Verfahren zur Verstärkung der Bildung von Aggregaten aus Proteinuntereinheiten
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Verstärkung der Bildung von Aggregaten aus Proteinuntereinheiten in vitro, dadurch gekennzeichnet, dass es mindestens, zwei Schritte (a) und (b) umfaßt, wobei in Schritt
(a) die Aggregate fragmentiert werden und in
(b) die Anlagerung von Proteinuntereinheiten an die Aggregate induziert wird.
In einer bevorzugten Ausführungsform werden dabei die Schritte (a) und (b) mehrfach durchlaufen.
Die Bildung von unerwünschten Aggregaten aus Proteinen ist die molekulare Grundlage einer Vielzahl von Krankheiten. Von besonderem Interesse sind dabei zur Zeit die Prionenerkrankungen, von denen Menschen und Tiere gleichermaßen betroffen sind. Die bekannteste ist die „Bovine Spongiform Encephalopathy", die unter dem Kürzel BSE oder „RinderwahnsinnΛ bekannt wurde. Zu den Prionenkrankheiten zählen außerdem die Creutzfeldt-Jakob- Krankheit, die beim Menschen auftritt und Scrapie bei Schafen. Es ist bekannt, dass die Erreger dieser Krankheiten auch Artgrenzen überspringen können, woraus sich ein hohes Gefährdungspotential ableiten läßt.
Der Name "Bovine Spongiform Encephalopathy" nimmt Bezug auf die bei Rindern (bovine) diagnostizierte Erkrankung, die sich in einer schwammartigen (spongiform) Degeneration des Zentralnervensystems (encephalopathy) äußert.
Der Ausdruck „Prion" wurde von S. Prusiner für die Bezeichnung des infektiösen Agens geprägt. Die Hauptkomponente ist das Prionprotein, mit dem Kürzel PrP charakterisiert. Prusiner hat das uneingeschränkte Verdienst, das infektiöse "Prion" als Protein erkannt zu haben. Er konnte zeigen, dass ein Protein identischer Aminosäuresequenz in jedem gesunden Organismus vorkommt (PrPc = cell Komponente) und dort eine bisher nicht bekannte Funktion erfüllt.
Die Bezeichnung der pathologischen, infektiösen Komponente mit PrPsc, nimmt Bezug auf die seit langem schon bei Schafen beobachtete, tödlich verlaufende Seuche "Scrapie". Für jeden Organismus unterscheiden sich PrPc und PrPSc lediglich in ihrer Faltungsstruktur.
Dass eine Anlagerung an natürliche Aggregate prinzipiell möglich ist, konnte am Beispiel von Aß-Aggregaten gezeigt werden (M. Pitschke, R. Prior, M. Haupt & D. Riesner, „Detection of Single amyloid ß-protein aggregates in the cerebrospinal fluid of alzheimer's patients by fluorescence correlation spectros- copy", Nature Medicine, Vol. 4 (7), pp. 1-3, 1998).
Die "infektiöse Einheit" - als solche bezeichnet man die Mindestmenge, die eine Infektion auslösen kann - ist aber nicht mit dem einzelnen Proteinmolekül PrPSc identisch; sie schliesst vielmehr an die hunderttausend von Proteinmoleküleinheiten ein. Bestimmen lässt sie sich entweder durch eine sogenannte "Endpunkttitration" oder durch Messung der Inkubationszeit. Bei der "Endpunkttitration" - ein der chemischen Analyse entlehnter Begriff - wird eine serielle Verdünnung einer definierten Menge des infektiösen Materials vorgenommen und die Verdünnung ermittelt, bei der die Hälfte der Tiere überlebt (LD5o-Einheit). Die Zahl der infektiösen Einheiten im ursprünglichen Präparat ist dann durch den entsprechenden Verdünnungsfaktor gegeben. Durch Analyse der Inkubationszeit lässt sich die Prozedur erheblich abkürzen, indem man von einer durch Endpunkt-Titration festgelegten Eichkurve für einen vorgegebenen Stamm von Versuchstieren und einer festgelegten Infektionsroute ausgeht. Die Zahl infektiöser Einheiten kann dann direkt aus der Inkubationszeit ermittelt werden. Sie ist invers zur inokulierten.
Wesentlich zum heutigen Wissen über Prionen haben neben S. Prusiner noch weitere Forscher beigetragen.
Ch. Weissmann und seine Schule haben unter anderem nachwiesen, dass in "knock out"-Mäusen, deren PrP-Gen inaktiviert wurde, und die daher das zelluläre PrPc nicht mehr exprimieren können, eine Inokulation mit PrPSc wirkungslos bleibt.
D. Riesner konnte physikalisch-chemisch die "protein only" Hypothese quantitativ belegen. Das ist wichtig, denn bei BSE handelt es sich um eine "infektiöse" Krankheit, bei der sich der Erreger exponentiell vermehrt. Alle Infektionskrankheiten, die diese Eigenschaften aufweisen, wurden bisher auf "reproduzierbare" Erreger zurückgeführt, deren Basis die Replikation von RNA oder DNA ist. Dennoch setzt die Entdeckung der Prionen die Erkenntnisse der Virologie und Bakteriologie keineswegs außer Kraft. Sie zeigt lediglich, dass es auch singuläre Systeme von Proteinen gibt, die das für Nukleinsäuren typische Replikationsverhalten "simulieren". Riesners Messungen ergaben einen möglichen Nukleinsäuregehalt, der unterhalb einer funktionell relevanten Menge, d.h. ein Nukleinsäuremolekül mit maximal 50 Nukleotiden pro infektiöser Einheit, lag.
K. Wüthrich gelang es, mit Hilfe von magnetischen Resonanzmessungen (NMR) die Struktur der Prionen zu charakterisieren. Im globulären Teil eines PrP-Moleküls ist die Umwandlung von PrPc zu PrPSc lokalisiert. Der drei helikale Strukturen enthaltende globuläre Bereich von PrPc kann durch eine Protease "verdaut" werden, während dies für den an ß-Faltungsstrukturen reicheren Teil von PrPSc nicht möglich ist. Hier lässt sich lediglich ein Teil des offenen Endes der Kette abspalten. Dieses unterschiedliche Verhalten von PrPc und PrPSc ist die Grundlage des heute gebräuchlichen Tests zum Nachweis von BSE, der die Resistenz des PrPSc-Moleküls gegenüber Proteasen ausnutzt und nach Protea- sebehandlung einer Probe durch einen Westem-Blot auf verbliebenes PrP testet.
