05273 lwo/JH/PCH
Verfahren zur Isolierung neuraler Zellen mit Tenascin-R-Verbindungen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Isolierung von neuralen Zellen unter Verwendung von Tenascin-R-Verbindungen, besonders für dieses Verfahren geeignete Tenascin-R-Fragmente und Tenascin-R-Fusionsproteine, die rekombi- nante Herstellung dieser Tenascin-R-Verbindungen, sowie einen Kit zur Durchführung dieses Verfahrens und die Verwendung des Verfahrens zur Herstellung hochreiner neuraler Zellpopulationen. Die Erfindung betrifft weiterhin Antikörper, die für die Detektion und Isolation von Tenascin-R-Verbindungen geeignet sind.
Hintergrund der Erfindung
Bei der Kontaktaufnahme von Zellen mit dem sie umgebenden extrazellulären Milieu kann es zu vielfältigen Antworten der Zelle kommen, die von Abstoßung und Vermeidung des Milieus auf der einen bis zur stabilen Zelladhäsion auf der anderen Seite reichen können. Das Wechselspiel zwischen Komponenten der extrazellulären Umgebung, der Extrazellulärmatrix, einerseits, und auf der Zelloberfläche vorhandenen Rezeptoren für solche Komponenten andererseits, bildet die Grundlage für viele entwicklungsbiologische Prozesse, die für eine Zelle unter anderem durch Proliferations-, Migrations- oder Differenzierungsverhalten gekennzeichnet sind. Solch zelluläres Verhalten führt auf Organismenebene zur Musterbildung oder auf Gewebe- oder Organebene zur Neubildung als Folge einer Verletzung (Boudreau, N. J., Jones, P. L., Biochem. J. 339:481-488 (1999); Sobeih, M. M., Corfas, G., Int. J. Dev. Neurosci. 148:971-84 (2002); Schmid, R. S., Anton, E. S., Cereb. Cortex. 13:219-24 (2003)). Im Zentralnervensystem (ZNS) korreliert die regulierte Expression von Extrazellulärmatrixkomponenten wie Chondroitin- sulfat-Proteoglykanen oder Proteinen der Tenascin-Familie mit biologischen Prozessen, welche sowohl die Adhäsion und Migration von Neuronen, die Navigation von Axonen, die Synapsenbildung und -plastizität, die Wirkung von Wachstumsfaktoren und Cytokinen als auch das Überleben von Neuronen und die strukturelle Organisation der Extrazellulärmatrix umfassen (Dow, K. E., Wang, W., Cell Mol. Life Sei. 54:567-81 (1998); Wright, J. W. et al., Peptides 23:221-46 (2002); Grimpe, B., Silver, J., Prog. Brain Res. 137:333-49 (2002); Bosman, F. T., Stamenkovic, L, J. Pathol. 200:423-8 (2003)).
Tenascin-R (TN-R) (ehemals als Jl-160/180, Janusin oder Restrictin bezeichnet) ist ein Mitglied der Tenascin-Familie von Extrazellulärmatrixproteinen, das exklusiv im ZNS von Vertebraten auftritt und dort von Oligodendrozyten und manchen Gruppen von Neuronen, i.e. Motoneurone und Interneurone, während späterer Entwicklungsstadien und im erwachsenen Zustand exprimiert wird (Pesheva, P., Probstmeier, R., Prog. Neurobiol. 61:465-93 (2000); Scherberich, A. et al., J. Cell Sei. 117-571-81 (2004)). Das Protein tritt in zwei molekularen Formen auf, mit Molekulargewichten von 160 kD (TN-R 160) oder 180 kD (TN-R 180). TN-R findet sich im Gewebe primär in Assoziation mit Oligodendrozyten, myelinisierten Axonen, perineuronalen Netzen von Moto- und Interneuronen, sowie dendriten- und synapsenreichen Regionen.
TN-R ist aus vier unterschiedlichen Domänenstrukturen aufgebaut (Fig. 1). Der N- Terminus, dessen Sequenz nur in Tenascin-Proteinen vorkommt, enthält ein Cystein-reiches Segment (Cys-rich), und wird gefolgt von viereinhalb EGF- ähnlichen Segmenten (EGF-like) sowie 9 Fibronektin Typ III (FN III)-ähnlichen Domänen (von denen die 6. Domäne alternativ gespleisst werden kann). Den C- Terminus des TN-R Proteins bildet eine globuläre, Fibrinogen-ähnliche Domäne (FNG). Einzelne TN-R Polypeptidketten sind an ihren N-Termini über Disulfidbrücken miteinander verbunden und bilden so Homotrimere (TN-R 180) oder -dimere (TN-R 160), wobei letztere durch proteolytische Spaltung von TN-R 180 nahe des N- Terminus entstehen (Woodworth, A. et al., J. Biol. Chem. 279: 10413-21 (2004)).
Die Funktionsweite von TN-R umfasst die molekulare Kontrolle neuraler Zelladhäsion, Migration und Differenzierung (von der Axonnavigation Fortsätze bildender Neuronen bis zur Reifung myelinbildender Oligodendrozyten) während normaler entwicklungsbiologischer Vorgänge sowie regenerativer Prozesse nach Verletzung im erwachsenen Gehirn (Pesheva, P., Probstmeier, R., Prog. Neurobiol. 61:465-93 (2000); Chiquet-Ehrismann, R., Int. J. Biochem. Cell. Biol. 36:986-90 (2004)). TN-R wirkt u.a. als adhäsives oder antiadhäsives Molekül, als Differenzierungsfaktor für Oligodendrozyten, oder als "Stopmolekül" für wachsende Axone. Diese Eigenschaften sind von den entsprechenden Rahmenbedingungen abhängig: dem jeweiligen Zelltyp, dem Vorhandensein zellulärer Rezeptoren und Signalkaskaden, der räumlichen Verteilung und der posttranslationalen Modifikation des TN-R Glykoproteins. Einige der zellulären Rezeptoren von TN-R, die identifiziert wurden (F3/F11, Disialoganglioside, Sulfatide), induzieren unterschiedliche zelluläre Wirkmechanismen, die einerseits bei der Musterbildung während der Ontogenese,
andererseits bei regenerativen Prozessen von Bedeutung sind (Angelov, D. et al., J. Neurosci. 18:6218-29 (1998); Probstmeier, R. et al., J. Neurosci. Res. 60:21-36 (2000); Montag-Sallaz, M., Montag, D., Genes Brain Behav. 2:20-31 (2003); Saghatelyan, A. et al., Nat. Neurosci. 7:347-56 (2004); Brenneke, F. et al., Epilepsy Res. 58: 133-43 (2004)). Die beiden wesentlichen Effekte von TN-R auf das Verhalten neuraler Zellen sind die Inhibition der Zelladhäsion und des Neuritenwachstums einerseits und die Förderung der Oligodendrozytenadhäsion und -differenzierung andererseits. Letztere erfolgt vermittelt durch Sulfatide und bewirkt letztendlich Oligodendrozytenmigration und Myelinisierung/Remyelini- sierung. Erstere kann entweder substratunabhängig erfolgen (vermittelt durch F3/F11 und andere, noch unbekannte Faktoren), oder Substrat/Integrin-abhängig (vermittelt durch Fibronektin und GD2/GD3). Die inhibitorische Wirkung von TN-R hat letztlich einen Einfluss auf die neurale Zellmigration, das räumlich koordinierte Axonwachstum und die Synaptogenese, oder sie trägt unter Verletzungsbedingungen zur Verhinderung der Axon-Regeneration und der Adhäsion aktivierter Mikroglia in einer TN-R-reichen Umgebung bei.
Einige neurale Rezeptoren und intrazelluläre Signalwege, die die Wirkung von TN-R in neuronalen und glialen Zellen vermitteln, sind bekannt, ebenso konnten molekulare Komponenten identifiziert werden, die an der Expression von TN-R durch Oligodendrozyten und Motoneurone beteiligt sind (Tab. 1; Pesheva, P. et al., Prog. Brain Res. 132: 103-14 (2001)).
Tab.l: Für TN-R identifizierte zelluläre Rezeptoren und Liganden der Extrazellulärmatrix. In der rechten Tabellenhälfte sind die für die jeweilige Interaktion relevanten Domänen von TN-R angegeben; CS GAG: Chondroitinsulfat- Glykosaminoglykane; EGF-L: EGF-ähnliche Segmente und Cystein-reiches Segment.
Als aus mehreren Domänen aufgebautes Extrazellulärmatrixprotein erscheint eine Aufteilung der distinkten biologischen Funktionen auf distinkte Domänenbereiche und/oder distinkte Glykostrukturen von TN-R nahe liegend (Fig. 1). Es ist bekannt,
dass aus adultem Nagergehirn aufgereinigte TN-R Proteine die Adhäsion und Fortsatzbildung von aus früh postnatalem Gehirn isolierten O4/Sulfatid-positiven Oligodendrozyten fördern (Fig. 3; Pesheva, P. et al., J. Neurosci. 17:4642-51 (1997)). Diese Vorgänge werden durch Sulfatide vermittelt, einer Gruppe von in der Zellmembran von Oligodendrozyten vorkommenden Glykolipiden. Eine wichtige Konsequenz der Interaktion von TN-R mit Sulfatid-exprimierenden Oligodendrozyten ist eine Stimulierung der Reifung dieser Zellen; i.e. die vermehrte Expression myelinspezifischer Proteine und Glykolipide, was eine Sulfatid-vermittelte Wirkungsweise des Differenzierungspotentials von TN-R auf Oligodendrozyten nahe legt (Fig. 4; Pesheva, P. et al., J. Neurosci. 17:4642-51 (1997)).
EP 0759987, US 5,635,360, US 5,681,931 und US 5,591,583 beschreiben humanes TN-R und dessen immunologischen Nachweis unter Verwendung von Antikörpern gegen ein Proteinfragment, welches den Nukleotiden 2686-3165 der cDNA-Sequenz und somit den FN III-Domänen 6 und 7 des humanen TN-R entspricht. Die frühesten Stadien sich entwickelnder Gliazellen finden sich in Säugern im Rückenmark in ventralen Bereichen des Neuralrohrs, im Gehirn in den ventrikulären Zonen des Vorderhirns. In diesen Regionen proliferieren erste Vorläuferzellen von Oligodendrozyten, die durch eine einfache Morphologie und die Expression des Disialogangliosids GD3 und/oder von 04 Antigenen gekennzeichnet sind, und wandern in der Folgezeit in Bereiche der später entstehenden weißen Substanz ein (Miller, R. H. Prog. Neurobiol. 67:451-67 (2002); Noble, M. et al., Dev. Biol. 265:33-52 (2004); Liu, Y. Rao, M. S., Biol. Cell. 96:279-90 (2004)). Dort werden die Zellen postmitotisch und differenzieren in reife Oligodendrozyten mit einer komplexen Morphologie. Dieser Reifungsprozess korreliert mit der Expression myelinspezifischer Lipide (Sulfatide und Galactocerebroside) und Proteine (MBP, MAG, und PLP). Die Entstehung, das Überleben und die Differenzierung von Oligodendrozyten in myelinbildende Zellen werden über verschiedene Wachstumsfaktoren (bFGF, PDGF, CNTF, IGF-I, NT-3), Hormone und Extrazellulärmatrixmoleküle (Thyroidhormone, Retinolsäure, TN-R) reguliert (Dubois-Dalcq, M., Murray, K., Pathol. Biol. (Paris) 48:80-6 (2000); Kagawa, T. et al., Microsc. Res. Tech. 52:740-5 (2001); Noble, M. et al., Dev. Neurosci. 25:217-33 (2003)).
Da insbesondere für gliale Zellen (wie Oligodendrozyten und neurale Stammzellen) keine adäquaten Modellsysteme in Gestalt von Zelllinien vorhanden sind, muss zu ihrer Gewinnung sowohl in der Grundlagenforschung als auch im Rahmen potentieller diagnostischer/therapeutischer Anwendungsbereiche bisher auf relativ
zeitaufwendige und niedrig effiziente Anreicherungsverfahren von Primärzellen zurückgegriffen werden. Diese Verfahren ermöglichen außerdem oftmals nur die Herstellung angereicherter Mischzellpopulationen. Die bisherigen Verfahren zur Isolierung definierter Zellpopulationen nutzen unterschiedliche Techniken wie Dichtegradientenzentrifugationen oder immunologische Verfahren (Fluorescence- activated cell sorting, biomagnetic cell sorting, Antikörper- und Komplementvermittelte Zelltötung, Antikörper-Panning) (Luxembourg, A. T. et al., Nat. Biotechnol. 16:281-5 (1998); Uchida, N. et al., Proc. Natl. Acad. Sei. 97: 14720-5 (2000); Nistri, S. et al., Biol. Proced. Online 4:32-37 (2002); Nunes, M. C. et al., Nat. Med. 9:439-47 (2003); Vroemen, M., Weidner, N., J. Neurosci. Methods 124: 135-43 (2003)). Solche Verfahren sind nicht sehr effizient und ergeben nur eine unvollständige Anreicherung (durch Dichtegradientenzentrifugationen sind z.B. nur Anreicherungen distinkter Zellpopulationen möglich), oder sie sind zeitintensiv und/oder hohen Zellverlusten begleitet (wie bei immunologischen Verfahren). Dies gilt insbesondere für Oligodendrozyten, die bisher durch eine mehrwöchige Kultivierung gemischter glialer Kulturen (McCarthy, K. D., DeVeINs, J., J. Cell Biol. 85:890-902 (1980); Kramer, E. M. et al., J. Biol. Chem. 274:29042-9 (1999); Testai, F. D. et al., J. Neurosci. Res. 75:66-74 (2004)) oder über mehrere Selektionsschritte mit Hilfe von Fluorescence-activated/biomagnetic cell sorting oder Antikörper-Panning gewonnen werden (Scarlato, M. et al., J. Neurosci. Res. 59:430-5 (2000); Tang, D. G. et al., J. Cell Biol. 148:971-84 (2000); Diers-Fenger, M. et al., GNa 34:213-28 (2001); Crang, A. J. et al., Eur. J. Neurosci. 20: 1445-60 (2004)).
