Wirkstoffkombination
Die vorliegende Erfindung betrifft eine Wirkstoffkombination aus dem Racemat des Tramadols und dem (+)-O-Desmethyltramadol, Arzneimittel enthaltend diese Wirkstoffkombination sowie die Verwendung dieser Wirkstoffkombination zur Herstellung eines Arzneimittels.
Der pharmazeutische Wirkstoff Tramadol wird üblicherweise in Form seines Racemates aus (+)-Tramadol - d.h. (1 R,2R)-2- [(dimethylamino)methyl]-1-(3-methoxyphenyl)-cyclohexanol und (-)-
Tramadol - d.h. (1S,2S)-2-[(dimethylamino)methyl]-1-(3-methoxyphenyl)- cyclohexanol - zur Bekämpfung von mittelstarken bis starken Schmerzen eingesetzt. Beim Überschreiten einer gewissen Schmerzintensität ist die analgetische Wirksamkeit des Tramadols für eine zufriedenstellende Schmerztherapie des Patienten allerdings häufig nicht mehr ausreichend.
Die analgetische Wirkung des Tramadols beruht auf einem komplizierten Zusammenspiel seiner Enantiomeren nach einem Mechanismus, der sowohl eine opioide als auch eine nicht-opioide Wirkkomponente umfaßt. Die opioide Wirkkomponente ist im wesentlichen auf den Metaboliten des (+)-Tramadols, das (+)-O-Desmethyltramadol, zurückzuführen.
Die Menge dieses im Körper für die Schmerzbekämpfung zur Verfügung stehenden Metaboliten ist aber durch die Geschwindigkeit der metabolischen Aktivierung von (+)-Tramadol durch das Enzym CYP2D6 begrenzt. Über dieses Enzym, welches im Körper nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, erfolgt auch die metabolische Aktivierung von (-)- Tramadol.
Eine Erhöhung des (+)-θ-Desmethyltramadol-Wirkstoffspiegels im Körper des Patienten und somit auch eine verbesserte analgetische Wirksamkeit des Tramadols ab einer gewissen Schmerzgrenze ist daher über eine weitere Erhöhung der Dosis von racemischem Tramadol nicht in ausreichendem Maße zu erreichen.
Desweiteren bringt jede Erhöhung der Dosis eine Vergrößerung der Gefahr des Auftretens unerwünschter Begleiterscheinungen, wie beispielsweise Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Mundtrockenheit, Schwindel, Krämpfe oder Benommenheit mit sich.
Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es daher, ein Arzneimittel auf Basis von Tramadol zur Verfügung zu stellen, das auch geeignet ist, starke bis sehr starke Schmerzen vollständig zu unterdrücken oder zumindest deutlich zu lindern.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch die Bereitstellung einer Wirkstoffkombination aus dem Racemat des Tramadols und dem (+)-O-Desmethyltramadol gelöst.
Die Herstellung und gegebenenfalls die Aufreinigung und/oder Isolierung des (+)-O-Desmethyltramadols kann nach üblichen, dem Fachmann bekannten Methoden erfolgen, wie z.B. in der EP 0 786 450 B1 beschrieben. Dieses Dokument wird hiermit als Referenz eingeführt und gilt somit als Teil der Offenbarung. Das Racemat des Tramadols ist allgemein am Markt erhältlich.
Die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination kann auch wenigstens eine der beiden Wirkstoffkomponenten, das Racemat bzw. den Metaboliten, in Form wenigstens eines entsprechenden physiologisch verträglichen Salzes enthalten.
Vorzugsweise sind diese physiologisch verträglichen Salze ausgewählt aus der Gruppe Chlorid, Bromid, Sulfat, Sulfonat, Phosphat, Tartrat, Teoclat, Embonat, Formiat, Acetat, Propionat, Benzoat, Oxalat, Succinat, Citrat, Diclofenacat, Naproxenat, Salicylat, Acetylsalicylat, Glutamat, Fumarat, Aspartat, Glutarat, Stearat, Butyrat, Malonat, Lactat, Mesylat,
Saccharinat, Cyclamat und Acesulfamat, besonders bevorzugt aus der
Gruppe Chlorid, Sulfat, Saccharinat, Teoclat, Embonat, Diclofenacat,
Naproxenat und Salicylat. Ganz besonders bevorzugt liegt als Salz der jeweiligen Wirkstoffkomponente(n) das entsprechende Chlorid vor.
