Plasmapolymere Haftschichten
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Applikation einer als Haftschicht einsetzbaren Beschichtung auf ein Substrat.
Der Begriff Haftschicht umfasst dabei insbesondere Haftvermittler und Adhäsive.
Der Begriff Haftvermittler bezeichnet im Rahmen des vorliegenden Textes Stoffe, die der Verbesserung der Haftfestigkeit miteinander zu kombinierender Werkstoffe (z. B. Kunststoffe, Gummi, Metall, Leder, Glas, Silikone, Lacke) dienen. Der Begriff Haftvermittler umfasst dabei auch die sogenannten „Haftmittel".
Konventionelle Haftvermittler, und insbesondere Haftvermittler für Kunst- und Klebstoffe, umfassen häufig einen großen Anteil an organischen
Lösungsmitteln, der nach Applikation des Haftvermittlers auf ein Substrat (Fügeteil) in die Atmosphäre abgegeben wird.
Adhäsive sind Klebstoffe, die Werkstücke über Adhäsionskräfte (Anziehungskräfte zwischen Adhäsiv und Werkstück) und Kohäsionskräfte (innerer Zusammenhalt des Adhäsiv) verbinden. Konventionelle Adhäsive enthalten ebenfalls häufig organische Lösungsmittel.
Der Einsatz von organischen Lösungsmitteln in Haftvermittlern und Adhäsiven wird jedoch zunehmend unter ökologischen Gesichtspunkten kritisiert.
Es wurde bereits mehrfach der Einsatz plasmapolymerer Haftschichten vorgeschlagen, doch bestand hierbei in der Praxis eine nachteilige Beschränkung auf im wesentlichen flache Substrate, und die apparativen Anforderungen erschienen häufig inakzeptabel.
In der WO 01/61069 A2 ist die plasmapolymere Abscheidung von Acetylen auf einem Metall-Substrat im Niederdruckverfahren beschrieben. Es wird berichtet, dass die entsprechende Beschichtung auf Basis von Acetylen die Eigenschaften einer Haftschicht besitzt und der acetylenische Charakter des Precursors in der Beschichtung aufgrund der gewählten Verfahrensbedingungen erhalten bleibt. Die in der WO 01/61069 beschriebenen Verfahrensbedingungen sind jedoch nur relativ aufwendig einstellbar.
In der US 4,374,694 und der US 4,396,450 wird beschrieben, dass bestimmte Oxirane bzw. zyklische Thioether mittels eines Plasmas auf Metallsubstraten abgeschieden werden kann. Die plasmapolymeren Beschichtungen dienen dann als Haftschicht gegenüber vulkanisierbaren Kunststoffen. Gearbeitet wird allerdings jeweils wiederum unter Niederdruckbedingungen, so dass die oben erwähnten Nachteile auch hier zutreffen.
In der DE 100 17 846 C2 ist beschrieben, dass polymerisierbare organische Verbindungen, die eine Kohlenstoff-Doppelbindung und zusätzlich eine bestimmte funktionelle Gruppe besitzen, bei Atmosphärendruck mittels einer filamentierten Barriereentladung oder einer elektrisch gesteuerten Bogenentladung in ein Plasma überführt und anschließend auf ein Substrat appliziert werden können. Die applizierten plasmapolymeren Beschichtungen dienen dabei als Haftschichten. Anders als die zuvor diskutierten Veröffentlichungen wird somit der Einsatz von Atmosphärendruckbedingungen offenbart, jedoch sind die vorgeschlagenen Apparaturen zur Erzeugung und Applikation des Plasmas in ihrer Anwendbarkeit beschränkt, und zwar insbesondere, weil (a) das Substrat in einem sehr geringen Abstand von den für die Plasmaerzeugung notwendigen Elektroden angeordnet werden muss, so dass nur flache Substrate und (b) nur elektrisch nichtleitende Substrate unproblematisch beschichtet werden können.
Weitere Veröffentlichungen, die bereits den Einsatz plasmapolymerer Beschichtungen als Haftschichten und Verfahren zur Herstellung entsprechender plasmapolymerer Beschichtungen beschreiben sind: DE 42 32 390 A1 , DE 198 07 086 A1 , DE 195 05 449 C2, DE 697 05 556 T2.
Aus dem Stand der Technik ist jedoch kein Verfahren bekannt, das beispielsweise die Abscheidung von Acetylen (oder aber die Abscheidung eines anderen Precursors mit Doppel- oder Dreifachbindungen) zur Bildung einer Haftschicht unter Bedingungen erlaubt, die (a) Substrate mit stark profilierter Oberfläche ermöglicht und dabei (b) verfahrenstechnisch einfach sind.
