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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung des Tollwutvirus (nov. spec.) Stamm 675, hinterlegt bei der Tschechoslovakischen Nationalen Kultursammlung, Institut für Hygiene und Epidemiologie, Prag, mit der Registriernummer CNCTC AO 4/77, sowie dessen Mutanten und Varianten mit dem gleichen reproduzierbaren signifikanten cpE sowie andern spezifischen Charakteristika des Stammes 675.
Es ist bekannt, dass die Tollwutvirusinfektion in Warmblütern durch die prophylaktische parenterale Verabreichung von Impfstoffen, z. B. LEP Flury-Impfstoff oder HEP Flury-Impfstoff, bekämpft werden kann. LEP bedeutet niedrige Eipassage, HEP hohe Eipassage. Die Gewinnung dieser Impfstoffe wird nachstehend beschrieben.
Am 29. Januar 1939 starb im Bundesstaat Georgia in den V. St. v. A. ein Mädchen mit dem Namen"Flury". Als Todesursache wurde Tollwut als Folge einer Infektion durch einen tollwütigen Hund festgestellt. Tollwutvirus wurde aus dem Gehirn, aus den Tränendrüsen und aus den Speicheldrüsen des Mädchens über intracerebrale Mauspassagen isoliert ; vgl. C. N. Leach und H. N. Johnson, Amer. J. Trop. Med., Bd. 20[1940], S. 335.
Das Gehirn der infizierten Mäuse wurde später intracerebral auf Eintagsküken verimpft und im Gehirn von Eintagsküken insgesamt 136 mal passagiert ; vgl. H. Koprowski und H. R. Cox, J. Immunol, Bd. 60 [1948], S. 533. Nach zwei weiteren intracerebralen Passagen wurde dieses Tollwutvirus auf den Dottersack von Hühnerembryonen adaptiert. Nach 60 Dottersack-Passagen war dieser Virusstamm für eine Reihe von Säugetieren praktisch apathogen. Er wird unter der Bezeichnung "LEP Flury Impfstoff" als Tollwutimpfstoff für Hunde verwendet. Nach weiteren 170 bis 174 Passagen im bebrüteten Hühnerei verlor das Virus weiter an Pathogenität. Zwei Wochen alte Mäuse überleben die intracerebrale Infektion mit diesem Stamm, während neugeborene Mäuse tödlich erkrankten. Dieser attenuierte Virusstamm wird unter der Bezeichnung "HEP Flury" als Impfstoff verwendet.
Die LEP- und HEP- Impfstoffe vermitteln einen wirksamen Schutz gegen die Tollwut, wenn sie prophylaktisch verwendet werden. Trotzdem besteht ein Bedarf nach andern Tollwut-Impfstoffen, wie kürzlich durch Kontrolluntersuchungen auf nationaler und internationaler Ebene festgestellt wurde. So ist z. B. die Kontrolle der silvatischen Tollwut in den Industrieländern, in denen die Tollwut seit längerer Zeit endemisch ist, oder wo sie erst seit kurzem eingeschleppt wurde, eines der kompliziertesten und aus ökologischen Gründen schwierigsten Probleme. In der gegenwärtigen Situation gibt es noch keine voll befriedigende, ökonomisch vertretbare Bekämpfungsmassnahme.
Die postinfektionelle Impfung des Menschen hat in den tollwutverseuchten Ländern in der ganzen Welt zahlreiche Probleme aufgeworfen. Aus diesen Gründen richtete sich das Augenmerk der Forschung auf die Möglichkeit der prophylaktischen und postinfektionellen Immunisierung durch eine nichtparenterale, bevorzugt orale, Applikation.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Tollwutvirus-Impfstamm zu entwickeln, der auf verschiedene Weise verabreicht werden kann, z. B. parenteral oder nichtparenteral, und der trotzdem einen voll wirksamen Impfschutz vermittelt, wenn er vor oder nach einer stattgefundenen Tollwutinfektion gegeben wird. Diese Aufgabe wird durch die Erfindung gelöst.
Demnach betrifft die Erfindung, wie oben erwähnt, ein Verfahren zur Gewinnung des Tollwutvirus (nov. spec.) Stamm 675, hinterlegt bei der Tschechoslovakischen Nationalen Kultursammlung, Institut für Hygiene und Epidemiologie, Prag, mit der Registriernummer CNCTC AO 4/77, sowie dessen Mutanten und Varianten mit dem gleichen reproduzierbaren signifikanten cpE sowie andern spezifischen Charakteristika des Stammes 675, wobei man, wie an sich bekannt, den Tollwutvirus Stamm HEP Flury in primären oder sekundären spf-Hühnerembryofibroblasten oder in andern Tollwutvirus-empfindlichen Zellinien oder diploiden Zellstämmem vermehrt, und dieses Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass man eine Plaque isoliert, die sich vom Ausgangsvirus durch ihren cytopathischen Effekt in Zellkulturen beim Plaquetest nach der Methode von K. Yoshina und Mitarb., Arch. ges.
Virusforsch., Bd. 18 [1966], S. 370, bzw. bei der Plaque-Zellsuspensionsmethode nach G. Bijlenga und L. Joubert, Bull. Soc. Sci. Vét. et Méd. Comparée Lyon, Bd. 76 [1974], S. 429, unterscheidet, und diese Plaque über drei derartige Plaquepassagen klonisiert.