Die physiologisch verträglichen Salze bzw. Säureadditionssalze lassen sich nach üblichen, dem Fachmann bekannten Methoden, beispielsweise durch die Umsetzung des Tramadol-Racemates oder des (+)-O- Desmethyltramadols mit der entsprechenden Säure, vorzugsweise in wäßriger Lösung, erhalten.
Vorzugsweise enthält die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination 10 bis 95 Gew.-%, besonders bevorzugt 25 bis 90 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt 40 bis 60 Gew.-% des (+)-O-Desmethyltramadols, wobei diese Mengen jeweils als freier Wirkstoff und nicht als Wirkstoffsalz berechnet sind. Der Rest der Wirkstoffkombination ist jeweils das Racemat des Tramadols.
Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung sind Arzneimittel enthaltend die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination sowie gegebenenfalls physiologisch verträgliche Hilfsstoffe.
Vorzugsweise werden diese Arzneimittel zur Bekämpfung von Schmerzen oder zur Behandlung von Diarrhöe eingesetzt. Besonders bevorzugt werden die erfindungsgemäßen Arzneimittel zur Bekämpfung von starken bis sehr starken akuten oder chronischen Schmerzen eingesetzt.
Vorzugsweise eignet sich das erfindungsgemäße Arzneimittel zur parenteralen oder oralen, besonders bevorzugt zur oralen Applikation. Unter oral applizierbaren Arzneimitteln werden dabei sowohl Arzneimittel verstanden, die im Mundbereich resorbiert werden, als auch solche, die über den Mund eingenommen, aber erst im Magen-Darm-Trakt resorbiert werden.
In einer bevorzugten Formulierungsform liegt das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Tabletten, Kautabletten, Mehrschichttabletten, Kaugummis, oralen Gelen, Dragees, Kapseln, Suppositorien, leicht rekonstituierbaren Trockenzubereitungen, Tropfen, Säften, Sirupen, transmucosalen therapeutischen Systemen, transdermalen
therapeutischen Systemen, Lösungen, insbesondere Injektionslösungen oder Infusionslösungen, Emulsionen, Suspensionen oder Sprays vor. Besonders bevorzugt liegt das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Tropfen, Tabletten, Kapseln, Injektionslösungen oder Infusionslösungen vor.
Ebenfalls bevorzugt kann das erfindungsgemäße Arzneimittel das racemische Tramadol und das (+)-O-Desmethyltramadol gemeinsam oder separiert voneinander in Untereinheiten formuliert enthalten.
Untereinheiten im Sinne der vorliegenden Erfindung sind feste Formulierungen, die jeweils nur einen Teil der pro Gabe zu applizierenden Gesamtmenge des (der) Wirkstoffs(e) sowie ggf. physiologisch verträgliche Hilfsstoffe enthalten.
Sofern die beiden Wirkstoffkomponenten in diesen Untereinheiten separiert voneinander formuliert vorliegen, sind die Untereinheiten bevorzugt verschiedene Schichten einer Mehrschichttablette, besonders bevorzugt jeweils eine Schicht einer Zweischichttablette.
Ebenfalls bevorzugt können die Untereinheiten auch in multipartikulärer Form vorliegen, vorzugsweise in Form von Mikrotabletten, Mikrokapseln, Granulaten, Wirkstoffkristallen oder Pellets. Besonders bevorzugt liegen die multipartikulären Untereinheiten des erfindungsgemäßen Arzneimittels in Form von Mikrotabletten, Granulaten oder Pellets vor.
Die multipartikulären Formen können gegebenenfalls auch in Kapseln oder Sachets abgefüllt, zu Tabletten verpreßt oder in hydrophiler oder lipophiler Flüssigkeit suspendiert, vorliegen.
Sofern es sich bei den multipartikulären Untereinheiten um Granulate oder Pellets handelt, weisen diese vorzugsweise eine Größe im Bereich von 0,1 bis 3 mm, besonders bevorzugt im Bereich von 0,5 bis 2 mm auf.
Liegen die multipartikulären Untereinheiten in Form von Mikrotabletten vor, haben diese vorzugsweise einen Durchmesser von 0,5 bis 5 mm, besonders bevorzugt 1 bis 3 mm und ganz besonders bevorzugt von 1 bis 2 mm.