Die Frühdiagnose von Prionen-Krankheiten unterliegt der Schwierigkeit, dass wenige Infektionskeime in einem Organismus, wie immer sie verteilt sind und wo immer sie durch eine Probenentnahme zu erfassen sind, in der Probe in so kleiner Konzentration vorliegen, dass ihre Anwesenheit mit keiner der bekannten biochemischen Analysemethoden sicher gestellt werden kann. Bekannte Analyseverfahren, wie beispielsweise die Westem-Blot-Methode, die zur Zeit bei BSE-Tests angewandt wird, erfordert Konzentrationen von mindestens pico- (10~12) bis nano- (10"9) molar. Eine solche Konzentration ist zwar
im Sinne der Analytik als sehr klein zu bezeichnen, bedeutet aber immer noch pro kg Trägermaterial 1012 bis 1015 Moleküle. Für Infektionskeime, die in der Lage sind, sich selber autokatalytisch zu verstärken, wie das für Viren, Bakterien und auch für Prionen der Fall ist, kommt der Nachweis in einem bereits derart fortgeschrittenen Stadium in der Regel zu spät. Im Fall der Prionen bedeutet es gar, dass ein solcher Nachweis erst mit einer Verzögerung von einem Jahr gegenüber dem Zeitpunkt der Infektion möglich wird.
Bei der Diagnostik von Prionenerkrankungen stellt sich das Problem, das nicht, wie für Viren-DNS mit der PCR-Methode, Möglichkeiten der Verstärkung des infektiösen Proteinmaterials zur Verfügung stehen. Einer solchen künstlichen Verstärkung von infektiösem Prionenmaterial steht entgegen, dass ein Verstärkungsmechanismus mit 30 Zyklen, wie er bei der PCR mit einem DNS- Abschnitt innerhalb einer Stunde durchgeführt werden kann, aufgrund der langsamen Bildung der Aggregate aus Prionen ungefähr ein Jahr dauern würde (wie im folgenden noch genau ausgeführt wird).
Das zweite große Problem bei der Erkennung von Prionerkrankungen ist, dass die Unterscheidung zwischen körpereigenem „gesundem" PrPc und infektiösem PrPSc aufgrund der Identität der Proteinsequenzen besonders erschwert ist.
Das der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Problem ist es, die genannten Schwierigkeiten zu überwinden. Es soll ein Verfahren bereitgestellt werden, das schnell und mit möglichst geringem Aufwand eine genaue und sichere Erkennung der Bildung von Aggregaten aus Proteinuntereinheiten erlaubt. Insbesondere soll das Verfahren ermöglichen, die Bildung von Aggregaten und das Auftreten von Prionenerkrankungen in einem frühen Stadium zu erkennen.
Das der Erfindung zugrunde liegende Problem wird überraschenderweise gelöst durch ein Verfahren zur Verstärkung der Bildung von Aggregaten aus Proteinuntereinheiten in vitro, das mindestens zwei Schritte (a) und (b) umfaßt, wobei bei Schritt
(a) die Aggregate fragmentiert werden und bei
(b) die Anlagerung von Proteinuntereinheiten an die Aggregate induziert wird.
Vorzugsweise werden die Schritte (a) und (b) jeweils mindestens zweimal durchlaufen. Die Schritte (a) und (b) sollten so oft zyklisch durchlaufen werden, bis eine Aggregatbildung in gewünschtem Ausmaß erzielt wird.
Die Proteinuntereinheiten sind dabei vorzugsweise Prionproteine, insbesondere zelluläres PrPc, rekombinantes Prionprotein oder Fragmente davon. Bei Verwendung von zellulärem Prionprotein kann dieses aus Mensch, Rind, Schaf oder von sonstigen Tierarten stammen. Vorteilhaft beim erfindungsgemäßen Verfahren ist, daß unter künstlichen Bedingungen die Konzentration der Prionproteine oder Proteinuntereinheiten frei wählbar ist. Sie wird in der Regel so gewählt, daß sie die unter physiologischen Bedingungen vorliegende Konzentration um viele Größenordnungen überschreitet.
Der Begriff „Aggregate" bezeichnet in diesem Zusammenhang Einheiten aus mehreren Proteinuntereinheiten, wobei das Aggregat zumindest einen gewissen Ordnungsgrad aufweist. Eingeschlossen sind damit auch Proteinketten, wie sie zum Beispiel bei den Prionenerkrankungen vorkommen, sowie weitere mögliche Formen von Oligomeren. Die Aggregate entstehen durch die Assemblierung von Proteinuntereinheiten, wobei diese im Regelfall nicht kovalent untereinander verknüpft sind. Die „Bildung von Aggregaten" kann daher auch als „Assemblierung" oder als „Elongation" einer bestehenden Kette bezeichnet werden. Nicht gemeint sind hier mit dem Begriff „Aggregate" unspezifische Zusammenballungen von Proteinen, wie sie zum Beispiel nach der Denaturierung anfallen. Dagegen kann die Aggregation durch Keimbildner oder durch Anlagerung an Membranen oder Membranvesikel unterstützt werden, was insbesondere bei Prion- oder Amyloid-Proteinen der Fall sein dürfte. In diese Kategorie gehören auch die in den Patentansprüchen erwähnten Lösungsmitteleffekte.
Der Begriff „Fragmentieren" bezeichnet die teilweise Disassemblierung der Aggregate, d.h. die Aufspaltung in kleinere Aggregate aus weniger Proteinuntereinheiten. Die Proteinuntereinheiten selbst werden dabei im Regelfall nicht fragmentiert.
Zum besseren Verständnis der Bedeutung der Erfindung wird im folgenden zunächst die Kinetik der Bildung von Aggregaten bei Prionenerkrankungen erläutert, soweit diese bekannt ist.
S. Prusiner war der erste, der einen Mechanismus für die Umwandlung von PrPc in PrPSc vorschlug. Seine ursprüngliche Idee basierte auf der Annahme, dass eine einzelne PrPSc-Proteineinheit durch Anlagerung an eine PrPc-Einheit diese in PrPSc umwandelt; das entspräche der direkten Autokatalyse einer Strukturumwandlung. Demgegenüber hatte P. Lansbury einen praktisch eindimensionalen Kettenwachstums-Mechanismus mit vorgelagerter Keimbildung postuliert. Das war ein bemerkenswerter Vorschlag, vor allem im Hinblick auf die Grosse der "infektiösen Einheit" von 105 PrP-Molekülen.