Es war deshalb die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Haftschicht und ein Verfahren zu deren Applikation anzugeben, wobei Haftschicht und Verfahren vielseitig einsetzbar sind, d. h. insbesondere die Haftfestigkeit einer Vielzahl miteinander zu kombinierender Werkstoffe verbessern.
Vorzugsweise sollte die anzugebende Haftschicht mittels eines robotertauglichen Verfahrens auf ein entsprechendes Substrat (Fügeteil) appliziert werden können, das den Einbau in eine (gegebenenfalls bereits bestehende) Produktlinie ermöglicht („In-Line-Tauglichkeit"). Dabei sollte vorzugsweise eine hohe Prozessgeschwindigkeit erreichbar sein.
Gemäß einer speziellen Teilaufgabe sollte es vorzugsweise möglich sein, ein vulkanisierbares Polymer direkt auf die applizierte (im Rahmen der Erfindung anzugebende) plamapolymeren Haftschicht aufzuvulkanisieren.
Des weiteren sollte es möglich sein, die Haftschicht auf beliebig geformte Substrate zu applizieren.
Die Erfindung beruht nun auf der Erkenntnis, dass plasmapolymere Beschichtungen, die reaktive Doppel- und/oder Dreifachbindungen enthalten, insbesondere dann als Haftschichten im Sinne der obigen Ausführungen und Aufgabenstellungen eingesetzt werden können, wenn sie mittels eines thermischen Nicht-Gleichgewichtsplasmas auf einem Substrat (Fügeteil) abgeschieden wurden. Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Applikation einer als Haftschicht einsetzbaren plasmapolymeren Beschichtung auf ein Substrat umfasst dementsprechend folgende Schritte:
Bereitstellen eines Substrats,
Bereitstellen eines Precursormatenals, das Doppel- und/oder Dreifachbindungen umfasst,
- In einem Druckbereich zwischen 0,2 und 2 bar (d.h. bei oder nahe Atmosphärendruck)
(a) Erzeugen eines Plasmastrahls eines Arbeitsgases,
(b) (räumlich getrenntes) Einspeisen eines Precursormatenals in den Plasmastrahl des Arbeitsgases, so dass das Arbeitsgasplasma das Precursormaterial in den Plasmazustand überführt,
(c) Abscheiden des im Plasmazustand befindlichen
Precursormaterials auf dem Substrat, so dass zumindest ein Teil der Doppel- und/oder Dreifachbindungen des Precursormaterials erhalten bleibt.
Das Plasma wird vorzugsweise mit Hilfe eines nicht oxidierenden Arbeitsgases (lonisationsgases) erzeugt und dann auf das (beliebig geformte) Substrat gelenkt. Im Rahmen der vorliegenden Erfindung ist Stickstoff als Arbeitsgas bevorzugt, aber auch Edelgase können als Arbeitsgas Verwendung finden.
In der WO 01/32949 A1 sind Vorrichtungen zur Plasmabeschichtung von Oberflächen beschrieben, die im erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzt werden können.
Vorteilhafterweise umfasst das Precursormaterial zumindest einen Precursor, der ausgewählt ist aus der Gruppe, die besteht aus: Verbindungen mit einer oder mehreren Doppel- oder, soweit chemisch möglich, Dreifachbindungen zwischen (a) C und C, (b) C und O, (c) C und S sowie (d) C und N. Bei geeigneter Wahl der Parameter des plasmapolymeren Abscheidungsverfahrens bleiben die im Precursor enthaltenen Doppel- und/oder Dreifachbindungen bei Einbau in die entstehende plasmapolymere Beschichtung zumindest teilweise erhalten und stehen dann als reaktive Doppel- oder Dreifachbindung zur Verfügung.
Abhängig von der Wahl des Werkstoffes, dessen Haftung auf dem
Substrat verbessert werden soll, können unterschiedliche Doppel-oder
Dreifachbindungstypen bevorzugt sein. Der Fachmann wird zur Lösung eines gegebenen Haftvermittlungsproblems Precursoren in Betracht
ziehen, die ausgewählt sind aus der Gruppe, die besteht aus: Verbindungen mit einer oder mehreren Doppel- und/oder, soweit chemisch möglich, Dreifachbindungen zwischen (a) C und C, (b) C und O, (c) C und S sowie (d) C und N, insbesondere also organische Verbindungen mit einer Funktionalität des Typs C=S, C=O, C=N, C≡-N, C=C oder C≡C.
