Transfektionskomplexe (TransoPlex) mit reduzierter Toxizität, hoher physikalischer Stabilität und hoher Transfektionseffizienz sowie Verfahren zu ihrer Herstellung
Die Erfindung betrifft neue Komplexe zur Transfektion die durch Zusammenlagerung von zu transfizierendem Material mit oberflächenmodifizierten Partikeln aus bei Raumzustand festen Lipiden oder aus Lipidmischungen aus bei Raumtemperatur festen Lipiden mit bei Raumtemperatur halbfesten oder flüssigen Lipiden hergestellt werden.
In der rekombinanten Gentechnologie und in der Gentherapie führt man Erbinformation (z.B. Polynukleotide) effizienter in Zellen ein, wenn man sie in einen Träger einarbeitet oder an ihn bindet.
Für solche Zwecks eingesetzte Trägersysteme sind beispielsweise:
1. Viren
2. Adenoviren
3. Liposomen
4. Polymerpartikel
5. Makromoleküle
Ein Vorteil von Viren ist die hohe Effektivität, da die Infektiö- sität von Viren ja gerade darauf beruht, virale DNA in Zellen einzuschleusen. Die Erbinformation wird zwar in das eukaryon- tische Genom integriert, jedoch besteht dabei die Gefahr einer Mutation durch Integration des Gens in das Genom. Zusätzlich bedeutet die Verwendung von Viren ein hohes Sicherheitsrisiko für den Patienten.
Ein Vorteil von Adenoviren ist wiederum die hohe Effektivität. Ein Nachteil ist jedoch, daß sie nicht in das eukaryontische Genom integriert werden sondern als extrachromosomale DNA im Zellkern vorliegen, so daß nur eine transiente Transfektion stattfindet. Dies erfordert eine wiederholte Applikation des viralen Gentransfersystems über die gesamte Dauer der Erkrankung, d.h. in der Regel lebenslang, da nicht ursächlich einmal abschließend therapiert wird.
Nichtvirale InfektionsSysteme wie Liposomen haben den Vorteil, daß sie die Gefahren viraler Systeme vermeiden. Sie haben jedoch den Nachteil, daß die Transfektionseffizienz deutlich geringer ist. Zusätzlich gibt es bei Liposomen - wie bereits bekannt von liposomalen Arzneimitteln - Probleme mit der physikalischen Stabilität. Zusätzlich sind sie relativ teuer. "Billige" Liposomen für pharmazeutische Zwecke gibt es noch nicht.
Polymerpartikel werden intensiv untersucht, haben bisher aus diversen Gründen nicht den Weg zum Markt gefunden. Viele der eingesetzten Polymere sind toxikologisch problematisch und sind von den zuständigen Behörden daher nicht zugelassen worden. So
setzen beispielsweise Polyalkylcyanoacrylate beim Abbau in vivo potentiell kanzerogenes Formaldehyd frei, Polymethacrylate haben eine zu lange Abbauzeit (Jahre) . Auch für in vivo als Implantatmaterial zugelassene Polymere wie PolymiIchsäure (PLA) und das Copolymer aus Milch- und Glykolsäure (PLA/GA) haben Toxizitäts- probleme auf zellulärer Ebene. So zeigten PLA-Partikel nach Aufnahme in Zellen Zytotoxizität (siehe A. Smith and I.A. Hunneyball, Evaluation of poly(lactic acid) as a biodegradable drug delivery System for parenteral administration, Int. J. Pharm. 30, 215-220 (1986)).
Polymere werden auch in molekularer Form als Transfektionsagens eingesetzt, z.B. Polyethylenimin (pEI) (siehe Rudolph, C, Lausier, J., Naundorf, S., Müller, R. H., Rosenecker, J. , In vivo gene delivery to the lung using polyethylenimine and fractured polyamidoamine dendrimers, The Journal of Gene Medicine 2, 269- 278, 2000) . Die Problematik ändert sich wenig, wenn Polymere nicht in partikulärer Form vorliegen sondern als einzelne Makromoleküle. Im Gegenteil, erhöht sich bei gleicher Dosis teilweise die Toxizität, da das gesamte Polymer bereits gelöst vorliegt und nicht in kleineren Mengen verzögert durch Abbau der Partikel in Lösung geht .
