AT5348U1 - Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems - Google Patents

Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems Download PDF

Info

Publication number
AT5348U1
AT5348U1 AT0805901U AT80592001U AT5348U1 AT 5348 U1 AT5348 U1 AT 5348U1 AT 0805901 U AT0805901 U AT 0805901U AT 80592001 U AT80592001 U AT 80592001U AT 5348 U1 AT5348 U1 AT 5348U1
Authority
AT
Austria
Prior art keywords
delirium
acute
confusion
patients
anticholinergic
Prior art date
Application number
AT0805901U
Other languages
English (en)
Original Assignee
Sanochemia Pharmazeutika Ag
Priority date (The priority date is an assumption and is not a legal conclusion. Google has not performed a legal analysis and makes no representation as to the accuracy of the date listed.)
Filing date
Publication date
Application filed by Sanochemia Pharmazeutika Ag filed Critical Sanochemia Pharmazeutika Ag
Priority to AT0805901U priority Critical patent/AT5348U1/de
Publication of AT5348U1 publication Critical patent/AT5348U1/de

Links

Landscapes

  • Acyclic And Carbocyclic Compounds In Medicinal Compositions (AREA)

Abstract

Beschrieben wird die Verwendung von Effektoren des zentralen cholinergen Nervensystems zur Herstellung einer Präparation zur Behandlung von nicht-anticholinergem Delir.

Description


   <Desc/Clms Page number 1> 
 



  Acetylcholin   ( (2-Acetoxyethyl)-trimethylammonium-hydroxid)   ist der Neurotransmitter der cholinergen Synapsen. Cholinerge Synapsen finden sich in sämtlichen Bahnen des parasympathischen Nervensystems, an den präganglionären Sympathikusfasern, den peripheren motorischen Neuronen und in praktisch allen Regionen des zentralen Nervensystems (an allen cholinergen Synapsen des zentralen Nervensystems). 



  Acetylcholin wird im Axon in der Nähe der präsynaptischen Membran durch das Enzym   Cholin-O-Acetyltransferase   durch Acetylierung von Cholin gebildet und in den synaptischen Vesikeln gespeichert. Bei Erregung der präsynaptischen Nervenzelle strömen Ca-Ionen ein und bewirken die Freisetzung von Acetylcholin in den synaptischen Spalt. An der postsynaptischen Membran bindet Acetylcholin an spezielle Rezeptoren   (Acetylcholinrezepto-   ren"), wodurch eine Signalübertragung an die postsynaptische Zelle erreicht wird. Postsynaptische Zellen können dabei   z. B.   eine weitere Nervenzelle, eine Muskelzelle oder eine Drüsenzelle sein. Ein Abbau des Acetylcholins in Cholin und Acetat durch das Enzym Acetylcholin-Esterase bewirkt die Beendigung des Erregungszustandes und die Wiederherstellung der Erregungsbereitschaft.

   Cholin kann anschliessend von der präsynaptischen Zelle erneut aufgenommen und wiederverwertet werden. 



  Bei den Acetylcholin-Rezeptoren unterscheidet man prinzipiell zwei Typen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Reaktion auf die Agonisten Muscarin und Nicotin als nicotinische und muscarinische Acetylcholin-Rezeptoren bezeichnet werden. 



  Nicotinische Rezeptoren sind an den sympathischen und parasympathischen Ganglien, an den neuromuskulären Endplatten und auch im Gehirn lokalisiert. Ihr Vorkommen im Gehirn wird mit dem Lernen, der Wirkung des Nicotins auf die Lernfähigkeit und mit der Alzheimerschen Krankheit in Verbindung gebracht. Der nicotinische Acetylcholin-Rezeptor gilt als der bestuntersuchteste Rezeptor eines Neurotransmitters und besteht aus fünf Polypeptidketten (2 a-, jeweils eine ss-,   y-und 5-Kette),   die eine fünfeckige Pore in der Membran bilden. Diese Pore wirkt als Kationen-Kanal, der geöffnet wird, sobald Acetylcholin an beide a-Untereinheiten gebunden ist. Als Hemmstoffe dieses Ionenkanals wirken verschie- 

 <Desc/Clms Page number 2> 

 dene Schlangengifte   (z.

   B. a-Bungarotoxin,   Kobratoxin), das Pfeilgift Curare ( (+)-Tubocurarin), Lophotoxin sowie etliche quarternäre Ammoniumverbindungen, die anstelle von Acetylcholin binden können. Es gibt eine noch unbestimmte Zahl (mindestens jedoch 3) Subtypen des nicotinischen Acetylcholin-Rezeptors. 



  Muscarinische Rezeptoren bestehen aus einer einzigen Polypeptidkette und üben ihren Einfluss über G-Proteine und verschiedene Effektoren, wie Phospholipase C oder Adenylat-Cyclase aus. Es werden fünf Subtypen pharmakologisch definiert, wobei im zentralen Nervensystem hauptsächlich M1- und M4- und nur in geringen Mengen M2- und M3- und Ms-Rezeptoren vorkommen. Die exzitatorische Wirkung der M1- und M3-Rezeptoren und deren Lokalisation im Hippocampus lassen bei Aktivierung dieser Rezeptoren positive kognitive Effekte erwarten, während über den M2-Rezeptor eine inhibitorische Wirkung erzielt wird und keine Besserung kognitiver   Defizite   erwartet werden können. Hingegen würden auch Antagonisten am M2-Rezeptor das zentrale cholinerge Nervensystem aktivieren. 



  Arzneimittel, die eine mit Acetylcholin vergleichbare erregungs- übertragende Wirkung haben, werden als Cholinergika oder Parasympathikomimetika bezeichnet und solche, die diesen Prozessen entgegenwirken, also   z. B.   die Acetylcholin-Rezeptoren hemmen, als Anticholinergika oder Parasympathikolytika. 



  Die Acetylcholin-Esterase besteht aus 4 identischen Untereinheiten und gehört zur Gruppe der Serin-Esterasen. Ein Mol dieses Enzyms hydrolisiert rund 25 000 Mol Acetylcholin pro Sekunde. 



