Nassspinnverfahren zur Herstellung einer ligninhaltigen Faser als Precursor für eine Kohlenstofffaser
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Precursorfaser, die sich für die Weiterverarbeitung zu Kohlenstoff- und aktivierten Kohlenstofffasern eignet. Das Verfahren ist ein Nassspinnverfahren, bei dem eine Spinnlösung von Lignin oder Ligninderivaten, Cellulosecarbamat und Alkalilauge durch die Löcher einer Düse gepresst und unmittelbar in ein Koagulationsbad eingeleitet wird. Die im Bad ausfallende Precursorfaser kann verschiedenen weiteren Verfahrensschritten unterzogen werden: Sie kann verstreckt, nachbehandelt, bei erhöhter Temperatur getrocknet und aufgewickelt werden. Da sie ein kostengünstiges Ausgangsmaterial darstellt, kann sie im Anschluss zur Herstellung von Kohlenstoff- und aktivierten Kohlenstofffasern verwendet werden.
Carbonfasern sind Hochleistungsverstärkungsfasern, die schon seit Langem für Verbundmaterialien im Flugzeugbau, dem Hochleistungsfahrzeugbau
(Formel I, Hochleistungssegelschiffe etc.), für Sportgeräte und für Windkraftanlagen genutzt werden. Eine aktuelle Herausforderung besteht darin, Carbonfasern mittlerer Qualität und bei gleichzeitig geringen Produktionskosten herzustellen, so dass diese auch im Automobilbau eingesetzt werden kön- nen. Wesentliche Triebkraft hierfür ist das Ziel, Elektrofahrzeuge bereitzustellen, die ein geringes Gewicht, aber eine trotzdem stabile Karosserie besitzen.
Kohlenstofffasern werden durch Hitzebehandlung von organischen Precursorfasern bei Temperaturen oberhalb von 1000 °C hergestellt. Die erste industrielle Herstellung von Kohlenstofffasern auf der Basis von Cellulose-
Precursoren erfolgte nach dem von C.E. Ford und C.V. Mitchell entwickelten und patentierten kontinuierlichen Verfahren (US 3,107,152). Die so produzierten Kohlenstofffasern wurden zunächst unter dem Handelsnamen „Thornel 25" mit Festigkeiten von 1.25 GPa und Moduli von 172 GPa vermark- tet. Durch Weiterentwicklungen konnten weitere Kohlenstofffaser mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden. Diese besaßen Festigkeiten von bis zu 4.0 GPa und E-Moduli von bis zu 690 GPa.
Maßgeblich für die guten Fasereigenschaften war auch damals schon die spe- ziehe Prozessführung. Die Cellulosefasern wurden Temperaturen von 2500-
3000°C ausgesetzt und dabei deformiert (sog. Stretch-Grafitisierung). Nur bei diesen hohen Temperaturen lässt sich Graphit plastisch deformieren und entlang der Faserachse orientieren. Bei dem Herstellungsprozess nach Ford und Mitchell konnte allerdings nur eine Kohlenstoffausbeute zwischen 10 und 20 Gew.-% erzielt werden. Außerdem war der Prozess auch durch die spezielle Verfahrensführung mit 1000 $/kg Kohlenstofffaser sehr kostspielig. Dies hatte zur Folge, dass das Verfahren unwirtschaftlich war und die Produktion von Kohlenstofffasern auf Basis von Cellulose fast vollständig eingestellt wurde.
Diese Entwicklung war von intensiven Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Kohlenstofffasern aus alternativen Ausgangsmaterialien begleitet. Dabei zeigte sich, dass Kohlenstofffasern auf Basis von Polyacrylnitril (PAN) oder auf Basis von Copolymeren des Polyacrylnitrils bei gleichem Eigenschaftsprofil deutlich kostengünstiger hergestellt werden konnten. Auch heute sind PAN
und PAN-Copolymere noch die dominierenden Ausgangsstoffe zur Herstellung von Precursorfilamentgarnen und daraus erzeugten Kohlenstofffasern. Hinzu kommen die ultrahochmoduligen Kohlenstofffasern auf Basis von Pech. (J.P. Donnet et al., Carbon fibers, third edition, Marcel Dekker, Inc. New York, Basle, Hong Kong).
Obwohl die Herstellung von Kohlenstofffasern durch die Substitution von Cel- lulose durch PAN oder Pech insgesamt günstiger geworden ist, ist die Verteilung der Herstellungskostenanteile ungleichmäßig und stark an den Rohölp- reis gekoppelt. Sowohl PAN als auch Pech sind vollständig petrobasiert. Ihre
Herstellung und Isolierung macht etwa die Hälfte der Herstellungskosten von Kohlenstofffasern aus.