Zur Umgehung der oben geschilderten Probleme wie Toxizität, Sicherheit, mangelnder physikalischer Stabilität und relativ hoher Kosten war es Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein TransfektionsSystem zu schaffen, daß diese Probleme minimiert oder vermeidet.
Diese Aufgabe wurde durch den erfindungsgemäß Transfektionskom- plex "TransoPlex" auf der Basis einer Kombination von
1. Lipidpartikeln
2. Oberflächenmodifizierer für diese Lipidpartikel
3. zu transfizierendem Material und
4. gegebenenfalls Verstärker (Enhancer) der transfizierenden Wirkung (z.B. Chloroquin) sowie
5. gegebenenfalls Elektrolyt (insbesondere CaCl2)
gelöst.
Die Lipidpartikel in einer Größe von etwa 10 nm bis zu etwa 30 μm werden mit konventionellen Methoden der Lehrbücher und Literatur hergestellt . Sie bestehen - im Gegensatz zu Liposomen - aus Lipiden, die bei Raumtemperatur fest sind, bzw. Mischungen von bei Raumtemperatur festen Lipiden mit bei Raumtemperatur halbfesten oder flüssigen Lipiden.
Die Oberfläche dieser Lipidpartikel wird zur Erhöhung der physikalischen Stabilität sowie der Komplexbildungsfähigkeit mit dem zu transfizierenden Material, mit Modifizierungsmittel, insbesondere Tensiden oder Polymeren oder Mischungen derselben modifiziert.
Diese Lipidpartikel werden dann in einem geeigneten Verhältnis mit dem zu transfizierendem Material (z.B. Polynukleotide) gemischt, eine Zeitlang zur Ausbildung des Komplexes inkubiert und dann den Zellen zur Transfektion zugemischt.
Die Transfektionseffizienz kann durch Zumischung von sogenannten Enhancern verstärkt werden. Hierfür sind Arzneistoffe wie Chloroquin (CQ) oder Substanzen geeignet, die stark mit Membranen interagieren, z.B. Poly-L-Lysin.
Die Tendenz Komplexe über einen Aggregationsmechanismus zu bilden kann bei einigen Mischungen von oberflächenmodifizierten Lipidpartikeln mit zu transfizierendem Material gering ausgeprägt sein, insbesondere bei Lipidpartikeln mit geringer positiver Ladung (< + 20 mV) bzw. negativ geladenen Partikeln. Hier kann
die Aggregation durch Zusatz von Elektrolyten wie 1 : 1 Elektrolyte (z.B. NaCl) , 1:2 Elektrolyte (z.B. CaCl2) oder 1:3 Elektrolyte gefördert werden, wobei die komplexfördernde Wirkung der Elektrolyte in der genannten Reihenfolge zunimmt .
Die Komplexbildung führt zu einer Kondensation der Polynukleotide. Die Kondensation ist notwendig, damit die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Transfektion steigt. Das Ausmaß der Kondensation im Komplex kann über Partikelgrößenmessung verfolgt werden. Ist die Kondensation nicht ausreichend oder ist für bestimmte Zwecke eine höhere Kondensation erforderlich, so kann diese ebenfalls in der oben beschriebenen Weise durch Elektrolytzusatz erzielt werden.
Optional wird Komplex daher durch lysosomotrope oder endosomoly- tische Substanzen und Elektrolyt ergänzt.
Lipide sind natürliche Bausteine des Körpers, somit ist die Toxizität der Lipidpartikel um ein mehrfaches geringer als die bisher eingesetzten Transfektionspromotoren - sowohl partikuläre als auch molekulare. Insbesondere trifft dies zu wenn Lipide aus Glyceriden von im Organismus bzw. der Zielzelle vorkommenden Fettsäuren verwendet werden.