Zusammenfassung der Erfindung
Die Isolierung definierter Zellpopulationen aus Primärgeweben, insbesondere solchen neuralen Ursprungs, ist nach den bislang bekannten Methoden aufwändig und zeitintensiv, und als Ergebnis werden häufig nur wenig angereicherte Zeilmischpopulationen erhalten. Es wurde nun gefunden, dass gereinigte TN-R Proteine die stabile Adhäsion von Oligodendrozyten unterschiedlicher Reifestadien unterstützen und auf neuronale und mikrogliale Zellen antiadhäsiv wirken. Dieses ermöglicht die Isolierung und Reinigung definierter Zellpopulationen aus neuralem Primärgewebe, insbesondere zur direkten selektiven Aufreinigung von Oligodendrozyten aus gemischten neuralen Zellpopulationen.
Es wird ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das es ermöglicht, in einem einzigen Reinigungsschritt eine hochreine definierte Zellpopulation, insbesondere eine Oligodendrozytenpopulation, aus Primärgewebe neuralen Ursprungs zu isolieren.
Die Erfindung betrifft im Einzelnen (1) ein Verfahren zur Isolierung und Reinigung von neuralen Zellen aus neuralem Primärgewebe von Vertebraten, umfassend die Selektion der Zellen aus einer Einzelzellsuspension mittels einer Tenascin-R-haltigen Sonde (nachfolgend auch "Tenascin-R-Sonde"), welche Tenascin-R-Verbindungen ausgewählt aus nativem Tenascin-R (nachfolgen kurz "TN-R") sowie Homologen und Fragmenten desselben und Fusionsproteine derartiger Verbindungen umfasst;
(2) eine bevorzugte Ausführungsform des vorstehend definierten Verfahrens (1), wobei
(i) das native Tenascin-R humanes Tenascin-R ist und/oder die Aminosäuresequenz SEQ ID NO: 1 besitzt oder eine Substitutions-, Deletions- und/oder Additionsmutante derselben ist; und/oder
(ii) das Tenascin-R-Fragment den C-Terminus von nativem Tenascin-R oder eine Substitutions-, Deletions- und/oder Additionsmutante desselben umfasst, besonders denjenigen Bereich, der durch die Nukleotide 3940-4155 der SEQ ID NO: 1 kodiert wird, insbesondere einen derjenigen Bereiche, die durch die Nukleotide 2926-4155, 3439-4155, 3487-4155 oder 3940-4155 von humanem TN- R der SEQ ID NO: 1 kodiert werden; und/oder
(iii) das Tenascin-R-Fragment die Aminosäurereste 1287 bis 1358 der SEQ ID NO:2, bevorzugt eine oder mehrere der Teilsequenzen des humanen TN-R ausgewählt aus den Aminosäuren 1287-1358, 1120-1358, 1136-1358 oder 949- 1358 in SEQ ID NO:2 oder eine Substitutions-, Deletions- und/oder Additionsmutante derselben umfasst; und/oder (iv) das Tenascin-R-Fusionsprotein eine Tenascin-R-Komponente, umfassend natives Tenascin-R, ein Tenascin-R- Fragment oder eine Tenascin-R-Mutante, insbesondere wie vorstehend unter (i) bis (iii) beschrieben, und eine funktionelle Komponente, umfassend weitere funktionelle Peptide oder Proteine, aufweist oder aus zwei oder mehr, bevorzugt zwei oder drei funktionellen Tenascin-R- Komponenten wie vorstehend definiert zusammengesetzt ist;
(3) eine bevorzugte Ausführungsform des vorstehend definierten Verfahrens (1) oder (2), wobei
(i) die Tenascin-R-Sonde durch nichtkovalente Wechselwirkungen (wie Wechselwirkung mit TN-R-spezifischen Antikörpern etc.) oder durch eine andere adäquate Kupplungstechnik, welche die Spezifität der Tenascin-R-Sonde nicht verändert (wie kovalente Vernetzung etc.), an ein Trägermaterial gebunden ist, und/oder
(ii) die Einzelzellsuspension mit der Tenascin-R-Sonde in Kontakt gebracht wird, so dass in der Einzelzellsuspension vorhandene Tenascin-R-bindende Zellen an die Sonde gebunden werden; und/oder (iii) durch spezifische Bindung neuraler Stammzellen aus der Einzelzellsuspension an die Tenascin-R-Sonde eine Isolierung dieser Zellen aus der Zellkultur erfolgt, die nicht gebundenen Zellen entfernt werden und optional anschließend die über die Tenascin-R-Sonde an das Trägermaterial gebundenen Zellen durch Trypsinierung, Inkubation mit Accutase® oder ein anderes adäquates Verfahren vom Trägermaterial abgelöst werden; und/oder (iv) die gebundenen Zellen durch immunologische Methoden nachgewiesen werden; und/oder (v) das Verfahren in vitro erfolgt;
(4) ein Tenascin-R-Fragment oder Tenascin-R-Fusionsprotein, welches wie vorstehend unter (1) oder (2) definiert ist und bevorzugt eine Aminosäuresequenz ausgewählt aus den Aminosäuren 1287-1358, 1120-1358, 1136-1358 oder 949- 1358 in SEQ ID NO:2 besitzt;
(5) eine DNA, die für ein Tenascin-R-Fragment oder TN-R-Fusionsprotein nach (4) kodiert;
(6) einen Vektor, der eine DNA nach (5) umfasst; (7) einen Wirtsorganismus, der mit einem Vektor nach (6) transformiert/transfiziert ist und/oder eine DNA nach (5) aufweist;
(8) ein Verfahren zur Herstellung eines Tenascin-R-Fragments oder TN-R- Fusionsproteins nach (4), umfassend das Kultivieren des Wirtsorganismus nach (7);
(9) einen Antikörper, der durch Immunisierung eines geeigneten Wirtsorganismus mit Tenascin-R von wenigstens zwei unterschiedlichen Spezies, insbesondere mit
TN-R von wenigstens zwei unterschiedlichen Vertebraten erhältlich ist, und/oder welcher an TN-R von wenigstens zwei unterschiedlichen Spezies, insbesondere von wenigstens zwei unterschiedlichen Vertebraten bindet, d.h. Kreuzreaktivität mit unterschiedlichen Vertebraten-TN-R zeigt;
(10) eine bevorzugte Ausführungsform des Antikörpers nach (9), wobei der Antikörper ein monoklonaler Antikörper ist;
(11) eine Zelllinie, die den Antikörper nach (10) produziert;
(12) einen Kit zur Isolierung und Reinigung von neuralen Zellen, insbesondere von Oligodendrozyten, nach einem oder mehreren der Verfahren (1) und (2), insbesondere enthaltend
(i) eine wie in (1) oder (2) definierte Tenascin-R-Sonde, und/oder (ii) einen Vektor, der für eine solche Tenascin-R-Sonde kodiert, und/oder (iii) eine Stammkultur einer Zelllinie, die dazu geeignet ist, die wie in (1) oder (2) definierte Tenascin-R-Sonde zu exprimieren, vorzugsweise rekombinant zu exprimieren;
(13) die Verwendung der Tenascin-R-Sonde nach (1) oder (2) zur Gewinnung von neuralen Zellen, insbesondere von Oligodendrozyten, für die Anzucht differenzierter Zellen, insbesondere neuraler Zellen, in neurobiologischen und zellphysiologischen Untersuchungen, in der biologischen und klinischen Forschung und für diagnostische und therapeutische Verfahren in vitro und in vivo, insbesondere für die Herstellung eines Medikaments zur Zelltherapie und zur Therapie von neurodegenerativen Krankheiten, die mit einem Verlust von Oligodendrozyten oder Myelin einhergehen, insbesondere Multipler Sklerose und periventrikulärer Leukomalazie (PVL); und
(14) die Verwendung des Antikörpers nach (9) oder (10) (i) zum immunochemischen Nachweis von TN-R;
(ii) zur Hemmung der Wirkung von TN-R; (iii) zur Beeinflussung der Neuralentwicklung und (iv) zur Herstellung von Medikamenten zur Therapie und Prophylaxe traumatischer Nervenläsionen und von Medikamenten zur gezielten Beeinflussung der Neuralentwicklung;
(15) ein Verfahren zur Therapie und Prophylaxe von traumatischen Nervenläsionen oder zur gezielten Beeinflussung der Neuralentwicklung, umfassend die Verabreichung einer pharmakologisch ausreichenden Menge des Antikörpers nach (9) oder (10) an einen menschlichen oder tierischen Patienten, der einer solchen Behandlung bedarf;
(16) ein Verfahren zur Zelltherapie oder zur Therapie von neurodegenerativen Krankheiten, die mit einem Verlust von Oligodendrozyten oder Myelin einhergehen, insbesondere von Multipler Sklerose und periventrikulärer Leukomalazie (PVL),
umfassend die Gabe einer Tenascin-R-Sonde wie in (1) oder (2) definiert, bevorzugt eines Tenascin-R-Fragments oder Tenascin-R-Fusionsproteins wie in (4) definiert, an einen menschlichen oder tierischen Patienten; und (17) ein Verfahren zur Herstellung von Oligodendrozyten aus isolierten Stammzellen in vitro durch Inkubation der Stammzellen in Anwesenheit einer Tenascin-R-Sonde wie in (1) oder (2) definiert, bevorzugt eines Tenascin-R- Fragments oder Tenascin-R-Fusionsproteins wie in (4) definiert.
Kurzbeschreibung der Figuren Fig. 1: Aufbau von TN-R. Die Position der alternativ gespleißten FN HI-ähnlichen Domäne ist als Rl angegeben. Die eingefügte Teilabbildung zeigt elektronenmikroskopische Aufnahmen rotationsbedampfter TN-R Moleküle, die aus Mausgehirn gereinigt wurden. Einzelne Polypeptidketten sind an ihren N-terminalen Enden über Disulfidbrücken miteinander verbunden, was zur Ausbildung von Dimeren (TN-R 160) oder Trimeren (TN-R 180) führt.
Fig. 2: CLUSTAL W (1.82)-Alignment der bekannten Aminosäuresequenzen von Tenascin-R aus verschiedenen Vertebraten. "*" kennzeichnet identische Aminosäuren, ":" kennzeichnet konservativen Aminosäureaustausch, "." kennzeichnet semi-konservativen Aminosäureaustausch. Gut zu erkennen ist die hohe phylogene- tische Konservierung des die FNG-Domäne enthaltenden C-Terminus.
Fig. 3: Einfluss verschiedener polarer Glykolipide und O4-Antikörper auf die Zelladhäsion durch TN-R. TN-R Substrate wurden in der Abwesenheit (- GL) oder Anwesenheit von Sulfatiden (+ SuIf), Galactocerebrosiden (+ GaIC), Monosialo- gangliosiden (+ GMl) und Sphingosin (+ Sph) vorinkubiert. Oligodendrozyten (OL, linke Bildhälfte) oder Erythrozyten (RBC, rechte Bildhälfte) wurden in Ab- oder Anwesenheit von 04 Antikörpern (+ 04 Ab) auf die entsprechend behandelten Substrate ausgesät. Die Zahl adhärenter Zellen nach einstündiger Inkubationszeit auf unbehandelten TN-R-Substraten wurde als 100% gesetzt.
Fig. 4: Beeinflussung der Differenzierung von Oligodendrozyten durch TN-R. Aus frühpostnatalem Mausgehirn aufgereinigte Oligodendrozyten wurden auf PLL (PoIy- L-Lysin)-Substraten in der Abwesenheit (- TN-R) oder Anwesenheit (+ TN-R) von substratgebundenen TN-R Proteinen (gereinigt aus humanem oder Rattengehirn) ausgesät. Die Expression myelinspezifischer Proteine (MBP) wurde nach 2 Tagen in Kultur mit Hilfe indirekter Immunfluoreszenzfärbung nachgewiesen.
Fig. 5: Charakterisierung der Spezifität und funktionellen Aktivität der monoklonalen Antikörper Rl, R2, R4, R5 und R6.
A) ELISA-Assay zur Analyse der Kreuzreaktivitäten von R4 und R6 mit TN-R Proteinen verschiedener Vertebratenklassen. Mikrotiterplatten wurden mit Gehirn- extrakten verschiedener Vertebraten (40 μg/ml) beschichtet und die Bindung der Antikörper R4 und R6 (nach 2 Stunden Inkubation bei 370C) mit Peroxidase- gekoppelten anti-Maus IgG Antikörpern nachgewiesen. Maximale Bindung für den jeweiligen Antikörper wurde als 100% gesetzt.
B) Westernblot-Analyse von Gehirnextrakten verschiedener Vertebraten mit R6 Antikörper. Gehirnextrakte (50 μg Gesamtprotein/Tasche) aus Hai (Squalus),
Goldfisch (Carassius), Salamander (Salamandra), Ringelnatter (Natrix), griechischer Landschildkröte (Testudo), Taube (Columba), Igel (Erinaceus), Maus (Mus) und Mensch (Homo) wurden gelelektrophoretisch aufgetrennt, auf Nitrozellulosefilter transferiert und mit R6 Antikörper inkubiert. Immunreaktive Proteinbanden wurden durch Inkubation mit Peroxidase-gekoppelten anti-Maus IgG Antikörpern nachgewiesen. Immunaffinitätsgereinigtes TN-R aus Mausgehirn (m. TN-R) mit den charakteristischen Proteinbanden von 160 und 180 kD diente als Referenz.
C) Einfluss von R4 und R6 Antikörpern auf die TN-R-vermittelte Inhibition der neuronalen Zelladhäsion und Neuritenbildung (Bsp. 6). Kleinhirnneurone aus 8 Tage alten Mäusen wurden auf gemischte Substrate (im Verhältnis 1: 1) bestehend aus Laminin und Rinderserumalbumin (BSA, Kontrollsubstrat) oder Laminin und humanem TN-R (h. TN-R) ausgesät. Die Substrate wurden vor dem Ausplattieren der Zellen in Ab- (- Ab) oder Anwesenheit von R4 oder R6 Antikörpern (+ R4/R6) inkubiert. Zelladhäsion und Neuritenbildung wurden 2 Tage nach Kulturnahme lichtmikroskopisch ausgewertet.
