Verfahren zum Herstellen eines Glasformteiles mit mindestens einem abgewinkelten Schenkel
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Herstellen eines Glasformteiles mit mehreckiger plattenförmiger und optional zumindest teilweise ausgebauchter Grundfläche und mindestens einem entlang einer Kante der Grundfläche abgewinkelten Schenkel.
Derartige Glasformteile finden auf verschiedenen Gebieten Anwendung, wobei nachstehend typische Beispiele angeführt sind:
- Haustechnik (Türsysteme, Dunstabzugshauben, ...) - Sanitär (Ablagen, Waschbecken, ...) - Heizung - Architektur inkl. Brandschutz - Medizintechnik - Automotive
Eine besondere Anwendung ist der Einbau des vorgenannten Glasformteiles als Innenscheibe von Haushalts-Gargerätetüren. Anhand dieser Anwendung soll die der Erfindung zugrunde liegende Problemstellung näher erläutert werden, ohne dass sie jedoch darauf beschränkt wäre.
Haushalts-Gargeräte, insbesondere Garöfen, besitzen bestimmungsgemäß einen Garraum mit einer Beschickungsöffnung, die durch eine Tür mit einem Sichtfenster verschließbar ist. Ein typisches Haushaltsgerät ist dabei der Backofen mit der Ofenmuffel als Garraum, der heutzutage bereits in beachtlichem Umfang mit einer pyrolytischen
Selbstreinigung ausgestattet ist, durch die Garrückstände bei Pyrolysetemperaturen von ca. 480° C zu Asche zersetzt werden.
Durch die relativ hohen Temperaturen im Garraum der Haushalts- Gargeräte erhitzt sich auch die Gargerätetür und damit das Sichtfenster, das typischerweise aus einem Glasscheibenpaket mit mindestens zwei Glasscheiben, die durch Dichtungen getrennt sind, besteht, entsprechend. Dies gilt im besonderen Maße für die bei der Pyrolyse auftretenden extrem hohen Temperaturen in Pyrolyse- Backöfen. Wegen dieser Temperaturbelastungen werden daher bei Sichtfenstern für Gargeräte, insbesondere für Backöfen mit pyrolytischer Selbstverbrennung, hochwertigere Gläser für die Türscheiben eingesetzt, insbesondere für die der Ofenmuffel am nächsten liegende Innenscheibe.
So zeigt die DE 196 38241 A1 eine Gargerätetür für einen Backofen mit pyrolytischer Selbstreinigung, die ein Glasscheibenpaket aufweist, welches an der zur Ofenmuffel weisenden Seite eine ebene Sichtscheibe (Innenscheibe) mit einem geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten, z.B. aus Glaskeramik, aufweist. Diese ebene Innenscheibe überdeckt die Beschickungsöffnung des Backofens vollständig und bildet eine Kontaktfläche zu einem Anlageflansch bzw. erstreckt sich über eine Dichtung zwischen den Glasscheiben des Paketes hinaus. Derartige Scheiben werden als Vollflächenscheiben bezeichnet.
Die DE 100 50 609 A1 beschreibt eine Gargerätetür, die ein Glasscheibenpaket aufweist, dessen Innenscheibe, die aus Borosilikatglas oder Glaskeramik bestehen kann, ebenfalls die Beschickungsöffnung des Garraumes vollständig überdeckt und eine Kontaktfläche zu einem Anlageflansch bildet bzw. sich über eine Dichtung hinaus erstreckt. Die Innenscheibe ist jedoch nicht
durchgehend eben, sondern weist eine zum Garraum hin weisende Ausformung auf, um Spannungszustände infolge des Temperaturgradienten zu kompensieren. Derartige Innenscheiben mit Ausformungen werden im folgenden als „Bauchscheiben" bezeichnet.
Wie beispielsweise die DE 101 43925 A1 zeigt, ist bei einem derartigen Mehrscheibenpaket der äußere zwischen der Frontscheibe und der Innenscheibe befindliche Raum typischerweise umlaufend mit einem emaillierten, einteiligen und rahmenartig ausgebildeten Blechformteil abgedeckt. Es hat sich gezeigt, dass das Reinigungsverhalten in diesem Bereich nicht optimal ist.