Im Gegensatz zu Liposomen zeigen die erfindungsgemäßen Lipidpartikel eine hohe physikalische Stabilität. Sie können sogar bei Temperaturen von etwa 121° C ohne Stabilitätsbeeinträchtigung durch Autoklavieren sterilisiert werden.
Die Transfektionseffizienz ist bei geeigneter Auswahl des Komplexes den bisherigen Systemen in der Regel überlegen, oder zumindest gleichwertig wobei TransoPlex gleichzeitig jedoch die oben erwähnten Vorteile aufzuweisen hat.
Der resultierende Transfektionskomplex zeichnet sich im Vergleich zu bisherigen GentransferSystemen durch gute Transfektionseffizienz bei gleichzeitig reduzierter Toxizität und hoher
physikalischer Stabilität sowie der Möglichkeit zur Inkorporation von Hilfsstoffen aus.
Erklärungen zu den Abbildungen:
Abb. 1: AFM-Auf ahmen der Komplexe (Beispiel 2) . A: Übersichtsaufnahme 50 x 50 μm. B-D sind vergrößerte Detailaufnahmen. B: Aufnahme der 2 verschiedenen Komplextypen.
C. Komplexstruktur - Komplex bestehend aus fusionierten 100 nm Untereinheiten.
D. Momentaufnahme aus Komplexbildungsprozeß.
Abb. 2: Bindung von Plasmid in den Komplex, Untersuchung mit Gelelektrophorese (Linien von links: Molekularge- wichtsmarker, Mischungen Lipidpartikel : Plasmid (w/w) = 200, 100, 50, 30, 20, 10, 5, Plasmid allein) .
Abb. 3: DNA-Bindung im Komplex mit ansteigendem Verhältnis Lipidpartikel zu DNA: Bestimmung der Abnahme an freier DNA durch Zunahme der Bindung im Komplex mit Gelelektrophorese (offene Rauten, Beispiel 2) , Bestimmung der Abnahme der EB-Interkalation infolge Zunahme der Bindung (volle Kreise) .
Abb. 4: Transfektionseffizienz von Komplexen ohne Chloroquin (DMEM) und von Komplexen mit Chloroquin (DMEM+CQ) hergestellt aus verschiedenen Gewichtsverhältnissen von Lipidpartikeln zu Plasmid (10 bis 200, 0 ist Plasmid alleine) . Die Komplexe wurden den Cos-1 Zellen dispergiert in DME Medium (DMEM) zugesetzt. Quantifizierung der Effizienz über Lumineszenzeinheiten (LCPS - Luminescence Counts Per Second) .
Detaillierte Beschreibung der Erfindung
Die Herstellung der Lipidpartikel erfolgt durch gängige Methoden. Im Rahmen der Kaltherstellung können Lipidpartikel - vor allem in einer Größe im unteren Mikrometerbereich - durch Flüssigmahlung (Kolloidmühle) oder durch GasStrahlmahlung hergestellt werden. Bei der Heißherstellung wird das Lipid geschmolzen, in einer wäßrigen Lösung des Oberflächenmodifizierers (z.B. Tween 80) dispergiert und durch hochtouriges Rühren beispielsweise mit einem Propellerrührer, Blattrührer, einer Zahnscheibe oder einen Rotor-Stator-Dispergator in eine feinteilige Emulsion überführt.
Oberflächenmodifizierer können auch alternativ im geschmolzenen Lipid gelöst oder dispergiert werden. Beim Abkühlen kristallisiert das Lipid teilweise oder vollständig und es entstehen die für den Komplex notwendigen Lipidpartikel. Zur Herstellung sehr feiner Partikel im Nanometerbereich kann auch Hochdruckhomogeni- sation eingesetzt werden, sowohl zur Heißzerkleinerung als auch Kaltzerkleinerung.