D) Langzeit-Adhäsion von Maus-Kleinhirnneuronen auf Poly-L-Lysin(PLL)-TN-R- Substrat unter Einfluss der monoklonalen Antikörper. Substrat mit BSA (Kontrolle) oder TN-R aus Mensch wurden in Ab- (-Ab) oder Anwesenheit von TN-R-Antikörpern präinkubiert und anschließend die Neurone ausplattiert. Die Zahl der Neurone, die nach 24 h am Kontroll-Substrat hafteten, wurde als 100 % gesetzt.
E) Westernblot von R4 mit verschiedenen Geweben und Tenascinen. Getestet wurden Hirn, Herz, Leber, Niere und Lunge adulter Mäuse, Haut und Hautfibroblasten-konditioniertes Medium (CM) neonataler Mäuse, TN-R 160 aus adultem Maushirn und TN-C (br. TN-C) aus frühem postnatalen Maushirn. pTN-C
Ab: polyklonaler Antikörper gegen TN-C; R4 MAb: monoklonaler Antikörper gegen TN-R.
Fig. 6: Aus adultem Gehirn verschiedener Vertebratenspezies immunaffinitäts- gereinigte TN-R Proteine. Spur 1 (Hai), Spur 2 (Karpfen), Spur 3 (Huhn), Spur 4 (Maus), Spur 5 (Ratte), Spur 6 (Mensch). TN-R ist nachweisbar als Polypeptid mit den Hauptformen von 220 kD (im Haigehirn), 170 kD (im Karpfengehirn) oder 160 kD und 180 kD (im Gehirn höherer Vertebraten).
Fig. 7: Selektion von Oligodendrozyten aus Einzelzellsuspensionen (aus Gehirngewebe von 2 (P2), 5 (P5) und 8 (P8) Tage alten Mäusen) auf substratgebundene TN-R Proteine isoliert aus dem Gehirn verschiedener Vertebraten (Karpfen, Huhn (ch), Ratte, Mensch) unterschiedlicher Vertebratenklassen (Fisch, Vogel, Säuger). An diese Substrate adhärierende Zellen wurden nach einem Tag in Kultur mit Toluidinblau gefärbt (obere Zeilen). Adhärente Zellen konnten mit Hilfe indirekter Immunfluoreszenzfärbung mit Antikörpern gegen myelinspezifische Glykolipide (GaIC) nach 2 (P8) bis 5 Tagen (P2) in Kultur als Oligodendrozyten identifiziert werden (untere Zeile; Bildausschnitt korrespondiert nicht mit dem Bildausschnitt der oberen Zeilen). 99±1% der isolierten Zellen waren GalC-positiv.
Fig. 8: Fähigkeit von TN-R verschiedener Arten, die Oligodendrozyten-Diffenzierung hervorzurufen. A) MBP-Expression durch Maus-Oligodendrozyten nach 48 h Kultur auf PLL-TN-R- Substrat.
B) Autokrine Regulation der TN-R-Sekretion durch kultivierte Maus- Oligodendrozyten. Die TN-R-Sekretion durch Oligodendrozyten auf PLL-TN-R wurde mit derjenigen von Oligodendrozyten auf PLL-BSA verglichen und als Vielfaches der Proteinsekretion (Protein increase) ausgedrückt.
Sequenzprotokoll - freier Text
Detaillierte Beschreibung der Erfindung Die Erfindung betrifft eine Methode zur Isolierung hochreiner Zellpopulationen aus neuralem Primärgewebe in einem Einstufen verfahren mit Hilfe nativer Tenascin-R-
Proteine oder TN-R-Fragmente von Vertebraten, bevorzugt von Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren, besonders bevorzugt von Hai, Karpfen, Huhn, Nagern einschließlich Maus und Ratte, Rind, Schwein und Mensch, ganz besonders bevorzugt aus Nagern und Mensch, durch selektive Substratadhäsion. Phylogenetische Studien zur Funktion von Tenascin-R im Nervensystem von Vertebraten zeigen als stammesgeschichtlich hoch konservierte Funktion von Tenascin-R-Proteinen die Unterstützung der Adhäsion und Fortsatzbildung von Oligodendrozyten (Fig. 3 und 7). Die vorliegende Erfindung zeigt, dass diese Eigenschaft des gesamten Tenascin-R-Proteins auch auf distinkten rekombinanten Fragmenten des humanen Tenascin-R Proteins lokalisierbar ist.
"Tenascin-R-Sonde" bedeutet im Kontext der vorliegenden Erfindung ein Protein, das natives Tenascin-R, welches in vivo und in vitro durch Oligodendrozyten erkannt und gebunden wird, und/oder weitere Tenascin-R-Verbindungen einschließlich Tenascin-R-Homologe und Tenascin-R-Fragmente, die ebenfalls mit hoher Sensitivität und Spezifität in vivo und in vitro durch Oligodendrozyten und/oder durch andere neurale Zellen aus Primärgewebe gebunden werden, enthalten kann, wobei "Tenascin-R-Verbindungen" die an anderer Stelle definierte Bedeutung hat. Dies schließt auch Fusionsproteine aus mehreren Tenascin-R- Verbindungen ein, bevorzugt aus zwei oder drei Tenascin-R-Verbindungen. Die Bestandteile dieser Fusionsproteine können direkt oder mittels eines (flexiblen) Linkerpeptids miteinander verknüpft sein. Bevorzugt sind Fusionsproteine aus TN- R-Fragmenten. Besonders bevorzugt enthält die Tenascin-R-Sonde humanes Tenascin-R und dessen Homologe und Fragmente, ganz besonders bevorzugt die Teilsequenz der humanen TN-R, welche die Aminosäurereste 1287-1358 der SEQ ID NO:2 umfasst. Die Tenascin-R-Sonde kann neben ihren TN-R-Anteilen auch Nicht- TN-R-Anteile besitzen, welche die Stabilität des TN-R-Anteils gewährleisten und/oder die Immobilisierbarkeit und Kopplungsfähigkeit an andere Moleküle erhalten oder erhöhen. Insbesondere ist eine erfindungsgemäße Tenascin-R-Sonde rekombinant hergestellt. "Tenascin-R-Verbindungen" sind erfindungsgemäß Proteine oder Peptide, welche entweder native TN-R, substantiell identisch zu nativen TN-R, Fragmente von nativen TN-R oder deren substantiell identische Homologe sind.
"Primärgewebe" ist ein biologisches Gewebe, das direkt aus einem Organismus entnommen und ohne weitere Veränderung seines genetischen Materials verwendet
wird. "Primärzellen" sind aus Primärgewebe stammende Zellen. Primärzellen sind gegenüber Zelllinien vorteilhaft, weil sie aufgrund ihrer Herkunft den Zellen im intakten Organismus strukturell und funktionell am nächsten stehen.
"Isoliert" bedeutet im Falle eines Proteins, dass es von anderen Proteinen, mit denen es normalerweise in demjenigen Organismus assoziiert ist, in welchem es natürlicherweise vorkommt, getrennt oder gereinigt wurde. Dies umfasst biochemisch gereinigte Proteine, rekombinant hergestellte Proteine und auf chemischem Wege synthetisierte Proteine. Die Definition gilt übertragen auch für Nukleinsäuren, insbesondere DNA, und Peptide. "Nativ" wird gleichbedeutend mit "natürlich" bzw. "natürlich vorkommend" verwendet.
Für die erfindungsgemäße "rekombinante Herstellung" werden in der Fachwelt übliche Methoden zur rekombinanten Herstellung eukaryotischer Proteine verwendet, insbesondere die Expression als Fusionsprotein in eukaryotischen Zellen, ganz besonders bevorzugt die Expression als Fusionsprotein mit Polyhistidinschwanz und/oder Xpress-Tag. Des weiteren bevorzugt ist die Verwendung von DNA, die für das entsprechende Protein kodiert.
Nukleinsäuresequenzen, insbesondere DNA-Sequenzen, die für erfindungsgemäße Proteine oder Peptide kodieren, sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung entweder identisch oder substantiell identisch zur nativen oder zu der ihr zugrundeliegenden künstlichen erfindungsgemäßen Sequenz. Wenn im Rahmen dieser Erfindung eine spezielle Nukleinsäuresequenz genannt wird, so sind damit diese Sequenz selbst und die zu ihr substantiell identischen Sequenzen erfasst. "Substantiell identisch" bedeutet hierbei, dass nur ein Austausch von Basen in der Sequenz im Rahmen des degenerierten Nukleinsäure-Codes erfolgt ist, dass also dadurch die Codons innerhalb kodierender Sequenzen der substantiell identischen Nukleinsäure lediglich gegenüber dem ursprünglichen Molekül in einer Weise verändert sind, welche nicht zu einer Veränderung der Aminosäuresequenz des Translationsprodukts führt (in der Regel Austausch des Codons durch ein anderes Codon seiner Codon-Familie). Bevorzugt sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung die Sequenzen, welche im Sequenzprotokoll benannt werden, und deren erfindungsgemäße Fragmente.
Proteinsequenzen und Peptidsequenzen können im Rahmen der vorliegenden Erfindung durch Substitution von Aminosäuren modifiziert werden. Bevorzugt sind
solche Substitutionen, bei denen die Funktion und/oder Konformation des Proteins oder Peptids erhalten bleibt, besonders bevorzugt jene Substitutionen, bei denen eine oder mehrere Aminosäuren durch Aminosäuren ersetzt werden, die ähnliche chemische Eigenschaften besitzen, z.B. VaNn durch Alanin ("konservativer Aminosäureaustausch"). Der Anteil der substituierten Aminosäuren im Vergleich zum nativen Protein oder - falls es sich nicht um ein natives Protein handelt - zur Ausgangssequenz beträgt bevorzugt 0-30% (bezogen auf die Zahl der Aminosäuren in der Sequenz), besonders bevorzugt 0-15%, ganz besonders bevorzugt 0-5%.
Nukleinsäuresequenzen und Aminosäuresequenzen können als Volllänge-Sequenzen oder als Additions- oder Deletionsprodukte dieser Volllängesequenzen zur Durchführung der Erfindung eingesetzt werden. Bei den Aminosäuresequenzen umfassen die Additionsprodukte auch Fusionsproteine, außerdem Aminosäuresequenzen, die durch Addition von 1-100, bevorzugt 1-30, ganz besonders bevorzugt 1-10 Aminosäuren entstehen. Die addierten Aminosäuren können dabei einzeln oder in zusammenhängenden Abschnitten von 2 oder mehr miteinander verknüpften Aminosäuren ein- oder angefügt werden. Die Addition kann am N- oder C-Terminus oder innerhalb der ursprünglichen Sequenz stattfinden. Es sind mehrere Additionen in einer Sequenz zulässig, wobei eine einzelne Addition bevorzugt ist, besonders bevorzugt eine Addition am C- oder N-Terminus. Die Deletionsprodukte der Volllängen-Aminosäuresequenzen entstehen - falls nicht für spezielle Sequenzen anders angegeben - durch Deletion von 1-100, bevorzugt 1-20, ganz besonders bevorzugt 1-10 Aminosäuren. Die deletierten Aminosäuren können dabei einzeln oder in zusammenhängenden Abschnitten von 2 oder mehr miteinander verknüpften Aminosäuren entfernt werden. Die Deletion kann am N- oder C-Terminus oder innerhalb der ursprünglichen Sequenz stattfinden. Es sind mehrere Deletionen in einer Sequenz zulässig, wobei eine einzelne Deletion bevorzugt ist, besonders bevorzugt eine Deletion am C- oder N-Terminus.
Die zulässigen Deletionen und Additionen in den erfindungsgemäßen Nukleinsäuresequenzen haben den Umfang und die Ausprägung, welche der zulässigen Aminosäuredeletionen bzw.- additionen entsprechen. Über die Deletion und Addition ganzer Codons hinaus ist auch die Addition oder Deletion von einzelnen oder paarweisen Basen möglich.
Ein Fragment einer Nukleinsäure oder eines Proteins ist ein Teil von dessen Sequenz, das kürzer als Volllänge ist, jedoch noch einen minimal zur Hybridisierung
bzw. spezifischen Bindung erforderlichen Sequenzabschnitt enthält. Im Falle einer Nukleinsäure ist dieser Sequenzabschnitt noch in der Lage, mit der nativen Nukleinsäure unter stringenten Bedingungen zu hybridisieren und umfasst vorzugsweise mindestens 15 Nukleotide, besonders bevorzugt mindestens 25 Nukleotide. Im Falle eines Peptids ist dieser Sequenzabschnitt ausreichend, um eine Bindung eines für einen Abschnitt des nativen Proteins spezifischen Antikörpers oder einer Zelle, welche an TN-R oder ein TN-R-Fragment bindet, zu ermöglichen. Die Peptidlänge beträgt vorzugsweise wenigstens 5 Aminosäuren, besonders bevorzugt wenigstens 10 Aminosäuren, ganz besonders bevorzugt wenigstens 20 Aminosäuren.
Ein "Fusionsprotein" im Kontext der vorliegenden Erfindung umfasst mindestens eine erfindungsgemäße Tenascin-R-Verbindung, die mit mindestens einem zweiten Protein oder Peptid verknüpft ist. Dieses zweite Protein oder Peptid ist bevorzugt ein Selektions- oder Markerprotein, ein Protein, welches der Bindung des Fusions- proteins an eine Oberfläche dient, oder eine Tenascin-R-Verbindung. Bevorzugt sind Fusionsproteine aus nativem Tenascin-R und weiteren funktionellen Proteinen und Peptiden, und Fusionsproteine aus zwei oder mehr, besonders bevorzugt zwei oder drei Tenascin-R-Fragmenten. Die Nukleinsäuresequenzen, die in einem Vektor oder einem transformierten Wirtsorganismus für die einzelnen Teile des Fusionsproteins kodieren, sind in einer Weise miteinander verknüpft, welche die Expression unter der Kontrolle eines einzigen Promoters erlaubt. Die Aminosäuresequenzen der einzelnen funktionalen Teile des Fusionsproteins sind dabei entweder direkt oder mit einem Linker verknüpft. Der Linker ist 1-30 Aminosäuren lang, bevorzugt 10-20 Aminosäuren. "Neurodegenerative Erkrankungen" sind Erkrankungen des Nervensystems, die mit dem Absterben von neuronalen und/oder makroglialen Zellen aufgrund von Beeinträchtigungen ihrer funktionellen Integrität assoziiert sind. Solche Zellschädigungen und -Verluste führen zu Ausfall oder Störung der Funktionen der betroffenen Regionen des Nervensystems und/oder der von diesen Regionen gesteuerten Körperteilen.