Die Gegenüberstellung der verschiedenen Mechanismen auf der Grundlage der chemischen Kinetik wurde von M. Eigen, "Prionics", (1996, Biophys. Chem. 63, A1-A18) vorgenommen. Das Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein Prusiner-Mechanismus mit lediglich zwei PrP-Einheiten im katalytischen Schritt ist mit realistischen Werten für Geschwindigkeits- und Gleichgewichtskonstanten, wie man sie für Protein-Protein-Wechselwirkungen kennt, nicht plausibel zu machen. Angewandt auf die familiär induzierte Creutzfeldt-Jakob Krankheit beim Menschen hieße das: Die Bedingungen sind so kritisch, dass bei einem gegebenen Satz von Parametern die zeitliche Veränderung der pathologischen Komponente PrPSc entweder immer negativ ist, was einen expo- nentiellen Abbau der Komponente bedeutet, oder aber positiv ist. Letzteres bedeutet exponentielles Wachstum und damit spontane Entstehung der Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit. Man hätte es mit einer allgemein zutreffenden "alles oder nichts"-Entscheidung zu tun. Die Schwierigkeit ist leicht zu beheben, indem man Kooperativität für eine Wechselwirkung zwischen mehr als zwei Proteineinheiten annimmt, wie er für eine Reihe von allosteri- schen Enzymen bekannt ist, die ihre Aktivität auf diese Weise steuern. Kooperativität in der autokatalytischen Strukturumwandlung würde einen Schwellenwert für die krankhafte Disposition, basierend auf entsprechenden kinetischen Parametern, beinhalten. Sinn der damaligen Überlegungen war
aufzuzeigen, welche Reaktionsmechanismen überhaupt in der Lage sind, die experimentellen Befunde zu erklären. Der durchaus attraktive Lansbu- ry-Mechanismus hatte zunächst den Anschein, nicht katalytischer Natur zu sein.
Keimbildung für einen Polymerisationsmechanismus bedeutet, dass unterhalb einer kritischen Größe des Keims die Polymerisation rückläufig ist, während sie oberhalb des kritischen Wertes progressiv voranschreitet. Phänomenologisch ist das allerdings von einer Autokatalyse nicht zu unterscheiden. Der kritische Keim ist, sozusagen, der Katalysator, der zumeist auch aktiv, nämlich durch Krafteinwirkung auf die angelagerte Einheit deren Umwandlung begünstigt. Die Reaktionsgeschwindigkeiten sind aufgrund der kooperativen Wechselwirkungen abhängig von der Größe des kritischen Keims. So kann erst bei einer gewissen Keimgröße das Wachstum von negativ nach positiv umschlagen. Experimentell ist dieser Mechanismus nicht ohne weiteres von einer kooperativen Aliosterie zu unterscheiden.
Es bleibt jedoch noch eine Schwierigkeit: Beide Mechanismen können nur dann das für eine Aütokatalyse typische exponentielle Wachstum aufweisen, wenn nach der Umwandlung sowohl der ursprüngliche Katalysator als auch sein Reaktionsprodukt für weitere autokatalytische Zyklen zur Verfügung stehen. Bei fortschreitender Polymerisation ist das nicht der Fall. Denn hier ist gleichbleibend die am Kettenende lokalisierte Proteineinheit katalytisch aktiv. Die damaligen Berechnungen ergaben für das Kettenwachstum als solches ein polynomiales (z.B. für lineare, unverzweigte Ketten quadratisches) Gesetz. Exponentielles Wachstum erhält man, wenn die Ketten ständig aufbrechen und damit neues Wachstumspotential freisetzen. Analog müssen beim allosteri- schen Komplex die umgewandelten Einheiten frei gesetzt werden, damit sie wieder autokatalytisch wirksam werden können. Die Frage, wie sich ein expo- nentieller von einem polynomialen Mechanismus, bei dem auch höhere Po- tenzterme auftreten können, hinreichend sicher unterscheiden lässt; ist inzwischen experimentell weitgehend geklärt.
Der Gedanke des notwendigen Kettenbruchs wurde von M. Nowak (1999, Biophys. Chem. 77, 139) aufgegriffen. Das von ihm vorgeschlagenen Modell ließ sich in eine mathematisch explizit lösbare Form überführen. Dieses Modell soll in den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt werden.
Dabei werden - wie von Eigen vorgeschlagen - Bilanzgleichungen für die Bildung und den Zerfall von Proteinketten aller möglichen Längen aufgestellt. Diese Gleichungen enthalten im wesentlichen positive Terme für die Anlagerung von monomeren Proteineinheiten PrPc an eine PrPSc-Kette der Länge i, wodurch eine solche der Länge i + 1 entsteht. Weiterhin gibt es negative Terme für den Kettenbruch, bei dem zwei Teilstücke der Längen k und i-k resultieren. Der Index i läuft dabei von 1 bis zu einer beliebig großen Zahl. Für das körpereigene Monomere PrP wird angenommen, dass es ausschließlich in der "gutartigen" Form PrPc vorliegt. Die zeitliche Veränderung dieser monomeren Form kann, zumindest in einer relativ lange währenden Anlaufphase, gleich null gesetzt werden. Sie ist nämlich im wesentlichen durch den metabolischen Auf- und Abbau von PrPc fixiert.
Man hat es damit lediglich mit Geschwindigkeitsgleichungen für Polymere der Länge (i ≥ 2) zu tun. Worauf es ankommt, sind vor allem die Gleichungen für größere i-Werte, die sich zu zwei Summentermen zusammenfassen lassen, die von Eigen als T y \ und i \ eingeführt wurden, wobei die yι die Konzentrati-
onen der Polymere der Länge i darstellen. Beide Terme haben eine anschauliche physikalische Bedeutung: stellt die gesamte Menge von Proteinein-
heiten dar, die in Polymeren mit i ≥ 2 enthalten sind (jedes Polymer der Länge i enthält i Monomere), während die Summe y
\ ein Maß für die Gesamt- i>\ menge aller katalytisch wirksamen Endpositionen ist. Jede lineare Kette hat zwei solche Endpositionen, sofern nicht ein vektoriell einseitig ausgerichteter Polymerisationsmechanismus vorliegt. Von diesen beiden Summentermen ging Nowak aus, die er mit y (= Σy und z (= ∑iy,) bezeichnete. So ließ sich das ganze System durch zwei lineare Differentialgleichungen - dy/dt und dz/dt -
darstellen, deren Lösungen die Form e
+λι
t und e
"^ haben, also aus der Überlagerung eines Wachstums- und eines Abklingterms bestehen (Für lange Zeiten: t → ∞, bleibt dann allein der Wachstumsterm mit der Zeitkonstante λ
t wirksam). Der Kunstgriff der Einführung von Summentermen liegt darin, dass sich in den Summen viele der aus den individuellen Gleichungen stammenden Terme kompensieren, und dass man Gleichungen auf zwei reduziert, für die sich explizite Lösungen angeben lassen.
In Figur 1 ist das Reaktionsschema angegeben. Es betrifft eine durch vorhandene Keime induzierte Umwandlung von PrPc in PrPSc, also nicht den Fall spontaner Keimbildung, sondern die für BSE relevante Infektion durch fremde Keime. Die beiden wichtigen Reaktionsterme sind Elongation der Keime und Bruch bzw. Spaltung der gewachsenen Ketten. Darüber hinaus gibt es einen allgemeinen Abbauterm, dem alle Polymerformen unterliegen. Er sorgt dafür, dass "die Bäume nicht in den Himmel wachsen", das heißt, dass die infektiösen Keime nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Dieser Abbauterm tritt in gleicher Weise (mit negativem Vorzeichen) in dy/dt und in dz/dt auf. Das ist vielleicht eine nicht ganz realistische Vereinfachung, die jedoch ohne besondere Konsequenzen bleibt.