Es ist deshalb ein aktuelle Herausforderung, alternative Methoden zur Her- Stellung von Kohlenstofffasern zu entwickeln, die ebenso kostengünstig oder noch kostengünstiger sind und deren Herstellungskosten nicht in gleichem Ausmaß mit dem Rohölpreis korrelieren wie bei den PAN-basierten Kohlenstofffasern. Zugunsten niedriger Herstellungskosten könnten auch geringere Eigenschaften der resultierenden Kohlenstofffasern in Kauf genommen wer- den. Um erfolgreich ein neues Marktsegment zu besetzten, sollte die Kohlenstofffaser aber zumindest ein E-Modul von 170 GPa und eine Festigkeit von 1.7 GPa aufweisen.
Der am intensivsten untersuchte Rohstoff für die Herstellung eines alternati- ven Precursors für Kohlenstofffasern ist das Biopolymer Lignin. Dieses bietet den Vorteil einer im Vergleich zu PAN (50 Gew.-%) bzw. Cellulose (20-30 Gew.-%) sehr hohen Kohlenstoffausbeute (ca. 60 Gew.-%). Lignin ist ein polyaromatisches Polyol, welches Bestandteil des Holzes ist und in großen Mengen als Nebenprodukt der Zellstoffherstellung anfällt. Die chemische Struktur des Lignins wird durch die im Zel Istoff prozess verwendete Holzart sowie das Verfahren der Zellstoffkochung bestimmt. Der Hauptanteil des anfallenden Lignins wird gegenwärtig nur energetisch genutzt. Mit Lignin steht ein äußerst kostengünstiger Rohstoff zur Verfügung, der in unmodifizierter Form praktisch nicht faserbildend ist.
Eine Prozessvariante zur Herstellung einer ligninbasierten Precursorfaser für
eine Kohlenstofffaser beschreibt beispielsweise Kadla (J.F. Kadla et al., Carbon, 40, 2913-2920, 2002). Hier wird ein kommerziell verfügbares Kraft- Lignin durch Schmelzspinnen zu einer Ligninfaser verarbeitet. Als nachteilig erwies sich bei diesem Verfahren jedoch, dass eine kostenintensive thermi- sehe Vorbehandlung des Lignins notwendig ist. Außerdem wiesen die Kohlenstofffasern, die aus den schmelzgesponnenen, ligninhaltigen Precursoren hergestellt wurden, Festigkeiten von nur ca. 0,4 GPa und Moduli im Bereich von 40 bis 50 GPa auf. Sie erfüllen damit nicht die vom Automobilbau angestrebten mechanischen Kennwerte.
Weitere Prozesse zum Schmelzspinnen von Lignin offenbaren Kubo (Kubo et al., Carbon, 36, 1119-1124, 1998) und Sudo (K. Sudo et al. J. Appl. Polymer Sei., 44, 127-134, 1992). Bei diesen müssen die nicht schmelzenden, hochmolekularen Bestandteile in einem Vorbehandlungsschritt aus dem Lignin ent- fernt werden und die nach diesen Prozessen hergestellten Kohlenstofffasern sind ebenfalls durch ein niedriges Festigkeitsniveau gekennzeichnet und genügen nicht den Anforderungen.
Der Stand der Technik zeigt somit, dass das Schmelzspinnen von ligninhaltigen Precursoren zwar prinzipiell möglich ist, jedoch aufwendige Verfahrensschritte erfordert. Mittels Schmelzspinnverfahren wurden die Precursorfasern nur diskontinuierlich und als Monofilament zu Kohlenstofffasern umgewandelt, da es einer Vernetzungsreaktion des Lignins bedarf, um die schmelzbare Precursorfaser in einen nicht mehr schmelzenden Zustand zu überführen.
Die Verwendung von Lösungen, welche Lignin und ein faserbildendes Polymer enthalten, besitzt den Vorteil, dass es sich dabei von vornherein um nichtschmelzende Polymere handelt. Diese lassen eine schnellere Konvertierung zu und Prozessschritte zur Aufhebung der Schmelzbarkeit sind nicht notwendig.
Ein solches Verfahren zur Herstellung einer ligninhaltigen Precursorfaser beschreibt die US 3,461,082. Hier wird eine Lösung aus einem Polymer wie PAN oder Viskose und Lignin nach dem Trockenspinnverfahren verarbeitet. Die Spinnmasse wird durch eine Spinndüse gefördert und die erzeugte Filamentschar tritt danach in einen mit einem heißen Gasmedium beaufschlagten Spinnschacht. Das Lösungsmittel verdampft dabei und die
Polymere werden in Faserform regeneriert und können weiter prozessiert werden.