Durch die DE 101 05 543 A1 ist eine mehrscheibig aufgebaute Gargerätetür mit einer Vollflächen-Innenscheibe bekannt geworden, bei welcher der Bereich zwischen der Front- und der Innenscheibe so ausgebildet ist, dass das Reinigungsverhalten in diesem Bereich optimiert ist. Bei dieser bekannten Gargerätetür, ist die Innenscheibe umlaufend, den Abstand zur Frontscheibe hin überbrückend, um einen vorgegebenen Winkel wannenförmig abgekantet. Durch diese Abkantung der Innenscheibe kann das ansonsten zwischen der Frontscheibe der Gargerätetür und der Innenscheibe befindliche, zur Abdeckung des Zwischenraumes dienende, umlaufende emaillierte Innenblech mit Vorteil entfallen, was die Reinigungsfreundlichkeit erhöht.
Die Erfindung wendet sich an die Herstellung eines solchen Glasformteiles mit mindestens einem abgewinkelten Schenkel.
Die vorgenannte Schrift 101 05 543 A1 mit dem wannenförmig abgekanteten Glasformteil macht hierzu keine konkreten Angaben.
Dieses Glasformteil soll aus „Formglas" bestehen, was darauf hindeutet, dass es einstückig geformt, also gepresst ist. Auch die zeichnerische Darstellung deutet darauf hin. Die Herstellung des abgewinkelten Glasformteiles als Pressung erfordert jedoch teure Formen für jeden Formteiltyp und macht es zudem notwendig, mit schmelzflüssigem Glas zu arbeiten, mit all den zugehörigen, notwendigen Prozesskomponenten (Speiser etc.).
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das eingangs bezeichnete Verfahren so zu führen, dass das Abwinkein des Schenkels entlang der jeweiligen Kante der Grundfläche mit einfachen Maßnahmen und Mitteln und dennoch mit der notwendigen Genauigkeit erfolgt.
Die Lösung dieser Aufgabe gelingt bei einem Verfahren zum Herstellen eines Glasformteiles mit mehreckiger plattenförmiger und optional zumindest teilweise ausgebauchter, Grundfläche und mindestens einem entlang einer Kante der Grundfläche abgewinkelten Schenkel, gemäß der Erfindung mit den Schritten:
- Bereitstellen einer mehreckigen ebenen, optional zumindest teilweise ausgebauchten, Glasscheibe
- Erhitzen der Kante auf mindestens einer Seite der Glasscheibe mit einem Linienbrenner bis zum Erweichungspunkt des Glases
- Abbiegen des über die niedrig viskose Kante hinausstehenden Glasrandes entlang der Biegekante als Schenkel des Glasformteiles bis zu einem vorgegebenen Winkel
- Kühlen des Glasformteiles.
Durch die erfindungsgemäßen Maßnahmen, das gezielte lokale, linienhafte Erwärmen einer auf die Abmessungen des herzustellenden Glasformteiles abgestellten Glasscheibe entlang der Biegekante, ist mit großem Vorteil eine einfache, wenig aufwendige Herstellung von Glasformteilen mit mindestens einem abgewinkelten Schenkel möglich.
Insbesondere können die eingangs erläuterten Vollflächen- und Bauchscheiben für Haushalts-Türsysteme auf einfache Weise hergestellt werden. Das Abbiegen entlang der Biegekante kann dabei durch das gezielte linienhafte Erwärmen der Kante mit der notwendigen Genauigkeit erfolgen.
Ausgestaltungen sowie Weiterbildungen der Erfindung sind in Unteransprüchen gekennzeichnet sowie ergeben sich anhand der Figurenbeschreibung.
Anhand von in den Zeichnungen beschriebenen Ausführungsbeispielen wird die Erfindung näher beschrieben:
Es zeigen:
Fig. 1 in vier Figurenteilen A - D das Abbiegen eines Schenkels entlang einer Kante einer rechteckigen, ebenen Glasscheibe mit einem oszillierenden Linienbrenner und einem Biegewerkzeug zu einem L-förmigen Glasformteil,
Fig. 2 in einer isometrischen Darstellung ein U-förmiges Glasformteil, bei dem ausgehend von dem Glasformteil nach Fig. 1 zusätzlich der gegenüberliegende Schenkel abgebogen ist,
Fig. 3 in vier Figurenteilen A - D die Herstellung eines drei- sowie vierseitig abgekanteten Glasformteiles mit rechteckiger Grundfläche unter Darstellung des Herausschneidens von Eckenabschnitten direkt benachbarter abzukantender Abschnitte der Glasscheibe, und
Fig. 4 in einer schematischen Längsschnitt-Darstellung die Anwendung eines erfindungsgemäß U-förmig abgekanteten Glasformteiles nach Fig. 2 als Innenscheibe einer Backofentür.