Figur 2 zeigt an einem Modellstrang das Zusammenwirken von Elongation und Kettenbruch. Da nur die Enden der Kette aktiv den Einbau von PrPc Einheiten und deren katalytische Umwandlung in PrPSc betreiben, kommt es weniger auf die bloße Erhöhung des PrPSc-Anteils als auf das Anwachsen der Zahl von Kettenenden an. Sie ist exponentieller Natur. Ansonsten handelt es sich um ein schematisches Beispiel. Die gewählte Länge von acht Proteineinheiten, das wiederholte Auftreten gerade dieser Länge, das Auseinanderbrechen in zwei gleich große Bruchstücke, all das wurde vereinfachend angenommen mit dem alleinigen Ziel, das Prinzip klar zu machen. In Wirklichkeit kann die Kette an jeder Stelle aufbrechen und damit zu unsymmetrischen Bruchstücken führen. Wenn dies überall mit gleicher Wahrscheinlichkeit geschieht, lassen sich alle Geschwindigkeitsterme in einer Summe proportional zur Konzentration z (die ja alle Kettenglieder PrPSc einschliesst) zusammenfassen.
Der andere wichtige Term in den Reaktionsgleichungen betrifft die Elonga- tionsrate. Hier konkurrieren drei Prozesse miteinander:
1) Die Anlagerung einer Proteineinheit PrPc an eine der beiden (oder an beide) Endpositionen der PrPSc-Kette. Die Geschwindigkeitskonstante dieses Prozesses ist durch, die Begegnungshäufigkeit der Reaktionspartner aufgrund ihrer Diffusionsbewegung begrenzt (< 107 M^sec"1).
2) Die Ablösung der in ihrer Struktur noch nicht umgewandelten PrPc-Einheit.
3) Die Strukturumwandlung PrPc — > PrPSc, die für den stabilen Einbau in die Kette sorgt und damit den Elongationsschritt abschließt.
Nach dem Vorbild der Behandlung von enzymatischen Prozessen durch Michaelis und Menten können die drei Prozesse in einem Term (Anfangsgeschwindigkeit) zusammengefasst werden. Dieser Term ist immer kleiner als das Produkt aus der oben angegebenen Geschwindigkeitskonstante einer diffusionskontrollierten Reaktion und der Konzentration an freien PrPc- Molekülen.
In diesem Schema werden für die beiden Differentialgleichungen ausschließlich Terme erhalten, die linear in y und z sind. Das ergibt als Lösungen die beiden oben angegebenen Exponentialfunktionen. Der Term mit negativem Argument beschreibt die Einstellung einer stationären Längenverteilung der Ketten mit definiertem Mittelwert. Daraufhin wachsen sowohl y und z exponentiell an, bis es zu einer Erschöpfung von PrPc-Monomeren kommt.
Dieses Modell wurde von J. Masel [Dissertation, Oxford, 2000 und J. Masel, V.A.A. Jansen, M.A. Nowak: "Quantifying the kinketic Parameters of prion replication", Biophys. Chem. 77 (1999), 139-152] im Detail weiterentwickelt und alle Folgerungen im Vergleich mit experimentellen Daten ausführlich untersucht. Die Arbeit erklärt viele Details, etwa in der Frage der infektiösen Einheit, der Inkubationszeit, der Infektivität etc., die auf der Grundlage einfacherer Modelle nicht verständlich waren. Die exponentielle Vermehrung basiert auf einem Zusammenspiel von Prionen-Kettenwachstum und -Kettenbruch. Der Vergleich mit gemessenen Daten legt nahe, dass eine Anlagerung von PrPc
an eine Kette von PrPSc und seine Umwandlung in ein (bösartiges) PrPSc mit einer Reaktionszeit der Größenordnung von 103 Sekunden erfolgt, somit etwa eine Viertelstunde pro Elongationsschritt in Anspruch nimmt. Die stationäre Kette von PrPSc besitzt eine mittlere Länge von etwa tausend Einheiten. Sie braucht für ihre Bildung demnach eine tausendmal längere Zeit. Die Experimente ergeben Werte zwischen 5 und 20 Tagen. Bei stationärer Kettenlänge muss dann innerhalb dieser Zeitspanne im Mittel ein Kettenbruch erfolgen. Die Geschwindigkeitskonstante, bezogen auf eine gegebene Bruchstelle, beträgt 10"9 sec"1. Das entspricht einer Halbwertezeit von etwa 30 Jahren. Da jede Kette im Mittel etwa tausend solcher möglicher Bruchstellen enthält, findet im Gesamtaggregat etwa alle 10 Tage ein Kettenbruch statt. Kettenaufbau und Bruch halten sich so die Waage; dabei steigt jedoch die Zahl der Ketten (und damit der aktiven Kettenenden) exponentiell an.
Eine essentielle Größe ist auch das Verhältnis von Aufbau- und Eliminationsrate des infektiösen Materials. Nach Messungen an Versuchstieren sind beide Raten von etwa gleicher Größenordnung. Das bedeutet, dass das infektiöse Material sich .ständig reproduzieren muss, um als solches zu überleben. Die Ursache der Elimination, z.B. als Folge von Abbau oder Inaktivierung bewirkender Prozesse, ist nicht genau bekannt. Das wesentliche Ergebnis besteht darin, dass eine Verdoppelung vorhandenen Materials bereits Wochen erfordert. Die Verstärkung eines infektiösen Keims auf ein analytisch erfassbares makroskopisches Niveau (pico- bis nanomolar) braucht demzufolge Zeiten von der Größenordnung eines Jahres.
Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt es überraschenderweise, den sehr langsamen und zeitaufwendigen Prozeß der Kettenverlängerung (Aggregation) von Proteinuntereinheiten in vitro extrem zu beschleunigen, und so in Zeiträumen von Tagen oder sogar Stunden eine deutliche Verstärkung der Bildung von Aggregaten zu erzielen.
