Beschreibung
Verfahren zum universellen Entgraten von Kanten an Bohrungen und Werkzeug zur Durchführung des Verfahrens
Die nachfolgend beschriebene Erfindung stellt ein Verfahren und das dazugehörige Werkzeug vor, mit dem jede Art von Kanten im Verlauf einer Bohrung, die aufgrund von Durchdringungen entstehen, zuverlässig von anhaftenden Zerspanungsresten, in der Fachsprache Grat genannt, befreit werden.
Bekannt sind Entgratwerkzeuge, wie Senker, die an ebenen Bohrungsdurchdringungen aufgesetzt werden und die Durchdringungskanten an ebenen oder leicht schrägen Flächen mit einer Fase versehen, so dass die oft gefährlich schneidenden und Undefinierten Gratanhaftungen entfernt sind. Dieses Verfahren lässt sich jedoch nur anwenden, wenn die jeweilige Kante von außen zugänglich ist. Für Mehrfachdurchdringungen wurden Werkzeuge entwickelt, wie sie die Firma Kempf GmbH, Reichenbach/Fils vertreibt. Speziell sei dabei auf Werkzeuge mit der Bezeichnung BCU-Rückwärtssenker hingewiesen. Für die Undefinierte Entfernung von Grat und in seltenen Fällen zur Anbringung einer geringen Fase bietet diese Firma zusätzlich Werkzeuge mit der Bezeichnung Burraway an. Dieses Werkzeug ist ebenso wie bei Rückwärtssenkern nicht geeignet, Kanten, die durch parzielle Bohrungsunterbrechungen oder Querbohrungen entstehen, zu entgraten. Der Rückwärtssenker würde in diesem Fall keine Entgratung vornehmen. Das Burraway- Werkzeug wird bei diesem Einsatzfall zerstört.
Zum Entgraten von sich kreuzenden Bohrungen wird von der Firma VSH Siegfried Herman aus Laupheim ein Werkzeug mit der Bezeichnung Orbitool angeboten. Diesem Werkzeug ist es möglich, den Grat von Kanten an sich überschneidenden Bohrungen zu entfernen. Bedingung ist jedoch, dass entweder von Seiten der kleinen Bohrung entgratet werden kann, oder dass die sich kreuzenden Bohrungen annähernd gleiche Größe haben und deren Achse nur geringfügig zueinander versetzt ist. Bei Kreuzungen oder Durchbrüchen, die eine Kante annähernd entlang der Bohrungsachse entstehen lassen, ist dieses Werkzeug wirkungslos. Weitere Werkzeuge zum Entgraten von Kanten, insbesondere zum Einsatz in Maschinen, sind aus den einschlägigen Katalogen der Firma Hoffmann, München und Hahn und Kolb, Stuttgart zu ersehen. Handwerkzeuge, die sich dem Kantenverlauf anpassen, wie z. B. Universalentgrater, sind im Hoffmann-Katalog 2003/2004 von Seite 976 bis 979 zu sehen. Diese Werkzeuge sind für maschinelles Entgraten jedoch nicht einzusetzen, da die Eindringtiefe der Schneide in die jeweilige Kante Kraft bzw. vom Geschick des Werkers bestimmt wird. Bei maschinellem Einsatz dieser Werkzeuge kommt es meist bereits nach dem ersten Kantenverlauf zum Bruch. Zusätzlich lassen sich mit diesen Werkzeugen Kanten entlang der Bohrung nicht entgraten.
Zum maschinellen Entgraten werden teilweise Senker mit Kugelform, Viertelkreisform oder Kegelform sowie mit Konturverlauf in Form einer Flamme oder eines Tropfens, eines Spitzbogens, eines Rades, einer Halbkugel und eines Konus verwendet. Auch mit diesen Werkzeugen lassen sich die oft in ihrer Lage und Größe Undefinierten Kantenverläufe der Durchbrüche an Bohrungen nicht zuverlässig entgraten. Die Rotation dieser Werkzeuge führt zudem beim Eingriff an der Kante zu Auslenkungen und zum Teil zur unzulässigen Beschädigung der Bohrungswandung.
Zum Teil werden diese speziell geformten Fräswerkzeuge auch als Schleifwerkzeuge ausgestattet. Die zuvor beschriebene Problematik bleibt dabei jedoch bestehen.
