Beschreibung Bewegungs- und Betreuungsgerät für Schwerstbehinderte
Die Erfindung betrifft ein Bewegungs- und Betreuungsgerät für Schwerstbehinderte mit einem Haltesystem zum Festhalten des Behinderten, das an einem oberhalb des Haltesystems positionierten Träger pendelfähig aufgehängt ist.
Bei einem bekannten Gerät der genannten Art hängt der Behinderte zwischen den Aufhänggurten und dem Haltesystem, so dass ihm das Gefühl vermittelt wird, eingesperrt zu sein, und er außerdem in seinen Bewegungsmöglichkeiten beschränkt ist.
Vorrichtungen und Geräte welche es dem Behinderten ermöglichen, Bewegungen sowohl spielerisch als auch therapeutisch bei gleichzeitiger Entlastung der Betreuer auszuführen, sind nicht bekannt.
Die zur Zeit zur Verfügung stehenden Geräte und Vorrichtungen haben den Nachteil, dass sie im Schwerstbehinderten-Bereich nicht vielseitig angewendet werden können.
Es ist die Aufgabe der Erfindung, ein Bewegungs- und Betreuungsgerät bereitzustellen, mit dem der Behinderte alle ihm im festgehaltenen Zustand konstitutionell möglichen Bewegungen ausführen kann, ohne gegen Grenzen zu stoßen oder sich in ihnen zu verfangen, so dass er seinen Bewegungsdrang voll ausleben kann.
Diese Aufgabe wird mit einem Bewegungs- und Betreuungsgerät mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgstaltungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben. Der Wortlaut aller Ansprüche wird durch Bezugnahme zum Inhalt der Beschreibung gemacht.
Die Vorteile des erfindungsgemäßen Bewegungsgeräts gegenüber den bekannten Geräten bestehen unter anderem darin, dass durch das erfindungsgemäße Gerät tatsächlich eine umfassende komplexe Beanspruchung der Muskulatur herbeigeführt wird und dadurch eine funktioneile Kräftigung der Muskeln (Kraft, Ausdauer), der Atmung, des Kreislaufes, der Verdauung sowie eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, der Körperhaltung (Skoliose, Hüftgelenk-Luxation), des Spasmuses und der Sinnesorgane erzielt wird.
Es ist vorteilhaft, wenn das Haltesystem an mindestens zwei, den Aufhänger bildenden flexiblen Verbindungen, wie solchen aus Seilen oder Bändern, an dem Träger aufgehängt ist. Bei diesen Ausgestaltungen wird bei vom Haltesystem ausgeführten Pendelbewegungen in allen o- der zum mindesten fast allen Bewegungen Kraft benötigt, um aus der Ruhelage herauszukommen.
Günstig ist es, wenn der vertikale Abstand zwischen Träger und Haltesystem variierbar ist, wobei bei einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung die Aufhängpunkte als Führungsrollen ausgebildet sind, die flexiblen Verbindungen über die Führungsrollen laufen und die vom Haltesystem abgewandten Enden der flexiblen Verbindungen auf eine gemeinsame am Träger befestigte Aufzugsrolle gewickelt sind, welche zur Änderung des genannten Abstands drehbar ist. Diese Ausgestaltung ermöglicht es, den Behinderten ohne große Kraftanstrengung für den Betreuer in eine gewünschte Lage zu bringen und/oder den Grad der Entlastung vom Körpergewicht zu variieren.
Mit dieser Ausgestaltung des Gerätes können Schwerstbehinderte in verschiedenen Körperstellungen Bewegungen ohne fremde Hilfe üben und zudem wird ihre Betreuung in abwechselnder Körperstellung unterstützt, so dass das Betreuungspersonal erheblich entlastet wird. Wird der Bewegungsapparat des Schwerstbehinderten in verschiedenen Ü-
bungen aktiv/passiv bewegt lässt sich sein Befinden im physischen und psychischen Bereich verbessern.
Es ist vorteilhaft, wenn das Haltesystem an mindestens drei Aufhängpunkten aufgehängt ist, wobei bei einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung das Haltesystem mit Gummiseilen an vier Aufhängpunkten aufgehängt ist. Ist das Haltesystem an drei oder insbesondere an vier Aufhängpunkten aufgehängt, so muss bei Pendelbewegungen des Haltesystems aus der Ruhelage in jede Richtung Kraft aufgewandt werden, was den Behinderten einerseits davor bewahrt, gefährliche weite Schwingbewegungen zu machen, und anderseits den Muskeltrainingseffekt beim Bewegen in dem Gerät verstärkt.