Die Fig. 1 zeigt im Figurenteil A eine ebene, d. h. flache oder plane rechteckige Glasscheibe 1 , von der entlang einer vorgegebenen Kante 2, der Biegekante, ein Randabschnitt 3 als Schenkel 3' des späteren Glasformteiles (Figurenteil B) abgewinkelt werden soll. Dazu wird, wie im Figurenteil C symbolisch dargestellt, die Glasscheibel zwischen zwei plattenförmigen Aufnahmen 4, 5 eines Spannwerkzeuges fixiert, wobei der abzubiegende Randabschnitt 3 auf Höhe der Biegekante 2 aus dem Spannwerkzeug hervorsteht.
Die Biegekante 2 wird dann gezielt mittels eines Linienbrenners 6, der vorzugsweise oszilliert, von einer, oder von beiden Seien der Glasscheibe 1 bis zum Erweichungspunkt des jeweiligen Glases (z. B. > 815° C bei Borosilicatglas) erhitzt. Diese Linienbrenner, die typischerweise mit einem Erdgas/Sauerstoffgemisch betrieben werden, sind in der Glasindustrie bekannt und brauchen daher hier nicht näher erläutert zu werden. Es genügt die symbolische Darstellung im Figurenteil 1 C.
Gemäß dem Figurenteil 1 D wird dann unmittelbar nach Wegnahme des Brenners der überstehende Randabschnitt 3 entlang der heißen, niedrig viskosen Biegekante 2 mittels eines symbolisch dargestellten, um eine Achse 7a schwenkbaren Biegewerkzeuges 7 um 90° zu dem abgewinkelten Schenkel 3' des Glasformteiles abgekantet. Die dargestellte Abkantung um 90° ist nur als Ausführungsbeispiel zu sehen. Der Biegewinkel kann natürlich auch von 90° verschieden sein, je nach gewünschtem Glasformteil.
Anstelle eines Biegewerkzeuges zur aktiven Zwangsumformung ist auch eine Umformung durch Schwerkraftsenken möglich.
Da die Temperatur des Glases nach Wegnahme des Brenners sehr schnell, d. h. im Sekundenbereich, entlang der Biegekante unterhalb des Erweichungspunktes absinkt, ist das entstandene, im Figurenteil 1 B dargestellte L-förmige Glasformteil sehr schnell starr.
Der beim Abkanten entstehende Innenradius beträgt 1 mm - 60 mm, vorzugsweise 1 mm - 10 mm. Dabei muss nicht zwingend ein fixer Biegeradius vorgesehen sein. Der Biegeradius entlang einer Kante kann auch durch eine entsprechend gestaltete Werkzeugform variabel gestaltet sein.
Das nach dem Biegevorgang unter Spannung stehende Glasformteil wird durch geeignete Kühlung entspannt.
Die Dicke der Glasscheibe kann zwischen 0,1 mm und 30 mm, vorzugsweise 0,5 mm - 10 mm, liegen.
Der vorstehend beschriebene Verformungs- Vorgang kann mit jedem niedrigdehnenden Glas mit α < 9 ppm/K, vorzugsweise α < 5 ppm/K durchgeführt werden, z. B. einem gefloateten Borosilicatglas, das unter der Marke BOROFLOAT® bekannt ist.
Wird die Glasscheibe nach Fig. 1 A zusätzlich mit der beschriebenen Methode an der gegenüberliegenden Kante 8 mit einem Randabschnitt 9 abgewinkelt, entsteht ein U-förmiges Glasformteil gemäß Fig. 2 mit zwei Schenkeln 3' und 9'.
Der beschriebene Vorgang des Abkantens kann an allen vier Seiten der viereckigen Glasscheibe nach Fig. 1 durchgeführt werden.
Wenn direkt benachbarte Randabschnitte zu Schenkeln abgekantet werden, müssen, wie die Fig. 3 A zeigt, vor dem Biegeprozess die entsprechenden eingeschlossenen Ecken 10 ausgeschnitten werden.
Soll beispielsweise ein 3-seitig abgekantetes Glasformteil nach Fig. 3 C hergestellt werden, sind die beiden linken Ecken 10 in Fig. 3 A herauszuschneiden. Und zusätzlich zu den Randabschnitten 3 und 9 ist der linke Randabschnitt 11 um die Kante 12 zu dem Schenkel 11' abzukanten.