Die durch das Verfahren nach Ausführungsform (1) und (2) isolierten Zellen sind bevorzugt gliale Zellen, besonders bevorzugt Oligodendrozyten.
Die Tenascin-R-Sonde zur Verwendung in Ausführungsform (1) umfasst entweder ein natives TN-R Protein oder ein TN-R Proteinfragment. Das native TN-R stammt
dabei bevorzugt aus Hirngewebe von Fisch (Hai, Karpfen, Goldfisch, Forelle etc.), Amphibien (Salamander, Frosch, etc.), Reptilien (griechische Landschildkröte, Ringelnatter, etc.), Vögeln (Huhn, Taube etc.) und Säugern (Igel, Kaninchen, Nager, Schwein, Rind, Mensch), besonders von Säugetieren, insbesondere aus Nager, Schwein, Rind oder Mensch. Das native TN-R Protein wird bevorzugt rekombinant hergestellt. Die TN-R-Proteinfragmente sind bevorzugt rekombinant hergestellt und/oder humane TN-R-Fragmente. Eine bevorzugte Quelle für die entsprechende DNA-Sequenz ist im letztgenannten Fall die humane Neuroblastomzelllinie SH-SY5Y. Die Expression der Fragmente erfolgt bevorzugt nach Transformation von humanen FIp-In 293-Zellen (Invitrogen) mit den entsprechenden DNA-Sequenzen (Bsp. 2).
Die TN-R-Sonde kann in Ausführungsform (1) zudem weitere funktionelle Proteinoder Peptidsequenzen enthalten und/oder an einen Träger gekoppelt sein.
Ein bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (1) und (2) ist die Verwendung des C- Terminus von TN-R in der Tenascin-R-Sonde, insbesondere derjenigen Bereiche, welche die FN III-Domänen 7 und 8 sowie die FNG-Domäne repräsentieren. Diese Bereiche können entweder einzeln oder miteinander verknüpft verwendet werden, wobei die Gegenwart der FNG-Domäne in der Sonde bevorzugt ist. Besonders bevorzugt ist die Verwendung desjenigen Bereichs des humanen TN-R, der die FNG-Domäne umfasst, also durch die Nukleotide 3940-4155 der SEQ ID NO: 1 kodiert wird; ganz besonders die Verwendung derjenigen Bereiche des humanen TN-R, welche durch bp 2926-4155 (FN III 7,8 + FNG-Domäne; Bsp. 2: H-TNR-6), und/oder durch bp 3439-4155 (FNG-Domäne; Bsp. 2: H-TNR-3) bp 3940-4155 und/oder bp 3487-4155 in SEQ ID NO: 1 kodiert werden. Demzufolge umfassen DNA-Fragmente der Ausführungsform (5) bevorzugt bp 3940-4155, 2926-4155, bp 3487-4155 und/oder bp 3439-4155 der SEQ ID NO: 1.
Bevorzugte Tenascin-R-Fragmente für den Einsatz in einer Tenascin-R-Sonde sind somit Fragmente, die den C-Terminus des TN-R enthalten. Der C-Terminus des TN- R Proteins bildet eine Fibrinogen-ähnlichen Domäne, in dem vier Cysteinreste inklusive der umgebenden vier bis fünf Aminosäuren bei höheren Vertebraten in Position und Zusammensetzung hochgradig konserviert sind. Dieser Bereich, bevorzugt der Bereich, welcher in humanem TN-R die Aminosäuren 1287-1358 umfasst, ganz besonders der Bereich, der den Aminosäuren 1287-1358, 1120- 1358, 1136-1358 (Carnemolla, B. et al., J. Biol. Chem. 271:8157-8160 (1996))
oder 949-1358 in SEQ ID NO:2 entspricht, ist für den Einsatz als Tenascin-R- Fragment in der TN-R-Sonde zur Adsorption von Oligodendrozyten bevorzugt. Dieser Bereich stellt darüberhinaus die bevorzugte Sequenz der Tenascin-R- Fragmente nach Ausführungsform (4) dar. Besonders bevorzugt sind als TN-R- Fragment Peptide mit der Sequenz der Aminosäurereste 949-1358 oder 1120-1358 von SEQ ID NO: 1.
Die phylogenetisch konservierte Eigenschaft von TN-R Proteinen, als adhäsives Substrat für Oligodendrozyten wirken zu können, wird auf molekularer Ebene durch eine hohe Konservierung der Aminosäuresequenz zwischen verschiedenen Vertebratenspezies reflektiert: die humane TN-R Sequenz weist Homologien von 93% (zu Ratte), 75% (zu Huhn) und 60% (zu Zebrafisch) auf (Fig. 2). Diese Eigenschaft macht sich die vorliegende Anmeldung zunutze.
Ein Aspekt der Ausführungsform (1) ist die Herstellung der Tenascin-R-Sonde durch Isolierung des Tenascin R aus natürlichen Quellen (vgl. Bsp. 1) oder als rekombinantes natives Protein. Die Herstellung durch rekombinante Methoden ist hierbei bevorzugt.
Die Isolierung des TN-R aus natürlichen Quellen erfolgt bevorzugt durch bekannte chromatographische und/oder immunologische Methoden zur Proteinreinigung, insbesondere durch Affinitätschromatographie an TN-R-Antikörper (Bsp. 1). Als Quelle für das TN-R kommen Gewebe und Einzelzellsuspensionen höherer und niederer Vertebraten infrage.
Rekombinante Methoden zur Herstellung der TN-R-Sonde umfassen die bekannten gängigen Methoden zur Transformation von Pro- und Eukaryoten (beschrieben z.B. in G. Schrimpf (Hrsg.), Gentechnische Methoden, 3. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag (2002); Smith, C, The Scientist 12(3): 18 (1998); Unger, T., The Scientist ll(17):20 (1997)). Geeignete Methoden zur Herstellung rekombinanter Proteine oder Proteinfragmente umfassen Transfektions- oder Transformationsmethoden, die auf verschiedenen Expressionssystemen/-vektoren für prokaryotische (insbesondere E. coli) und eukaryotische Zellen (Hefe, Pilze, Insekten- und Säugerzellen) basieren. Um funktionell aktive rekombinante Proteine zu erzeugen (also solche, die nach ihrer Faltung/Konformation und Glykosylierung dem nativen Protein am ähnlichsten sind), werden Säugerzellen als Produzenten bevorzugt. Die verschiedenen Expressionsvektoren für Säugerzellen unterscheiden sich hauptsächlich in Promotertyp (SV40, CMV, human EFlalpha, MMTV-LTR, MSV-
LTR, RSV-LTR, etc.), Art der Expression (transient, konstitutiv, induzierbar), Induktionsmechanismus, Selektionsmarker (Antibiotikum- oder Drogenresistenz und/oder Koexpression leicht nachweisbarer Proteine) und Elemente für subzelluläres Targeting des Genprodukts (Mitochondrien, Kern, Sekretion). Als Produzenten rekombinanter Proteine/Proteinfragmente werden eukaryotische Expressionssysteme, die das Fremdgen konstitutiv exprimieren, bevorzugt.
In einer bevorzugten Durchführungsform von (2) zur erfindungsgemäßen Expression humaner rekombinanter Proteinfragmente werden definierte PCR- Fragmente des humanen TN-R mit Hilfe des TOPO TA Klonierungssystems (Invitrogen) in den pcsecTag/FRT/V5-His-TOPO-Vektor (Invitrogen) kloniert, welcher die konstitutive Expression und Sekretion des gewünschten, mit einem am C-Terminus mit 6xHis-Peptid versehenen Proteinfragments in humanen FIp-In 293 Zellen (Invitrogen) erlaubt. In Flp-In-Zellen ist das Plasmid pFRT/lacZeo (Invitrogen) stabil integriert, die FRT-Region wird spezifisch von der FIp- Rekombinase erkannt. Bei gleichzeitiger Transfektion der Flp-293-Zellen mit dem pOG44-Plasmid, das die Expression der Flp-Rekombinase ermöglicht, und dem die Basensequenz des gewünschten Proteinfragments tragenden pcsecTag/FRT/V5-His- TOPO-Vektor kommt es an der FRT-Region zu einem Einbau der für die Herstellung eines sekretierten Proteinfragments notwendigen Anteile des pcsecTag/FRT/V5-His- TOPO-Vektors. Dies ermöglicht die Sekretion polyHis-tragender Proteinfragmente in den Zellkulturüberstand und ihre Aufreinigung über Nickel-Chelatchromatographie aus gesammelten Zellkulturüberständen.
Ein weiterer Aspekt der Ausführungsform (1) ist die Herstellung der TN-R- Fragmente durch chemische Synthese, durch Fragmentierung von isoliertem TN-R oder rekombinant, bevorzugt rekombinant gemäß Ausführungsform (8). Geeignete rekombinante Methoden umfassen die bekannten gängigen Methoden zur Transformation von Pro- und Eukaryoten (beschrieben z.B. in G. Schrimpf (Hrsg.), Gentechnische Methoden, 3. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag (2002); Smith, C, The Scientist 12(3): 18 (1998); Unger, T., The Scientist ll(17):20 (1997)). Hierfür kann ein Wirtsorganismus gemäß Ausführungsform (7) verwendet werden, der mit einem Vektor transformiert oder transfiziert ist, der die vorstehend definierten TN-R oder TN-R-Fusionsprotein kodierenden DNA Sequenzen umfasst. Solch ein Vektor kann, neben den genannten DNA Sequenzen noch an den Wirtsorganismus angepasste funktionelle Sequenzen wie Promotoren, Leadersequenzen usw. enthalten. Zur chemischen Herstellung von TN-R-
Fragmenten sowie zur Fragmentierung von isoliertem TN-R können einschlägig bekannte Methoden verwendet werden, wie z.B. Festphasen-Peptidsynthese bzw. enzymatische oder mechanische Fragmentierungsmethoden.
Ein weiterer bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (1) betrifft ein Fusionsprotein umfassend eine Tenascin-R-Komponente, ausgewählt aus nativem Tenascin-R oder Tenascin-R-Fragmenten und Fusionsproteinen aus zwei der mehr Tenascin-R- Fragmente, und eine funktionelle Komponente, die funktionelle Peptid- oder Proteinsequenzen umfasst. Die Komponenten können direkt oder mittels eines (flexiblen) Linkerpeptides miteinander verknüpft sein. Ein weiterer Aspekt betrifft die Kombination von zwei oder mehreren der vorstehend definierten Tenascin-R- Komponenten, insbesondere Tenascin-R-Fragmenten, in einer Art und Weise, die nicht der nativen Aminosäuresequenz entspricht, zu einer erfindungsgemäßen Tenascin-R-Sonde. Die Verknüpfung kann ebenfalls direkt oder mittels eines Linkerpeptids erfolgen. Zur Synthese können die oben genannten Vektorsysteme verwendet werden, wobei diejenigen cDNA-Sequenzen von Teilen der TN-R- Sequenz, welche räumlich nicht benachbart sind, über endständige Restriktionsenzym-Schnittstellen nach gängigen technischen verfahren miteinander verknüpft werden.
Die Tenascin-R-Sonde gemäß Ausführungsform (1) bis (4) umfasst vorzugsweise die Teilsequenz der humanen TN-R, welche die Aminosäurereste 1287-1358 umfasst, ganz besonders den Bereich, der den Aminosäureresten 1287-1358, 1120- 1358, 1136-1358 oder 949-1358 in SEQ ID NO:2 entspricht. Ein bevorzugter Aspekt von (1) bis (4) ist, dass die Sonde eine der Aminosäuresequenzen dieser Gruppe besitzt oder sich aus 2 oder mehreren der Aminosäuresequenzen dieser Gruppe in einem Fusionsprotein zusammensetzt, wobei auch die Wiederholung einer oder mehrerer der Sequenzen innerhalb des Fusionsproteins möglich ist. Gegenstand der Erfindung sind auch die Nukleinsäuren, die Nukleinsäurefragmente umfassen, welche für derartige Proteine kodieren, bevorzugt DNA-Sequenzen und cDNA. In einem bevorzugten Aspekt der Ausführungsform (2) ist die Tenascin-R-Sonde humanes Tenascin-R oder ein Homologes/Fragment desselben und entweder durch Präparation aus Zellen von Menschen oder durch rekombinante Herstellung erhältlich. Insbesondere ist es als natives TN-R aus Zellen neuralen Ursprungs, besonders bevorzugt aus SH-SY5Y Neuroblastomzellen erhältlich. Rekombinante
Herstellung speziell der TN-R-Fragmente findet bevorzugt in entsprechend transformierten humanen FIp-In 293-Zellen statt.
Ein bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (1) und (2) ist die Durchführung des Verfahrens als Einstufenverfahren und/oder durch selektive Substratadhäsion an die Tenascin-R-Sonde. Hierbei werden durch enzymatische Behandlung des gewünschten zentralnervösen Gewebes gewonnene Einzelzellsuspensionen auf mit TN-R Proteinen oder Proteinfragmenten beschichteten Plastikoberflächen ausgesät. Nach Inkubation, bevorzugt für 8-20 h und bevorzugt in serumfreiem Medium (was eine Vermehrung astrozytärer und mikroglialer Zellen verhindert), finden sich auf den immobilisierten TN-R Substraten reine Oligodendrozytenpopulationen (Fig. 7). Andere Zelltypen liegen im Zellkulturüberstand vor und können durch Mediumwechsel vollständig entfernt werden. Da nur ein einziger Selektionsschritt erfolgt und die Selektionsphase kurz ist im Vergleich zur Dauer der bislang üblichen mehrwöchigen Kultivierung gemischter glialer Kulturen und weiterer Selektionsverfahren, ist die resultierende Zellausbeute hoch. Grund dafür ist u.a., dass sämtliche Oligodendrozyten (verschiedener Differenzierungsstadien) aus einem Primärgewebe auf TN-R-Substraten selektioniert werden können. Im Gegensatz hierzu ist die Isolierung von Oligodendrozyten aus gemischten glialen Kulturen mit einem hohen Verlust an Zellen verbunden (z.B. beim Abschütteln der auf einer Astrozyten-Monoschicht haftenden Oligodendrozyten und Mikroglia und bei weiterer Selektion mikroglialer Zellen). Ein Vergleichsbeispiel mag dies verdeutlichen: um eine Ausbeute von 2-4 x 106 Oligodendrozyten aus P0-P2 Nagergehirnen zu erhalten, genügt eine Selektion auf TN-R-Substraten aus dem Gewebe nur eines Gehirns in nur einem Schritt, während dafür bei Kultivierung gemischter glialer Kulturen zehn Gehirne und mindestens 2 Wochen Kultivierungszeit erforderlich sind.