Diese Ausgestaltung ist in ihrer Handhabung und Konstruktion einfach, sicher und vielseitig einsetzbar und unterstützt trotzdem den Schwerstbehinderten, der überwiegend in Positionen ohne Bewegung sein Leben verbringt, bei variierenden Bewegungsübungen und Betreuungsanforderungen mit möglichst geringen Einschränkungen.
Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Bewegungs- und Betreuungsgeräts sind in den Unteransprüchen aufgeführt.
Im folgenden wird die Erfindung anhand von durch Zeichnungen erläuterten Ausgestaltungen bzw. einer Ausgestaltung genauer beschrieben. Es sei aber klargestellt, dass die Ausgestaltungen nur beispielhaft genannt sind und von ihnen im Rahmen der Ansprüche mannigfaltige Abweichungen möglich sind.
Fig. 1 zeigt die Gesamtansicht einer Ausführungsform des Gerätes;
Fig. 2 zeigt eine perspektivische Teilansicht der Aufzugsrolle zur
Höhenverstellung für das Haltesystem;
Fig. 3 zeigt eine Vorderansicht des Haltesystems;
Fig. 4 zeigt eine schrägperspektivische Draufsicht auf das Haltesystem, bei dem ein Aufhänger mit Karabinerhaken an der vom Rücken des Behinderten abgewandte Seite des Haltesystems festgemacht ist; und
Fig. 5 bis 9 zeigen verschiedene Anwendungsbeispiele.
In dem vorliegenden Ausführungsbeispiel besteht das Grundgerät aus einem umlaufenden rechteckigen Winkelrahmen 3 mit vier in der Höhe verstellbaren Füßen 2 aus zwei ineinandergefügten Vierkantrohren, die auf schwenk- und feststellbaren Rollen 1 stehen. Die Füße sind mit dem Winkelrahmen verschraubt und im oberen Bereich mit kurzen Streben 4 abgestützt. In der Mitte des rechteckigen Winkelrahmens sind quer drei Vierkantrohre 5 zur Befestigung des Aufzugsystems, mit der Aufzugsrolle 6, der Zahnradübersetzung, dem angetriebenen Zahnrad 7 (Zähnezahl 240) und dem antreibenden Zahnrad 8 (Zähnezahl 8) sowie dem Handrad S zum Bedienen der Übersetzung angeschraubt (Fig. 2).
Über die Aufzugsrolle laufen vier Gummiseile 11. Die Führungsrollen 12 sind an den Ecken eines Quadrats angeordnet, wobei das Haltesystem 22 (Fig. 3 + 4) unter der Mitte des Quadrats hängt. Die Gummiseile 11 sind an der Nabenbuchse der Aufzugsrolle 6 mittels vier um 90° und in der Höhe um jeweils den Seiledurchmesser in fortlaufender Reihenfolge versetzten Bohrungen positioniert. Ebenso sind die Führungsrollen 12 in der Höhe parallel zu den Bohrungen sowie im 90° Winkel zueinander ausgerichtet angeordnet. Die oberen Seilenden sind durch die Bohrungen in der Nabenbuchse der Aufzugsroile nach innen gezogen und durch Knoten befestigt. Dadurch ist gewährleistet, dass die Seile nebeneinander und in gleichmäßigen Rundungen auf die Aufzugsrolle gewickelt werden.
Durch die Übersetzung ca. 10:1 bis 50:1 , bzw. 30:1 ist das Drehen und Festhalten der Aufzugsrolle über das Handrad 9 mit geringem Kraftaufwand möglich.
Das Handrad wird mit einem Gummiseil 10, das an einem der Füße befestigt ist, mittels einem Haken fixiert.
Das Grundteil 13 des Haltesystems 22 (Fig. 3 + 4) ist eine feste Platte aus geformtem Holz, die in der Größe und Kontur auf den Anwender abgestimmt ist. Die Rückenauflageseite ist über die ganze Fläche sowie umlaufend über die Ober- und Unterkante mit einem dicken Polster 14 versehen.
Am Grundteil 13 sind mittels Distanzstücken 16 zwei Haltestangen 15 mit am oberen Ende angeformten Ösen angebracht. Die ebenfalls dick gepolsterten Bauchgurte 17 sind an einem Ende mit zwei kurzen Bänderschlaufen an einer der Haltestangen beweglich eingefädelt. Am anderen Ende der Bauchgurte sind zwei Bänder 18 mit Klettverschlüssen, die zum schnellen Öffnen und Schließen des Haltesystems um die andere Haltestange geschlungen werden.