Die gleiche Problematik der verletzten Bohrungsinnenhaut trifft auch beim Entgraten mit Bürsten zu. Bürsten ermöglichen ansonsten das Entfernen von leicht anhaftendem Grat. Sie können jedoch keine definierte Fase oder Rundung erzeugen.
Andere Verfahren zum Entfernen von Grat an Durchbrüchen entlang von Bohrungen sind aus verschiedensten Gründen oft nicht wirtschaftlich bzw. zum Teil nicht zugelassen und realisierbar. Um nur einige dieser Verfahren zu benennen, sei dabei das Gleitschleifen mittels Hindurchpressen eines mit Schleifkörnern versetzten Mediums durch Bohrungen erwähnt. Hier ist es jedoch notwendig, alle Durchbrüche und Aussparungen, die insbesondere an Gussteilen einen undefinierbaren Verlauf nehmen, abzudichten und anschließend das Medium gründlich aus allen Bohrungen und Hohlräumen zu entfernen. Andere Verfahren, wie das elektrochemische oder das thermische Entgraten, wie z. B. Explosionsentgraten, sind häufig aufgrund der Undefinierten Größe der Gratanhaftungen und der veränderlichen Lage der Kanten nicht zuverlässig oder aufgrund von Vorgaben der Hersteller und der Materialzusammensetzung unzulässig.
Aufgrund dieser Gegebenheiten stellt sich folgende Aufgabe: Die Schaffung eines Verfahrens bzw. eines Werkzeuges zum Entfernen von Grat und Anbringen einer möglichst definierten Fase an alle Kanten, die entlang einer Bohrung entstehen können. Besonders wird darauf abgezielt, dass dieses Verfahren bzw. Werkzeug die oft mit hoher Genauigkeit und Feinheit hergestellte Bohrungswandung nicht verletzt. Es wird gewünscht, dass möglichst geringe thermische und chemische Einflüsse durch das Entgraten entstehen. Zielsetzung ist es ferner, die Entgratung möglichst auf den NC-gesteuerten Bearbeitungsmaschinen selbst durchzuführen. Voraussetzungen dafür sind, dass die vorhandenen Fähigkeiten der NC-Maschinen für das neue Verfahren und das neue Werkzeug ausreichen und dass das Entgraten möglichst wenig Zeit beansprucht. Eine weitere Zielsetzung für das neue Verfahren und das dazugehörige Werkzeug sind eine ausreichend lange Lebensdauer und wirtschaftlich vertretbare Kosten.
Das Verfahren gestaltet sich erfindungsgemäß wie in Anspruch 1 beschrieben. Weiterbildungen des Verfahrens sind in den Ansprüchen 2 bis 5 beschrieben. Anspruch 6 beschreibt ein Werkzeug zur Realisierung des Verfahrens. Die nachfolgenden Ansprüche beschreiben Weiterbildungen dieses Werkzeuges. Das neue Verfahren realisiert erstmals eine zuverlässige mittels Werkzeug durchgeführte Entgratung an Werkzeugmaschinen, wie z. B. Bearbeitungszentren. Durch sich überlagernde axiale und rotatorische Bewegung eines für diesen Einsatzfall entwickelten Werkzeuges entlang einer Bohrung werden alle Kanten, unabhängig von deren Verlauf, zuverlässig entgratet, ohne dass die Innenhaut der Bohrung beeinträchtigt wird. Die Beeinträchtigung der Bohrung wird bei diesem Verfahren dadurch ausgeschlossen, dass bei intaktem Bohrungsverlauf beweglich angeordnete abrasive und sich verjüngende Elemente an ihren Spitzen geglättet sind. Die Kontur an dieser Glättung entspricht idealerweise dem Radius der Bohrung, in der sich das Werkzeug bewegt. Daraus folgt, dass bei intaktem Bohrungsquerschnitt bedeutungsloses Gleiten zwischen dem Entgratwerkzeug und der Bohrungsinnenwandung vorherrscht.