Handelt es sich bei den multipartikulären Untereinheiten um Wirkstoffkristalle oder Mikrokapseln, so weisen diese bevorzugt einen Durchmesser von 10 μm bis 1 mm, besonders bevorzugt von 15 μm bis 0,5 mm auf. Ganz besonders bevorzugt beträgt der Durchmesser 30 μm bis 200 μm.
Das erfindungsgemäße Arzneimittel kann außerdem je nach Ausführungsform als weitere Bestandteile die üblichen, dem Fachmann bekannten physiologisch verträglichen Hilfsstoffe enthalten.
Sofern das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Tabletten, Mehrschichttabletten oder Mikrotabletten vorliegt, können diese als weitere physiologisch verträgliche Hilfsstoffe vorzugsweise mikrokristalline Cellulose, Celluloseether, Lactose, Stärke, Stärkederivate, Zuckeralkohole oder Caiciumhydrogenphosphat sowie weitere übliche, dem Fachmann bekannte Bindemittel, Fließregulationsmittel und/oder Gleitmittel und gegebenenfalls Sprengmittel enthalten.
Liegt das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Pellets oder Granulaten vor, können diese als weitere physiologisch verträgliche Hilfsstoffe bevorzugt mikrokristalline Cellulose, Celluloseether, Lactose, Stärke, Stärkederivate, Zuckeralkohole, Caiciumhydrogenphosphat, Fettalkohole, Ester des Glycerins und/oder Fettsäureester enthalten.
Liegt das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Mikrokapseln vor, so können diese je nach Art des zu ihrer Herstellung eingesetzten Verfahrens die üblichen, dem Fachmann bekannten physiologisch verträglichen Hilfsstoffe enthalten.
Liegt das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form einer Lösung vor, so kann diese neben dem physiologisch verträglichen Lösungsmittel bzw. Lösungsmittelgemisch weitere übliche, dem Fachmann bekannte physiologisch verträgliche Hilfsstoffe, wie z.B. pH-Regulatoren, Regulatoren zur Einstellung der Osmolalität, grenzflächenaktive
Verbindungen, Viskositätsregulatoren, Puffer oder Konservierungsmittel enthalten.
Die Herstellung der verschiedenen Formulierungsformen des erfindungsgemäßen Arzneimittels kann nach verschiedenen, dem Fachmann bekannten Methoden erfolgen.
Sofern das erfindungsgemäße Arzneimittel in Form von Tabletten vorliegt, können diese beispielsweise durch das Verpressen mittels Feucht-, Trocken- oder Schmelzgranulation hergestellter Granulate oder durch direkte Tablettierung der jeweiligen Wirkstoffkomponente(n), gegebenenfalls mit weitereren physiologisch verträglichen Hilfsstoffen hergestellt werden. Desweiteren können die Tabletten auch durch Verpressen von ggf. überzogenen Pellets, Wirkstoffkristallen oder Mikrokapseln hergestellt werden.
Die Untereinheiten in Form von Pellets können bevorzugt durch Extrusion und Spheronisation, durch Aufbaupelletisierung oder durch Direktpelletisierung in einem hochtourigen Mischer oder in der Rotorwirbelschicht hergestellt werden. Besonders bevorzugt ist die Herstellung der Pellets durch Extrusion feuchter Massen und anschließender Spheronisation.
Die Herstellung von Mikrokapseln erfolgt nach üblichen Mikroverkapselungsverfahren, wie z.B. durch Sprühtrocknung, Sprüherstarrung oder Koazervation.
Das erfindungsgemäße Arzneimittel kann auch wenigstens eine der Wirkstoffkomponenten in Untereinheiten enthalten, die mit einem Überzug enthaltend dieselbe und/oder die jeweils andere Wirkstoffkomponente ausgerüstet sind. In einer bevorzugten Ausführungsform enthalten die Untereinheiten das Racemat des Tramadols und der Wirkstoff-haltige Überzug das (+)-O-Desmethyltramadol.
Neben einem Wirkstoff-haltigen Überzug können die Untereinheiten gegebenenfalls noch mindestens einen weiteren Überzug, vorzugsweise einen nicht retardierenden Überzug aufweisen, der als Trennschicht direkt auf der Oberfläche der Untereinheiten aufgebracht ist.
In einerweiteren bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung enthält das erfindungsgemäße Arzneimittel wenigstens eine der Wirkstoffkomponenten des Tramadols in retardierter Form. Vorzugsweise enthält das erfindungsgemäße Arzneimittel das Racemat des Tramadols in retardierter Form.