Das erfindungsgemäße Isolierungsverfahren nach (1) und (2) erlaubt die Isolierung vollständiger Oligodendrozytenpopulationen und ist damit auch vorteilhaft gegenüber immunologischen Selektionsverfahren wie z.B. FACS, biomagnetic cell sorting oder Antikörper-Panning. Diese erlauben nur die Anreicherung distinkter Oligodendrozytenpopulationen; oligodendrogliale Zellen, die von den Antikörpern nicht erkannt werden, gehen verloren.
Das erfindungsgemäße Verfahren von (1) und (2) ermöglich somit die Isolierung von oftmals für weitere Experimente ausreichenden Oligodendrozytenpopulationen aus einem einzigen Vertebraten, insbesondere einem einzigen Nager. Dies ist
insbesondere von Vorteil, wenn bestimmte Effekte an Mäusen untersucht werden, die z.B. in transgenen Mäusen, Knockout-Mäusen oder mit Testsubstanzen behandelten Mäusen auftreten.
Die als Startmaterial der Ausführungsform (1) und (2) verwendeten Primärgewebe können aus unterschiedlichen ZNS-Bereichen sowie aus unterschiedlichen
Entwicklungsstadien stammen. Bevorzugte ZNS-Bereiche sind das Gehirn und einzelne Gehirnregionen (insbesondere Vorderhirn, Kleinhirn, Hippocampus,
Hirnstamm), der optische Nerv und das Rückenmark. Die geeigneten
Entwicklungsstadien umfassen embryonale, fötale, früh-/spätpostnatale und adulte Gewebe, bevorzugt frühpostnatale und adulte Gewebe.
Wird im Verfahren nach (1) bis (3) eine Einzelzellsuspension verwendet, so enthält diese Zellen einer oder mehrerer Differenzierungsstufen, bevorzugt einer einzigen Differenzierungsstufe.
Die neuralen Primärgewebe, die zur Durchführung des Verfahrens nach (1) und (2) verwendet werden, stammen aus niederen und höheren Vertebraten, einschließlich Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren, besonders bevorzugt aus Hai, Karpfen, Huhn, Nagern einschließlich Maus und Ratte, Rind, Schwein und Mensch, ganz besonders bevorzugt aus Nagern und Mensch.
Die TN-R-Sonde zur Verwendung in (1) und (2) stammt vorzugsweise aus TN-R höherer und niederer Vertebraten. Bevorzugt ist sie das native TN-R oder ein Fragment des nativen TN-R.
Die Gewinnung von Einzelzellsuspensionen aus Primärgewebe zum Einsatz im Verfahren gemäß Ausführungsform (1) oder (2) erfolgt nach in der Fachwelt üblichen Methoden. So kann das Gewebe in einem oder mehreren Schritten mechanisch und/oder enzymatisch in Gewebefragmente und/oder einzelne Zellen überführt werden. Geeignete Methoden werden in "Zell- und Gewebekultur" (T. Lindl, Spektrum Akademischer Verlag, 2002) und "Current Protocols in Neuroscience" (John Wiley & Sons, Inc., 2004, Hrsg. J Crawley et al.) beschrieben. Die so gewonnenen Zellen werden in serumfreiem Medium resuspendiert und dann mit der TN-R-Sonde in Kontakt gebracht. Nach einer zur vollständigen Adsorption der selektierten Zellen ausreichenden Inkubationszeit (1-48 h, bevorzugt 8-20 h) unter geeigneten Bedingungen werden die nicht adhärierten Zellen entfernt. Die adhärierten Zellen können für eine weitere Verwendung entweder adhärent bleiben oder enzymatisch, bevorzugt durch Behandlung mit Trypsin bzw. Trypsin-EDTA,
Collagenase, Dispase, Pronase, Accutase® oder anderen geeigneten Proteinasen, insbesondere mit Accutase®, vom Adsorbens abgelöst werden. Ihre Weiterverwendung umfasst die Kultivierung - auch auf anderen Substraten oder Plastikoberflächen bzw. in anderen definierten Medien - zur Gewinnung von beispielsweise unreifen Vorläufer-Oligodendrozyten oder myelinkompetenten Oligodendrozyten.
Das Verfahren nach (1) und (2) kann unabhängig davon eingesetzt werden, ob die TN-R-Sonde und das neurale Primärgewebe aus Organismen derselben Spezies stammen. So ist eine Isolierung von Oligodendrozyten über Speziesgrenzen hinweg möglich. TN-R aus verschiedenen Vertebraten können zur Selektion von Oligodendrozyten aus Einzelzellkulturen anderer Spezies verwendet werden (Bsp. 3; Fig. 7). Unter anderem umfasst dies die Selektion von Oligodendrozyten aus Mensch, Schwein, Rind, Huhn, Maus, Ratte, Frosch und anderen höheren Vertebraten auf TN-R aus einer anderen Spezies (umfassend Fisch, Huhn, Maus, Ratte, Rind, Schwein, Mensch etc.). Das Verfahren nach (1) und (2) kann des weiteren unabhängig davon eingesetzt werden, in welcher Differenzierungsstufe (z.B. Vorläufer - unreife - reife Oligodendrozyten) die selektierten Zellen vorliegen. Es werden allen Zellen einer Zellart selektiert, unabhängig von ihrem Entwicklungsstadium.
Die Selektion von definierten Zellpopulationen aus Einzelzellsuspensionen gemäß (1) und (2) erfolgt in einem Aspekt dadurch, dass die an die TN-R-Sonde gebundenen Zellen isoliert werden und zur weiteren Verwendung vorgesehen sind.
In einem anderen Aspekt dagegen ist es der Überstand, der durch die spezifische
Adsorption von Zellen an die TN-R-Sonde von diesen Zellen befreit wird und zur weiteren Verwendung als definierte Zellpopulation vorgesehen ist. In wieder einem anderen Aspekt wird als TN-R-Sonde ein modifiziertes TN-R oder ein TN-R-
Fragment eingesetzt, dass für andere Zellen als das Ausgangsprotein (natives TN-
R) selektiv ist. Die TN-R-Sonde im letztgenannten Aspekt umfaßt bevorzugt die FN
III-Domänen 1 bis 8 oder 4 bis 6, besonders bevorzugt die durch bp 1051-3483 in
SEQ ID NO: 1 (H-TNR-S2; humane FN III-Domäne 1-8) und bp 1573-2945 in SEQ ID NO: 1 (H-TNR-S5; humane FN III-Domäne 4-6) kodierten Proteine.
In einem Aspekt der Ausführungsform (3) ist die Tenascin-R-Sonde durch geeignete Methoden zur Immobilisierung an ein Trägermaterial gekoppelt. Die Immobilisierung kann kovalent oder nichtkovalent erfolgen. Derartige geeignete Immobilisierungsmethoden umfassen adäquate Kupplungstechniken, welche die
Spezifität der Tenascin-R-Sonde nicht verändern, wie z.B. die kovalente Vernetzung des Proteins mit dem Trägermaterial oder die Immobilisierung durch Wechselwirkung mit einem geeigneten Antikörper. Bevorzugt erfolgt die Kupplung nichtkovalent (Bsp. 3), über einen Antikörper oder durch kovalente Vernetzung. In einer bevorzugten Ausprägung dieses Aspekts der Ausführungsform (3) werden zur Isolierung von Zellen aus Primärgewebe neuralen Ursprungs Trägermaterialien wie z.B. Zellkulturplatten mit TN-R bzw. mit rekombinant hergestellten TN-R- Fragmenten beschichtet, indem das Trägermaterial, bevorzugt eine Plastikoberfläche, mit einer Lösung der TN-R-Sonde inkubiert und anschließend gewaschen wird. Durch selektive Substratadhäsion erfolgt dann die Isolierung reinster Zellpopulationen aus Zellsuspensionen. Unter Verwendung von TN-R konnten aus frühpostnatalen Nagerhirnen 100% reine Oligodendrozyten- präparationen gewonnen werden (Bsp.3): 2xlO6 Oligodendrozyten aus einem P0-P2 Nagervorderhirn, 4-6xlO6 Oligodendrozyten aus einem P5 Nagervorderhirn, 2xlO6 Oligodendrozyten aus einem P7-P8 Nagerkleinhirn. Ähnliche Ergebnisse sind mit rekombinant hergestellten Tenascin-R-Fragmenten möglich.
In einer weiteren Ausprägung dieses Aspekts wird die TN-R-Sonde auf einer Plastikoberfläche immobilisiert. Dies ermöglicht ebenfalls die selektive Adhäsion und Isolation von definierten Zellpopulationen, insbesondere von Oligodendrozyten, jedoch nicht von anderen neuralen Zellen (wie Astrozyten, Mikroglia oder Neuronen), aus den als Startmaterial verwendeten gemischten Zellpopulationen.
Die Immobilisierung erfolgt bevorzugt durch direkten Kontakt der TN-R-Sonde mit der Trägeroberfläche. Nach ausreichender Inkubationszeit (1-4 h) wird das nicht gebundene Protein abgewaschen. Die nicht besetzten Bindungsstellen auf der Oberfläche werden anschließend blockiert, z.B. durch Inkubation mit einem BSA- haltigen Blockierungspuffer. Die so beschichteten Oberflächen können bis zu ihrer Verwendung feucht gehalten oder nach Eintrocknen verwendet werden, wobei der Einsatz nicht eingetrockneter Oberflächen bevorzugt ist.
Als bevorzugte TN-R-Sonde werden in Ausführungsform (3) natives TN-R oder ein Fragment des nativen TN-R verwendet. Auch die Verwendung einer Mischung aus mehr als einer TN-R-Sonde zur Beschichtung des Trägermaterials ist möglich.
Das Verfahren nach Ausführungsform (1) bis (3) ist zur Gewinnung von neuralen Zellen, insbesondere von Oligodendrozyten, für die Anzucht differenzierter Zellen, insbesondere neuraler Zellen, in neurobiologischen und zellphysiologischen
Untersuchungen, in der biologischen und klinischen Forschung und für diagnostische und therapeutische Verfahren in vitro und in vivo, insbesondere für die Herstellung eines Medikaments zur Zelltherapie und zur Therapie von neurodegenerativen Krankheiten geeignet. Des Weiteren ist es zum Nachweis von neurodegenerativen Krankheiten nutzbar.
Ausführungsform (9) betrifft Antikörper, vorzugsweise monoklonale Antikörper gemäß Ausführungsform (10), welche an TN-R in wenigstens zwei Spezies, vorzugsweise zwei Vertebraten binden, bevorzugt die monoklonalen Antikörper R4 und R6 (Bsp. 5). Diese zeigen im Gegensatz zu den in Pesheva, P. et al. (J. Cell. Biol. 109: 1765-1778 (1989)) beschriebenen Antikörpern Rl und R2 Kreuzreaktivität mit verschiedenen Spezies/Vertebraten. Besonders R6 kann zum Nachweis von TN-R in allen Vertebratenklassen (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger; Fig. 5A und 5B) verwendet werden; R4 erkennt das Protein nur in höheren Vertebratenklassen (Fig. 5A und Tab. 2). R4 und R6 erkennen Proteinepitope auf dem TN-R Molekül, d.h. sie sind auch nach Glykosidase-Verdau, der zur Abspaltung der Zuckerreste des Proteins führt, noch aktiv.
Die Kreuzaktivität mit verschiedenen Spezies ist bedingt durch das Herstellverfahren, nämlich dass ein geeigneter Wirtsorganismus mit Tenascin-R von wenigstens zwei unterschiedlichen Spezies, vorzugsweise von zwei unterschiedlichen Vertebraten durch übliche Verfahren immunisiert wird und nachfolgenden Screening- und Reinigungsschritten isoliert wird. Geeignete Wirtsorganismen für die Immunisierung sind insbesondere nicht-humane Säuger wie Nager (Mäuse, Ratten u.s.w.), Kaninchen, Meerschweinchen, Ziege u.s.w.
Die Antikörper nach Ausführungsform (9) sind in verschiedenen auf Nachweis und/oder Bindung von TN-R basierenden immunochemischen Verfahren anwendbar (Tab. 2, Anwendungsbereiche), insbesondere in ELISAs, Westernblots, histologischen und zytologischen Untersuchungen und Immunpräzipitationen. Auch in in vitro-Assays sind sie von Bedeutung, da ihre Anwesenheit die inhibitorische Wirkung des TN-R Proteins auf die neuronale Zelladhäsion und das Axonwachstum neutralisieren kann (Fig. 5C). Die Antikörper reagieren spezifisch mit TN-R in Hirn- Extrakten oder gereinigtem TN-R und zeigen keine Kreuzreaktivität mit anderen TN-Proteinen. Letzteres läßt sich daraus schließen, dass keine Reaktion mit Herz oder Niere (in Maus enthaltend TN-W, Scherbich, A. et al., J. Cell. Sei. 117:571-581 (2004)), neonataler Haut oder Hautfibroblasten-konditionertem Medium (enthaltend TN-X, Zweers, M. C. et al., Cell Tissue Res. 319:279-287 (2005)) und
TN-C-Präparationen aus Maushirn stattfindet. Exemplarisch ist in Fig. 5 die Reaktivität von R4 und R6 dargestellt.
Kreuzreaktivität der Antikörper nach Ausführungsform (9) besteht jedoch insofern, dass Rl, R2, R4, R5 und R6 mit TN-R aller getesteten höheren Vertebraten reagieren, und Rl, R5 und R6 sogar mit allen getesteten Arten (Tab.2, Fig. 5B). Letztere sind in einem Aspekt der Ausführungsform (9) daher bevorzugt.