  Diese extrem hohe Umsatzgeschwindigkeit ist wesentlich für die rechtzeitige Beendigung der durch Acetylcholin übertragenen Nervenimpulse (in 0, 1 ms ist alles im synaptischen Spalt vorhandene Acetylcholin hydrolysiert). Bekannte (reversible) Hemmstoffe der Acetylcholin-Esterase sind Demecariumbromid, Neostigmin, Pyridostigminbromid sowie Physostigmin und verwandte Carbaminsäureester. Eine irreversible Hemmung wird auch durch Diisopropylfluorophosphat, Parathion (=E605), Tetrastigmin oder durch Phos- 
 EMI2.1 
 

 <Desc/Clms Page number 3> 

 



  Zu den Parasympathikomimetika zählen neben den AcetylcholinEsterase-Hemmern auch Cholinester, wie (neben Acetylcholin) Bethanechol, Carbachol und Methacholin, und Alkaloide, wie Muscarin und Pilocarpin. Weiters wirken die Cholinesterasehemmer Physostigmin und Galanthamin aber auch   z. B. (+)-2-Methylpiperi-   ding als Kanal-Aktivatoren am nicotinischen Acetylcholinrezeptoren. Auch gibt es nicotinische (Nicotin, Cytisine, Lobeline, Anatoxin-a, Epibatidine,   2, 4-Dimethyl-cinnamylidene   anabaseine,   2, 4-Dimethyloxybenzylidene   anabaseine und ABT-418, das IsoxazolIsostere von Nicotin) und muscarinische Rezeptor-Agonisten (RS86, Arecoline, Oxotremorine, AF102B, Azaspirodecaneg, etc. ). 



  Seit wenigen Jahren stehen zur Behandlung der Demenz vom Alzheimertyp Medikamente zur Verfügung, die dem zentralnervösen Mangel an Acetylcholin bei dieser Erkrankung entgegenwirken und so die Hirnleistung verbessern. In Österreich sind in dieser Indikation die Substanzen Galanthamin   (Nivalin),   Tacrin   (Cognex),   Donepezil   (Aricepte)   und Rivastigmin   (Exelon)   zugelassen. Weitere zentrale Hemmer der Acetylcholin-Esterase sind weltweit in Entwicklung   (z. B.

   Metrifonate ,   Bayer Corporation ;   Synapton=Physostigmin   slow release, Forest Laboratories ; Galantamine-Reminyl, Janssen Pharmaceutica ; Eptastigmine,   Mediolanum ; Velnacrine, Hoechst-Roussel ; Suronacrine,   HoechstRoussel ; Huperzine A, Chinese Academy of Science ; NX-066, Astra Arcus ; KA-672, Schwabe ; etc. ). Weiters werden zur Zeit eine Reihe an Agonisten des cholinergen Systems, insbesondere   Ml-Ago-   nisten, in ihrer Wirkung bei Demenz vom Alzheimertyp klinisch oder vorklinisch getestet   (z. B. Memrice,   SmithKline   Beecham ;     Talsaclidine,   Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals ; etc).

   Der parenteral zu verabreichende Hemmer der Acetylcholin-Esterase Physostigmin ist in praktisch allen Ländern der Welt als Antidot bei Vergiftungen mit anticholinergen Substanzen (Atropin, Antidepressiva, Neuroleptika,..) in Ampullenform seit Jahrzehnten zugelassen. In Österreich als Anticholium-Ampullen mit Indikation Antidot bei Vergiftungen, zentral anticholinerges Syndrom". 



  Neben den Demenzen, also den chronischen organisch bedingten psychischen Störungen, gibt es die akuten organischen Psychosen, die im Laufe der Geschichte der Psychiatrie sehr unterschiedli- 

 <Desc/Clms Page number 4> 

 che Namen trugen. Heute sprechen beide internationalen Diagnosesysteme psychiatrischer Krankheiten vom akuten Verwirrtheitszustand und verwenden den Begriff Delir synonym. Die Inzidenz der akuten Verwirrtheitszustände ist bedeutend grösser als die der Demenzen. Das Auftreten eines akuten Verwirrtheitszustands ist Folge akuter Beeinträchtigung der Funktion des zentralen Nervensystems und kann in jedem Alter auch ohne strukturelle Schädigung des Hirngewebes auftreten.

   Allerdings ist hohes Lebensalter ein Risikofaktor für das Auftreten akuter Verwirrtheitszustände, jedoch leiden nur etwa   25   der Patienten mit akutem Verwirrtheitszustand an internen Krankenhausabteilungen auch an einer Demenzerkrankung (Erkinjuntti et al (1986) Arch Int Med   146 : 1923-1926).   Eine Vorschädigung des Gehirns wie sie beim dementen Patienten besteht, erhöht die Wahrscheinlichkeit bei akuter Funktionsstörung ein Delir zu entwickeln. Die Ursachen eines akuten Verwirrtheitszustands sind überaus zahlreich. 



  Die häufigsten akuten Verwirrtheitszustände treten heute an internen und chirurgischen Stationen in Folge interner Krankheiten bzw. nach Traumen oder nach Operationen auf. Weiters treten akute Verwirrtheitszustände auch nach nicht anticholinergen Intoxikationen   (z. B.   durch Lithium, siehe geschilderter Einzelfall) oder bei Substanzentzug (Alkoholentzug, Tranquilizerentzug) auf. Akute Verwirrtheitszustände verlängern die Krankenhausaufenthalte, erhöhen die Komplikationsraten der zugrundeliegenden Erkrankungen und erhöhen die Mortalität dieser Erkrankungen. Ihre Behandlung erfolgt derzeit einerseits durch den Versuch die Ursache zu beseitigen   (z.

   B.   Erhöhung des Blutdrucks, Antibiotikagabe bei Pneumonie,..) und bei Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung der verwirrten und oft erregten Patienten durch Gabe hochpotenter Neuroleptika, die ihrerseits nebenwirkungsreich sind. 



  Generell wird unter einem anticholinergen Delir ein Delir verstanden, das unter Gabe von anticholinerg wirkenden Substanzen auftritt. Als nicht-anticholinerge Delirien werden hingegen Delirien bezeichnet, die auftreten, ohne dass anticholinerg 

 <Desc/Clms Page number 5> 

 wirkende Substanzen im Vorfeld (also in der Regel 48 - 72 h vorher) verabreicht wurden. 