Die Retardierung der jeweiligen Wirkstoffkomponente basiert vorzugsweise auf einem retardierenden Überzug, auf der Einbettung in eine retardierende Matrix, der Anbindung an ein lonenaustauscherharz oder auf einer Kombination dieser vorstehend genannten Retardierungsmethoden.
Bevorzugt basiert der retardierende Überzug auf einem wasserunlöslichen, gegebenenfalls modifizierten natürlichen oder synthetischen Polymeren oder auf einem natürlichen, halbsynthetischen oder synthetischen Wachs oder Fett oder Fettalkohol oder einem Gemisch aus wenigstens zwei dieser vorstehend genannten Komponenten.
Als wasserunlösliche Polymere werden zur Herstellung eines retardierenden Überzugs vorzugsweise Poly(meth)acrylate, besonders bevorzugt Poly(C1-4)-alkyl(meth)acrylate, Poly(Cι-4)-dialkylamino-(Cι-4)- alkyl(meth)acrylate und/oder deren Copolymere, ganz besonders bevorzugt Ethylacrylat/Methylmethacrylat-Copolymere mit einem molaren Verhältnis der Monomeren von 2 : 1,
Ethylacrylat/Methylmethacrylat/Trimethylammoniumethylmethacrylat- chlorid-Copolymere mit einem molaren Verhältnis der Monomeren von 1 : 2 : 0,1 , Ethylacrylat/Methylmethacrylat Trimethylammoniumethyl- methacrylatchlorid-Copolymere mit einem molaren Verhältnis der
Monomeren von 1 : 2 : 0,2 oder ein Gemisch aus wenigstens zwei dieser vorstehend genannten Polymeren als Überzugsmaterial eingesetzt. Diese Überzugsmaterialien sind als 30 Gew.%-ige wäßrige Latexdispersionen unter den Bezeichnungen Eudragit RS30D®, Eudragit NE30D® bzw. Eudragit RL30D® am Markt erhältlich und werden als solche auch als Überzugsmaterial bevorzugt eingesetzt.
Ebenfalls bevorzugt können als wasserunlösliche Polymere zur Herstellung des retardierenden Überzugs in dem erfindungsgemäßen Arzneimittel Polyvinylacetate ggf. in Kombination mit weiteren Hilfstoffen eingesetzt werden. Diese sind als wäßrige Dispersion enthaltend 27 Gew.- % Polyvinylacetat, 2,5 Gew.-% Povidon und 0,3 Gew.-% Natriumlaurylsulfat (Kollicoat SR 30 D®) am Markt erhältlich.
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform basieren die retardierenden Überzüge der erfindungsgemäßen Arzneimittel auf wasserunlöslichen Cellulosederivaten, vorzugsweise Alkylcellulosen, wie z.B. Ethylcellulose, oder auf Celluloseestern, wie z.B. Celluloseacetat als Überzugsmaterial. Die Überzüge aus Ethylcellulose oder Celluloseacetat werden bevorzugt aus wäßriger Pseudolatexdispersion aufgebracht.
Wäßrige Ethylcellulose-Pseudolatexdispersionen werden als 30 Gew.%- ige Dispersionen (Aquacoat®) oder als 25 Gew.%-ige Dispersionen
(Surelease®) am Markt geführt und werden als solche auch bevorzugt als
Überzugsmaterial eingesetzt
Als natürliche, halbsynthetische oder synthetische Wachse, Fette bzw. Fettalkohole kann der retardierende Überzug in dem erfindungsgemäßen Arzneimittel, vorzugsweise Camaubawachs, Bienenwachs, Glycerinmonostearat, Glycerinmonobehenat (Compritol ATO888®), Glycerinditripalmitostearat (Precirol ATO5®), mikrokristallines Wachs, Cetylalkohol, Cetylstearylalkohol oder ein Gemisch aus wenigstens zwei dieser Komponenten aufweisen.
Sofern der retardierende Überzug auf einem wasserunlöslichen, gegebenenfalls modifizierten natürlichen und/oder synthetischen
Polymeren basiert, kann die Überzugsdispersion oder Lösung neben dem entsprechendem Polymer einen üblichen, dem Fachmann bekannten, physiologisch verträglichen Weichmacher aufweisen, um die notwendige Mindestfilmtemperatur zu senken.