An den unteren Enden der Gummiseile 11 sind Karabinerhaken 19 angebracht mit denen das Haltesystem je nach Anwendung zwischen den Bändern in der Stangenmitte oder oben in die Ösen schnell und sicher ein- bzw. ausgehängt werden kann.
Die wesentlichen Merkmale dieser Konzeption des Haltesystems sind: der Anwender wird mit einem Bauchgurt um den Oberkörper von hinten gehalten die Haltekräfte werden von der starren Rückenplatte und Haltestange über die Bauchgurte breitflächig übertragen
im Kopfbereich gibt es keine Einschränkungen bei den Bewegungen und des Sichtfeldes durch Haltegurte der Anwender kann sich bei den verschiedenen Anwendungen in alle Richtungen bewegen
Mit den vertikal angeordneten Achsen des Aufzugssystem ist es möglich, mit der Aufzugsrolle 6 über alle vier Gummiseile 11 gleichzeitig mit gleichem Weg und gleicher Kraftverteilung das Haltesystem zu bewegen, so dass dieses auf die jeweilige Anwendung und entsprechend dem Wuchs und Körpergewicht des Anwenders beliebig eingestellt werden kann. Das Gerät übernimmt bei den Bewegungsübungen die Halte- und Stützfunktionen anstelle des betreuenden Personals. Dazu wird es mittig über jeweils die dabei angewendeten Gymnastik- und Hilfsmittel gestellt, so dass die Bewegungen über die elastischen Gummiseile im quadratischen Bereich von den darüber liegenden Führungsrollen zentriert bzw. mit weichen Richtungsänderungen nach allen Seiten begrenzt werden, womit sehr harmonische Bewegungsabläufe möglich werden. Mit dem Einsatz verschiedener Gymnastik- und Hilfsmittel, wie z.B. Gymnastikmatte, Gymnastikrolle, Gymnastikball, Sitzsack, Sitzkisse usw. sowie mit der am Gerät freischwingend an festen Seile hängenden Trapezstange 20 kann das Gerät individuell auf die Fähigkeiten des Anwenders abgestimmt sehr abwechslungsreich eingesetzt werden. Um Verletzungen durch die Trapezstange zu vermeiden ist diese aus leichtem CFK-Rohr und im Bereich zwischen den Aufhängeseilen mit weichem rutschhemmenden Gummiband gepolstert. Die Höhe der Trapezstange kann je nach Bedarf durch Einhängen der Aufhängeseile an den entsprechenden Kettengliedern der Arretierkette 21 variiert und fixiert werden.
Bei dem Beispiel bilden Träger und das Traggestell eine Einheit (siehe die Teile mit den Bezugsnummern 1 , 2, 3, 4, 5 und die Laschen, an denen die Führungsrollen befestigt sind). Der Träger kann aber auch beispielsweise eine Verankerung in der Zimmerdecke o.a. sein.
Die freie Bauweise des Gerätes erlaubt, dass es von allen Seiten und in der Höhe mit genügend Kopffreiheit gut zugänglich ist und durchlaufen werden kann, so dass es die Bewegungsfreiheit im Aufstellbereich kaum einschränkt.
Bezugszeichenliste
Fig. 1 : Gesamtansicht „Bewegungs- und Betreuungsgerät"
Fig. 2: Ausschnitt „Aufzugsystem"
1 Schwenk- und feststellbares Rad
2 Fuß
3 Winkelrahmen
4 Strebe
5 Vierkantrohr
6 Aufzugsrolle
7 Angetriebenes Zahnrad
8 Antreibendes Zahnrad
9 Handrad
10 Gummiseil (Feststellseil)
11 Gummiseil (Halteseil)
12 Führungsrollen
20 Trapezstange
21 Arretierkette
Fig. 3 + 4: 22 Haltesystem
13 Grundteil (geformte Holzplatte)
14 Polster
15 Haltestangen
16 Distanzstücke
17 Bauchgurte
18 Bänder mit Klettverschluss
19 Karabinerhaken
Fig. 5 + 6: Anwendungsbeispiel mit Gymnastikrolle
Fig. 7: Anwendungsbeispiel mit Trapezstange
Fig. 8: Anwendungsbeispiel mit Gymnastikball
Fig. 9: Anwendungsbeispiel im Vierfüßlerstand