Beispiele von Precursoren, die sich im erfindungsgemäßen Verfahren bevorzugt einsetzen lassen, sind Acetylen (besonders bevorzugt), Derivate des Acetylen (Alkine), Ethylen, Derivate des Ethylen, Cyclopentadien, Cyclooctadien, Derivate der vorgenannten cyklischen Verbindungen, Carbonyle, Carboxyle, Lactone, Anhydride und andere Verbindungen mit einer C=O-Bindung, Thione und andere Verbindungen mit einer C=S-Bindung, Nitrile, aromatische Verbindungen (das delokalisierte Elektronensystem aromatischer Verbindungen wird für die Zwecke des vorliegenden Textes als System von Doppelbindungen aufgefasst), heteroaromatische Verbindungen etc.
Aus verfahrenstechnischen Gründen ist dabei der Einsatz von Precursoren bevorzugt, die bei einer Temperatur von 298 K und einem Druck von 1 bar im flüssigen oder - noch besser - gasförmigen Aggregatzustand vorliegen. Ein unter den genannten Bedingungen im flüssigen Aggregatzustand vorliegender Precursor sollte dabei einen hohen Dampfdruck besitzen und leicht in den Gaszustand überführbar sein.
Überraschend ist, dass die z.B. aus der WO 01/32949 A1 bekannten Vorrichtungen zur Plasmabeschichtung von Oberflächen auch zur Abscheidung von Acetylen und ähnlich reaktiven Precursoren eingesetzt werden können. Denn die Austrittstemperatur aus der Plasmadüse einer derartigen Vorrichtung beträgt in der Regel über 1000K; und Acetylen wird normalerweise bei Atmosphärendruck zum Schweißen verwendet, d.h. verbrannt.
Als Substrat, das mit der erfindungsgemäßen plasmapolymeren Beschichtung versehen ist, kommen grundsätzlich alle Werkstoffe in Frage, die sich plasmapolymer beschichten lassen. Problematisch sind insoweit nur einzelne Werkstoffe, die dem Fachmann bekannt sind, beispielsweise mit einer Antihaftbeschichtung versehene Werkstoffe (z. B. Werkstoffe mit einer teflonartigen oder einen Lotuseffekt zeigenden Beschichtung) oder aus sich heraus plasmachemisch besonders problematische Kunststoffe. Die Geometrie des Substrats ist - wie erwähnt - beliebig.
Besonders gut geeignet als Substrat sind Metalle, insbesondere Fe- Legierungen (Stähle, insbesondere V4A), Eisen, Nicht-Fe-Metalle (z. B. Aluminium, Nickel) und entsprechende Legierungen. Ferner eigenen sich als Substrat viele Kunststoffe und hierbei insbesondere polare Typen. Die Kunststoffe können z. B. Thermoplaste (z.B. PVC, PMMA), Duromere (z.B. Epoxidharze, Polyurethane) oder Elastomere (z.B. NBR, CR, AU, ECO) sein. Neben den genannten Materialien können aber auch beliebige andere künstliche oder natürliche Materialien wie z. B. Gläser und Keramiken, organische Fasern und Gewebe, Leder, Holz, Lacke Silikonmaterialien und dergleichen als Substrat eingesetzt werden.
Die plasmapolymere Beschichtung auf dem Substrat, welche Doppel- und/oder Dreifachbindungen umfasst, wird vorzugsweise durch geeignete Wahl der Verfahrensparameter (Precursoren; Abscheidungsbedingungen) so zusammengesetzt, dass die direkte Aufvulkanisierung eines vulkanisierbaren Polymers auf die plasmapolymere Beschichtung möglich ist. „Vulkanisierbare Polymere" sind dabei plastische, kautschukartige, ungesättigte oder gesättigte Polymere, die sich durch Vernetzung mit energiereicher Strahlung, Peroxiden, Schwefel(-Verbindungen) oder Wärme in den gummielastischen Zustand überführen lassen.
Es versteht sich, dass die vorliegende Erfindung auch ein Verfahren zur Herstellung eines Artikels betrifft, der ein Substrat und damit verbunden
ein Kunststoffmaterial, einen organischen Klebstoff, einen Lack, ein Silikonmaterial oder dergleichen umfasst. Das Verfahren umfasst dabei folgende Schritte:
- Applikation einer als Haftschicht einsetzbaren plasmapolymeren Beschichtung auf ein Substrat gemäß einem der hierin beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahren,
- Aufbringen eines Kunststoffmaterials oder eines organischen Klebstoffs, eines Lackes oder eines Silikonmaterials auf der vom Substrat abgewandten Seite der plasmapolymeren Beschichtung, so dass die plasmapolymere Beschichtung die
Haftung zwischen Substrat und Kunststoffmaterial, organischem Klebstoff, Lack bzw. Silikonmaterial erzeugt oder verbessert.