Als Matrixmaterial können Lipide im weitesten Sinne eingesetzt werden, das heißt sämtliche lipophilen Substanzen einschließlich Wachse. Bevorzugt werden Lipide aus körpereigenen/zelleigenen Substanzen eingesetzt, wie beispielsweise Glyceride mit körpereigenen Fettsäuren.
Eine Vielzahl unterschiedlicher Lipide kann zur Herstellung der Lipidpartikel eingesetzt werden. Dies sind sowohl chemisch einheitliche Lipide als auch ihre Mischungen. Bei eingesetzten Lipidmischungen können auch flüssige Lipide (z. B.Öle, lipophile Kohlenwasserstoffe, lipophile organische Flüssigkeiten wie Oleylalkohol) den festen Lipiden (z. B. Glyceride, lipophile Kohlenwasserstoffe wie Hartparaffin) zugemischt werden (sogenannte "lipid blends") .
Einsatz finden beispielsweise folgende Lipide als dispergierte Phase. Sie können als individuelle Komponente oder als Mischung
angewendet werden. Geeignet sind: natürliche oder synthetische Triglyceride bzw. Mischungen derselben, Monoglyceride und Diglyceride, allein oder Mischungen derselben oder mit beispielsweise Triglyceriden, selbst-emulgierende modifizierte Lipide, natürliche und synthetische Wachse, Fettalkohole, einschließlich ihrer Ester und Ether sowie in Form von Lipidpeptiden, oder irgendwelche Mischungen derselben. Besonders geeignet sind synthetische Monoglyceride, Diglyceride und Triglyceride als individuelle Substanzen oder als Mischung (z.B. Hartfett), Imwitor 900, Triglyceride (z.B. Glyceroltrilaurat, Glyce- rolmyristat, Glycerolpalmitat, Glycerolstearat und Glyce- rolbehenat) und Wachse wie z.B. Cetylpalmitat und weißes Wachs (DAB) .
Zur Oberflächenmodifikation werden insbesondere Tenside und/oder Polymere eingesetzt, wobei diese teilweise auch sterisch stabilisierende Wirkung haben.
Beispiele für zum Einsatz kommende Tenside sind:
Geladene ionische Stabilisatoren so wie Diacetylphosphate, Phos- phatidylglycerin, Lecithine unterschiedlicher Herkunft (z.B. Ei- lecithin oder Sojalecithin) , chemisch modifizierte Lecithine
(z.B. hydrierte Lecithine) , genauso wie Phospholipide und Sphin- golipide, Mischung von Lecithinen mit Phospholipiden, Sterolen
(z.B. Cholesterol und Cholesterol-Derivate, genauso wie Stigma- sterin) und ebenfalls gesättigte und ungesättigte Fettsäuren,
Natriumcholat, Natriumglycocholat, Natriumtaurocholat, Natriumde- oxycholat oder ihre Mischungen, Aminosäuren oder Anti-Flokkulan- tien, wie z.B. Natriumeitrat, Natriumpyrophosphat, Natriumsorbat
[Lucks, J.S. et al. Int. J. Phar ., 1990, 58, 229 - 235].
Zwitterionische Tenside wie beispielsweise (3- [ (3-cholamido- propyl) -dimethylammonio] -2-hydroxy-l-propansulfonate) [CHAPSO] , (3- [ (3-cholamidopropyl) -dimethylammonio] -1-propansulfonate) [CHAPS] und N-Dodecyl-N,N-dimethyl-3-ammonio-l-propansulfonat .
Kationische Tenside, z.B. Benzyldimethylhexadecylammoniumchlorid, Methylbenzethoniumchlorid, Benzalkoniumchlorid, Cetylpyridinium- chlorid.