Die Zeit für den Zyklus einer Prionenverdopplung würde unter normalen Umständen etwa 10 Tage dauern, so dass 30 Zyklen für eine Hochverstärkung etwa ein Jahr in Anspruch nehmen. Im Unterschied zur PCR-Methode zur Ver-
Stärkung von DNS kann man also nicht von den natürlichen Vermehrungsprozessen Gebrauch machen. Das Prinzip des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, den Prozess künstlich zu beschleunigen. Vorzugsweise werden sowohl die Elongation der Prionenketten als auch der Kettenbruch auf künstliche Weise beschleunigt und dabei die mittlere Kettenlänge relativ klein gehalten, da nur die Kettenenden katalytisch wirksam sind. Das Prinzip entspricht einer autokatalytischen Kettenreaktion von Polymeren. Im künstlichen Prozeß sind es die Geschwindigkeiten von . Kettenwachstum und Kettenbruch, die durch die Konzentrationswahl der monomeren Einheiten PrPc und durch Beeinflussung der Bruchrate stark erhöht werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann dabei in Anwesenheit von Hilfsstoffen wie Tensiden, Emulgatoren, anderen Proteinen, insbesondere Chaperonen, Polysacchariden, und natürlichen und/oder synthetischen Oberflächen durchgeführt werden. Durch solche Hilfsstoffe können zum Beispiel die Proteinuntereinheiten stabilisiert werden, die Assemblierung oder Fragmentierung katalysiert werden, oder eine unerwünschte unspezifische Aggregation verhindert werden. Es muß betont werden, dass das erfindungsgemäße Verfahren nicht davon abhängt, dass die in die Aggregate eingelagerten Proteineinheiten identische Strukturen besitzen wie die Proteineinheiten der vorliegenden Aggregate. Es ist nur erforderlich, dass die Anlagerung spezifisch erfolgt, und die angelagerten Proteineinheiten eine weitere spezifische Anlagerung ermöglichen.
Vorzugsweise wird beim erfindungsgemäßen Verfahren die Konzentration der Proteinuntereinheiten durch Zugabe von monomeren Proteinuntereinheiten signifikant erhöht. Durch eine derartige Konzentrationserhöhung der Proteinuntereinheiten, die zum Beispiel durch rekombinante Techniken erzeugt werden können, ist der Wachstum der Aggregate über viele Zyklen hinweg nicht durch die Diffusion der Proteinuntereinheiten beschränkt, wodurch eine schnellere Bildung von Aggregaten möglich wird. Natürlich entstehen die Aggregate auch in größeren Mengen und sind daher besser nachweisbar, wenn eine relativ große Menge an potentiellen Bindungspartnern zur Verfügung steht.
Die Fragmentierung von Aggregaten bei Schritt (a) erfolgt vorzugsweise durch Beschallung, Veränderung der Proteinkonzentration und/oder Einwirkung von Lösungsmittel.
In einer bevorzugten Ausführungsform wird Schritt (a) bei einer anderen Temperatur, in einem anderem Lösungsmittel und/oder in Gegenwart anderer Hilfsstoffe als Schritt (b) durchgeführt. Dabei werden die Bedingungen bei der Durchführung von Schritt (a) so gewählt werden, dass die Fragmentierung kontrolliert erfolgt. Dies bedeutet, dass die Aggregate im Mittel so fragmentiert werden sollen, dass sie eine ausreichend große Anzahl von Bruchstellen und damit Anlagerungsstellen für weitere Proteinuntereinheiten freisetzen, um beim nächsten Schritt (b) eine möglichst große Menge von Proteinuntereinheiten anzulagern. Beim natürlichen Prozeß der Bildung von Aggregaten aus PrP besteht eine mittlere Kette aus ungefähr tausend Untereinheiten. Erfin- dungsgemäß sollten die Ketten nach der Fragmentierung wesentlich kleiner sein (< 100 Untereinheiten). Die Fragmentierung sollte im Mittel aber nicht in Teilstücke erfolgen, die zu klein sind, um weitere Proteinuntereinheiten anzulagern. Die Bedeutung des Fragmentierungsschrittes (a) läßt sich daran ermessen, dass zum Beispiel ein einziges Prionaggregat aus 100.000 PrPSc- Einheiten nur ein tausendstel der Infektiosität hat, wie 1000 Prionaggregate mit einer mittleren Länge von je 100 Einheiten. Die Einstellung der Fragmentierungsbedingungen bei Schritt (a) erfolgt insbesondere über Länge, Anzahl und Intensität der Pulse, die Auswahl des Beschallungsgeräts (Dimensionen des Geräts, Beschallung direkt mit einer Nadelsonde oder indirekt mit einer Bechersonde), die Temperatur, das Lösungsmittel (Art und Konzentration des Detergens, pH, Salzbedingungen) und die Proteinkonzentration.
Allgemein hängt die optimale Beschallungseffizienz von der Beschallungszeit, Lösungsmittel, Temperatur und Dimension des Beschallungsgerätes ab.
Bei Schritt (b) werden die Temperatur, die Inkubationszeit, die Proteinkonzentration, das Verhältnis Keim/Monomer, das Lösungsmittel und/oder der Zusatz von Hilfsstoffen vorzugsweise so gewählt, dass die Anlagerung von Proteinuntereinheiten an die Aggregate in möglichst hohem Ausmaß erfolgt.
Beim Lösungsmittel kann die Anlagerung insbesondere durch die Art und Konzentration des Detergens, den pH-Wert und die Salzbedingungen erfolgen.
In einer bevorzugten Ausführungsform wird Schritt (b) von einem Schritt (c) gefolgt, bei dem die Anlagerung von Proteinuntereinheiten durch Zentrifugati- on, vorzugsweise Ultrazentrifungation, gestoppt wird. Durch einen solchen Zentrifugationsschritt können die Aggregate von der Lösung abgetrennt werden und analysiert und/oder wiederum für einen anschließenden Schritt (a) verwendet werden. Die Optimierung des Schrittes (c) erfolgt insbesondere über die Wahl der Zentrifugationsbedingungen, wobei zum Beispiel die g-Zahl, die Dauer der Zentrifugation, die Temperatur und das Lösungsmittel (Art und Konzentration des Detergens, pH, Salzkonzentration) variiert werden können.
In einer bevorzugten Ausführungsform wird das Wachstum von Aggregaten durch Anlagerung an künstliche oder natürliche Membranen, Membranvesikel und/oder Membranbestandteile unterstützt.
Insgesamt ist der Anwender des Verfahrens ähnlich wie bei der PCR-Methode in der Lage, durch Variation der Bedingungen und Vergleich der Aggregatsbildung unter verschiedenen Bedingungen zu einem optimierten Verfahren zu gelangen.
Die Bildung der Aggregate wird bei dem erfϊndungsgemäßen Verfahren vorzugsweise durch spektroskopische Techniken, insbesondere Fluoreszenztechniken, insbesondere Zweifarben-Fluoreszenzkreuzkorrelation und/oder SIFT (Scanning for intensely fluorescent targets) verfolgt.