Soll des weiteren ein 4-seitig, d. h. kastenförmig abgekantetes Glasformteil nach Fig. 3 D hergestellt werden, sind zusätzlich in Fig. 3 A die beiden rechten Ecken 10 herauszuschneiden sowie der rechte Randabschnitt 13 um die Kante 14 zum Schenkel 13' abzukanten.
Das Ausschneiden der Ecken 10 kann mit üblichen Glastrennmethoden erfolgen, zum Beispiel mit Wasserstrahlschneiden.
Wenn benachbarte Schenkel rechtwinklig abgekantet werden, entstehen offene Eck-Kanten an den Schenkelübergängen. Der entsprechende Spalt wird vorzugsweise durch einen Erdgas/Sauerstoffbetriebenen Punktbrenner, der vorzugsweise oszilliert, aufgeschmolzen und dadurch geschlossen.
Die offenen Kanten können alternativ, nach Kühlung des Glases, auch verklebt werden.
Die Geometrie des Ausschnitts 10 ist derart anzupassen, dass das dem Abkanten nachfolgende Verschmelzen des entstandenen offenen Spaltes zu einer ästhetisch ansprechenden, geschlossenen Oberfläche führt. Um dies zu erreichen wird zweckmäßig, wie in Fig. 10 B
dargestellt, an der inneren Ecke des Ausschnittes 10 ein kreisförmiges Segment 10 a mit herausgeschnitten.
Entsprechend der in den Figuren dargestellten Verfahrensweise können nicht nur die eingangs erwähnten Vollflächenscheiben, sondern auch die Bauchscheiben hergestellt werden.
Es versteht sich, dass mit der beschriebenen Methode auch Glaskeramikformteile hergestellt werden können, indem die entsprechenden Glasformteile nachträglich keramisiert werden. Auch ist die Erfindung nicht auf die Bereitstellung einer viereckigen Glasscheibe beschränkt. Diese kann z. B auch dreieckig oder sechseckig sein.
Die erfindungsgemäß hergestellten Glasformteile können, wie eingangs dargestellt, auf vielfältige Weise Anwendung finden. Eine besonders vorteilhafte Anwendung ist der Einsatz als Innenscheibe einer Gargerätetür, insbesondere eines Backofentür-Systems, der anhand der Fig. 4 für eine gemäß Fig. 2 U-förmig abgekantete Vollflächenscheibe beschreiben wird. Diese Darstellung gilt analog für die Vollflächenscheiben entsprechend die Figuren 1 A, 3 C und 3 D sowie die entsprechenden Bauchscheiben.
Die Figur 4 zeigt eine Gargerätetür, die eine Beschickungsöffnung einer Gargerätemuffel 15, z. B. einer Backofenmuffel, welche einen Garraum 16 umgrenzt, mittels einer Dichtung 17, welche vorzugsweise umlaufend ausgebildet ist, dichtend abschließt. Die Gargerätetür besteht aus einem Scheibenpaket mit drei Glasscheiben, einer äußeren Scheibe 18, die auch als Frontscheibe bezeichnet wird, einer Zwischenscheibe 19 und einer dem Garraum 16 zugewandten Innenscheibe 20, die entsprechend der Fig. 2 ausgebildet ist.
Zwischen den Scheiben des Paketes befinden sich umlaufende Dichtungen 21 und 22, welche die Glasscheiben auch auf Abstand halten.
Die Innenscheibe 20 besitzt sowohl an der oberen, als auch an der unteren Kante (Seite) eine Abkantung 3' bzw. 9' im Winkel 23 von 90°, d. h. besitzt insgesamt eine U-Form. Die Abkantungen erstrecken sich dabei nahezu über den gesamten Bereich zur Frontscheibe 18 hin. Die beiden vertikalen Bereiche sind, wie beim Stand der Technik, durch ein vorzugsweise emailliertes Formblechteil abgedeckt.
Da der obere Bereich der Tür der kritische Bereich hinsichtlich der Reinigungsfreundlichkeit ist und auch die angestrebte, verbesserte Anmutung bestimmt, können bereits mit dieser vereinfachten Ausführung mit der L-förmigen Vollflächen-Innenscheibe 20, die angestrebten Effekte der Reinigungsfreundlichkeit und besserer Anmutung weitgehend erzielt werden.