Für die Verwendung von PAN als faserbildendes Polymer ergibt sich abermals eine direkte Abhängigkeit vom Ölpreis. Der Einsatz von Viskose bringt jedoch ebenfalls Nachteile mit sich, da es sich bei Viskose um Cellulosexanthogenat handelt und dieses keine lagerstabile Verbindung darstellt, da jederzeit Xanthogenatsubstituenten abgespalten werden können. Dies genügt nicht den Qualitätsanforderungen, die ein im Anschluss stattfindender Konvertie- rungsprozess zur Kohlenstofffaser an das Precursormaterial stellt.
Darüber hinaus muss bei dem Trockenspinnverfahren davon ausgegangen werden, dass Reste der zum Lösen des Cellulosexanthogenat eingesetzten Alkalilauge in der Faser verbleiben und somit zwangsläufig zu Fehlstellen wäh- rend der Umwandlung zur Kohlenstofffaser führen, da die Faser dann lokal überhitzen kann.
Auch wenn der Viskoseprozess das mit Abstand am häufigsten genutzte Verfahren zur Herstellung von cellulosischen Chemiefasern ist, so sind die dabei anfallenden Nebenprodukte wie z.B. Schwefelkohlenstoff, Schwefelwasserstoff, Schwermetalle ökologisch bedenklich und der Gesamtprozess mit hohen Investitionskosten verbunden. Es werden deshalb bereits seit Jahren Anstrengungen unternommen, das Viskoseverfahren durch alternative Verfahren abzulösen.
Entwickelt wurden dazu einerseits Verfahren auf Basis des direkten Lösens von Zellstoff in geeigneten Lösemitteln, wie z.B. N-Methylmorpholin-N-oxid oder ionischen Flüssigkeiten. Auch hieraus lassen sich Lignin enthaltende cellulosische Regeneratfasern erzeugen. Jedoch wurden solche Spinnlösungen aufgrund ihrer hohen Viskosität bisher nach dem Luftspaltspinnverfahren weiterverarbeitet. Die hohe Viskosität erforderte außerdem teureres Prozess- equipment, damit die Spinnlösung gefördert werden konnte und es war nötig, die Lösung zu filtrieren. Von enormer Bedeutung bei den Direktlöseprozessen von Zellstoff, ist die Rückgewinnung des Lösungsmittels. Durch das Einbringen von Lignin/Ligninderivat in die Spinnlösung und dem gemeinsamen Fällungsprozesses, nach dem die Polymerlösung aus der Düse in Faserform ausgetre-
ten ist, den Luftspalt passiert hat und anschließend in das Fällbad eintritt, kommt es zum teilweisen Auswaschen des Lignin/Ligninderivates in das Fällbad, in welches auch das Lösungsmittel diffundiert. Der Anteil des Lignin/Ligninderivates, welches in das Fällbad übergeht, kann durch geeignete Additive abgesenkt werden. Jedoch stellen beide Fälle einen zusätzlichen
Aufwand für das Recycling des Lösungsmittels dar, wodurch die erhöhten Prozesskosten auf die resultierende Kohlenstofffaser umgelegt werden müssen und somit ein möglicher Kostenvorteil minimiert wird. EP57105, EP178292 und EP2110468 beschreiben eine Möglichkeiten Formkörper aus Regeneratcellulose besteht durch Ausfällen einer Lösung von Cellulosecarbamat herzustellen. Cellulosecarbamat wird durch die Umsetzung von Cellulose mit Harnstoff gebildet, ist in kalter Natronlauge löslich und kann in sauren, salzhaltigen wässrigen Lösungen oder erwärmter Natronlauge re- generiert werden.
Neben diesem Weg zur Erzeugung von Regeneratfasern aus Cellulosecarbamat, kann Cellulosecarbamat auch aus NMMO mittels Luftspaltspaltspinnen, wie in EP 1716273B1, umgeformt werden. Die Strukturbil- dung der Regeneratfaser erfolgt bei diesem Prozess im Luftspalt und führt zu hochmoduligen und hochfesten Fasern. Problematisch ist die Stabilität der Spinnlösung aus Cellulosecarbamat in NMMO, da es zur vermehrten Abspaltung des Carbamatsubstituten kommt, wodurch sich permanent die rheologischen Eigenschaften der Spinnlösung verändern und damit das Spinn- verhalten. Ferner entsteht als Spaltprodukt gasförmiges Ammoniak, welches durch die Spinndüse entweicht und zu Spinninstabilitäten führt.