Die Methode der Kreuzkorrelation stellt das Prinzip der klassischen Fluoreszenzspektroskopie sozusagen auf den Kopf. Früher musste die Konzentration der fluoreszierenden Substanz so groß sein, dass sich ein stationäres Fluoreszenzsignal noch deutlich vom Rauschhintergrund, verursacht durch gestreute und reflektierte Lichtquanten, abhebt. Das erfordert mindestens Konzentrationen oberhalb des nanomolaren Bereichs. Bei der Methode der Kreuzkorrelation benötigt man dagegen Konzentrationen weit unterhalb dieses Bereiches. Zur Registrierung käme im zeitlichen Mittel nur noch wenig Signal im Vergleich zum Rauschhintergrund. Doch man zeichnet nunmehr zeitaufgelöst die Signal-
salven auf, die von einzelnen Molekülen ausgesandt werden, wenn immer sie durch Diffusion in den Laserfokus geraten und dort dem Anregungslicht ausgesetzt sind. Natürlich muss dafür Sorge getragen werden, dass es immer nur einzelne Moleküle sind, die so zur Registrierung gelangen. Mit der beschriebenen Methode konnten sowohl die spontane Aggregation von monomeren oder dimeren PrP zu großen Aggregaten (Post, K et a/., 1998, „Rapid acquisition of ß-sheet structure in the prion protein prior to multimer formation", Biol. Chem. 379, 1307-1317) als auch die Anlagerung von monomeren Aß-Peptiden an für die Alzheimersche Erkrankung typische Aß-Aggregate untersucht werden (Pitschke, M. et al., 1998, „Detection of Single amyloid ß-protein aggregates in the cerebrospinal fluid of Alzheimers patients by fluorescence correlation spectroscopy", Nature Med. 4, 832-834).
Die Autokorrelationsmethode arbeitet mit einem Fluoreszenzmarker, der an einer Substanz befestigt ist, die eine hohe Affinität zur Zielstruktur besitzt. Im Falle des Prionennachweises ist die Zielstruktur ein relativ großes Aggregat, an das sich viele Fluoreszenzmarker heften lassen. Dazu eignen sich vor allem monoklonale Antikörper, die spezifisch gegen Epitope (Bindungsstellen) der PrP-Struktur gerichtet sind. Der Trick ist nun, zwei unterschiedliche Fluoreszenzmarker zu benutzen, die sich dann kreuzweise korrelieren lassen. Die Autokorrelation wird durch eine Kreuzkorrelation ersetzt. Letztere erwies sich für den Prionennachweis als nahezu ideal. Man benutzt zwei monoklonale Antikörper, die gegen verschiedene Epitope des Proteins PrP gerichtet sind und markiert sie mit zwei unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen, zum Beispiel den einen mit einem roten und den anderen mit einem grünen Fluorophor (Figur 3). Wenn der gesuchte Prionenkomplex vorhanden ist, wird gleichzeitig ein starkes rotes und ein entsprechendes grünes Signal detektiert. Am einfachsten und schnellsten funktioniert die bloße Feststellung einer Koinzidenz beider Farbsignale. Liegt lediglich eine unspezifische Aggregation eines der beiden Antikörper vor, so erhält man entweder nur ein rotes oder nur ein grünes Signal, aber keine Koinzidenz beider Signale.
Diese Kreuzkorrelation wurde zu einer effektiven Methode der molekularen Diagnostik ausgearbeitet, die mit dem Kürzel SIFT (Scanning for Intensely Fluorescent Targets) bezeichnet wird [PCT/EP 0009468 und J. Bieschke, A. Giese, W. Schulz-Schaeffer, I. Zerr, S. Poser, M. Eigen, H. Kretzschmar: "Ultra-sensitive detection of pathological prion protein aggregartes by du- al-color scanning for intensely fluorescent targets (SIFT)", Prof. Natl. Acad. Sei. USA, 97 (2000) 5468-5473] Sie wird auf Untersuchungen des Spinalli- quors von Patienten angewandt, die an der Creutzfeldt-Jakobschen Krankheit leiden.
Die Empfindlichkeit dieser Methode übersteigt um eine bis zwei Größenordnungen die des klassischen Nachweises für BSE, z.B. durch die Western-Blot- Methode. Das Kreuzkorrelationssignal konnte bis zu einer Verdünnung um den Faktor 250000 noch beobachtet werden (Figur 4). Das entspricht einer Konzentration von Aggregaten, die geringer als picomolar ist. Messungen dieser Art waren sowohl bei Creutzfeldt-Jakob- als auch bei Alzheimer-Patienten erfolgreich (Figur 5).
In Kombination mit der oben aufgeführten Meßmethode ermöglicht das erfindungsgemäße Verfahren also den Nachweis extrem geringer Mengen von Aggregaten. Bei Erzielung einer ausreichenden Verstärkung der Bildung von Aggregaten durch das erfindungsgemäße Verfahren kann die Aggregatbildung jedoch auch durch die „klassischen" Nachweisverfahren, wie Western-Blot und/oder Assays für Proteaseresistenz nachgewiesen werden.
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform wird das erfindungsgemäße Verfahren eingesetzt, um zu bestimmen, ob und/oder in welcher Menge in einer Ausgangsprobe Proteinaggregate und/oder Proteinmonomere enthalten waren.
Das erfindungsgemäße Verfahren ist insbesondere als Diagnostikverfahren zur Bestimmung von Proteinaggregaten geeignet, bei dem mit einer Probe, die einem lebenden oder toten Organismus entnommen wurde, und die gegebenenfalls vorbehandelt wurde, die erfindungsgemäße Verstärkung von Proteinaggregaten durchgeführt wird und anschließend die gebildeten Aggregate
detektiert werden. Auf diese Art lässt sich ermitteln, ob bereits in der Ausgangsprobe Aggregate vorhanden waren, die zur Anlagerung weiterer Proteinuntereinheiten befähigt sind. Solche Aggregate in der Ausgangsprobe können nach dem erfindungsgemäßen Verfahren aufgrund der durchgeführten Verstärkung der Aggregatsbildung auch in extrem geringen Ausgangsmengen oder -konzentrationen nachgewiesen werden.
Das erfindungsgemäße Diagnostikverfahren eignet sich insbesondere zum Nachweis von Prionenerkrankungen, insbesondere BSE, Creutzfeldt-Jakob und Scrapie. Es ermöglicht jedoch auch eine diagnostisch Anwendung zur Erkennung weiterer Krankheiten, die durch die Bildung von Proteinaggregaten gekennzeichnet sind, wie die Alzheimer-, Parkinson- oder Huntingtonkrankheit.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann auch zur präparativen Darstellung von Proteinaggregaten aus Proteinuntereinheiten verwendet werde.
In einer bevorzugten Ausführungsform erfolgt die Detektion von PrPSc auch mit nicht-infektiösen Aggregaten.
Das erfindungsgemäße Verfahren wird bevorzugt an Proben von leicht zu entnehmenden Körperflüssigkeiten vom lebenden Organismus, insbesondere Blut, Lymphe, Sputum, Urin, Fett oder Rückenmarksflüssigkeit durchgeführt.