Rl, R2, R4, R5 und R6 erkennen unterschiedliche Protein-Epitope auf TN-R, was sich durch enzymatische Entfernung der N- und O-verknüpften Glycokonjugate und Feststellung der topographischen Nähe molekularer Epitope durch kompetitiven ELISA zeigte. Dies erklärt auch, warum die Antikörper unterschiedlichen Einfluss auf die Adhäsion und das Neuritenwachstum von Maus-Neuronen auf TN-R-haltigem Substrat haben (Fig. 5C und D, Bsp. 6). Diese in wfcro-Tests weisen darauf hin, dass Epitope, welche durch R4, R5, und R6 (und teilweise R2) erkannt werden, in derartige Prozesse involviert sind. Daher sind bevorzugte Antikörper der Ausführungsform (9) Antikörper, welche gegen derartige Epitope gerichtet sind.
Die Antikörper gemäß Ausführungsform (10) können dabei durch Kultivieren der Zelllinie gemäß Ausführungsform (11) hergestellt werden. Die Zelllinien Ausführungsform (11) sind insbesondere sogenannte Hybridomzelllinien. Diese sind z.B. durch Immunisierung eines geeigneten Wirtsorganismus mit TN-R von wenigstens zwei verschiedenen Spezies, wie vorstehend beschrieben, Isolation von Milzzellen des Wirtsorganismus und nachfolgendes Verschmelzen mit geeigneten primären Zellen, z. B. Myelomzellen, erhältlich. In Abhängigkeit vom Wirtsorganismus und vom Ursprung der primären Zellen handelt es sich um Homo- oder Heterohybridomzellen, wobei das Erstere bevorzugt ist.
Weiterhin bevorzugt sind die monoklonalen Antikörper gemäß Ausführungsform (10) der Erfindung, unter denen R4, R5 und R6, insbesondere R4 und R6, wie sie durch die Hybridomzelllinien DSM ACC2754 (tn-R4) und DSM ACC2753 (tn-R6) produziert werden, besonders bevorzugt sind. Die Antikörper der Ausführungsformen (9) und (10) der Erfindung sind nicht nur zum immunochemischen Nachweis von TN-R geeignet, sondern auch zur Hemmung der Wirkung von TN-R in vivo und in vitro.
Aufgrund ihrer Wechselwirkung mit TN-R in Bezug auf die neuronale Zelladhäsion und das Axonwachstum sind die Antikörper nach Ausführungsformen (9) und (10) des weiteren gemäß Ausführungsform (14) zur gezielten Beeinflussung der Neuralentwicklung in vivo und in vitro, zur Therapie und Prophylaxe von traumatischen Nervenläsionen und zur Herstellung von Medikamenten zur gezielten Beeinflussung der Neuralentwicklung und zur Therapie und Prophylaxe von traumatischen Nervenläsionen einsetzbar. Traumatische Nervenläsionen entstehen z.B. nach mechanischer Nervenschädigung. Die Regeneration der Nervenfasern nach solchen Läsionen wird durch TN-R negativ beeinflusst (Probstmeier, R. et al., J. Neurosci. Res. 60:21-36 (2000); Zhang, Y. et al., Mol. Cell. Neurosci. 17:444- 459 (2001); Becker, CC. et al., Mol. Cell. Neurosci. 26:376-389 (2004); Xu, G. et al., J. Neurochem. 91 : 1018-1023 (2004)).
Die Erfindung betrifft daher in Ausführungsform (15) ebenfalls ein Verfahren zur Therapie und Prophylaxe von traumatischen Nervenläsionen und zur gezielten Beeinflussung der Neuralentwicklung umfassend das Verabreichen einer geeigneten Menge an Antikörper nach Ausführungsform (9) oder (10) an einen Patienten, der einer solchen Behandlung bedarf. Die verabreichte Antikörpermenge und die notwendige Dosierung wird vom behandelnden Arzt von Fall zu Fall festzulegen sein. Sie hängt dabei unter anderem einerseits vom Alter, Körpergewicht und der Konstitution des Patienten, andererseits von der Art und Schwere der zu behandelnden Krankheit ab.
Der Kit gemäß Ausführungsform (12) enthält bevorzugt das in Ausführungsform (4) definierten Protein oder eine Stammkultur der Zelllinie zur Produktion dieses Proteins. Besonders bevorzugt enthält dieser Kit humanes Tenascin-R oder dessen erfindungsgemäße Fragmente und/oder eine Stammkultur von Zellen, die zur rekombinanten Produktion dieser Proteine geeignet sind.
Ein bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (12) ist ein Kit, in dem die Tenascin- R-Sonde durch eine adäquate Kupplungstechnik wie in den Aspekten der Ausführungsform (3) beschrieben an ein Trägermaterial gebunden ist, und/oder in dem weiterhin TN-R-Antikörper (z.B. zur Überprüfung der Immobilisierungseffizienz der TN-R-Sonde), eine oder mehrere enzymatische Lösung(en) zur Zelldissoziierung, ggf. Mittel zur Detektion der Bindung von Zellen an die Tenascin- R-Sonde, Puffer und/oder Kulturmedien enthalten sind. Zu den Puffern und Medien zählen insbesondere Blockierungspuffer und definierte serumfreie Kulturmedien. Im
Kit enthaltene Antikörper sind bevorzugt Antikörper der Ausführungsform (9) oder (10).
In Ausführungsform (13) ist die Verwendung eines TN-R-Fragments oder eines TN- R-Fusionsproteins wie in Ausführungsform (4) definiert, bevorzugt. Eine bevorzugte Verwendung der erfindungsgemäßen TN-R-Sonde ist der Einsatz der Tenascin-R-Sonde zur Gewinnung von Oligodendrozyten gemäß Ausführungsform (13). Ein damit verknüpfter Aspekt der Ausführungsform (13) ist die Anzucht differenzierter Zellen aus den so gewonnenen Zellpopulationen. Die differenzierungsfördernde Wirkung des nativen TN-R wurde bereits beschrieben (Pesheva, P. et al., J. Neurosci. 17:4642-51 (1997)). Auch die erfindungsgemäßen Fragmente des TN-R können differenzierungsfördernd auf Oligodendrozyten unterschiedlicher Reifestadien wirken, insbesondere H-TNR-S3 und H-TNR-S6 (vgl. Bsp. 2).
Die Diagnoseverfahren gemäß der Ausführungsform (13) können in vivo und in vitro durchgeführt werden, bevorzugt jedoch in vitro. Bevorzugt verwendet wird für die Verwendung gemäß Ausführungsform (13) eine Tenascin-R-Sonde gemäß Ausführungsform (4), insbesondere humanes Tenascin-R oder dessen erfindungsgemäße Fragmente. Die Tenascin-R-Sonde kann dabei aus Quellen gereinigt worden sein, in denen sie natürlich vorkommt, oder rekombinant hergestellt worden sein. Bevorzugt wird eine rekombinante Tenascin-R-Sonde verwendet.
Neurodegenerative Erkrankungen, die mit einem Verlust von Oligodendrozyten (durch Zelltod) oder Myelin assoziiert sind, wie z.B. Multiple Sklerose (MS), zeichnen sich dadurch aus, dass in den betroffenen Regionen Remyelinisierung nicht oder nur im geringen Umfang stattfinden kann. Das liegt zum Großteil daran, dass die vorhandenen "traumatischen" (also als Folge der Wirkung pathologischer Stimuli veränderten) Vorläufer- und unreifen Oligodendrozyten nicht in der Lage sind zu differenzieren/remyelinisieren. Die Erfindung bietet hier Ansätze für neue diagnostische und/oder therapeutische Verfahren:
Zur Diagnose von MS ist besonders die schnelle (innerhalb von 1-2 Tagen) Selektion "traumatischer" Zellen auf TN-R-Sonden geeignet, bevorzugt aus einem Tiermodell oder aus Biopsie-Proben von Patienten. Dies ermöglicht die Durchführung von direkten Untersuchungen ihres molekularen Profils und/oder die Entwicklung diagnostischer Marker. Für die Entwicklung eines Medikaments zur Zelltherapie können "traumatische" Oligodendrozyten mit verschiedenen
Wirkstoffkandidaten behandelt werden, um den Einfluss der letzteren auf die "Genesung traumatischer Zellen", bzw. die Remyelinisierungspotenz solcher Zellen zu bestimmen.
Die erfindungsgemäße Methode ist auch geeignet zur Selektion "normaler" adulter Oligodendrozyten, welche vor der Kultivierung unter traumatischen Bedingungen in vitro (durch Zugabe relevanter Cytokine oder Liquorproben von
Patienten/erkrankten Tieren) selektioniert und anschließend mit
Wirkstoffkandidaten behandelt werden. Solch ein in wtro-System erlaubt
Untersuchungen zu den stattfindenden traumatischen Veränderungen in Oligodendrozyten, die Rückschlüsse auf solche Veränderungen in vivo ermöglichen.
Des weiteren können derartig kultivierte Oligodendrozyten zur Entwicklung diagnostischer Marker dienen, wobei auch verschiedene Stadien der traumatischen Veränderungen festgestellt werden können. Die so gewonnenen Oligodendrozyten sind auch geeignet zum Screening auf Wirkstoffkandidaten, die den Zelltod und/oder eine fehlende Myelinisierungskompetenz von Oligodendrozyten unter traumatischen Bedingungen aufheben, bzw. als Medikament zur Zelltherapie in vivo eingesetzt werden können.
Schließlich ist auch der Einsatz eines rekombinanten TN-R-Fragments, insbesondere des C-Terminus oder eines C-terminalen Fragments, v.a. der Fragmente H-TNR-S3 und/oder H-TNR-S6 (vgl. Bsp. T), als Medikament oder zur Herstellung eines Medikaments zur direkten Zelltherapie bei neurodegenerativen Erkrankungen, insbesondere Multipler Sklerose, möglich.
Ein bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (13) ist somit die Verwendung der Tenascin-R-Sonde zur Diagnose von Multipler Sklerose (MS) und zur Herstellung eines Medikaments gegen MS.
Ein weiterer bevorzugter Aspekt der Ausführungsform (13) ist somit die Verwendung der Tenascin-R-Sonde zur Herstellung eines Medikaments zur Zelltherapie und zur Therapie von neurodegenerativen Krankheiten, die mit einem Verlust von Oligodendrozyten oder Myelin einhergehen, insbesondere Multipler Sklerose und periventrikulärer Leukomalazie (PVL).
Ausführungsform (16) betrifft ein Verfahren zur Zelltherapie und zur Therapie von neurodegenerativen Krankheiten, die mit einem Verlust von Oligodendrozyten oder Myelin einhergehen, insbesondere Multipler Sklerose und periventrikulärer Leukomalazie (PVL), unfassend das Verabreichen einer pharmakologisch geeigneten
Menge der TN-R-Sonde an einen Patienten, der einer solchen Behandlung bedarf. Die verabreichte Menge und die notwendige Dosierung wird vom behandelnden Arzt von Fall zu Fall festzulegen sein. Sie hängt dabei unter anderem einerseits vom Alter, Körpergewicht und der Konstitution des Patienten, andererseits von der Art und Schwere der zu behandelnden Krankheit ab.
Das Verfahren (17) zur Herstellung von Oligodendrozyten aus isolierten Stammzellen wird bevorzugt mit neuralen oder nicht-neuralen Stammzellen durchgeführt, welche ein Potential zur Sulfatid-Expression besitzen. Besonders bevorzugte isolierte Stammzellen sind Vorläuferzellen neuralen oder hämatopoetischen Ursprungs. So können humane neurale Stammzellen in Gegenwart von TN-R selektiv zu reifen Oligodendrozyten differenziert werden (Bsp. 7).
Ganz besonders bevorzugt dient das Verfahren (17) der Differenzierung unreifer Oligodendrozyten in vitro. Wie Fig. 8 zeigt, differenzieren sich unreife Oligodendrozyten unter dem Einfluss von exogenem, substratgebundenen TN-R aller getesteten Vertebraten morphologisch. Gleichzeitig wird die Myelingen- Expression hochreguliert, wie sich durch die rasche Induktion von MBP-Expression belegen lässt. Diese Effekte sind besonders stark bei Einsatz von TN-R aus höheren Vertebraten. Die Zellantwort der Oligodendrozyten wird vermutlich durch TN-R- Wechselwirkung mit Sulfatiden vermittelt und beinhaltet wahrscheinlich eine autokrine TN-R-Regulation (Pesheva, P. et al., J. Neurosci. 17:4642-4651 (1997)). Letzteres wird dadurch unterstützt, dass die TN-R-Sekretion durch Oligodendrozyten, welche auf TN-R-haltigem Substrat kultiviert wurden, durch TN-R aus höheren Vertebraten stark und durch Fisch-TN-R etwas weniger erhöht wurde (Fig. 8B).
Bevorzugt wird für die Differenzierung unreifer Oligodendrozyten in vitro auf TN-R- beschichteten Oberflächen eine TN-R-Konzentration von mindestens 10 μg/ml eingesetzt. Besonders bevorzugt ist eine TN-R-Konzentration von mindestens 20 μg/ml, ganz besonders eine TN-R-Konzentration von 20 μg/ml. Bevorzugt wird das Verfahren (17) mit TN-R höherer Vertebraten, besonders bevorzugt mit einer erfindungsgemäßen TN-R-Sonde, ganz besonders bevorzugt mit nativem TN-R oder einem TN-R-Fragment oder -Fusionsprotein der Ausführungsform (4) durchgeführt.
Die Hybridomzelllinien tn-R4 (Produzent des Antikörpers R4) und tn-R6 (Produzent des Antikörpers R6) wurden am 02. Dezember 2005 unter den Hinterlegungsnummern DSM ACC2754 bzw. DSM ACC2753 bei der DSMZ, Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Mascheroder Weg Ib, 38124 Braunschweig, Deutschland, hinterlegt.
Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Beispiele näher erläutert. Diese schränken den Schutzbereich der Erfindung jedoch nicht ein.