Es war deshalb Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zu Herstellung einer ligninhaltigen Precursorfaser bereitzustellen, das nicht die Nachtei- le der oben genannten Verfahren aus dem Stand der Technik aufweist. Das bedeutet, dass die Spinnlösung keine Cellulosexanthogenate bzw. keine Viskose enthalten und sich nach dem Nassspinnverfahren verarbeiten lassen sollte. Zudem sollten zur Herstellung der spinnfähigen Lösung keine aufwendigen Vorbehandlungsschritte notwendig sein. Das Verfahren sollte neben diesen Voraussetzungen nachhaltig und kostengünstig sein.
Weiterhin ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine entsprechende ligninhaltige Precursorfaser anzugeben, die hohe E-Moduli und Festigkeiten aufweist. Zudem betrifft die vorliegende Erfindung die Weiterverarbeitung der Precursorfaser zu einer Kohlenstofffaser sowie eine entsprechend herge- stellte Kohlenstofffaser oder aktivierte Kohlenstofffaser.
Diese Aufgabe wird hinsichtlich des Verfahrens zur Herstellung einer ligninhaltigen Precursorfaser mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst. Patentanspruch 15 betrifft eine entsprechend hergestellte Precursorfaser. Zudem wird mit Patentanspruch 19 ein Verfahren zur Herstellung einer Kohlenstofffaser aus der Precursorfaser angegeben. Mit Patentanspruch 22 wird eine entsprechend hergestellte Kohlenstofffaser bereitgestellt und Patentanspruch 24 zeigt Verwendungszwecke dieser Kohlenstofffaser auf. Die jeweils abhängigen Ansprüche stellen vorteilhafte Weiterbildungen dar.
Beim erfindungsgemäßen Verfahren zur Herstellung einer ligninhaltigen Precursorfaser für die Herstellung von Kohlenstofffasern und/oder aktivierten Kohlenstofffasern wird eine Spinnlösung, enthaltend mindestens eine Sorte eines Lignins oder Ligninderivates sowie ein Cellulosecarbamat und ein Lösungsmittel, durch eine Loch-Spinndüse, welche in ein Koagulationsbad taucht, extrudiert, wobei die ligninhaltige Precursorfaser ausfällt. Das erfindungsgemäße Spinnverfahren ist somit ein Nassspinnverfahren.
Durch das erfindungsgemäße Verfahren konnten durch überraschend einfa- che Prozessschritte lagerstabile Precursorfasern mit hohen Filamentzahlen erzeugt werden.
Besonders vorteilhaft beim erfindungsgemäßen Verfahren ist es, wenn die mindestens eine Sorte Lignin oder das in dem Ligninderivat enthaltene Lignin aus einer Nadelholz-, Laubholz- oder Einjahrespflanzenquelle extrahiert wird, wobei das Lignin besonders bevorzugt eine gewichtsmittlere Molmassenverteilung zwischen 500 g/mol und 20000 g/mol, besonders bevorzugt zwischen 2000 g/mol und 10000 g/mol, ganz besonders bevorzugt zwischen 4000 g/mol und 10000 g/mol, aufweist. Ebenfalls bevorzugt ist es bei dem erfindungsge- mäßen Verfahren, wenn das Lignin oder Ligninderivat weniger als 1 Gew.-%
Asche enthält. Dies kann erreicht werden, indem das entsprechende Lignin
oder Ligninderivat intensiv mit Wasser oder ggf. mit Säuren gewaschen wird.
Weiter ist es vorteilhaft, wenn das Cellulosecarbamat einen mittels Viskosi- metrie bestimmten DPCuoxam zwischen 150 und 750, besonders bevorzugt einen DPcuoxam zwischen 250 und 550, aufweist. Bevorzugt weist das Cellulosecarbamat auch noch einen Substitutionsgrad zwischen 0,1 bis 1,0, insbesondere zwischen 0,2 und 0,6, auf. In einer weiteren vorzugsweisen Ausführungsform der Erfindung wird Cellulosecarbamat in einer Konzentration von mehr als 6 Gew.-%, besonders bevorzugt von mehr als 8 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt von mehr als 10 Gew.-%, bezogen auf die Spinnlösung eingesetzt. In dieser Weise ergibt sich ein Stickstoffgehalt der Precursorfaser, der sich vorteilhaft bei der Weiterverarbeitung der Faser zu einer Kohlenstofffaser auswirkt.
Weiterhin ist es bevorzugt, dass die Spinnlösung ein Massenverhältnis von Cellulosecarbamat zu der mindestens einen Sorte eines Lignins oder Ligninderivates zwischen 0,60 und 1,80, besonders bevorzugt zwischen 0,80 und 1,20, ganz besonders bevorzugt 1,00, aufweist.