Hierein besteht ein großer Vorteil gegenüber den bekannten Diagnostikverfahren, z.B. für Creutzfeld-Jakob oder BSE, bei denen eine Diagnose erst nach der Entnahme von Gewebe, oft nur bei Entnahme von Gehirngewebe, möglich ist. Das erfindungsgemäße Verfahren kann daher schnell und preiswert anhand von Proben durchgeführt werden, die schon dem lebendem Organismus auf einfache Art und schmerzfrei entnommen werden können. Andererseits kann das erfindungsgemäße Verfahren gegebenenfalls natürlich auch anhand von Gewebeproben durchgeführt werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann außerdem, ähnlich wie das PCR- Verfahren zur Vermehrung von DNS, zeitgleich für eine Vielzahl von Proben durchgeführt werden, wie zum Beispiel nach dem Verfahren nach Ei- gen/Rigler/Henco (WO 9416313 A). Gegebenenfalls könnte auch ein Thermo-
cycler verwendet werden, und das Verfahren teilweise oder vollständig automatisiert werden. Außerdem besteht der Vorteil gegenüber bekannten Nachweisverfahren wie dem Western-Blot, dass man mit ungleich weniger Ausgangsmaterial auskommt.
Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es, dass durch eine Erzeugung von PrPSc in großen Mengen in vitro aus PrPc-Untereinheiten durch Beobachtung der Umwandlung die beiden Formen gut voneinander unterschieden werden können, insbesondere in Verbindung mit den beschriebenen Fluoreszenztechniken.
Denkbare Anwendungen des erfindungsgemäßen Verfahrens wären zum Beispiel routinemäßige Tests von Rindern auf BSE, vorteilhafterweise anhand von Blut- oder Speichelproben, oder von Patienten, bei denen der Verdacht auf eine neurodegenerative Störung besteht, auf eine Creutzfeld-Jakob- Erkrankung.
Ausführungsbeispiele:
Proteinaggreqatfraqmentierung
Zur Aggregatbildung wurde rekombinantes Prion Protein 29-231 (recPrP(29- 231)) in 10 mM Natrium-Phosphatpuffer (NaPi) pH 7,2 auf eine Proteinkonzentration von 100 ng/μl und 0,03% Natrium-Dodecylsulfat (SDS) eingestellt und über Nacht inkubiert. Die Ansätze wurden in einem Ultraschallgerät (B. Braun Biotech International; Labsonic ®U) mit Bechersonde (Labsonic ®U; 30T, 50 ml) dreimal oder dreißigmal für 0,9 s mit 300-450 Watt indirekt ultrabeschallt und mit eishaltigem Wasser gekühlt. Als Kontrolle diente eine identische Probe ohne Beschallung.
Die Ansätze wurden mittels eines Sedimentations-Geschwindigkeitslaufs in der analytischen Ultrazentrifuge (AUZ, Beckman Optima XL-A) bei 33.000 g und 20 °C untersucht. Die Läufe wurden in mit AUZ-Puffer (10 mM NaPi pH 7.2, 0.03% SDS, 50% D2O) befüliten „synthetic boundary" Doppelsektormittelstücken durchgeführt (zonale Sedimentation).
Es wurde festgestellt, dass sich der mittlere Sedimentationskoeffizϊent der Aggregate von etwa 70 Svedberg (S) auf etwa 40 S verringert und die Anzahl der Aggregate sich entsprechend erhöhte. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass bei höherer Anzahl der Pulse die Aggregatgröße wieder zunahm.
Durchführung einer Proteinaggregatamplifikation:
Herstellung der Proteinaggreqate als Keime:
Monomeres recPrP(90-231) aus Hamster wurde auf eine Proteinkonzentration von 20 ng/μl und eine SDS-Konzentration von 0,002% eingestellt. Die Ansätze wurden über Nacht bei Raumtemperatur inkubiert, so dass sich Aggregate bilden (K. Post, M. Pitschke, O. Schäfer, H. Wille, T. R. Appel, D. Kirsch, I. Mehlhorn, H. Serban, S.B. Prusiner & D. Riesner, „Rapid Acquisition of ß-sheet Structure in prion protein prior to multimer formation", Biol. Chem., Vol. 379, pp. 1307-1317, 1998).
Fluoreszenzmarkierunq von monomerem rec PrP:
Die Fluoreszenzmarkierung der PrP-Monomere wurde nach Anleitung für Ale- xaFluor® 633 (Molecular Probes) durchgeführt und über Nap-5-Säulen (Pharmacia Biotech) freier Farbstoff von markierten Proteinen getrennt.
Für die folgenden Aggregationsansätze wurden die markierten recPrP Monomere in einer Verdünnung eingesetzt, so dass bei den Messungen mit einem Fluoreszenz-Korrelations-Spektrometer (FCS) im Idealfall die mittlere Zahl Fluoreszenz-markierter Partikel im Beobachtungsvolumen bei 1 liegt. Der geeignete Anteil an fluoreszenzmarkierten Monomeren ist also abhängig von der jeweiligen Markierung.
Durchführung des Amplifikationsexperiments:
Anlagerung an vorhandene Keime
Für die Aggregationsansätze (Endvolumen 20 μl) wurden 10 μl der in 0.002% SDS vorinkubierten Aggregate mit recPrP Monomeren (10 mM NaPi pH 7.2, 0.2% SDS; Endkonzentration an recPrP Monomeren in 20 μl-Ansatz: 10 ng/μl)
und einem geeigneten Anteil an fluorenszenzmarkierten Proteinmonomeren versetzt (10 mM NaPi pH 7.2, 0.2% SDS). Die Ansätze wurden mit NaPi (10 mM) pH 7.2 auf 0.02% SDS eingestellt.
Als Kontrollen ohne Proteinkeim wurden die Ansätze auf eine recPrP Monomer- endkonzentration von 20 ng/μl eingestellt und mit einem geeignetem Anteil Fluoreszenz-markierter Proteinmonomere versetzt. Anschließend wurden die Ansätze mit NaPi (10 mM) pH 7.2 auf 0.02% SDS eingestellt.
Die Anlagerung fluoreszenzmarkierter Proteinmonomere an die Proteinkeime sowie die Kontrolle ohne Proteinkeim wurde im Fluoreszenz-Korrelations- Spektrometer (FCS; ConfoCor 2, Evotec) mit Beamscanner analysiert. Hierzu wurden jeweils aufeinanderfolgende einminütige Messungen durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mittels FIDA (fluorescence intensity distribution analysis). Alle Signale der Einzelmessungen, die über einem Schwellenwert liegen, wurden als Fluoreszenzbursts gewertet und aufsummiert. Der Schwellenwert' wurde aufgrund der Fluoreszenzintensitäten von markierten Proteinmonomerproben festgelegt. Der Mittelwert der Häufigkeiten von Fluoreszenzbursts wurde als Maß für die Amplifikation herangezogen.