Die Möglichkeit, bei wildlebenden Tieren, die ja die wichtigsten Vektoren und zugleich ein ständiges Reservoir für die Tollwut sind, durch orale Applikation einen wirksamen Immunschutz
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aufzubauen, ist einer der wichtigsten Fortschritte, die die Erfindung bringt.
Der vermehrungsfähige Impfstamm 675 ist, soweit gegenwärtig bekannt, von allen existierenden Tollwut-Virusstämmen der am meisten pathogene. Dies ermöglicht den Schutz gegen das Strassenvirus auch nach stattgefundener Infektion bereits durch eine einzige Applikation einer geeigneten Dosis. Auch der inaktivierte Impfstoff, der mit diesem Stamm 675 hergestellt wird, gestattet die postinfektionelle Anwendung. Der erzielte Schutz ist allerdings nicht ganz so gut. Der vermehrungsfähige Impfstoff und auch der inaktivierte Impfstoff haben eine sehr gute Antigenität, die bei beiden fast gleich ist. Beide Impfstoff-Typen werden in Zellkulturen hergestellt und sind fast völlig frei von Fremdeiweiss, wodurch der Grad und die Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen praktisch vollständig beseitigt werden.
Das erfindungsgemässe Verfahren zur Gewinnung des neuen Virusstammes 675 wurde im einzelnen wie folgt durchgeführt :
Virus aus dem HEP Flury-Impfstoff wurde in primären oder sekundären Fibroblastenkulturen aus spf-Hühnerembryonen vermehrt. Es wurde durch fluoreszenzserologische Untersuchun-
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durch die in vitro Neutralisation mit bekannt positiven Seren - International Rabies Reference Serum - auf seine Spezifität überprüft.
Durch die Verwendung des Plaquetestes in Hühnerembryofibroblastenkulturen oder in andern Tollwutvirus-empfindlichen Zellinien oder diploiden Zellstämmen nach der Methode von K. Yoshina u. Mitarb., Arch. ges. Virusforsch., Bd. 18 [1966], S. 370, bzw. die Plaque-Zellsuspensionsmethode nach G. Bijlenga und L. Joubert, Bull. Soc. Sci. Vét. et Méd, Comparée Lyon, Bd. 76 [1974 ], S. 429, war es möglich, eine Plaque zu isolieren, welches sich von der Ausgangs-Viruspopulation klar durch seinen cytopathischen Effekt in Zellkulturen unterscheidet. Dieses Plaque wurde über weitere 3 Plaquepassagen (Klonisierung) gezüchtet, um eine Viruspopulation zu gewinnen, die rein und homogen ist.
Die Original-Plaque wurde als Nummer 675, und der nach der Reinigung gewonnene Tollwut-Virusstamm als Stamm 675 bezeichnet. Eine Probe dieses Stammes wurde in der Tschechoslovakischen Nationalen Kultursammlung, Institut für Hygiene und Epidemiologie, Prag, am 13. Januar 1977 hinterlegt. Sie wurde dort unter der Bezeichnung CNCTC Nr. AO 4/77 registriert.
Der Stamm kann vom Original-Stamm HEP Flury an Hand folgender Charakteristika unterschieden werden : a) durch einen sehr ausgeprägten cytopathischen Effekt (cpE) in Zellkulturen (in vitro), der sich deutlich von dem durch den HEP Flury Stamm verursachten cpE unter- scheidet ; b) durch einen verkürzten primären Viruszyklus, der zwischen 9 und 11 h beträgt, wo- durch schneller Plaques ausgebildet werden ; c) sehr klare Plaques, die im Durchschnitt etwas grösser als die durch den HEP Flury Stamm gebildeten sind (1 mm grösser) ; d) verstärkte Adsorption des Virus an die Zelloberfläche in vitro, was vor allem für die
Wirksamkeit einer oralen Impfung notwendig ist ; e) eine schnellere Induktion der Interferonproduktion in vivo nach der Impfung auf Grund der zuvor beschriebenen Eigenschaften des Stammes.
Diese Eigenschaft spielt vor allem bei der postinfektionellen Impfung eine grosse Rolle ; f) höhere Infektiositätstiter in Zellkulturen ; g) durch die Klonselektion und-reinigung ist das Risiko einer möglichen Reversion des Virus zur Ausgangs-Virulenz praktisch ausgeschlossen, da eine homogene Viruspopulation er- halten wird ; h) der Stamm hat von allen zur Zeit verfügbaren Tollwut-Stämmen die geringste Pathogeni- tät.
Die unter a) bis h) genannten Eigenschaften gestatten eine eindeutige Differenzierung des Stammes vom Stamm HEP Flury.
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Die Erfindung schliesst auch die Herstellung artifiziell vom Stamm 675 gewonnener Mutanten (und Varianten) ein, die die gleichen Eigenschaften haben wie dieser Stamm.
Auf Grund der vorstehend beschriebenen Eigenschaften, vor allem durch die Klonselektion g), ist gewährleistet, dass mit dem erfindungsgemässen Stamm 675 Impfstoffchargen gleichbleibender Qualität hergestellt werden können.