  Bei der Behandlung von Delirien steht daher gegenwärtig vor allem die Therapie der organischen Ursache im Vordergrund der Behandlung. Die Ermittlung der Ursache, auf die dann die (medikamentöse) Delir-Behandlung abgestellt wird ist jedoch aufgrund der Vielzahl an möglichen Ursachen äusserst aufwendig und zeitraubend, so dass eine schnelle Behandlung in der Regel schwierig ist. In der Regel geht man zuerst immer von der Annahme eines medikamentös verursachten Delirs aus und setzt daher anfangs 

 <Desc/Clms Page number 6> 

 jede nicht vital induzierte und in jedem Fall jede anticholinerg wirkende Medikation, sowie Medikationen, die die Blut-Hirnschranke passierten, ab. Daneben muss bei einem heftig halluzinierenden und die nächtliche Ruhe anderer Mitpatienten störenden deliranten Patienten symptomatisch mit hochpotenten Neuroleptika (z. B. Haloperidol) behandelt werden.

   Eine solche neuroleptische Medikation des deliranten Patienten muss jeden Tag aufs neue bezüglich der Indikation und Dosis überprüft werden. 



  Andererseits weisen die akuten Verwirrtheitszustände aber eine höhere Inzidenz als selbst dementielle und depressive Syndrome bei alten Menschen auf (so werden bei 30 bis   50   der Patienten über 70 Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt während einer internen Aufnahme akute Verwirrtheitszustände beobachtet), so dass hier ein grosser Bedarf an einer schnellen, universell anwendbaren Behandlung besteht. 



  Insgesamt wird geschätzt, dass etwa 10   %   der intern oder chirurgisch hospitalisierten Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes irgendwann auch ein Delir durchmachen (Lipowski, JAMA 258 (1987), 1789-1792). 



  Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht daher darin, eine Behandlung von nicht-anticholinergen Delir-Zuständen zur Verfügung zu stellen, die schnell und universell anwendbar ist, ohne dass es aufwendigster Ursachenforschung bedarf, so dass auch akute Verwirrtheitszustände rasch und verlässlich verbessert, geheilt oder verhindert werden können. 



  Diese Aufgabe der Verbesserung, Heilung oder Verhinderung eines Delirs wird gelöst, indem zur Behandlung dieser nicht-cholinergen Delirien Pharmaka verwendet werden, die direkt oder indirekt die Aktivität des zentralen cholinergen Nervensystems steigern, 
 EMI6.1 
 agonisten im cholinergen System, Acetylcholinrezeptorkanal-Aktivatoren,   M2-Rezeptorantagonisten   und Kombinationen dieser Substanzen. 

 <Desc/Clms Page number 7> 

 



    Gegenstand   der vorliegenden Erfindung ist daher die Verwendung von Effektoren des zentralen cholinergen Nervensystems zur Herstellung einer Präparation zur Behandlung oder Verhinderung von nicht-anticholinergem Delir. Überraschenderweise können durch die erfindungsgemässe Behandlung die akuten Verwirrtheitszustände schnell und effektiv bekämpft werden, obwohl sie keinen primären Zusammenhang mit nicht-anticholinergen Delirien zu haben scheinen.

   Während also bislang ausschliesslich bei Verdacht auf ein medikamentös induziertes anticholinerges Delir der dafür zugelassene Cholinesterase-Hemmer Physostigmin parenteral verabreicht worden ist (was zu einer gewöhnlich guten Aufhellung des anticholinergen Delirs und Verbesserung der Orientierung des Patienten führt), war die Verabreichung derartiger Substanzen für nicht-anticholinerge Delirien bislang nicht in Erwägung gezogen worden, insbesondere weil bisher kein Zusammenhang der erfindungsgemäss behandelten Delirien mit dem cholinergen System vermutet worden war. 



  Unter Effektoren des zentralen cholinergen Nervensystems werden erfindungsgemäss Medikamente verstanden, die zu vermehrter Aktivität cholinerger Synapsen führen, indem mehr Acetylcholin 
 EMI7.1 
 die anticholinerge Wirkung auf diese Synapsen verstärkt wird   (Acetycholin-Rezeptorkanal-Aktivatoren).   



  So können erfindungsgemäss auch Patienten nach langen Operationen mit Blutverlust, intraoperativer Hypoxie, präoperativ schlechtem kognitiven Status oder sehr hohem Lebensalter, also Patienten bei denen Risikofaktoren für das Auftreten eines postoperativen Delirs vorliegen nach ihrer Operation mit Aktivatoren des cholinergen Systems behandelt werden, um die Entwicklung des Delirs gar nicht erst zuzulassen (sekundäre Prävention des Delirs) 

 <Desc/Clms Page number 8> 

 Mit der vorliegenden Erfindung konnte aber belegt werden, dass pathophysiologisch den meisten akuten Verwirrtheitszuständen wahrscheinlich eine funktionelle Imbalance verschiedener Transmittersysteme zugrundeliegt, wobei es wahrscheinlich zu einem relativen Überwiegen monaminerger Systeme kommt und das cholinerge System relativ unteraktiv ist. 



  Auf diesem Ansatz aufbauend kann daher jedes, nicht nur das anticholinerge Delir, durch eine cholinomimetische Therapie bekämpft, abgekürzt bzw. aufgehellt werden. Dies hat sich in einer Einzelfallbeobachtung eindrucksvoll bestätigt. 



  Die vorliegende Erfindung betrifft also die Therapie akuter Verwirrtheitszustände jeglicher Art und Ursache mittels pharmakolo- 

 <Desc/Clms Page number 9> 

 gischer Aktivierung des cholinergen Systems   z. B.   durch die modernen Acetylcholin-Esterase-Hemmer wie Rivastigmin, Galanthamin, Tacrin oder Donepezil oder Folgepräparate mit direkter oder indirekter cholinomimetischem Angriffspunkt. Während diese Therapie beim anticholinergen Delir - aufgrund der bisherigen Behandlungspraxis, die stets in die Ursachenbekämpfung wiesnaheliegend ist, ist sie bei allen anderen Delirien eine völlig neue therapeutische Indikation dieser für die Therapie der Demenz vom Alzheimertyp entwickelten oder gerade in Entwicklung befindlichen Medikamente. 