Weitere kationische Tenside sind beispielsweise DOTMA (N- [1- (2,3- Dioleyloxy)propyl] -N,N,N-trimethylammoniumchlorid) , DDAB (Didode- cyldimethylammoniumbromid) , DOSPA (2, 3-Dioleyloxy-N- [2 (spermidin- carboxamid) ethyl] -N,N-dimethyl-l-propylammoniumtrifluoroacetat) , DC-Chol (3ß - [N- (N' ,N' -dimethylaminoethan) carbamoyl] -cholesterol) , Esterquats (Esterverbindungen, die mindestens ein quartäres Stickstoffatom enthalten) , z. B. EQ1, DDA (Dirnethyldioctadecylam- moniumbromid) .
Beispiele für verwendbare sterische Stabilisatoren bzw. Polymere sind:
Poloxamere und Poloxamine (Polyoxyethylen-Polyoxypropylen-Block- Copolymere) , ethoxylierte Sorbitanfettsäure-Ester, besonders Polysorbate (z.B. Polysorbat 80 bzw. Tween 80®), ethoxylierte Mono- und Diglyceride, ethoxylierte Lipide, ethoxylierte Fettalkohole oder Fettsäuren, und Ester und Ether von Zuckern oder von Zuckeralkoholen mit Fettsäuren oder Fettalkoholen (z.B. Saccharose-Monostearat) ;
Ebenfalls verwendet werden können Viskositätserhöhende Substanzen wie z.B. Cellulose-Ether und Cellulose-Ester (z.B. Methylcellulo- se, Hydroxyethylcellulose, Hydroxypropylcellulose, Natriumcarb- oxymethylcellulose) , Polyvinylderivate sowie Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylacetat, Alginate, Polyacrylate (z.B. Carbopol) , Xanthane und Pektine.
Es ist anzumerken, daß auch Mischungen von Tensiden und Polymeren zur Oberflächenmodifikation eingesetzt werden können.
Hergestellte Partikel und der damit produzierte Komplex wurden bezüglich Partikelgröße und Ladung (Quantifiziert als Zetapoten- tial) charakterisiert. Bestimmung der Partikelgröße erfolgte mit
Photonenkorrelationsspektroskopie (PCS, Malvern Zetasizer 4, Malvern, UK) , die Bestimmung des Zetapotentials in Leitfähigkeitswasser (Leitfähigkeit eingestellt auf 50 μS/cm durch NaCl- Zusatz) mit Laser-Doppler-Anemometrie (LDA) (Zetasizer 4) . Umrechnung der Mobilität in das Zetapotential wurde mit der Helmholtz-Smoluchowski-Gleichung vorgenommen.
In Abhängigkeit vom eingesetzten Herstellungsverfahren entstehen Lipidpartikel in unterschiedlichen Größenbereichen. Eingesetzt für die Herstellung des erfindungsgemäßen Transfektionskomplexes TransoPlex werden sowohl Mikrometerpartikel (ca. 1-30 μm) als auch Submikrometerpartikel (< 1 μm) .
In der Regel besitzen die Lipidmikropartikel einen mittleren Durchmesser von lμm bis 20 μm, vorzugsweise einen mittleren Durchmesser von lμm bis 10 μm, insbesondere von lμm bis 5 μm.
In der Regel besitzen die eingesetzten Lipidnanopartikel einen mittleren Durchmesser von 10 nm bis 1000 nm, vorzugsweise 10 nm bis 500 nm, und insbesondere 10 nm bis 200 nm.
In Abhängigkeit von den jeweils verwendeten Partikeln resultieren auch unterschiedliche Größen des gebildeten Komplexes . Bei Lipidmikrometerpartikeln hat der resultierende erfindungsgemäße Komplex eine Größe > 1 μm bis 30 μm, vorzugsweise > 1 μm bis 10 μm, insbesondere > 1 μm bis 5 μm. Bei Lipidnanopartikeln hat der resultierende Komplex eine Größe < 1000 nm, vorzugsweise 100 bis 800 nm, und insbesondere 300 nm bis 800 nm.
