-540 glasspröde spröder Bruch
4 Stangenanguss 400 200 200-220 620-680 zähefliessend kann mehrfach im Mittel im Mittel ohne Bruch
211 643 gequetscht werden
Ein Vergleich der hydraulischen Berstdruckwerte p und der Bruchspannungswerte av der Zeilen 1, 2 und 3 einerseits und der Zeile 4 anderseits zeigt, dass bei Anwendung des erfindungsgemässen Verfahrens eine wesentliche Steigerung der Mittelwerte des Berstdrucks p und der Bruchspannung o v erreicht wird.
Es wurde in diesem Fall ein reines Suspensions Polyvinylchlorid mit k-Wert 60 verarbeitet. Wenn dieses Material aus Extrudern zum Rohr verarbeitet werden würde, würde man eine Bruchspannung von etwa 450-480 kg/cm2 erreichen, wie dies aus den Diagrammen o, (Fig. 1 und 3 der Zeichnung) zu ersehen ist. (Die entsprechenden Berstdrücke für das Hart-PVC-Rohr sind in den Fig. 2 und 4 durch das schraffierte Feld PR dargestellt.)
Die Diagramme der Fig. 1, 2, 3 und 4 weisen im Dauerbetrieb erzielte Werte nach. Hierbei haben sich die Diagramme der Fig. 1 und 2 bei Verwendung einer Kolbenmaschine nach bekannten Verfahren und die Diagramme der Fig. 3 und 4 bei Verwendung einer Schneckenspritzgiessmaschine, welche nach dem erfindungsgemässen Verfahren gesteuert wurde, ergeben.
In den Fig. 1 und 3 sind hierbei auf der Abszissenachse die Bruchspannungswerte o v und auf der Ordinatenachse die Probenummern N aufgetragen.
In den Fig. 2 und 4 ist über dem Berstdruck P (Abszissenachse) die Häufigkeit H der bei einem bestimmten Berstdruck beschädigten bzw. geplatzten Prüfkörper aufgetragen. In der Fig. 4 haben z. B.
13 Prüfkörper einen Druck ausgehalten, der zwischen 215 und 220 atü lag; dagegen haben 25 Prüfkörper einem Druck zwischen 210 und 215 atü standgehalten. Ein Vergleich der in den Fig. 1 und 2 dar gestellten Bruchspannungswerte a v und Berstdruck- werte p mit den in den Fig. 3 und 4 dargestellten Bruchspannungswerten ov und Berstdruckwerten p zeigt, dass die Bruchspannungswerte o v und die Berstdruckwerte p, welche nach dem erfindungsgemässen Verfahren erreicht werden, eine geringere Streuung aufweisen und im Mittel wesentlich höher sind.
An den Fig. 5, 6, 7 und 8 der Zeichnung soll beispielsweise das erfindungsgemässe Verfahren noch näher erläutert werden, und zwar bei Verwendung eines reinen Suspensions-Polyvinylchlorids mit einem k-Wert 60.
In der Fig. 5 ist der Spritzdruck pi über der Einspritzzeit t aufgetragen, wenn der Formkörper in einer Kolbenmaschine über einen Punktanguss gespritzt wurde. Einspritz- und Nachdruck betrugen 2500 kg/cm2, das heisst, auch nach vollendeter Formfüllung war der Maximaldruck auf den erstarrenden Spritzling in der Form noch wirksam. Dabei können sogar noch kurzzeitig Druckspitzen auftreten, wie die gestrichelte Linie anzeigt. Die auf diese Weise hergestellten Teile zeigten ein vollständiges sprödes Festigkeitsverhalten (vergleiche die Zeile 1 der Tabelle dieser Seite).
Die Fig. 6 veranschaulicht dagegen den zeitlichen Druckverlauf während des Spritzvorganges nach dem erfindungsgemässen Verfahren zur Herstellung durchgehend zäher Formlinge. Die Form wird mit grosser Einspritzgeschwindigkeit und einem Einspritzdruck pi von 400 kg/cm2 gefüllt. Die Temperaturführung der Masse soll hierbei, wie bereits früher beschrieben, erfolgen. Wenn 80-90 % der Form gefüllt sind - das entspricht dem Bereich von 1 bis 2 in den Fig. 7 und 8, in denen die prozentuale Füllung F der Form einmal im Diagramm und zum anderen in einer Prinzipskizze einer Form dargestellt ist -, wird der Einspritzdruck pi (Fig. 6) reduziert. Es beginnt die früher bereits beschriebene Steuerung des Nach oder Strukturdruckes, die stufenweise oder auch stufenlos erfolgen kann.
Nach 90-95 % iger Formfüllung - entsprechend dem Gebiet zwischen den Punkten 2 und 3 der Figuren 7 und 8 - setzt zum Zwecke der feinen Strukturbeeinflussung die zweite Drucksenkung ein. In dem dargestellten Beispiel, das dem in der Zeile 4 der Tabelle der Seite 10 behandelten Beispiel entspricht, ist der Druck schliesslich von einem Einspritzdruck von 400 kg/cm2 (Fig. 6) bis auf einen Nachdruck von 200 kg/cm2 bei vollendeter Formfüllung (Punkt 4 in den Fig. 7 und 8) gesunken. Die auf diese Weise hergestellten Spritzlinge zeigten ein durchgehend zähes Festigkeitsverhalten bei erhöhter Bruchspannung. Durch Kombinationen der beiden in den Fig. 5 und 6 veranschaulichten Verfahren lassen sich nun gespntzte Formteile erzeugen, die zonenweise ein zähes und/ oder zonenweise ein sprödes Verhalten aufweisen.
Für die Ausübung des erfindungsgemässen Verfahrens ist es in jedem Falle vorteilhaft, wenn der Anguss in der Form derart gross bemessen ist, dass die strukturbeeinflussende Wirkung des Druckes ausreichend lang und umfangreich innerhalb der Form wirksam sein kann. Erforderlichenfalls ist der Anguss von aussen zu beheizen.
Das erfindungsgemässe Verfahren wurde in gleicher Weise mit verschiedenen PVC-Typen unterschiedlicher Schmelzviskosität und mit völlig ver schiedenen, zum Teil auch dünnwandigen, grossflächigen Formteilen mit gleichem Erfolg erprobt.
Die Anwendung des erfindungsgemässen Verfahrens bewirkte bei Polyamid, Polystyrol, Polyäthylen, Polycarbonaten und anderen thermoplastischen Massen den gleichen Plastifizierungseffekt. Bei Verwendung von Polyamid ist es beispielsweise gelungen, eine Schlagfestigkeit bis zum dreifachen des bisherigen Wertes zu erreichen.