Beispiele Verwendete Lösungen/Medien:
1. HBSS (Hank's Balanced Salt Solution) (Sigma)
2. Enzymatische Lösungen für Zelldissoziierung:
1% (w/v) Trypsinlösung: 1% (w/v) Trypsin (Zellkultur getestet), 0,1% (w/v) DNase I, 1 mM EDTA, 0,8 mM MgSO4, 10 mM HEPES in HBSS (Ca/Mg-frei). DNaselösung: 0,05% (w/v) DNase I, 10 mM HEPES in BME (Basal Medium Eagle).
3. Definiertes serumfreies Medium: DMEM (Sigma) supplementiert mit Insulin (10 μg/ml), Progesteron (0,06 μg/ml), Trijodothyronin (0,34 μg/ml), L-Thyroxin (0,52 μM), Putrescin (16 μg/ml), Natriumselenit (0,22 μM), Transferrin (0,1 mg/ml), HEPES (25 mM), Gentamycin (25 μg/ml), Penicillin (100 units/ml) sowie Streptomycin (0,1 mg/ml).
4. Blockierungspuffer: 2% (w/v) BSA (Rinderserumalbumin, fettsäurefrei) in PBS (150 mM NaCI, 8 mM Na2HPO4, 17,4 mM NaH2PO4), pH 7,2, hitzeinaktiviert (für 20 Minuten bei 7O0C).
Gewebeextrakte und Westernblots: Gewebeproben wurden in PBS oder TES (s. Bsp. 1) mit oder ohne 1 % Triton® X-100 für 2 h bei 4 0C homogenisiert. Alle Puffer enthielten Spermidin und Proteaseinhibitoren (vgl. Bsp. 1). Unlösliches Material wurde durch Sedimentation abgetrennt. Gewebeextrakte aus Fischen (50 μg Protein/Spur) und anderen Vertebraten (20 μg Protein/Spur) wurden durch SDS- PAGE unter reduzierenden Bedingungen über 7 %-Polyacrylamid-Gele aufgetrennt und entweder Sibergefärbt oder durch Westernblot mit TN-R spezifischen Antikörpern analysiert. Bei den Westernblots dienten alkalische-Phosphatase- oder horseradish-Peroxidase (HRP)-konjugierte sekundäare Antikörper (Promega; Roche Daignostics) zur Detektion (Pesheva, P. et al., J. Neurosci. Res. 51 :49-57 (1998)).
Enzymatische Behandlung von TN-R: Zur enzymatischen Entfernung von N- verknüpften Oligosacchariden wurden gereinigte TN-R Proteine mit N-Glycosidase F
oder H (Roche Diagnostics) behandelt wie beschrieben (Pesheva, P. et al., J. Cell. Biol. 109: 1765-1778 (1989)). Zur enzymatischen Entfernung von O-verknüpften GAGs wurden die NT-R Proteine mit Chondroitinase ABC oder Heparinase (Sigma) behandelt wie beschrieben (Probstmeier, R. et al., Brain Res. 863:42-51 (2000)). Zellkulturen: Primäre Kulturen von Kleinhirnneuronen (in serumfreiem Fischer- Medium; Pesheva, P. et al., Neuron 10:69-82 (1993)), Oligodendrozyten (in serumfreiem Sato-Medium; Pesheva, P. et al., J. Neurosci. 17:4642-4651 (1997)) und Hautfibroblasten (in DMEM 10 % FCS) wurden wie beschrieben hergestellt. Zur Untersuchung des Neuritenwachstums wurden Kleinhirnneurone (IxIO6 Zellen/ml) auf den Testsubstraten in einem serumfreien Fischer-Medium kultiviert.
Beispiel 1: Immunaffinitätschromatoqraphische Aufreiniqunq von TN-R Proteinen Die Aufreinigung von TN-R Proteinen aus adultem Gehirn (Hai, Karpfen, Huhn, Maus, Ratte, Rind, Schwein, Mensch) erfolgte über immunaffinitäts- chromatographische Verfahren (Fig. 6). Hierzu wurde das Ausgangsgewebe mit einem Harnstoff-haltigen Puffer (20 mM Tris-HCI, 10 mM EDTA, 10 mM EGTA, IM Harnstoff, pH 7,9; inklusive 1 mM Spermidin und folgenden Proteaseinhibitoren: lμM Aprotinin, 5 μM SBTI (Trypsininhibitor aus Sojabohne), 1 mM PMSF (Phenylmethylsulfonylfluorid), Iodoacetamid (19 μg/ml), Typ III Trypsininhibitor aus Eiweiß (10 μg/ml)) für 2 h bei 40C aufgeschlossen und anschließend unlösliche Anteile für 30 Minuten bei 30.000 g pelletiert. Der Überstand wurde mit 40% (w/v) Ammoniumsulfat gefällt und präzipitierte Anteile durch einen Zentrifugationsschritt bei 30.000 g gesammelt. Das Präzipitat wurde nachfolgend in 20 mM Tris-HCI, 1 mM EDTA, 1 mM EGTA, 150 mM NaCI, pH 7,2, gelöst und gegen denselben Puffer dialysiert. Nicht gelöste Anteile wurden durch eine einstündige Zentrifugation bei 100.000 g und 40C entfernt.
Alternativ wurde folgendes Aufschlussverfahren verwendet: Homogenisation des Gewebes in TES Puffer (10 mM Tris-HCI, 150 mM NaCI, 10 mM EDTA, pH 7,4; inklusive 1 mM Spermidin und den oben angegebenen Proteaseinhibitoren) und Übernachtinkubation bei 40C. Nicht gelöste Anteile wurden danach durch eine einstündige Zentrifugation bei 100.000 g und 40C entfernt. Der Überstand des jeweils letzten Zentrifugationsschritts wurde anschließend für die weitere immunaffinitätschromatographische Reinigung von TN-R Proteinen verwendet. Hierzu wurden die Überstände über Säulenmatrizes geleitet, an die monoklonale TN-R Antikörper gebunden waren. Es handelte sich dabei um monoklonale
Antikörper, die als Rl, R2 (Pesheva, P. et al., J. Cell. Biol. 109: 1765-1778 (1989)), R4 oder R6 (siehe Bsp. 5) bezeichnet wurden. Diese Antikörper wurden an CNBr- aktivierte Sepharose®4B gekoppelt. Nach Passage der Zentrifugationsüberstände wurden die Antikörpersäulen zuerst mit 20 mM Tris-HCI, 1 mM EDTA, 1 mM EGTA, 0,5 M NaCI, 0,5% (v/v) Triton®X-100, pH 7,2, anschließend mit PBS (Phosphatgepufferte Saline, pH 7,2) gewaschen. Die an die Antikörper gebundenen TN-R Proteine wurden mit einem basischen Elutionspuffer (0,1 M Diethylamin, 0,1 M NaCI, 1 mM EDTA, 1 mM EGTA, pH 11,2) von der Säule gelöst. Das Eluat wurde sofort neutralisiert und gegen PBS dialysiert.
Beispiel 2: Herstellung humaner TN-R Fragmente
Ähnlich wie die anderen bekannten TN-R Proteine, setzt sich das humane TN-R Protein aus verschiedenen distinkten Domänen zusammen (Carnemolla, B. et al., J. Biol. Chem. 271:8157-60 (1996)). Beginnend mit einer Cystein-reichen Region am N-Terminus, gefolgt von 4,5 EGF-ähnlichen Domänen und 8 FN HI-ähnlichen Domänen (wobei zwischen der 5. und 6. Domäne eine weitere bei entsprechendem alternativem Spleißen vorhanden sein kann, was dann 9 FN III-ähnlich Domänen ergibt), endet das Molekül am C-Terminus mit einer Fibrinogen-ähnlichen Domäne. Die publizierte humane TN-R-Sequenz umfasst mit 9 FN HI-ähnlichen Domänen 4716 Basen (SEQ ID NO: 1; NCBI nucleotide NM_003285). Hiervon entfällt auf den kodierenden Bereich der Abschnitt zwischen den Basen 82 bis 4158, auf das Signalpeptid (zur Sekretion des TN-R Proteins) der Basenbereich 82 bis 150. Für die Herstellung rekombinanter eukaryotisch exprimierter TN-R Proteinfragmente wurden nachfolgende DNA-Sequenzen entsprechend einzelner Domänenbereiche ausgewählt:
"H-TNR-Sl": bp 151-1065
(Bereich: „Cys-Region" bis „EGF-ähnliche Domänen" (inkl.))
"H-TNR-S2": bp 1051-3483
(Bereich: „FN-III-ähnliche Domäne 1" bis ,, FN-III-ähnliche Domäne 8" (inkl.)) H-TNR-S3": bp 3439-4155
(Bereich: „Fibrinogen-ähnliche Domäne " (inkl.)) "H-TNR-S4": bp 151-1599
(Bereich: „Cys"-Region bis ,, FN-III-ähnliche Domäne 3 (inkl.)) "H-TNR-S5": bp 1573-2945 (Bereich: „ FN-III-ähnliche Domäne 4 " bis „ FN-III-ähnliche Domäne 6 " (inkl.))
"H-TNR-S6": bp 2926-4155
(Bereich: „ FN-III-ähnliche Domäne 7" bis „Fibrinogen- ähnliche Domäne " (inkl.)) In ihrer Gesamtheit decken die Fragmente H-TNR-Sl bis H-TNR-S6 das ganze TN-R Protein ab. Zur Gewinnung humaner TN-R-spezifischer mRNA wurde die menschliche Neuroblastomzelllinie SH-SY5Y verwendet (Woodworth, A. et al., J. Biol. Chem. 279: 10413-21 (2004)). Gesamt-RNA wurde aus diesen Zellen unter Verwendung von Trizol-Reagenz (Invitrogen) nach Herstellervorschrift gereinigt. Die cDNA- Synthese aus diesen RNA-Präparationen erfolgte unter Verwendung von "Random hexamer"-Primern oder oligo(dT)-Primern mit Hilfe des SuperScript II Systems (Invitrogen) nach Herstellervorschrift. Zur Herstellung von H-TNR-Sl- bis H-TNR- S6-spezifischer cDNA-Fragmente wurden folgende Primer verwendet:
H-TNR-Sl
SEQ ID NO:3: upstream: TCC ATG ATC AAG CCT TCA GAG TG (bp 151-173) SEQ ID NO:4: downstream: AGG GGC AAC TGC TGA GCA GT (bp 1046-1065)
(Produktlänge: 915 bp)
H-TNR-S2
SEQ ID NO:5: upstream: TCA GCA GTT GCC CCT CCA GAG G (bp 1051-1072)
SEQ ID NO:6: downstream: ATG AGG GAA CAC CCG GCC TCC (bp 3463-3483) (Produktlänge: 2433 bp)
H-TNR-S3
SEQ ID NO:7: upstream: ATC ACC TCC ACC GCT TTC ACC (bp 3439-3459)
SEQ ID NO:8: downstream: GAA CTG TAA GGA CTG CCG TTT TCT (bp 4132-4155)
(Produktlänge: 717 bp) H-TNR-S4
SEQ ID NO:9: upstream: TCC ATG ATC AAG CCT TCA GAG TG (bp 151-173)
SEQ ID NO: 10: downstream: GCC GTC AAT GAC TGT GGA GAC (bp 1579-1599)
(Produktlänge: 1449 bp)
H-TNR-S5 SEQ ID NO: 11: upstream: GCC AGC GTC TCC ACA GTC ATT G (bp 1573-1594)
SEQ ID NO: 12: downstream: GTT GTC CAT GGC TGT GTG CAC A (bp 2925-2946)
(Produktlänge: 1374 bp)
H-TNR-S6
SEQ ID NO: 13: upstream: GTG CAC ACA GCC ATG GAC AA (bp 2926-2945) SEQ ID NO: 14: downstream: GAA CTG TAA GGA CTG CCG TTT TC (bp 4133-4155)
(Produktlänge: 1230 bp)
Die gewonnenen PCR-Fragmente wurden mit Hilfe des TOPO TA Klonierungssystems (Invitrogen), das sich die überstehenden A-Reste der PCR- Produkte bei Verwendung von Taq-Polymerase zunutze macht, nach Herstellervorschrift in den pcsecTag/FRT/V5-His-TOPO-Vektor (Invitrogen) kloniert. Dieser Vektor erlaubte nach stabiler Integration in eukaryotische Flp-In-Zellinien (siehe unten) die Sekretion des gewünschten, am C-Terminus mit einem 6xHis- Peptid versehenen Proteinfragments in den Zellkulturüberstand. PolyHis-tragende
Protei nf rag mente wurden über Nickel-Chelatchromatographie aus gesammelten Zellkulturüberständen aufgereinigt.
Als Produzenten der Proteinfragmente wurden FIp-In 293 Zellen (Invitrogen) verwendet, die sich von der menschlichen Nierenzelllinie HEK 293 ableiten. In FIp- In-Zellen ist das Plasmid pFRT/lacZeo (Invitrogen) stabil integriert. Dieser Vektor enthält eine von der Flp-Rekombinase spezifisch erkannte FRT-Region. Bei gleichzeitiger Transfektion der Flp-293-Zellen mit dem pOG44-Plasmid, das die Expression der Flp-Rekombinase ermöglicht, und dem die Basensequenz des gewünschten Proteinfragments tragenden pcsecTag/FRT/V5-His-TOPO-Vektor kommt es an der FRT-Region zu einem Einbau der für die Herstellung des sekretierten Proteinfragments notwendigen Anteile des pcsecTag/FRT/V5-His-TOPO- Vektors.
Beispiel 3: Selektive Aufreiniqunq von Oliqodendrozyten aus ZNS-Gewebe von Säugern mit Hilfe von nativem Tenascin-R
Als Ausgangsmaterial wurden postnatale Mausgehirne (entweder das Gesamtgehirn oder isolierte Vorderhirn- und Kleinhirnbereiche bzw. Präparationen des optischen Nervs) der Altersstufen Postnataltag 0 (PO) bis adult verwendet. Isolierte Gehirnbereiche wurden nach mechanischer Zerkleinerung entsprechend der Herkunft bzw. des Alters mit 0,5 bis l%iger (w/v) Trypsinlösung behandelt (PO bis P2 Gehirne mit 0,5% (w/v) Trypsinlösung für 12 min bei Raumtemperatur (RT), P5 Gehirne mit 1% (w/v) Trypsinlösung für 15 min bei RT, P8 Gehirne mit 1% (w/v) Trypsinlösung für 20 min bei RT und adulte Gehirne mit 1% (w/v) Trypsinlösung für 30 min bei RT). Die Gewebsteile wurden nach Zugabe eines größeren Volumens HBSS bei 600 g für 10 Minuten bei 40C pelletiert.