Die Ladung der Lipidpartikel ist in Abhängigkeit der verwendeten Oberflächenmodifikatoren unterschiedlich. Generell können drei Gruppen unterschieden werden, d.h. Lipidpartikel bei denen das Zetapotential :
a) positiv ist, vorzugsweise > 0 mV bis +100 mV, insbesondere +20 mV bis 60 mV, b) im Bereich von -20 mV bis +20 mV liegt (d.h. ungeladene bzw. sehr schwach geladene Lipidpartikel) , c) negativ ist, vorzugsweise < 0 mV bis -100 mV, insbesondere -20 mV bis -60 mV.
Zur Herstellung der Komplexe werden die oberflächenmodifizierten Lipidpartikel mit dem zu transfizierendem Material gemischt, z.B. Polynukleotide wie DNA, reko binante DNA, insbesondere zirkuläre oder linearisierte Plasmide zur Expression therapeutischer Proteine, RNA, insbesondere mRNA, Polynukleotidanaloga, Anti- sensenukleotide, und in der Regel für 15 Minuten inkubiert.
Positive Partikel zeigen oft - aber nicht immer - ein gutes Komplexierungsverhalten, es nimmt ab bei ungeladenen Partikeln und ist gering ausgeprägt bei negativ geladenen Lipidpartikeln. Die Komplexierung kann durch gezielten Elektrolytzusatz gefördert werden bzw. bei nicht komplexierenden Lipidpartikeln ausgelöst werden. Bei Förderung der Komplexierung erhält man dichter kondensierte Komplexe, in der Regel vorteilhaft für die Transfektion. Hierzu reichen schwach aggregierende 1:1 Elektrolyte aus . Elektrolyte können eine Komplexbildung über Aggregation auch erst auslösen, wobei mit zunehmender Verschiebung der Partikelladung aus dem positiven über den ungeladenen Bereich zum negativen Bereich stärker aggregationsfördernde Elektrolyte in unterschiedlicher Konzentration eingesetzt werden müssen, d.h. analog zu a) - c) oben vorzugsweise:
a) 1:1 Elektrolyte wie NaCl und KCL, vorzugsweise in isotonischer Konzentration oder geringer konzentriert, b) 1:2 Elektrolyte wie CaCl2 oder 2:1 Elektrolyte, vorzugsweise in isotonischer Konzentration, c) 1:3 Elektrolyte wie A1C13 oder 3:1 Elektrolyte, vorzugsweise in isotonischer Konzentration.
Nach Herstellung des Komplexes mit Elektrolytzusatz kann der Elektrolyt in der Suspension verbleiben oder - falls erforderlich - auch der überschüssige Elektrolyt wieder entfernt werden (z.B. durch Dialyse), der AggregationsVorgang zum Komplex ist meistens irreversibel.
Zur Verstärkung der Transfektion können auch bestimmte Arznei- Stoffe - insbesondere Substanzen, die geeignet sind, den lysosomalen Abbau der Polynukleotide zu vermeiden, - wie Chloroquin, Monensin, schwach basische Stickstoffverbindungen oder andere schwache Basen zugesetzt werden. Alternativ kann man Substanzen verwenden, die eine Wechselwirkung mit Membranen zeigen und ihre Struktur sowie Fusionseigenschaften beeinflussen, z.B. Dimethylsulfoxid (DMSO) , Azone und membrandestabilisierende Peptide wie beispielsweise Aminosäuresequenzen aus dem Influenzavirus Haemagglutinin oder dem Bienengift Mellitin.
Die Struktur der gebildeten Komplexe wird in Beispiel 2 und Abb. 2 beschrieben. Primär sind die Komplexe dadurch gekennzeichnet, daß DNA nicht alleinig auf der Oberfläche ko plexiert eines Partikels ist sondern sich primär Aggregate bilden, bei denen Lipidpartikel über DNA Stränge verbunden sind.