Stoppen der Anlagerung
Nach 30minütiger Inkubationszeit wurden die Ansätze und Kontrollen bei 100.000g für 30 min. bei 25 °C in der Ultrazentrifuge (Beckman, Palo Alto, Optima TM TL, TLA-45-Rotor) zentrifugiert. Die Überstände wurden abgenommen und verworfen. Die Pellets wurden dem Fragmentierungsschritt zugeführt.
Fragmentierung
Die Pellets wurden mit recPrP Monomeren (10 mM NaPi pH 7.2, 0.2% SDS; Endkonzentration an recPrP Monomeren in 20 μl-Ansatz: 10 ng/μl) und einem geeigneten Anteil an fluorenszenzmarkierten Proteinmonomeren versetzt (10 mM NaPi pH 7.2, 0.2% SDS). Die Ansätze wurden mit NaPi (10 mM) pH 7.2 wieder auf 0.02% SDS eingestellt.
Anschließend erfolgte die Fragmentierung, der sich im ersten Zyklus neu gebildeten Keime durch indirekte Beschallung (3 Pulsen a 0.9 s, 300-450 Watt) in einer Bechersonde. weitere Anlagerung
Im Anschluss an die Fragmentierung wurde erneut die Anlagerung fluoreszenzmarkierter Proteinmonomere an die Keime im FCS mit Beamscanner analysiert und die Auswertung wie bereits oben beschrieben durchgeführt.
In Figur 6 ist die mittlere Häufigkeit der Fluoreszenzbursts nach keiminduzierter Anlagerung und spontaner Anlagerung, d.h. ohne Anwesenheit von Keimen, dargestellt. Bei der ersten Anlagerung ist eine deutliche Zunahme der mittleren Häufigkeit der Fluoreszenzbursts als Folge der Anwesenheit von Keimen zu sehen. Beim zweiten Anlagerungsschritt ist eine weitere deutliche Zunahme zu erkennen, während die Aggregatbildung in Abwesenheit von Proteinkeimen auch beim zweiten Anlagerungsschritt gering bleibt. Da die Proteinkeime nicht markiert sind, werden nur die neu entstandenen Aggregate de- tektiert.
Figuren:
Figur 1: Vermehrungskinetik
Der Reaktionsmechanismus der pathologischen Prionvermehrung. Ein polymerer PrPSc-Keim kann (Struktur am linken Ende des Schemas) folgende Reaktionen eingehen: Degradation D durch Inaktivierung (hohle Balkenstruktur); Aufbrechen B der Kette unter Ausbildung von Bruchstücken aller möglichen Längen; Elongation E der Bruchstücke durch Anlagerung von monomeren PrPc (rote Kreisscheibe) und dessen Umwandlung zu PrPSc (rotes Kästchen in der Endposition einer Kette. Die körpereigenen PrPc-Moleküle wurden durch den Metabolismus auf- (λ) bzw. abgebaut (δ). Die Endpositionen einer Kette mit mehr als drei Gliedern sind katalytisch aktiv für die Strukturumwandlung von PrPc in PrPSc (siehe Figur 2). Im unteren Teil der Figur ist das Schema der Reaktionsgeschwindigkeiten angegeben. Die terminalen Oligomere sind nach
ihrer Abspaltung unwirksam, liefern als solche aber keinen wesentlichen Beitrag zum Reaktionsgeschehen. Für alle Umsetzungen gelten spezifische Geschwindigkeitskonstanten. Das Reaktionsschema liefert dann folgende Terme für die Geschwindigkeit der Teilprozesse. Dabei bedeutet x die Konzentration an natürlichem PrPc, y die Gesamtzahl der Ketten und z die Gesamtzahl der darin enthaltenen PrPSc-Moleküle. Diese Terme lassen sich zu Differentialgleichungen für die zeitliche Änderung von y und z verbinden. Die Konzentration an natürlichen PrPSc-Molekülen kann im Fließgleichgewicht näherungsweise als konstant angenommen werden. (x0). Die Lösungen der Differentialgleichungen lauten:
V(t) = A2 e+ 2fc + Ai e'V z(t) = B2 e+k2' + Bx e'V
Sie bestehen jeweils aus einem Wachstums- und einem Abklingterm. Letzterer hat eine negative Zeitkonstante (-kj) und beschreibt die Einstellung eines Fließgleichgewichtes mit konstanter Längenverteilung der Ketten. Nach einer gewissen Zeit dominiert der Wachstumsterm. Die Auswertung dieser Gleichungen zeigt, warum sich infektiöse Prionen nur extrem langsam vermehren.
Figur 2: Vermehrung infektiöser Prionen
Schema der Vermehrung infektiöser Prion-Proteineinheiten. Die körpereigenen PrPc-Moleküle (rote Kreisscheiben) lagern sich an das Ende einer PrPSc-Kette an und werden in PrPSc-Moleküle umgewandelt. Das Schema zeigt, dass nur die Endpositionen einer Kette katalytisch aktiv sind, und dass als Folge einer Kettenspaltung (die die mittlere Länge der Ketten begrenzt) eine exponentielle Vermehrung der PrPSc-Moleküle erfolgt.
Figur 3: Fluoreszenzmarkierung von Antikörpern
Nachweis von pathologischen Prionen durch die SIFT-Methode (Scanning for Intensely Fluorescent Targets). Grundlage sind zwei verschiedene Arten von Antikörpern, die sich jeweils spezifisch an eine andere Stelle der PrP-Moleküle anlagern können. Sie tragen einen grünen oder roten Fluoreszenzfarbstoff als
„Etikett". Kommen die fluoreszenzmarkierten Antikörper mit den langkettigen PrPSc-Teilchen in Kontakt, heften sie sich an vielen Stellen daran (rechte Seite). Das langkettige Teilchen verrät sich also dadurch, dass es bei Anregung mit entsprechendem Laserlicht intensiv in beiden Farben leuchtet. Normale PrPSc-Moleküle, die keine Ketten bilden, liefern dagegen nur schwache Lichtblitze (links).
Figur 4: Empfindlichkeitsvergleich
Verdünnungsreihen mit stäbchenförmigen Prion-Aggregaten in Rückenmarksflüssigkeit wurden sowohl nach dem herkömmlichen Verfahren (Western-Blot) als auch mit der neuen SIFT-Methode analysiert. Mit der SIFT-Methode lassen sich noch erheblich geringere Konzentrationen nachweisen.
Figur 5: Prion-Nachweis in Rückenmarksflüssigkeit
Mit der SIFT-Methode gelang erstmals der Nachweis von pathologischen Prionen in der Rückenmarksflüssigkeit von Creutzfeldt-Jacob-Patienten, allerdings nur bei 5 von 24 Patienten. Bei den Kontrollpatienten lieferte keiner ein falsch positives Resultat.
Figur 6: Keiminduzierte Amplifikation am Beispiel von recPrP
Der Schwellenwert wurde auf 19 relative Fluoreszenzeinheiten festgelegt.