In einer Ausführungsform der Erfindung ist das Lösungsmittel ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus
• Alkalilaugen, insbesondere Natriumhydroxid oder Kaliumhydroxid,
• tertiären Aminoxiden, insbesondere N-Methylmorpholin-N-oxid;
• ionischen Flüssigkeiten, bevorzugt ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Imidazoliumverbindungen, Pyridiniumverbindungen oder Tetraalkylammoniumverbindungen, besonders bevorzugt l-Butyl-3- methylimidazoliumchlorid, l-Butyl-3-methylimidazoliumacetat, 1- Ethyl-3-methylimidazoliumacetat; und/oder
• Mischungen hieraus.
Besonders bevorzugt ist, dass das Lösungsmittel ausschließlich aus Alkalilaugen, tertiären Aminoxiden, insbesondere N-Methylmorpholin-N-oxid, besteht und dass das Lösungsmittel keine ionischen Flüssigkeiten enthält.
Dies hat den Vorteil, dass es zu keinen unerwünschten Nebenreaktionen der ionischen Flüssigkeit selbst oder der ionischen Flüssigkeit mit den Abbaupro-
dukten mit Cellulosecarbamates kommen kann. Es kann erfolgreich vermieden werden, dass ein Imidazolium-Kation einer ionischen Flüssigkeit oder dessen Abbauprodukte mit dem reduzierenden Ende der Celluloseeinheit oder/und anderen Aldehyd-Gruppen entlang des Cellulosecarbamates unter Ausbildung einer C-C-Bindung reagieren und dass diese Undefinierte Substitution einen Einfluss auf die Cellulosecarbamat/Cellulosecarbamat bzw. Cellulosecarbamat/Lignin-Wechselwirkung in der gebildeten Precursorfaser hat. Unter Ausschluss der ionischen Flüssigkeiten in der Spinnlösung kann darüber hinaus verhindert werden, dass es zur Ausbildung von unvorteilhaften Temperaturprofilen in der Faser kommt.
Des Weiteren ist es besonders bevorzugt, dass die Spinnlösung aus mindestens einer Sorte eines Lignins oder Ligninderivates sowie einem Cellulosecarbamat und einem Lösungsmittel besteht und dass sie keine ioni- sehen Flüssigkeiten, keine Cellulose, keine weiteren Cellulosederivate und keine sonstigen Additive enthält.
Weiterhin ist bei dem Verfahren bevorzugt, dass die Spinnlösung Spinnhilfsmittel ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus anorganischen Substanzen, insbesondere ZnO, organischen Additiven, insbesondere quaternäre Ammoniumverbindungen (kationisch, z.B. Berol Spin 641), Alkylether von Polyoxyethylenglycol (nicht-ionisch, z.B. Berol Visco 32) oder Sulfonierte Öle (anionisch), oder Mischungen hiervon, enthält. Die Spinnlösung kann durch Rühren oder Kneten der mindestens einen Sorte des Lignins oder des Ligninderivates sowie des Cellulosecarbamats in dem Lösungsmittel bei einer Temperatur von weniger als 5°C, bevorzugt von weniger als 0°C, hergestellt werden. Dabei wird so lange gerührt oder geknetet, bis die Lösung homogen und faserfrei ist. Die so erzeugte Spinnlösung wird vor Extrudieren durch die Loch-Spinndüse in das Koagulationsbad filtriert. So können ggf. enthaltene unlösliche Bestandteile abgetrennt werden.
In einer bevorzugten Ausführungsform weist die Loch-Spinndüse einen Spinnlochdurchmesser von 50 bis 500 μιη, besonders bevorzugt 50 bis 100 μιη, auf.
Ein weiterer vorteilhafter Aspekt des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht
vor, dass das Koagulationsbad bevorzugt einen pH-Wert zwischen 1 und 7, besonders bevorzugt zwischen 2 und 5 aufweist. Die Temperatur des Spinnbades beträgt vorzugsweise 5 °C bis 60 °C, besonders bevorzugt 10 bis 50°C. Ferner kann das Koagulationsbad, in welchem die Faser nach Extrusion durch die Spinndüse ausfällt, bevorzugt Wasser und/oder ein Lösungsmittel ausgewählt aus der Gruppe der Alkohole, der gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffe, der polar-aprotischen Verbindungen, besonders bevorzugt DMF, DMSO, DMAc, oder Mischungen hiervon, insbesondere in einem Anteil zwischen 10 und 50 Vol.-% oder Wasser, Säure, besonders bevorzugt Schwefelsäure, und Salze, besonders bevorzugt ausgewählt aus der Gruppe der Sulfate, Chloride, der Salze mit Lithium, Natrium, Kalium, Caesium, Ammonium, Magnesium, Calcium, Zink, Kupfer, Nickel, Cadmium, oder Mischungen hiervon als Kation, bevorzugt in einer Konzentration zwischen 40 und 240 g/L, besonders bevorzugt in einer Konzentration zwischen 60 und 240 g/L, enthalten.