Geeignete Weichmacher sind beispielsweise lipophile Diester aus einer aliphatischen oder aromatischen Dicarbonsäure mit C6-C40 und einem aliphatischen Alkohol mit C-j-Cβ, wie z.B. Dibutylphthalat, Diethylphthalat, Dibutylsebacat oder Diethylsebacat, hydrophile oder lipophile Ester der Zitronensäure, wie z.B. Triethylcitrat, Tributylcitrat, Acetyltributylcitrat oder Acetyltriethylcitrat, Polyalkylenglykole, wie z.B. Polyethylenglykole oder Propylenglykole, Ester des Glycerins, wie z.B. Triacetin, Myvacet® (acetylierte Mono- und Diglyceride, C23H44O5 bis C25H O7), mittelkettige Triglyceride (Miglyol®), Ölsäure oder Gemische aus wenigstens zwei der vorstehend genannten Weichmacher.
Vorzugsweise enthalten wäßrige Dispersionen von Eudragit RS® und gegebenenfalls Eudragit RL® Triethylcitrat als Weichmacher.
Vorzugsweise enthält der retardierende Überzug den/die Weichmacher in Mengen von 5 bis 50 Gew-%., besonders bevorzugt 10 bis 40 Gew.-% und ganz besonders bevorzugt 10 bis 30 Gew-%, bezogen auf die Menge des eingesetzten Polymeren.
In Einzelfällen, beispielsweise für Celluloseacetat können auch höhere Mengen an Weichmachern, vorzugsweise bis zu 110 Gew.-%, bezogen auf die Menge Celluloseacetat, eingesetzt werden.
Desweiteren kann der retardierende Überzug weitere übliche, dem
Fachmann bekannte Hilfsstoffe, wie z.B. Gleitmittel, vorzugsweise Talkum oder Glycerinmonostearat, Farbpigmente, vorzugsweise Eisenoxide oder Titandioxid, oder Tenside, wie z.B. Tween 80® aufweisen.
Das Freisetzungsprofil der retardierten Wirkstoffkomponente(n) kann durch die üblichen, dem Fachmann bekannten Methoden, wie z.B. durch die Dicke des Überzugs oder durch den Einsatz weiterer Hilfsstoffe als Bestandteile des Überzugs eingestellt werden. Geeignete Hilfsstoffe sind beispielsweise hydrophile oder pH-abhängige Porenbildner, wie z.B. Natrium-Carboxymethylcellulose, Celluloseacetatphthalat,
Hydroxypropylmethylcelluloseacetatsuccinat, Lactose, Polyethylenglykol oder Mannitol oder wasserlösliche Polymere, wie z.B. Polyvinylpyrrolidon oder wasserlösliche Cellulosen, vorzugsweise Hydroxypropylmethylcellulose oder Hydroxypropylcellulose.
Der retardierende Überzug kann auch unlösliche bzw. lipophile Hilfsstoffe, wie z.B. alkylisiertes Silictumdioxid, das z.B. als Aerosil R972® am Markt geführt wird, oder Magnesiumstearat zur weiteren Verstärkung der Retardierung enthalten.
Die jeweilige Formulierung des erfindungsgemäßen Arzneimittels kann ggf. neben dem retardierenden Überzug auch mindestens einen weiteren Überzug aufweisen. Dies kann beispielsweise ein Überzug zur Geschmacksverbesserung oder ein magensaftresistenter Überzug sein, der sich pH-abhängig auflöst. Durch diesen magensaftresistenten
Überzug kann erreicht werden, daß die entsprechende Formulierung des erfindungsgemäßen Arzneimittels den Magentrakt unaufgelöst passiert und die Wirkstoffkomponenten erst im Darmtrakt zur Freisetzung
gelangen. Vorzugsweise löst sich der magensaftresistente Überzug bei einem pH-Wert zwischen 5 und 7,5 auf.