  Die Definition des akuten Verwirrtheitszustandes oder Delirs war 
 EMI9.1 
 aktionen des Gehirns auf akute Schädigungen und chronischen exogenen Reaktionstypen unterschied. Letztere sind   z.   B. die Hirnleistungsschwäche, also die Störung von Gedächtnis und Denken, oder die Demenz, die damals nur bei schwerer irreversibler Hirnleistungsschwäche diagnostiziert wurde.

   Können so im weiteren Sinne also alle psychischen Störungen infolge von Hirnschädigungen "organische Psychosen" genannt werden, wird der Begriff "organische Psychose im engeren   Sinn" häufig   nur auf die akuten Psychosen bei Hirnschädigung angewandt und entspricht damit dem international unüblichen geschichtlichen Begriff des akuten exogenen   Reaktionstypus".   Andere synonym verwendete Begriffe sind die"symptomatischen Psychosen",   die "körperlich   begründbaren Psychosen" oder der die Reversibilität dieser Zustandsbilder ausdrückende Begriff der"Funktionspsychosen". Dem letzten Begriff ähnlich ist auch der hoffnungsfrohe Begriff des "Durchgangssyndroms". 



  Heute werden nicht mehr diese Begriffe für die organischen Psychosen im engeren Sinn" gebraucht, sondern es wird nur mehr die moderne international gebräuchliche diagnostische   Entität "Aku-   ter Verwirrtheitszustand (=Delirium)" verwendet, deren Umfang heute allgemein anerkannt und definiert ist. 



  So sind die oben beschriebenen organischen Psychosen im engeren Sinn" in beiden heute verwendeten modernen psychiatrischen Dia- 

 <Desc/Clms Page number 10> 

 gnosesystemen, also dem DSM-IV (American Psychiatric Association : Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fourth Edition. Washington,   D. C,   APA, 1994) und dem ICD-10 (ICD- 10, WHO, Internationale Klassifikation psychischer Störungen. 
 EMI10.1 
 Association APA, das Diagnostic and Statistic Manual DSM in seiner 4. Überarbeitung (DSM-IV, 1994) vom Delir und unterteilt in 
 EMI10.2 
 Koma, Delir nach Reanimation,...) (2. 1) Substanzinduziertes Delir, Unterform Substanzintoxikationsdelir, also z. B. Delir nach Intoxikation mit Alkohol, Amphetaminen, Opiaten, Atropin, etc. bzw. 



    (2. 1)   Substanzinduziertes Delir, Unterform Substanzentzugsdelir, also Delir im Alkoholentzug, Drogenentzug, Schlafmittelentzug, etc. und (3) Delir aufgrund multipler Ätiologien. Bei unsicherer Ursache, wird (4) ein nicht näher bezeichnetes   Delir"diagnostiziert.   



  Im Diagnosesystem der Weltgesundheitsorganisation WHO, dem ICD- 10 (1991), wird unter den organischen psychischen Störungen neben den Demenzen, das Delir, nicht durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingt" definiert. 



  Da ein Delir bei jeder hirnorganischen Grundkrankheit wahrscheinlicher auftritt, gibt es immer wieder auch Patienten, die an einer Demenz leiden, welche augenblicklich durch ein Delir kompliziert ist. Hier diagnostiziert das DSM-IV zuerst die Demenz und mit Zusatzziffer ein zusätzlich vorhandenes Delir, während im ICD-10 in erster Linie das Delir als Delir bei Demenz" diagnostiziert wird. Wichtig ist, dass die überwiegende Zahl der akuten Verwirrtheitszustände nicht an das Vorliegen einer Demenzerkrankung gebunden ist. 



  In der Klinik bezeichnen Delirien (akute Verwirrtheitszustände) eine gewöhnlich recht plötzlich auftretende und vorübergehende Störung intellektueller Funktionen mit immer vorhandener Störung der Aufmerksamkeit (qualitative und quantitative Bewusstseinsstö- 

 <Desc/Clms Page number 11> 

 rung) häufig begleitet von Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus und psychomotorischen Auffälligkeiten (hypoaktives oder hyperaktives Delir). 



  Wahrnehmung, Denken und Gedächtnisfunktionen sind bei akuten Verwirrtheitszuständen teilweise oder schwer gestört. Die Wahrnehmungsschärfe nimmt ab, es kommt zu Fehlinterpretationen von Wahrnehmungen, die für den Eindruck der Verwirrung verantwortlich sind. Neben illusionären Verkennungen kommen auch insbesondere optische Halluzinationen vor, die nicht nur einfache Inhalte, sondern auch sich bewegende Menschen, Tiere und ganze Szenarien umfassen. Bei plötzlichem Auftreten solcher Phänomene sind die Patienten gewöhnlich äusserst ängstlich, versuchen zu fliehen oder gegen die Erscheinungen zu kämpfen. 



  Das Denken ist desorganisiert, Denken und Sprache inkohärent, die Überstiegsfähigkeit geht verloren, abstrakte Konzepte können nicht mehr begriffen werden, die Fähigkeit des inneren Vorstellens"   (e :   imagery) geht verloren. Die Patienten antworten daher zufällig und sinnlos, ohne diese Sinnlosigkeit selbst zu bemerken. Die   Wahrnehmungs- und   Denkstörung gemeinsam mit der immer gestörten Gedächtnisfunktion begünstigt das Auftreten von wahnhaften Interpretationen und Wahngewissheiten. Als Folge dieser intellektuellen Störung ist die Orientierung zu Zeit und Ort, gelegentlich auch zur Situation, selten zur Person, verlorengegangen. 