Dabei hängt die Zusammensetzung des Koagulationsbades vorzugsweise von der Zusammensetzung der Spinnlösung ab. Enthält die Spinnlösung polare, aprotische Additive wie z.B. DMSO, DMF, DMAc zur Viskositätsregulierung, so setzt sich das Spinnbad bevorzugt aus Wasser und/oder Alkoholen, gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffen, polar-aprotischen Verbindungen, besonders bevorzugt DMF, DMSO, DMAc, oder Mischungen hiervon zusammen.
Wird aus einer alkalisch wässrigen Lösung gesponnen, so setzt sich das Spinnbad vorzugsweise aus Wasser und/oder Schwefelsäure und Salz zusammen. Weiter ist bevorzugt, dass die in einem Koagulationsbad ausgefällte
Precursorfaser anschließend in ein Reckbad eingeleitet und auf 110 bis 500 %, bevorzugt auf 110 bis 300 %, ihrer Länge gestreckt wird, wobei das Reckbad Wasser, Luft, oder ein Gemisch aus Wasser und einem Lösungsmittel, bevorzugt bei einer Temperatur von mehr als 60°C, besonders bevorzugt bei einer Temperatur von mehr als 80°C, ganz besonders bevorzugt bei einer Temperatur von mehr als 100°C, enthält oder daraus besteht, dass die Precursorfaser
mit destilliertem Wasser gewaschen, durch beheizte Walzen und/oder durch eine Durchströmtrocknung bei einer Temperatur zwischen 40 und 100 °C, bevorzugt zwischen 60 und 80 °C, getrocknet und/oder aufgewickelt.
Das Ausmaß der strukturellen Orientierung, das durch Strecken der Precursorfaser erzielt wird, ist dabei unerwartet hoch und trägt zu den außerordentlich guten mechanischen Eigenschaften der resultierenden Kohlenstofffaser bei.
In einer weiteren bevorzugten Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die Precursorfaser vor und/oder nachdem sie getrocknet wird mit einem Spinnöl beschichtet.
Ebenso ist es bei dem Verfahren bevorzugt, wenn die Precursorfaser bei der Stabilisierung in Form eines endlosen Mulitfilamentgarns vorliegt und dieser kontinuierlich durch einen Ofen transportiert wird. So können die Precusorfaser bei Verweilzeiten zwischen 10 bis 100 Minuten und Ofentemperaturen zwischen 100 und 350 °C in einen unschmelzbaren und nicht brennbaren Zustand überführt werden. Durch Anlegen einer mechanischen Spannung kann weiterhin eine Dehnung der Precursorfaser erreicht und gleichzeitig verhindert werden, dass die Faser im Ofen schlaff durchhängt.
Erfindungsgemäß wird ebenso eine Precursorfaser zur Herstellung von Kohlenstofffasern angegeben. Die erfindungsgemäße Precursorfaser zeichnet sich durch einen Gehalt an mindestens einer Sorte Lignin oder Ligninderivat von mehr als 5 Gew.-%, bevorzugt mehr als 10 Gew.-%, besonders bevorzugt zwischen 30 und 80 Gew.-% aus und weist eine nach DIN 53834 gemessene Festigkeit von mindestens 5 cN/tex, bevorzugt von mindestens 10 cN/tex, besonders bevorzugt von mindestens 15 cN/tex, ganz besonders bevorzugt von mindestens 20 cN/tex, sowie ein E-Modul von mindestens 350 cN/tex, bevorzugt von mindestens 550 cN/tex, ganz bevorzugt von mindestens 750 cN/tex, auf.
Die erfindungsgemäßen Precursorfasern halten überraschenderweise sehr hohen Heizraten von bis zu 50°C/min stand, die bei einer Stabilisierung der Precursorfaser angewendet werden. Außerdem weisen sie eine unerwartet
hohe Kohlenstoffausbeute nach einer Carbonisierung zu Kohlenstofffasern auf. Auch die Schling-, Knick- und Zugfestigkeit, die im Bereich von 150 bis 200 MPa liegt, und ihre Bruchdehnungseigenschaften sind bemerkenswert und übertreffen die entsprechenden Eigenschaften vergleichbarer Lignin- Precursorfasern aus dem Stand der Technik.