Der magensaftresistente Überzug basiert vorzugsweise auf Methacrylsäure/Methylmethacrylat-Copolymeren mit einem molaren Verhältnis der jeweiligen Monomeren von 1 : 1 (Eudragit L®), Methacrylsäure/Methylmethacrylat-Copolymeren mit einem molaren Verhältnis der jeweiligen Monomeren von 1 : 2 (Eudragit S®), Methacrylsäure/Ethylacrylat-Copolymeren mit einem molaren Verhältnis der jeweiligen Monomeren von 1 : 1 (Eudragit L30D-55®)
Methacrylsäure/Methylacrylat/Methylmethacrylat-Copolymeren mit einem molaren Verhältnis der jeweiligen Monomeren von 7 : 3 : 1 (Eudragit FS®), Schellack Hydroxypropylmethylcelluloseacetatsuccinat, Celluloseacetatphthalat oder einer Mischung aus wenigstens zwei dieser vorstehend genannten Komponenten, die ggf. auch in Kombination mit den vorstehend genannten wasserunlöslichen Poly(meth)acrylaten, vorzugsweise in Kombination mit Eudragit NE30D® und/oder Eudragit RL® und/oder Eudragit RS® eingesetzt werden können.
Die Überzüge können nach üblichen, für den jeweiligen Überzug geeigneten, dem Fachmann bekannten Verfahren, wie z.B. durch Aufsprühen von Lösungen, Dispersionen oder Suspensionen, durch Schmelzverfahren oder durch Pulverauftragsverfahren aufgebracht werden. Die Lösungen, Dispersionen oder Suspensionen können in Form von wäßrigen und/oder organischen Lösungen oder Dispersionen eingesetzt werden. Dabei werden wäßrige Dispersionen bevorzugt eingesetzt. Als organische Lösungsmittel können bevorzugt Alkohole, beispielsweise Ethanol oder Isopropanol, Ketone, wie z.B. Aceton, Ester, beispielsweise Ethylacetat, chlorierte Kohlenwasserstoffe, wie z.B. Dichlormethan verwendet werden, wobei Alkohole oder Ketone besonders bevorzugt eingesetzt werden. Es ist auch möglich Mischungen aus wenigstens zwei der vorstehend genannten Lösungsmittel einzusetzen.
Sofern das Arzneimittel in multipartikulärer Form und wenigstens eine Wirkstoffkomponente retardiert vorliegt, wird der retardierende Überzug vorzugsweise so aufgebracht, daß man die multipartikulären Formen enthaltend die jeweilige Wirkstoffkomponente(n) nach ihrer Herstellung mit den jeweiligen Polymeren und ggf. der anderen und/oder derselben Wirkstoffkomponente und gegebenenfalls weiteren physiologisch verträglichen Hilfsstoffen aus wässrigen und/oder organischen Medien, vorzugsweise aus wässrigen Medien, mit Hilfe des Wirbelschichtverfahrens überzieht und den Überzug vorzugsweise gleichzeitig bei üblichen Temperaturen in der Wirbelschicht trocknet und ggf. wenn nötig tempert.
Vorzugsweise erfolgt die Trocknung des Überzuges für Poly(meth)acrylatüberzüge bei einer Zulufttemperatur im Bereich von 30 bis 50 °C, besonders bevorzugt im Bereich von 35 bis 45 °C.
Für Überzüge auf Cellulosebasis, wie z.B. Ethylcellulose oder Celluloseacetat, erfolgt die Trocknung bevorzugt bei einer Temperatur im Bereich von 50 bis 80 °C, besonders bevorzugt im Bereich von 55 bis 65 °C.
Wachsüberzüge können durch Schmelzüberziehen in der Wirbelschicht aufgebracht werden und bei Temperaturen unterhalb des jeweiligen Schmelzbereiches nach dem Überziehen zur vollständigen Verfestigung abgekühlt werden. Das Aufbringen von Wachsüberzügen kann auch durch Aufsprühen von deren Lösungen in organischen Lösungsmitteln erfolgen.
Zur Modifizierung des Wirkstoff-Freisetzungsprofils kann das erfindungsgemäße Arzneimittel die zu retardierende Wirkstoffkomponente auch in einer retardierenden Matrix, vorzugsweise gleichmäßig verteilt, enthalten.
Als Matrixmaterialien können physiologisch verträgliche, hydrophile Materialien verwendet werden, welche dem Fachmann bekannt sind. Vorzugsweise werden als hydrophile Matrixmaterialien Polymere, besonders bevorzugt Celluloseether, Celluloseester und/oder Acrylharze verwendet. Ganz besonders bevorzugt werden als Matrixmaterialien Ethylcellulose, Hydroxypropylmethylcellulose, Hydroxypropylcellulose, Hydroxymethylcellulose, Poly(meth)acrylsäure und/oder deren Derivate, wie z.B. deren Salze, Amide oder Ester eingesetzt.