  Die Aufmerksamkeit ist immer gestört, was sich auch im pathologischen EEG nachvollziehen lässt. Die Patienten sind hochgradig ablenkbar, können ihre Aufmerksamkeit nicht willentlich modulieren oder neuen Inhalten zuwenden. Die Aufmerksamkeitsstörung zeigt sich   z. B.   in gestörtem Zahlen- oder Buchstabennachsprechen. Bei leichten akuten Verwirrtheitszuständen ist die Aufmerksamkeit stark schwankend, so dass einzelne Leistungen plötzlich sehr gut, Sekunden später wiederum überhaupt nicht erbracht werden können. Diese Schwankungen der Aufmerksamkeit sind in einigen Minuten dauernden Konzentrationstests   (z. B.   Durchstreichtests) gut beobachtbar. Die Störung der Aufmerksamkeit zeigt auch eine grosse Überlappung mit dem Begriff des gestörten Bewusstseins.

   Die qualitative Bewusstseinsstörung der Verwirrtheit 

 <Desc/Clms Page number 12> 

 kann jedoch auch mit einer nur sehr geringen quantitativen Bewusstseinsstörung (Müdigkeit) einhergehen. 



  Die Wachheit der Patienten ist untertags oft herabgesetzt, besonders typisch nicken die Patienten untertags immer wieder ein, während sie nachts leicht aufwachen bzw. überhaupt wach sind und dann auch besonders agitiert und ängstlich Unruhe verbreiten. In schweren Fällen ist der Schlaf-Wach-Rhythmus vollkommen umgekehrt. Bei diesen Patienten ist eine erhöhte Aktivität und Unruhe besonders in den späten Nachmittags- und Abendstunden typisch. 



  Delirante Patienten können eine herabgesetzte oder gesteigerte Psychomotorik bieten, die sich in der Gestik und in der Sprache äussert. Während Patienten mit gesteigerter Psychomotorik vom Pflegepersonal und von Angehörigen rascher identifiziert werden, besteht die Gefahr, dass inaktive Patienten nicht als Verwirrtheitszustand diagnostiziert und behandelt werden. 



  Die Stimmung deliranter Patienten kann depressiv, häufig aber auch dysphorisch (grantig-reizbar) gefärbt sein, was mit der erhöhten Reagibilität auf Aussenreize zu tun hat. Das sympathische Nervensystem ist übererregbar, es können vegetative Symptome wie starkes Schwitzen, Tachykardie, Schwankungen von Blutdruck und Puls, Gesichtsröte, weiter gestellte Pupillen, Angst und Wutreaktionen auftreten. 



  Erfindungsgemäss werden daher alle Delirien behandelt, die nicht- 
 EMI12.1 
 oder Vergiftung mit anderen Tropan-Alkaloiden) oder durch Degenerierung des cholinergen Systems bei degenerativer Demenz bedingt ist. 



  Bevorzugterweise wird erfindungsgemäss ein postoperatives Delir, ein Delir während interner Erkrankung oder ein posttraumatisches Delir behandelt. Besonders bei diesen klinisch äusserst wichtigen Delirien steht bislang keine befriedigende medikamentöse Therapie zur Verfügung. 

 <Desc/Clms Page number 13> 

 



  Eine weitere bevorzugte Ausführungsform der vorliegenden Erfindung betrifft die Behandlung von Delirien, die durch nicht-anticholinerge Intoxikationen bedingt ist. 



  Ein weiteres Einsatzgebiet der Erfindung liegt in der Behandlung von Substanzentzug-Delirien, bei welchen ebenfalls ein ganz besonders grosser Bedarf an effektiven Behandlungsverfahren herrscht. 



  Weiters kann erfindungsgemäss auch ein Delir, welches durch hypoglykämische Prozesse, insbesondere hypoglykämisches Koma, bedingt ist, gut behandelt werden. 



  Häufig treten Delirien auch in Zusammenhang mit Reanimation auf, welche selbstverständlich ebenfalls erfindungsgemäss behandelt werden können. 



  Allen angeführten Delirien ist gemein, dass sie keinen vordergründigen Zusammenhang mit dem cholinergen System zu haben scheinen, wodurch deren effektive Behandlung mit den erfindungsgemässen Massnahmen besonders überraschend ist. 



  Die Differentialdiagnose der akuten Verwirrtheitszustände (des Delirs) ist aus der Psychopathologie im Querschnitt und der Information über den Verlauf aus der Fremdanamnese möglich. Einen spezifischen diagnostischen Test gibt es nicht, wenn auch ein Delir bei unauffälligem EEG ausgeschlossen werden kann. Neben einer Demenz muss bei Diagnose eines Delirs auch eine Schizophrenie, eine Manie und ein psychogener Dämmerzustand ausgeschlossen werden. Darüber hinaus werden auch immer wieder Aphasien nach Schlaganfällen besonders bei älteren Menschen mit Delirs verwechselt. Schizophrene Exazerbationen, auch beim älteren Menschen, gehen eher mit auditorischen als mit visuellen Halluzinationen einher. Darüber hinaus ist in diesen delirant anmutenden Zuständen bei endogenen Psychosen das EEG in der Regel unauffällig. 



  Die wesentliche Unterscheidung zwischen dem reinen Delir und einer Demenzerkrankung bringt die Anamnese, wobei das Delir akut beginnt und oft nachts erstmals von Angehörigen oder Pflegeper- 

 <Desc/Clms Page number 14> 

 sonal beobachtet wird, während die Demenz schleichend beginnt und im Tagesablauf entdeckt wird. Während der Zustand des dementen Patienten über Tage und Wochen relativ stabil ist, kommt es beim Delir zu starken Fluktuationen auch innerhalb des Tages und häufigen kurzen Episoden guter Orientierung. Die Aufmerksamkeit ist bei beginnenden Demenzen in der Regel nicht herabgesetzt bzw. wirken diese Patienten sehr bemüht und wach, wohingegen delirante Patienten sehr leicht ablenkbar sind und damit unkonzentriert wirken. 



  Es gibt keine repräsentative epidemiologische Untersuchung zur Häufigkeit akuter Verwirrtheitszustände, jedoch weisen Untersuchungen an auf internen Stationen aufgenommenen Patienten darauf hin, dass die akuten Verwirrtheitszustände eine grössere Inzidenz als selbst dementielle und depressive Syndrome bei alten Menschen haben. Akute Verwirrtheitszustände werden bei 30 bis   50   der Patienten über 70 Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt während einer internen Aufnahme beobachtet. 