Sobald die Bohrungsinnenwandung zurückspringt, bewegen sich die federnden Fortsätze, auf denen die konisch verlaufenden abrasiven Elemente sitzen, nach außen. Der abrasive Teil des konisch verlaufenden Elementes kommt an der Kante der Bohrung zum Eingriff. Wird das Werkzeug lediglich in axialer Richtung, möglichst in schneller alternierender Bewegung, vorangeschoben, so können die bevorzugt als Kalotte oder Kegelstumpf geformten sich verjüngenden Fortsätze nur an den Stellen wirken, an denen sich die Schräge des abrasiven Elementes bei Nichtanliegen der geglätteten Elementspitze an der Bohrungsinnenwand befindet. Um in diesem Fall jede Kantenposition abzudecken, ist eine Vielzahl von am Umfang versetzten abrasiven Federelementen notwendig. Diese müssen dann in mehreren Reihen aufgeschichtet sein und führen dazu, dass insbesondere Durchbrüche und Aussparungen im Endbereich von Sacklochbohrungen nicht zuverlässig entgratet werden können. Eine derartige Ausführung ist deswegen bildlich nicht näher dargestellt, obwohl sie für eine Reihe von Einsatzfällen erhebliche Fortschritte bringen würde.
Dargestellt sind Werkzeuge, die nur über eine begrenzte Anzahl von abrasiven Elementen mit geglätteten Spitzen verfügen. Damit alle Kanten, unabhängig von ihrer Position, zuverlässig entgratet werden und die Entgratung von Kanten bis nahe an den Bodenbereich von Sacklochbohrungen möglich ist, wird die Axialbewegung des Werkzeuges von einer Rotationsbewegung überlagert. Damit wird sichergestellt, dass jede Kante mit dem sich verjüngenden abrasiven Teil in Berührung kommt. Um den Anpressdruck der abrasiven Werkzeugflächen an die Bohrung und insbesondere an die Kanten im Verlauf der Bohrung an unterschiedliche Werkstoffe anzupassen, ist es dem Werkzeug möglich, die federnde bzw. schwingende Länge der als Federn ausgelegten Fortsätze zu verändern. Dies geschieht dadurch, dass ein innenliegendes Bauteil, das die Federwirkung zwischen den federnden Fortsätzen aufhebt, weiter nach vorne zur Verkürzung der federnden Länge oder nach hinten zur Verlängerung der federnden Länge bewegt wird. Die Positionierung dieses Elementes lässt sich manuell mittels Stellschraube oder automatisch mittels eines durch ein zugeführtes Fluid betätigten Kolbens, der beispielweise gegen eine Feder wirkt, bewerkstelligen. Alternativ oder zusätzlich zur beschriebenen Veränderung der federnden Länge lässt sich die Veränderung durch ein Stellglied, das zum Beispiel die Form einer Zahn- oder Sternscheibe hat, realisieren. Die radialen Auskragungen dieser Scheibe liegen zwischen den federnden Fortsätzen und verhindern das Einfedern dieser, weil die Scheibe zusammen mit diesen Elementen einen geschlossenen Querschnitt bildet. Je weiter diese Scheibe nach vorne geschoben wird, umso geringer ist die verbleibende federnde Länge der Fortsätze. Diese Zahnscheiben eignen sich besonders dafür, das zentral zugeführte Medium nach außen direkt hin zu den abrasiven Elementen zu leiten, um diese zu spülen und die abgetragenen Materialpartikel auszutragen. Ein in Richtung Werkzeugaufnahme (2) oder Werkzeugschaft positionierter Führungs- oder Dichtungsring verhindert das Zurückfließen des Spülmediums und sorgt so für eine saubere Bohrung, damit keine Schäden beim Ausziehen des Werkzeuges durch zurückgebliebene Späne entstehen. Alternativ zu dieser Fluidzuleitung kann der Kopf des Entgratwerkzeuges mit Bohrungen versehen sein, die das Kühlschmiermittel zielgerichtet auf die abrasiven Elemente hinführt und so in gleicher Weise zur stetigen Reinhaltung der Werkzeuge und deren korrekten Funktionsweise beiträgt. Als Reinigungsmedium sind die an den Maschinen verwendeten Medien, wie Kühlschmiermittel, Öle oder Druckluft, möglich.
Das Entgratwerkzeug setzt sich zumindest aus einem Kopf, einer nachgeschalteten Verlängerung und einer Aufnahme (2) zusammen. Insbesondere bei kleinen Werkzeugen kann der Kopf und die Verlängerung aus einem Stück erzeugt sein. Im speziellen Fall ist zwischen Aufnahme (2) und Verlängerung bzw. zwischen Verlängerung und Kopf ein Antrieb angeordnet, der durch Kühlschmiermittel oder Druckluft, die durch die Maschinenspindel hindurchgeführt werden, angetrieben. Die Bauteile sind im besonderen Fall mit Bohrungen versehen, so dass stetiges Spülen des Entgratkopfes möglich ist.