Zur Gewinnung von Einzelzellen wurden die pelletierten Gewebestücke in DNase- Lösung aufgenommen und in einer Pasteurpipette mit verengtem Spitzendurchmesser mehrmals auf- und abpipettiert. Die erhaltene grobe Zellsuspension wurde in einem 5-10fachem Volumen an serumfreiem Medium (supplementiert mit 0,2% (w/v) hitzeinaktiviertem Rinderserumalbumin) verdünnt und 5 Minuten auf Eis inkubiert. Der die Einzelzellsuspension enthaltende Überstand wurde bei 600 g für 10 min bei 40C zentrifugiert und die pelletierten Einzelzellen in serumfreiem Medium resuspendiert. Die so gewonnenen Einzelzellsuspensionen enthielten alle in den entsprechenden Gehirnen/Gehirnbereichen vorhandenen Zelltypen (Neurone, Astrozyten, Oligodendrozyten, Mikroglia, meningiale und endotheliale Zellen).
Zur Gewinnung reiner Oligodendrozytenpopulationen wurden die im letzten Abschnitt vorgestellten Einzelzellsuspensionen (2xlO6 Zellen/ml in serumfreiem Medium) auf mit Tenascin-R Protein beschichteten Zellkulturschalen (siehe unten) ausplattiert und für 8-20 Stunden in einem CO2-Inkubator (5% CO2) kultiviert. Nicht adhärente Zellen wurden mit HBSS weggespült und adhärente Zellen in serumfreiem Medium weiter kultiviert. Anschließend wurden die auf TN-R- Substraten adhärenten Zellen mit einem GalC-spezifischen monoklonalen Maus- Antikörper (Ol; Bansai, R. et al., J. Neurosci. Res. 24:548-557 (1989)) inkubiert (30 min bei RT). Nach Fixierung der Zellen mit 4 % (v/v) Paraformaldehyd in PBS für 10 min bei RT wurde die Bindung des Ol-Antikörpers auf die Zellen durch Inkubation mit Cyanin3- oder FITC-gekoppelten anti-Maus-Ig-Antikörpern (20 min bei RT) fluoreszenzmikroskopisch nachgewiesen. Auf dem Substrat verblieben 99+/-l% GalC-färbbare Zellen, also nur Oligodendrozyten (Fig. 7, untere Zeile). Die durch dieses Einstufenverfahren gewonnenen Zellen konnten für weitere Verwendungszwecke durch Behandlung mit Accutase® (Sigma) vom Substrat abgelöst und auf anderen Substraten/Plastikoberflachen bzw. in anderen definierten Medien zur Gewinnung von beispielsweise unreifen Vorläufer-Oligodendrozyten oder myelinkompetenten Oligodendrozyten weiter kultiviert werden. Für die Herstellung von Substraten aus Tenascin-R Proteinen/Proteinfragmenten wurden Plastikoberflächen (Zellkulturschalen, -flaschen, etc.) mit den entsprechenden Proteinen/Proteinfragmenten (20-40 μg/ml in PBS) für 1-2 h bei 370C inkubiert, mit PBS gewaschen, anschließend mit Blockierungspuffer inkubiert (1 h bei 370C) und abschließend erneut mit PBS (2-3 mal) gewaschen. Für die Herstellung von TN-R-Substraten zur Gewinnung reiner Oligodendrozyten- populationen konnten TN-R Proteine aus Hai, Karpfen, Huhn, Maus, Ratte, Rind, Schwein, oder Mensch verwendet werden. Zumindest die aus Nager-TN-R hergestellten Substrate können nach Beschichtung auch eingetrocknet werden, ohne dass die spezifisch adhäsiven Eigenschaften der TN-R Proteine für Oligodendrozyten hierdurch verloren gingen.
Beispiel 4: Selektive Aufreiniqunq von Oliqodendrozyten aus ZNS-Gewebe von Säugern mit Hilfe von Tenascin-R-Fraqmenten
Für die Selektion reiner Oligodendrozytenpopulationen aus ZNS-Gewebe mit Hilfe von rekombinant hergestellten TN-R-Fragmenten werden im Wesentlichen die in Bsp. 3 beschriebenen Schritte zur Gewinnung von Einzelzellsuspensionen aus
postnatalem Gehirngewebe und zur Selektion von Oligodendrozyten auf mit TN-R- Fragmenten beschichteten Zellkulturschalen aus der Zellsuspension unter serumfreien Kulturbedingungen angewandt. Die durch dieses Einstufenverfahren gewonnenen oligodendroglialen Zellen können für weitere Verwendungszwecke vom Substrat abgelöst und auf anderen Substraten bzw. unter anderen Kulturbedingungen weiter vermehrt oder untersucht werden. Für die Herstellung von Substraten aus rekombinant hergestellten TN-R- Fragmenten werden Plastikoberflächen mit den entsprechenden, aus dem C- Terminus des humanen TN-R stammenden Proteinfragmenten, die Aminosäuresequenzen der FNG-Domöne und/oder Teile davon enthalten, beschichtet (10-20 μg/ml in PBS für 2 h bei 37°C). Alternativ werden die entsprechenden TN-R-Fragmente kovalent an Träger gekoppelt, z.B. durch eine N- Alkylcarbamat-Bindung von Aminogruppen des Proteinfragments a 1,1 '- Carbonyldiimidazol-aktivierte Matrizes (i.e. Plastikoberflächen oder Biopolymere). Die Substratträger werden anschließend mit PBS gewaschen, mir Blockierungspuffer inkubiert (1 h bei 37°C) und abschließend erneut mit PBS gewaschen.
Beispiel 5: Herstellung monoklonaler TN-R Antikörper
Die monoklonalen TN-R Antikörper Rl und R2 wurden bereits charakterisiert (Rl = Antikörper aus Klon 597, R2 = Antikörper aus Klon 596 in Pesheva, P. et al., J. Cell. Biol. 109: 1765-1778 (1989)). Sie wurden gegen Hühnerhirn-Glycoproteine erzeugt und erkennen diverse Vertebraten-TN-R, u.a. von Huhn und Mensch (Tab. 2). Die monoklonalen TN-R-Antikörper R4, R5 und R6 wurden durch Immunisierung mit einer äquimolaren Mischung aus Huhn-TN-R und humanem TN-R als Antigen in BALB/c-Mäusen hergestellt (3 subkutane Injektionen in 2-Wochen-Abständen mit 5 μg Protein/Maus). Die genannten TN-R Proteine waren zuvor durch immunaffinitätschromatographische Reinigung über Säulenmatrices, an die R2 Antikörper gekoppelt waren, aus erwachsenem Hirngewebe gewonnen worden. Hybridomklone, gewonnen durch die Fusion von aus mit diesen TN-R Proteinen immunisierten Mäusen stammenden Milzzellen mit Maus-Myelomzellen (Myelomzelllinie P3X63/Ag8), wurden in ELISA-Assays gegen Huhn-, Maus- und humanes TN-R gescreent. Hierfür wurden Mikrotiterplatten mit Maus- oder einen äquimolaren Mischung aus Huhn- und humanen TN-R beschichtet (0,5 μg/ml in 0,1 M NaHCO3 über Nacht bei 4°C) und mit Hybridomzellüberständen inkubiert (2h bei 37°C). Die Bindungen der in diesen Überständen vorhandenen kreuzreaktiven
Antikörper wurde durch Inkubation mit Peroxidase-gekoppelten anti-Maus-Ig- Antikörpern nachgewiesen. Die Spezifität positiver Hybridomklone für TN-R war unabhängig von der Herkunft des TN-R Proteins, wie durch weitere ELISA- und Westernblotanalysen von immunaffinitätsgereinigten TN-R Proteinen und Gehirnextrakten gezeigt werden konnte.
Die Reinigung der Antikörper erfolgte durch Auftrennung der Überstände der Hybridomkulturen über Protein G-Sepharose-Säulen (Amersham). Die Antikörper R4, R5 und R6 gehörten wie Rl und R2 der IgGl-Subklasse von Immunglobulinen an und erkannten TN-R Proteine in verschiedenen Vertebratenklassen (Fig. 5 und Tab.2): Fische (R5, R6), Amphibien (R5, R6), Reptilien (R4, R5, R6), Vögel (R4, R5, R6) und Säuger (R4, R5, R6). R4 erkannte also nur das TN-R in höheren Vertebratenklassen. Die Ergebnisse für Rl , R2, R4, R5 und R6 sind in Tab. 2 zusammengefasst. In höheren Vertebraten erkannte Rl nur die 180 kD-Form des TN-R Proteins. Keiner der Antikörper reagierte mit anderen ECM-Proteinen neben TN-R (wie z.B. TN-C, Fibronectin, Laminin, Vitronectin oder Kollagenen; vgl. Fig. 5E). R4 und R6 waren auch nach Abspaltung der Zuckerreste von den TN-R Proteinen durch Glykosidase-Verdau noch aktiv, sie erkannten also Protei nepitope auf dem TN-R-Molekül. Tab. 2 fasst die Ergebnisse mehrerer ELISA- und Western Blot-Analysen zusammen: während R2 und R4 hauptsächlich mit TN-R höherer Vertebraten reagieren, erkennen Rl, R5 und R6 alle getesteten Vertebratenarten. In höheren Vertebraten, die sowohl die 160 kD- als auch die 180 kD-Form von TN-R aufweisen, erkennt Rl hauptsächlich die 180 kD-Form. Die Antikörper sind in verschiedenen immunochemischen Verfahren einsetzbar (Tab.2). Des weiteren interferieren R2, R4, R5 und R6 in vitro mit der inhibitorischen Wirkung des TN-R auf die neuronale Zelladhäsion und das Axonwachstum, indem sie diese Wirkung neutralisieren (Fig. 5C und 5D).
Tab. 2: Kreuzreaktivitäten der monoklonalen TN-R Antikörper (Rl, R2, R4, R5, R6)mit verschiedenen Vertebraten; Anwendungsbereiche.
Beispiel 6: Zelladhäsions- und Neuritenwachstumstests
Für Kurz- und Langzeitadhäsionstests wurden entweder TN-R alleine, TN-R in einer Mischung mit anderen ECM-Proteinen oder Proteinfragmenten, oder eine TN-R- Schicht auf PLL-Substrat hergestellt wie beschrieben (Pesheva, P. et al., Neuron 10:69-82 (1993); Pesheva, P. et al., J. Cell. Sei. 107:2323-2333 (1994)). Für Neuritenwachstumstests wurde Laminin in Mischung mit BSA (Kontroll protein) oder TN-R (Verhältnis 20:20μg/ml für jedes Protein) in Zellkulturschalen als Beschichtung aufgebracht und 60 min bei 37 0C inkubiert. Für Zeiladhäsionstests wurden entweder TN-R alleine (20 μg/ml in PBS) oder BSA bzw. TN-R vermischt mit Laminin, Fibronectin oder Fibronectin-Fragmenten (Verhältnis 20:20 μg/ml für jedes Protein) als Schicht auf Plastik-Zellkulturschalen ausgebracht und 60 min bei 37°C inkubiert. Für die Zeiladhäsionstests wurden kultivierte Zellen (s. oben, Zellkulturen) durch milde Behandlung mit Accutase® (PAA Laboratories; 10 min bei RT) oder 0,01 % Trypsin (Sigma; 5 min bei RT) aus der Zellkulturschale gelöst. Dann wurden Einzelzellkulturen (IxIO6 Zellen/ml) im jeweils geeigneten Medium auf die Testsubstrate ausplattiert. Für quantitative Analysen wurden Zellen, welche an die verschiedenen getesteten Substrate anhafteten in mikroskopischen Feldern von 800 μm2 mit der Bildanalysesoftware AxioVision (Zeiss) ausgezählt. Mittelwerte
± Standardabweichung wurden aus den Ergebnissen von fünf verschiedenen mikroskopischen Feldern gebildet.
Beispiel 7: Differenzierung von Oliqodendrozyten aus humanen neuralen Stammzellen
Humane neurale Stammzellen (Cambrex, human neural progenitors: PT-2599; 3xlO6 Zellen/ml) wurden als Neurospheroide in NPMM (Neural Progenitor Maintenance Medium, Cambrex, CC-3209) für 7 Tage (bei 37 0C und 5% CO2) in Zellkulturflaschen (T-75) vermehrt. Das Medium wurde alle 2-3 Tage gewechselt. Anschließend wurden die Stammzellen enthaltenden Neurospheroide auf mit Laminin (20 μg/ml) beschichteten Zellkulturschalen ausplattiert (1-2 Neurosphero- ide/Schale) und durch Kultivierung in einem definierten serumfreien Medium (DMEM/Ham 's F12, N2 Supplement (Invitrogen), 50 ng/ml bFGF, 10 ng/ml PDGF) für minimal 7 Tage vermehrt. Das Medium wurde alle 2 Tage zur Hälfte erneuert. Diese Kulturbedingungen führten zur Vorprogrammierung der neuralen Stammzellen zu einem dominant glialen Phänotyp (nachweisbar durch die Expression von Sulfatiden). Die Zellen wurden anschließend durch Behandlung mit Accutase® (PAA, 10 min bei RT) von den Zellkulturschalen abgelöst, in einem definierten Medium (IxIO6 Zellen/ml in DMEM, N2 Supplement, 10 ng/ml T3 (Trijodothyronin, Sigma)) aufgenommen und auf nur mit Poly-D-Lysin (PDL, Sigma) oder auf mit PDL und TN-R (20 μg/ml) beschichteten Zellkulturplatten ausplattiert. Die anschließende Inkubation bei 37 0C und 5% CO2 führte dazu, dass sich nach 5 Tagen in Gegenwart von TN-R, nicht aber in Gegenwart von nur PDL dominant reife Oligodendrozyten gebildet hatten, wie durch die Expression von MBP (myelin basic protein) nachgewiesen wurde.