Ebenfalls bevorzugt sind Matrixmaterialien aus hydrophoben Materialien, wie hydrophoben Polymeren, Wachsen, Fetten, langkettigen Fettsäuren, Fettalkoholen oder entsprechenden Estern oder Ethern oder Gemische aus wenigstens zwei der vorstehend genannten Materialien. Besonders bevorzugt werden als hydrophobe Materialien Mono- oder Diglyceride von Cι2-C30-Fettsäuren und/oder Cι2-C30-Fettalkohole und/oder Wachse oder Gemische aus wenigstens zwei der vorstehend genannten Materialien eingesetzt.
Es ist auch möglich, Mischungen der vorstehend genannten hydrophilen und hydrophoben Materialien als retardierendes Matrixmaterial einzusetzen.
Die Herstellung der retardierenden Matrix kann nach den üblichen, dem Fachmann bekannten Methoden erfolgen.
Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist auch die Verwendung der erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination zur Herstellung eines Arzneimittels, vorzugsweise zur Herstellung eines Arzneimittels zur Bekämpfung von Schmerzen oder zur Behandlung Diarrhöe. Besonders bevorzugt wird die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination zur
Herstellung eines Arzneimittels zur Bekämpfung von starken bis sehr starken akuten oder chronischen Schmerzen eingesetzt.
Die an den Patienten zu verabreichende Gesamtmenge des Tramadolwirkstoffes variiert z.B. in Abhängigkeit vom Gewicht des Patienten, von der Indikation sowie dem Schweregrad der Schmerzen bzw. der Erkrankung. Vorzugsweise wird die zu verabreichende Gesamtmenge des Wirkstoffes sowie die Freisetzung so eingestellt, daß eine Gabe des Arzneimittels höchstens zweimal, vorzugsweise nur einmal täglich erfolgen muß.
Die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination hat den Vorteil, daß sie die zufriedenstellende Bekämpfung starker bis sehr starker Schmerzen ermöglicht, wobei die Häufigkeit oder die Stärke ggf. auftretender unerwünschter Begleiterscheinungen des Tramadols, wie z.B. Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Mundtrockenheit, Schwindel, Krämpfe oder Benommenheit höchstens geringfügig zunimmt.
Der aktive Metabolit (+)-O-Desmethyltramadol steht üblicherweise unmittelbar nach der Applikation der Wirkstoffkombination an den Patienten für die Schmerzbekämpfung zur Verfügung, so daß insbesondere auch starke bis sehr starke akute Schmerzen hervorragend und effizient und mit schnellem Wirkungseintritt bekämpft werden können.
Bei der Bekämpfung mittlerer und starker Schmerzen kann die an den Patienten zu verabreichende Gesamtdosis an Tramadolwirkstoff gegenüber herkömmlichen Tramadolformulierungen, welche üblicherweise ausschließlich racemisches Tramadol enthalten, reduziert werden, ohne daß hierdurch die analgetische Wirksamkeit des Tramadols vermindert wird. Dies hat den Vorteil, daß die ggf. auftretenden unerwünschten Begleiterscheinungen des Tramadols seltener oder in deutlich abgeschwächter Form auftreten.
Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination besteht darin, daß eine ausgezeichnete analgetische Wirksamkeit auch bei solchen Patienten erzielt wird, die aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht in der Lage sind, den Metaboliten (+)-O-Desmethyltramadol aus dem Tramadol-Racemat zu bilden (sogenannte "poor metabolizer").
Pharmakologische Untersuchungen:
Die analgetische Wirksamkeit von Lösungen enthaltend die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination sowie von Vergleichslösungen wurde im Brennstrahl-Test (Tail-Flick-Test) an der Maus untersucht, wie in D'Amour and Smith, J. Pharm. Exp. Ther. Band 72, Seiten 74-79, 1941 beschrieben. Das entsprechende Dokument wird hiermit als Referenz eingeführt und gilt somit als Teil der Offenbarung. Für diese Untersuchungen wurden NMR I Mäuse mit einem Gewicht von 25 bis 30 g eingesetzt.
Zur Untersuchung der analgetischen Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination aus racemischem Tramadol und (+)-O- Desmethyltramadol wurde eine Mischung dieser Wirkstoffkomponenten im Gewichtsverhältnis von 1 :1 hergestellt. Diese Mischung wurde in jeweils steigender Gesamtdosierung in 0,9 %iger Kochsalzlösung gelöst.