  Die Behandlung erfolgt also erfindungsgemäss durch Verabreichung einer geeigneten Dosis eines Mittels, welches direkt oder indirekt die Aktivität des (zentralen) cholinergen Nervensystems zu steigern vermag, an einen Patienten. Da eine grosse Anzahl derartiger Medikamente bereits für andere Indikationen am Markt ist, kann die Dosis für die erfindungsgemässe Behandlung auf Grundlage der bereits angewendeten Dosierungen ermittelt werden. Aufgrund der guten Wirksamkeit der erfindungsgemässen Behandlung ist die Gabe von Neuroleptika erfindungsgemäss nicht mehr erforderlich. 



  Begleitende Behandlungsmassnahmen sind jedoch wie bei der bisherigen Behandlungspraxis sinnvoll : So sollte der Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt kontrolliert werden und die Ernährung und Versorgung mit den notwendigen Vitaminen und Spurenelementen sichergestellt werden. 



  Ein in Realitätsorientierung trainiertes Pflegepersonal beschleunigt die Reorientierung deliranter älterer Menschen nachweislich. Die Patienten sollten in ruhigen, gut beleuchteten Räumen verweilen, dort auch gewohnte Objekte um sich haben und auch eine Uhr und einen Kalender sowie Tageszeitungen zur Verfü- 

 <Desc/Clms Page number 15> 

 gung haben. Die Patienten sollten immer wieder auf ihren Orientierungssinn angesprochen und verbal reorientiert werden. 



  Ein Delir ist per definitionem eine vorübergehende Erkrankung, die in der Regel nur einige Tage bis zu wenigen Wochen dauert. 



  Aber ein Delir ist wegen der begleitenden massiven vegetativen Symotomatik beim multimorbiden älteren Patienten eine gefährliche Krankheitskomplikation. Nicht nur kommt es über die Belastung des Herzkreislauf-Systems zu einer verschlechterten kardialen Situation, sondern es sind im Zustand der Verwirrtheit auch Selbstbeschädigungen und Verletzungen möglich. Darüber hinaus entfernen sich delirante Patienten die intravenösen Katheter, öffnen sich Verbände und stürzen besonders leicht nachts aus dem Bett. Werden die Patienten zu stark sediert, drohen tiefe Beinvenenthrombosen und Pulmonalembolien.

   Insgesamt ist die Mortalität des Delirs wissenschaftlich schwer abzuschätzen, weil die deliranten Zustände auch bei ernsten extracerebralen Erkrankungen begleitend auftreten und die Mortalität dieser Erkrankungen dann nicht von der Mortalität des Delirs getrennt werden kann. 



  Ergebnisse aus der Arbeitsgruppe von Levkoff (Arch. Intern. Med. 



  152 (1992), 334-40) legen nahe, dass zahlreiche Patienten nach Erleiden eines akuten Verwirrtheitszustandes wiederum solche Zustände erleiden können, die völlige Restitutio ad integrum also nicht bei allen Patienten wie erhofft eintritt. Diese Persistenz der Symptome ist gegenwärtig Inhalt internationaler Forschung und in ihrer Pathophysiologie unklar. 



  Erstaunlicherweise gibt es zur Zeit keine international anerkannte Theorie zu den cerebralen Entstehungsbedingungen eines deliranten Syndroms. Insbesondere ist auch die Frage, ob es sich bei einem Delir um die Folge einer diffusen Hirnfunktionsstörung oder um eine lokalisierte Störung,   z. B.   in unserem Aufmerksamkeitssystem handelt, unbeantwortet. Beeinflusst durch die leichte Auslösbarkeit eines Delirs durch anticholinerg wirkende Substanzen gibt es auch eine biochemische Theorie der Imbalance zentral cholinerger und monaminerger (noradrenerger und/oder serotonerger und/oder dopaminerger) Mechanismen als Grundlage des Delirs. 



  Wahrscheinlich liegen den zahlreichen deliranten Syndromen ver- 

 <Desc/Clms Page number 16> 

 schiedene pathogenetische Mechanismen in teils gut lokalisierbaren Systemen, teils als Folge diffuser cerebraler Störungen zugrunde. Während delirante Syndrome nach Hypoglykämien, nach Herzrhythmusstörungen bzw. Blutdruckabfällen sicherlich Ausdruck von Funktionsstörungen von Nervenzellen und Neuronensystemen in weiten Teilen des Grosshirns darstellen, sind andere delirante Syndrome, wie   z. B.   die Korsakoff-Psychose, Ausdruck von umschriebenen Läsionen im Stammhirn und Zwischenhirn. 



  Einen ganz anderen Zugang zur Pathogenese der Verwirrtheitszustände liefert der Begriff der Homöostase. Es ist ein gerontologisches Prinzip, dass eine wichtige Auswirkung der Alterung eines Lebewesens seine fortschreitend geringer werdende Anpassungsfähigkeit an Veränderungen der Umwelt darstellt, wie sie eben im Falle des Gehirns durch Medikamente, Hypoglykämien und fokale Läsionen zustande kommen. Strukturen und Funktionen von Teilen des Organismus besitzen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Flexibilität, innerhalb derer bei Belastungen der Normbereich des Funktionierens eingehalten werden kann. Diese Anpassungsfähigkeit ist das Resultat einer Vielzahl von Einzelreaktionen   z. B.   auf Synapsenniveau, die von der Wissenschaft gewöhnlich isoliert analysiert werden.

   Nervenzellen, Neuronensysteme, das Gehirn und unser Körper befinden sich zu jeder Zeit in einem dynamischen und wechselseitig voneinander abhängigen Zustand, der als Homöostase bezeichnet wird und ein SteadyState-Gleichgewicht ist, das sich nur innerhalb eines gewissen Bereichs auf Störungen einstellen kann. Ein derartiges Fliessgleichgewicht garantiert Kontinuität, gibt aber auch die Möglichkeit zur Anpassung. Prozesse, die der Aufrechterhaltung der Homöostase dienen, sind Systeme der Adaptivität oder Kompensation. 