Vorzugsweise weist die Precursorfaser nach dem vorhergehenden Anspruch ein Stickstoff/Kohlenstoff-Masseverhältnis von weniger als 0,06, besonders bevorzugt weniger als 0,04, ganz besonders bevorzugt weniger als 0,02, auf.
Bevorzugt ist es außerdem, wenn die Precursorfaser einen runden Querschnitt mit einem Durchmesser von weniger als 70 μιη aufweist.
Besonders vorteilhaft lässt sich die erfindungsgemäße Precursorfaser nach einem im voranstehenden beschriebenen Verfahren herstellen.
Erfindungsgemäß wird ebenso ein Verfahren zur Herstellung einer Kohlenstofffaser offenbart, bei dem die Precursorfaser bei Temperaturen zwischen 100 und 300°C stabilisiert und simultan im Bereich zwischen 0 und 300 % be- zogen auf ihre Ausgangslänge gedehnt wird, wobei die Precursorfaser unschmelzbar und unbrennbar wird und eine orientierte Struktur erhält.
Anschließend kann die stabilisierte, orientierte Precursorfaser bei Temperaturen zwischen 300 und 900°C präcarbonisiert und im Bereich zwischen 0 und 300 % bezogen auf ihre Ausgangslänge gedehnt werden, wobei ein Kohlenstoffanteil der Faser von mehr als 80 Gew.-% und eine orientierte Struktur erhalten werden.
Optional kann die so erhaltene Kohlenstofffaser bei Temperaturen von 2000- 3000°C auch noch graphitisiert werden.
Zudem stellt die vorliegende Erfindung eine Kohlenstofffaser aus einer ligninhaltigen Precursorfaser bereit, die einen Kohlenstoffanteil von mehr als 80 Gew.%, bevorzugt von mehr als 90 Gew.-%, enthält.
Zudem ist die erfindungsgemäße Kohlenstofffaser vorteilhaft nach dem zuvor
beschriebenen Verfahren zur Herstellung einer Kohlenstofffaser herstellbar.
Des Weiteren ist es Gegenstand der Erfindung, dass die Kohlenstofffaser, die nach dem zuvor beschriebenen Verfahren zur Herstellung einer Kohlenstofffa- ser hergestellt wurde, zur Herstellung einer chemisch aktivierten Kohlenstofffaser und/oder zur Herstellung von Kompositmaterialien verwendet wird.
Die carbonisierte oder graphitisierte Kohlenstofffaser kann dabei durch Wärmebehandlung in oxidierender Atmosphäre oder Plasmabehandlung oder Behandlung mit Chemikalien an der Oberfläche physikalisch oder chemisch aktiviert werden.
Beispiel 1 250 g Cellulosecarbamat {DPCuox 258, N-Gehalt 2,2 %, Feuchtegehalt 10
Gew.-%) wurde zusammen mit 2000 g einer 7 Gew.-% wässrigen Natriumhydroxidlösung in der Kälte bei - 4 °C unter Rühren innerhalb 90 min gelöst. Zu der Lösung wurde anschließend 250 g eines Kraft-Lignins {Feuchtegehalt 10 Gew.-%) gegeben und weitere 30 min gerührt. Anschließend wurde die Lösung in der Kälte unter Druckbeaufschlagung mittels Stickstoffs (2bar) durch ein 10 μιη Metallfilter filtriert und für die Lösung für 20 h gelagert. Die so erzeugte niedrigviskose Spinnlösung wurde bei einer Temperatur von +5 °C mittels einer Spinnpumpe zur Spinndüse (600 Loch, 70 μιη), welche in ein 40 °C temperiertes wässrigen Spinnbad aus 80 g/l Schwefelsäure und 140 g/l Natriumsulfat ragte, gefördert. Die koagulierten Filamente wurden mittels eines Düsenverzugs von 0,7 abgezogen und der Wäsche zugeführt. Die Filamente wurden mittels 60 °C warmen destillierten Wassers gewaschen und bei 80°C getrocknet. Die so erzeugten Filamente hatten einen Festigkeit von 19 cN/tex, eine Dehnung von 6 % sowie einen Modul von 923 cN/tex. Der Ligningehalt der Filamente betrug 49 Gew.-%.