Vorzugsweise ist das Kunststoffmaterial ein vulkanisierbares Polymer, das direkt auf die plasmapolymere Beschichtung aufvulkanisiert wird.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung handelt es sich bei dem organischen Klebstoff um ein physikalisch abbindendes oder (bevorzugt) chemisch härtendes Klebstoffsystem wie ein Epoxidharz oder ein Polyurethan.
Vorzugsweise schließt sich an das Aufbringen eines organischen Klebstoffs das Verbinden des Substrat/Klebstoff-Verbunds mit einem Werkstück (einem zweiten Substrat) an.
Einige grundlegende Untersuchungen zur vorliegenden Erfindung wurden am System Noryl/EPDM durchgeführt. Noryl war dabei das Substrat und EPDM diente als Beispiel für ein Polymer, das um ein Substrat aus Noryl umspritzt werden soll. Die Untersuchungen zeigten insoweit, dass auf erfindungsgemäße Weise ausgehend von dem Precursoren 2-Methyl-1 ,3-Butadien (Isopren), Cyclooctadien und Acetylen plasmapolymere Beschichtungen hergestellt werden können, die jeweils Doppelbindungen umfassen. Dies konnte mittels IR-
Spektroskopie nachgewiesen werden. Anschließende Versuche zur Aufvulkanisierung des EPDM auf dem beschichteten Noryl führten zu Produkten mit einer erheblich höheren Haftung des EPDM am Noryl als Vergleichsversuche auf Basis unbeschichteten Noryls.
In Rollen-Schäl-Versuchen (in Anlehnung an DIN EN 1464) konnte gezeigt werden, dass die Haftung von Noryl am EPDM bei Verwendung einer plasmapolymeren Beschichtung auf Basis von Acetylen so gut ist, dass es zum Teil zum Materialhss im EPDM kam, ohne dass der Noryl- Haftvermittler-EPDM-Verbund riss. Das erfindungsgemäße Verfahren führt also zu Produkten mit hervorragenden Eigenschaften.
Nachfolgend wird die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele näher erläutert:
Beispiel 1
Herstellung einer plasmapolymeren Beschichtung mit reaktiven Doppel - und Dreifachbindungen:
Auf einem Substrat aus Noryl (Typ EN130) wurde eine plasmapolymere Beschichtung auf Basis des Precursors Acetylen aufgebracht. Die experimentellen Parameter waren dabei wie folgt:
Werkzeug: Plasmadüse gemäß DE 195 32 412 C2
Einspeisung des Precursors in den Düsenkopf: wie beschrieben z. B. in WO 01/32949
Druck: 1013 hPa
lonisationsgas: Stickstoff, 131/min
Precursor: Acetylen (C2H2), 8 l/min
Mittlere Zwischenkreisspannung (bei Anordnung von 7 Düsen): 500 V (max. Leistung)
Abstand zwischen Substrat und Düse: 4 mm
Verfahrgeschwindigkeit: 15 m/min.
Die abgeschiedene Schicht wurde IR-spektroskopisch untersucht; das erhaltene IR-Spektrum ist als Fig. 1 beigefügt.
Es ist zu erkennen, dass die plasmapolymere Beschichtung CC- und CO-Doppelbindungen umfasst. Ferner ist ersichtlich, dass auch Stickstoff in die plasmapolymere Beschichtung eingebaut wurde, der als lonisationsgas eingesetzt war. Stickstoff ist als lonisationsgas besonders bevorzugt. Die mit den oben angegebenen Verfahrensparametern hergestellte plasmapolymere Beschichtung erlaubt die direkte Aufvulkanisation von EPDM, wobei eine erheblich höhere Haftung des EPDM erzielt wurde als in einem Vergleichsexperiment ohne plasmapolymere Beschichtung (Versuch der direkten Aufvulkanisierung von EPDM auf Noryl). In einem Rollen-Schälversuch konnte gezeigt werden, dass die durch den plasmapolymeren Haftvermittler unterstützte Anhaftung des EPDM am Noryl so fest war, dass es zum Teil zum Materialriss im EPDM kam, ohne dass der Fügekontakt beeinflusst wurde.