  Mit zunehmendem Alter wird die Kontrolle der Homöostase schwieriger, die Bandbreite des Normbereichs enger, die Stabilität und Kapazität der Kompensationsfähigkeit geringer. Dies drückt sich in einer wachsenden Störanfälligkeit aus, die bei den Funktionen des Bewusstseins, der Vigilanz, der Aufmerksamkeit oder der Orientierung das Delir bedeutet. Ein recht gut untersuchtes Beispiel einer im Alter weniger adaptierbaren zentralen Funktion ist die Thermoregulation, an deren Beispiel sich die altersab- 

 <Desc/Clms Page number 17> 

 hängige Einschränkung der Anpassungsfähigkeit einer Gehirnfunktion zeigen liess. Folge dieser gestörten Adaptivität ist auch die mit zunehmendem Lebensalter deutlich gesteigerte Empfindlichkeit auf Psychopharmaka. 



  Eine im zeitlichen Rahmen nicht mehr zu kompensierende Ausschwankung des Gleichgewichts verschiedener Transmittersysteme unseres Gehirns, sei es durch Psychopharmaka oder andere Störeinflüsse, führt zum Zusammenbruch der höchsten Ebene der cerebralen Homöostase, des Verarbeitens bewusster Denkinhalte. Folglich treten Delirien bei langsam wirkenden Störungen von Funktion oder Struktur des Gehirns nicht auf, sondern werden bei sehr plötzlichen Veränderungen des Hirnfunktionsniveaus eher beobachtet. 



  Wie aus obigen Ausführungen hervorgeht, können unzählige Ursachen einem Delir zugrunde liegen. Klinisch wichtig ist die Unterscheidung von primär cerebralen und sekundär cerebralen Ursachen und das rasche Erkennen gut behandelbarer Ursachen wie Medikamentennebenwirkungen, Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts, Vitaminmangelzustände und kardiovaskuläre Störungen. 



  Der bedeutendste Risikofaktor für das Auftreten eines Delirs ist das Lebensalter. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der wichtigsten Ursachen akuter Verwirrtheit. 



  Tabelle : Die wichtigsten Ursachen akuter Verwirrtheitszustände 1. primär cerebral :
Schädel-Hirn-Trauma primär degenerative Erkrankungen raumfordernde Prozesse entzündliche Prozesse vaskulär-ischämische Prozesse
Intoxikationen (nicht nur anticholinerge)
02-Mangel (Anämie, respiratorische Insuffizienz) 2. sekundär cerebral :
Postoperativ
Nach Anästhesie (auch ohne Operation)
Intoxikationen
Medikamentennebenwirkungen kardiovaskuläre Störungen 

 <Desc/Clms Page number 18> 

 metabolisch-toxisch (Niere,   Leber,..)  
Wasser- und Elekrolythaushalt endokrine Störungen (Schilddrüse, Nebenschilddrüse)
Mangel an Vitaminen oder Spurenelementen
Infektionen
Thermoregulationsstörungen
Störungen der Sinnesorgane
Stress Das postoperative Delir ist einer der Hauptanwendungsbereiche der erfindungsgemässen Therapie und soll deshalb kurz extra beschrieben werden.

   Bedingt durch die Zunahme an aufwendigen Operationen im Bereich der Herz- und Thoraxchirurgie, der Neurochirurgie, der Transplantationschirurgie aber auch der Unfallchirurgie, Bauchchirurgie etc. treten trotz Verbesserungen der Operations- und Narkosetechnik immer mehr postoperative Verwirrtheitszustände auf. Einerseits vermindern die besseren Techniken zwar das Auftreten dieser gefürchteten Operations-Spätkomplikation, andererseits werden wegen der verbesserten Techniken immer schwerer kranke, multimorbide und auch immer ältere Menschen diesen Eingriffen unterzogen. Trotz der grossen klinischen Bedeutung sind diese Verwirrtheitszustände wenig beforscht, da diese psychiatrische Krankheit nur ganz selten in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt wird. Die Inzidenz des postoperativen Deliriums schwankt je nach Studie und untersuchter Patientenpopulation bzw.

   Operation zwischen 0 % und   73, 5 %   (Dyer et al., Postoperative Delirium. Archives of Internal Medicine, 155   (13) (1995),   461-465). Das Auftreten eines postoperativen Deliriums ist ein Risikofaktor für eine erhöhte Komplikationsrate und erhöhte Mortalität, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Pflegeheimeinweisung, verlängert die Krankhausaufenthaltsdauer, es folgen mehr und damit teurere Wiederaufnahmen und der postoperative Verwirrtheitszustand kann langdauernde geistige Folgen haben. 



  Ein Beispiel für die Häufigkeit der postoperativen Verwirrtheitszustände kann die Orthopädie geben. In den 3 weltweit bislang durchgeführten prospektiven Studien erlitten zwischen 18 und 41 % der Patienten, die geplant einer Hüfttransplantation unterzogen wurden, diese Komplikation. In den 4 prospektiven Studien an Patienten mit Hüfttransplantation nach Schenkelhals- 

 <Desc/Clms Page number 19> 

 fraktur, also bei ungeplantem Eingriff nach Trauma, liegen die Häufigkeiten dieser psychiatrischen Komplikation bei 26 % bis 52   %   der Patienten ! Die Erfindung wird anhand des folgenden Beispiels, auf das sie selbstverständlich nicht beschränkt ist, näher erläutert. 



  B e i s   pie 1   : Behandlung eines nicht-anticholinergen Delirs mit dem oral verabreichbaren modernen Hemmer der AcetylcholinEsterase Rivastigmin Eine 70-jährige Patientin leidet seit ihrem 35. Lebensjahr an einer manisch-depressiven Krankheit. Bis zuletzt bestanden keinerlei geistige Abbauerscheinungen. Nach einem Harnwegsinfekt bei Lithiumtherapie der manisch-depressiven Krankheit kommt es zu einer Lithiumintoxikation mit schwerem, hyperaktivem Delir, das zur stationären Aufnahme auf einer internen Station zwingt. 