Beispiel 2
Das endlos Multifilamentgarn hergestellt nach dem Verfahren aus Beispiel 1, bestehend aus Lignin und Cellulosecarbamat (50/50 Masse-%), wurde kontinuierlich durch zwei räumlich voneinander getrennte Rohröfen transportiert
und mit Wärme beaufschlagt. Im ersten Rohrofen, durch den kontinuierlich Luft strömt, wurde am Multifilamentgarn der Prozess der Stabilisierung durchgeführt und dazu Temperaturen im Bereich von 100-300 °C und Einwirkzeiten bei entsprechenden Temperaturen von ca. 80 min angewendet. Durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fadentransporteinrichtungen vor und nach dem Rohrofen wurde während der Wärmeeinwirkung eine Dehnung des Multifilamentgarns von 100 % realisiert. Dabei wird die Struktur des Fasermaterials orientiert und damit mechanischen Eigenschaften der finalen C-Fasern deutlich verbessert. Das resultierende orientierte und stabilisierte Endlosmultifilamentgarn wurde anschließend auf einen Spulenkern gewickelt. Das entsprechende Multifilamentgarn ist charakterisiert durch Unschmelzbarkeit, Unbrennbarkeit, Verklebungsfreiheit ausreichender Schling- und Knickfestigkeit sowie Zugfestigkeit von ca. 200 MPa und Bruchdehnungen von ca. 5 %. Im zweiten Rohrofen, durch den kontinuierlich Inertgas strömt, wurde der Prozess der Präcarbonisierung durchgeführt und dazu Temperaturen im Bereich von 300-900 °C und Einwirkzeiten bei entsprechenden Temperaturen von 30 min angewendet. Durch unterschiedliche Geschwindigkeiten der Fadentransporteinrichtungen vor und nach dem Ofen konnte während der Wärmeeinwirkung eine Dehnung des Multifilamentgarns von ca. 10 % realisiert werden. Das resultierende orientierte und präcarbonisierte Endlosmultifilamentgarn wurde anschließend auf einen Spulenkern gewickelt. Das entsprechende Multifilamentgarn ist charakterisiert durch einen Kohlenstoffanteil > 80 Gew %. Abschließend erfolgte der Prozess der Carbonisierung in einem weiteren Ofen bei Temperaturen von 900- 1600°C, wobei ein orientiertes carbonisiertes Multifilamentgarn erhalten wurde, welches durch einen Kohlenstoffanteil > 90 Gew.-% charakterisiert ist.
Beispiel 3 300g Cellulosecarbamat (DPCuox: 274, DS 0,3) werden zusammen mit 300 g
Organosolv Lignin mit 1500 g Ethylmethylimidazoliumacetat sowie 500 g Dimethylsulfoxid gemischt und in einem Horizontalkneter bei 110 °C innerhalb 2,5h gelöst. Die resultierende homogene, schwarze Lösung ist völlig Faserfrei und besitzt eine Viskosität von 65 Pa s bei 50 °C.
Die filtrierte Lösung wurde mittels Druck und Zahnradpumpe durch eine 120-
Loch-Spinndüse (Lochdurchmesser 70 μιη) in ein 10 Vol.-% Ethylmethylimidazoliumacetat enthaltendes wässriges Koagulationsbad gefördert und gefällt. Die Filamente wurden mittels 60 °C warmen destillierten Wassers gewaschen und bei 80 °C getrocknet. Die so erzeugten Filamente hatten einen Festigkeit von 24 cN/tex, eine Dehnung von 8% sowie einen Modul von 1150 cN/tex. Der Ligningehalt der Filamente betrug 41 Gew.-%.
Beispiel 4
Das Endlosmultifilamentgarn hergestellt nach dem Verfahren aus Beispiel 3, bestehend aus Lignin und Cellulosecarbamat (50/50 Masse-%), wurde kontinuierlich durch einen Rohrofen transportiert und mit Wärme beaufschlagt. Während dieses Prozessschrittes (Stabilisierung) wurde das Multifilamentgarn in Luftatmosphäre Temperaturen im Bereich von 100-300 °C und Einwirkzeiten bei entsprechenden Temperaturen von ca. 80 min ausgesetzt. Das nach Beispiel 3 hergestellte Multifilamentgarn konnte während der Wärmeeinwirkung jedoch nur um maximal 10 % gedehnt werden, wodurch die Struktur des Fasermaterials nur unzureichend orientiert wurde. Nach den anschließenden Prozessschritten der Präcarbonisierung und Carbonisierung (analog zu Beispiel 2) betrugen die mechanischen Eigenschaften der finalen C-Faser auf Basis des nach Beispiel 3 hergestellten Multifilamentgarns nur ein Bruchteil des Niveaus, das mit Multifilamentgarnen aus Beispiel 1 erreicht wurde.