Der Entgratkopf ist im bevorzugten Fall so gestaltet, dass sein mit einer Axialbohrung versehenes und sein geschlitztes Ende als federnde Elemente zum Aufnehmen der abrasiven sich verjüngenden und mit Gleitspitzen versehenen Entgratkörper trägt. Durch die geglättete Spitze - nachfolgend Gleitspitze genannt - jeder einzelnen sich verjüngenden und bewegllich gelagerten Erhebung am Entgratkopf wird verhindert, dass der abrasive Teil des Werkzeuges mit der Bohrungswand in Kontakt kommt. Erst wenn diese Gleitspitze nicht mehr an der Bohrungsinnenwand anliegt, kann der Entgratkörper nach außen treten und mit seiner abrasiven Fläche die an die Bohrung angrenzenden Kanten bearbeiten. In einem ersten Schritt ist vorgesehen, nicht ausgerichtete Schneiden, wie z. B. mit Diamantstaub beschichtete Schleifkörper als abrasives Bauteil, zu verwenden. Möglich sind jedoch auch Konturen, die mit definierten Schneiden, wie z. B. einer Kreuzverzahnung wie dies bei Feilen der Fall ist, versehen sind.
Die beigefügten Abbildungen stellen folgendes dar:
Abb. 1 zeigt die schematische Darstellung einer Spindel mit Werkzeugaufnahme und eingesetztem Entgratwerkzeug.
Abb. 2 zeigt eine Draufsicht auf die Spitze des Entgratkopfes des in Abb. 1 dargestellten Werkzeuges mit abrasiven Elementen, die konisch geformt sind, sowohl in Entgratposition als auch in Gleitposition in der Bohrung.
Abb. 3 zeigt die Ansicht auf einen Kopf des Entgratwerkzeuges mit kalottenförmiger Ausformung des abrasiven Elementes in ausgefahrener, also Entgratposition.
Abb. 4 zeigt das gleiche Werkzeug in Gleitposition innerhalb der Bohrung.
Abb. 5 zeigt einen Ausschnitt aus einem Werkstück mit unterschiedlich großen, sich dezentral kreuzenden Bohrungen.
Abb. 6 zeigt die Funktion des Entgratwerkzeuges an der in Abb. 5 dargestellten Position.
Abb. 7 zeigt die Draufsicht auf einen Entgratkopf mit kugelförmigen abrasiven Elementen.
Abb. 8 zeigt den Vollschnitt auf einen Entgratkopf mit kugelförmigen abrasiven Elementen.
Abb. 9 zeigt den Schnitt a-a durch den Entgratkopf an der in Abb. 8 dargestellten Position.
Abb. 10 zeigt einen Kopf des Entgratwerkzeuges im Vollschnitt mit manuell verstellbarem Stellelement, ohne abrasive Elemente.
Abb. 11 zeigt den Schnitt a-a, an der in Abb. 10 gekennzeichneten Position.
Abb. 12 zeigt den Kopf eines Entgratwerkzeuges mit Führungs- und Dichtelement an der Außenkontur und Stopfen- oder Stellelement in der zentrischen Bohrung inklusive Bohrungen zum direkten Zuführen eines Spülmediums zu den abrasiven Elementen.
Abb 13 zeigt ein Entgratwerkzeug im Teilschnitt mit in die Stange eingesetzten einseitig wirkenden und federbelasteten an den abrasiven Stellen sich verjüngenden mit an den Spitzen geglätteten Elementen.
Abb 14 zeigt ein Entgratwerkzeug im Teilschnitt mit in die Stange eingesetzten doppelseitig wirkenden durch Druck auf die hydraulischen Ringflächen beaufschlagten an den abrasiven Stellen sich verjüngenden mit an den Spitzen geglätteten Elementen.
Bezugszeichenliste:
Pos. 1 = Spindel
Pos. 2 = Werkzeugaufnahme (Aufnahme)
Pos. 3 = Werkzeugstange (Stange)
Pos. 4 = Werkzeugkopf (Kopf)
Pos. 5 = sich verjüngende abrasive Elemente
Pos. 5.1 = geglättete Spitzen
Pos. 6 = federnde Fortsätze
Pos. 7 = Stell- und/oder Verteil- und Leitelement
Pos. 8 = Führungs- und Dichtelement
Pos. 9 = Dichtstopfen
Pos. 10 = Werkstück
Pos. 10.1 = Bohrung
Pos. 10.2 = Bohrungskanten