  Derartige Lithiumintoxikations-Deliria klingen in der Regel erst nach   6 - 8   Wochen vollständig ab. Die Patientin wird nach 4 Tagen in die Privatklinik überstellt und ist hochpsychotisch, uriniert in die Ecke des Zimmers, spricht mit der Nachttischlampe, halluziniert fremde Personen und Zwerge im Zimmer, flieht wie-   derholt a rStation,   glaubt das Pflegepersonal will sie töten, ist motorisch unheimlich unruhig und getrieben, nestelt an Bettdecke und Telefonkabel, schläft untertags immer wieder ein, ist jedoch die ganze Nacht auf. Die Patientin weint und lacht abwechselnd, fürchtet sich immer wieder plötzlich, um dann wieder zu lachen. Alle diese Symptome sind sehr instabil, stark wechselnd, die Patientin jedoch am Aufnahmetag nie wirklich ansprechbar.

   In der Delirium Skala nach Trzepacz (Psychiatry Research, 23, (1988), 89-97) wird ein Score von 29 (von 32 erreichbaren Punkten) entsprechend einem schweren Delir erreicht. 



  Nach 48 Stunden Therapie mit   Exelon   (Rivastigmin) in der Dosis von   2x1, 5   mg ist die Patientin orientiert, halluziniert nicht mehr, erinnert sich zwar an ihre Wahnideen, distanziert sich jedoch von ihnen, ist noch leicht unruhig, leicht unkonzentriert, ist untertags noch schläfrig, jedoch besteht nächtens nur mehr diskrete   Durchschlafstörung.   Die Symptome sind nun stabil ohne besondere Schwankungen, der Deliriumscore sinkt innerhalb von 48 Stunden auf 8 Punkte. Nach 4 Wochen wird Rivastigmin   (Exelon-i   

 <Desc/Clms Page number 20> 

 abgesetzt und sogar jetzt noch treten für 2-3 Wochen Aufmerksamkeitsschwankungen, Schlafstörungen, Unruhe und Tagesschwankungen auf, wie sie nach dieser Zeit im Spontanverlauf der Lithiumintoxikation zu erwarten gewesen wären.

Claims (6)

  1. Ansprüche : 1. Verwendung von die Cholinesterase reversible hemmenden Stoffen (reversible Cholinesterasehemmern) zum Herstellen einer Präparation zur Behandlung von Delirien, die durch akute Beeinträchtigung der Funktion des zentralen Nervensystems bedingt sind, ausgenommen Delirien, die durch anticholinerge Intoxikation oder durch Degenerierung des cholinergen Systems bedingt sind.
  2. 2-Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Delir ein postoperatives Delir oder ein Delir während einer internen Erkrankung ist.
  3. 3. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Delir durch nicht-anticholinerge Intoxikationen bedingt ist.
  4. 4. Verwendung nach Anspruch l, dadurch gekennzeichnet, dass das Delir durch Substanzentzug bedingt ist.
  5. 5. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Delir durch hypoglykämische Prozesse, insbesondere hypoglykämisches Koma, bedingt ist.
  6. 6. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Delir durch Reanimation bedingt ist.
AT0805901U 1998-11-27 2001-08-22 Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems AT5348U1 (de)

Priority Applications (1)

Application Number Priority Date Filing Date Title
AT0805901U AT5348U1 (de) 1998-11-27 2001-08-22 Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems

Applications Claiming Priority (2)

Application Number Priority Date Filing Date Title
AT199598 1998-11-27
AT0805901U AT5348U1 (de) 1998-11-27 2001-08-22 Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems

Publications (1)

Publication Number Publication Date
AT5348U1 true AT5348U1 (de) 2002-06-25

Family

ID=25597374

Family Applications (1)

Application Number Title Priority Date Filing Date
AT0805901U AT5348U1 (de) 1998-11-27 2001-08-22 Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems

Country Status (1)

Country Link
AT (1) AT5348U1 (de)

Similar Documents

Publication Publication Date Title
DE2920739C2 (de)
DE3338995C2 (de)
JPH0318602B2 (de)
DE69833502T2 (de) Glucocorticoid receptor antagonisten zur behandlung von demenz
CN102143687B (zh) 4-氨基吡啶在改善具有脱髓鞘和其它神经系统状况的患者的神经-认知和/或神经-精神病学损伤中的用途
DE10213571A1 (de) Pflanzenextrakte und deren Anwendung
AT389226B (de) Verfahren zur herstellung einer analgetischen und antiinflammatorischen pharmazeutischen zubereitung
JENSEN et al. Amnesic effects of diazepam:“Drug dependence” explained by state‐dependent learning
Smith et al. The diagnosis and treatment of the PCP abuse syndrome
Summers et al. Delirium after cataract surgery: review and two cases
EP1133290B1 (de) Verwendung von acetylcholinesterase-inhibitoren zur behandlung von delirien
US20040209849A1 (en) Use of effectors of the central cholinergic nervous system for treatment of delirium
DE19906975A1 (de) Vorrichtung und Verfahren zur Behandlung von Alzheimer&#39;scher Demenz
Haliga et al. New insights into the organophosphate-induced intermediate syndrome
AT5348U1 (de) Verwendung von effektoren des zentralen cholinergen nervensystems
DE69906728T2 (de) Verwendung von 4-piperidinmethanolderivaten zur behandlung von neuralentwicklungsstörungen
DE69631597T2 (de) Kombination aus einem beta rezeptorblocker und einem opioid
Haussmann et al. Das nichtentzugsbedingte Delir.
Preston et al. Temporal lobe epilepsy: A clinical study of 47 cases
EP0278013B1 (de) Antihypoxisches Mittel
Whittier et al. Mepazine (pacatal): clinical trial with placebo control and psychological study
EP1140076A1 (de) Verwendung von 5ht3-rezeptor-antagonisten zur therapie des chronischen müdigkeitssyndrom
WAGIH et al. The value of using amantadine upon improving conscious level in isolated head trauma patients guided by Glasgow Coma Scale and Bispectral Index
WO2022017919A1 (en) Cannabidiol for use in the treatment of seizures associated with hydrocephalus
DE3419686A1 (de) Verwendung einer zusammensetzung mit therapeutischer wirksamkeit

Legal Events

Date Code Title Description
MN9K Cancelled due to lapse of time