Zur Herstellung von Vergleichslösungen wurde jeweils nur racemisches Tramadol bzw. nur (+)-O-Desmethyltramadol in jeweils steigender Gesamtdosierung in 0,9 %iger Kochsalzlösung gelöst.
Die Mäuse wurden jeweils einzeln in einen Testkäfig gesetzt und die
Schwanzbasis dem fokussierten Wärmestrahl einer elektrischen Lampe (Tail-flick-Typ 50/08/1.bc, Labtec, Dr. Hess) ausgesetzt. Die
Lampenintensität wurde so eingestellt, daß die Zeit vom Einschalten der
Lampe bis zum plötzlichen Wegzucken des Schwanzes (Schmerzlatenz) bei unbehandelten Mäusen 3 bis 5 Sekunden betrug. Vor der Applikation der Lösungen enthaltend die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination
bzw. der jeweiligen Vergleichslösungen wurden die Mäuse innerhalb von fünf Minuten zweimal vorgetestet und der Mittelwert dieser Messungen als Vortestmittelwert berechnet.
Die Lösungen der erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination sowie die Vergleichslösungen wurden dann intravenös appliziert. Die Schmerzmessung wurde jeweils 10, 20, 40 und 60 Minuten nach der intravenösen Applikation durchgeführt. Die analgetische Wirkung wurde als Zunahme der Schmerzlatenz (% des maximal möglichen antinociceptiven Effektes) nach der folgenden Formel bestimmt:
[(T To)/(T2-To)] x 100
Hierbei ist die Zeit To die Latenzzeit vor der Applikation, die Zeit Ti die Latenzzeit nach der Applikation der Wirkstoffkombination und die Zeit T2 die maximale Expositionsdauer (12 Sekunden).
Die jeweiligen Dosierungen für die Lösungen enthaltend die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination sowie der Vergleichslösungen enthaltend jeweils nur racemisches Tramadol oder nur (+)-0-
Desmethyltramadol sowie die analgetische Wirkung (ausgedrückt in % des maximal möglichen antinociceptiven Effektes, % MPE) sind in der nachfolgenden Tabelle 1 wiedergegeben:
Tabelle 1 :
Aus der Zunahme der Schmerzlatenz zum Vorwert ohne Wirkstoffverabreichung wurden mittels Regressionsanalyse (Auswerteprogramm: Martens EDV Service Eckental) die EDso-Werte für die Tail-flick Reaktion der Lösungen enthaltend die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination bzw. der Vergleichslösungen enthaltend jeweils nur racemisches Tramadol oder jeweils nur (+)-O-Desmethyltramadol bestimmt. Die so ermittelten EDso-Werte sind in der nachfolgenden Tabelle 2 wiedergegeben.
Tabelle 2:
Ein Vergleich der EDso-Werte zeigt, daß die analgetische Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Wirkstoffkombination gegenüber der alleinigen Applikation von racemischem Tramadol deutlich verbessert ist. Im Vergleich zu reinem (+)-O-Desmethyltramadol zeigt die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination eine nahezu gleich starke analgetische Wirksamkeit.
Ferner wurden in einer isobolographischen Analyse die EDso-Werte für die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination mit jeweils unterschiedlichen Gewichtsanteilen von racemischem Tramadol und (+)-O- Desmethyltramadol berechnet. Hierbei wurde eine Additivität der analgetischen Wirksamkeiten der einzelnen Wirkstoffkomponenten angenommen.
Die isobolographische Analyse ist beispielsweise in Tallarida et al, Life Sei., Band 45, Seiten 947 bis 961 , 1989 beschrieben. Das entsprechende Dokument wird hiermit als Referenz eingeführt und gilt somit als Teil der Offenbarung.
Die jeweiligen Gewichtsanteile von racemischem Tramadol und (+)-O- Desmethyltramadol sowie die berechneten EDso-Werte sind in der nachfolgenden Tabelle 3 wiedergegeben:
Tabelle 3:
Ein Vergleich von experimentell ermittelten und berechnetem EDso-Wert zeigt für die erfindungsgemäße Wirkstoffkombination, die das Racemat des Tramadols und das (+)-O-Desmethyltramadol im Gewichtsverhältnis von 1 :1 enthält, eine synergistische Wechselwirkung dieser beiden Wirkstoffkomponenten.