Es handelt sich bei den Komplexen um Aggregate, wobei die AggregatStruktur aus Strängen von Transfektionsmaterial besteht, das Lipidpartikel miteinander verknüpft . Die Aggregate bestehen dabei aus zusammengelagerten Untereinheiten. Kleinste Untereinheiten, die gleichzeitig auch einen eigenen Komplex (Aggregat) darstellen, bestehen teilweise aus nur wenigen Lipidpartikeln plus verknüpfendes Transfektionsmaterial (z.B. DNA-Stränge) . Es kommt auch vor, daß lediglich ein oder zwei Lipidpartikel einen Komplex mit dem zu transferierendem Material bilden, vorzugsweise haben dabei die Lipidpartikel eine Größe > 500 nm, insbesondere > 1 μm.
Die gebildeten Komplexe können sowohl in vitro (z.B. Zellkultur) als auch in vivo eingesetzt werden. Beim in vivo-Einsatz kann die
Applikation auf vielfältigen Wegen erfolgen, z.B. oral über den Gastrointestinaltrakt (GIT) oder parenteral auf verschiedenen Wegen, von intravenöser Injektion bis zur lymphatischen Absorption nach Injektion in der Nähe von Lymphgefäßen. Um eine verbesserte Aufnahme aus bestimmten Organen (vom GIT, Erhöhung der Bioverfügbarkeit) oder in bestimmte Organe (z.B. Gehirn, Herz, Knochenmark, Niere nach intravenöser Injektion) zu erreichen, können die hergestellten Komplexe selbst wieder mit Oberflächenmodifikatoren versehen werden. Dies reicht von Lektinen zur verbesserten Aufnahme aus dem GIT bis hin zu Polymeren (Poloxamer 407 für Knochenmarktargeting, Poloxamine für Bluttargeting) und nichtionischen Tensiden (Tween 80, Gehirntargeting) einschließlich Antikörpern.
Die erfindungsgemäßen Komplexe können daher beispielsweise zusätzliche Stoffe enthalten, insbesondere Lektine, Antikörper oder Adhäsionsfaktoren, die die Bindung und die Aufnahme durch die zu transfizierenden Zellen verbessern.
Ferner können die erfindungsgemäßen Komplexe zusätzlich Stoffe, insbesondere Peptide, enthalten, die die Fähigkeit haben, eine Translokation der transfizierten DNA in den Zellkern zu induzieren, wobei diese zusätzlichen Stoffe an den Lipidpartikel oder die DNA gekoppelt sind.
Generell ist die Verwendung der Komplexe vielfältig, beispielsweise u.a. :
a) für den spezifischen oder unspezifischen Transfer genetischer Information in Zellen, b) zur stabilen Lagerung von Polynukleotiden, c) generell zur Therapie in vivo und ex vivo, d) zur lokalen, oralen oder systemischen in vivo Therapie von Krankheiten, e) zur Transfektion im Allgemeinen, f) zur Gentherapie.
Beispiele
Beispiel 1:
Herstellung des Komplexes :
Das Lipid Compritol wurde geschmolzen, in Wasser mit 4% einer Tensidmischung aus Tween 80 / Span 85 (Verhältnis 7:3) und 1% EQ1 (N,N-Di (ß-stearoylethyl) -N,N-dimethylammoniumchlorid) durch Rühren bei gleicher Temperatur dispergiert und anschließend die erhaltene Emulsion (Lipidgehalt 4%) bei 85° C hochdruckhomogenisiert (LAB 60 Homogenisator, APV Homogenizer GmbH, Lübeck) . Homogenisation erfolgte im Zirkulationsmodus über 30 Minuten bei 500 bar am Hauptdruckventil. Der PCS-Durchmesser der Lipidpartikel betrug 101 nm, die dazugehörige Polydispersität 0,101, das Zetapotential war +42 mV. Zur Herstellung des Komplexes wurde die Lipidpartikeldispersion mit pCMVß Plasmid in HEPES-Puffer (pH 7,4) gemischt, in der Endmischung betrug die Konzentration an Lipid 600 μg/ml, die an Plasmid 10 μg/ml.
Beispiel 2:
Bestimmung der Struktur des Komplexes :
Die Struktur des Komplexes kann gezielt durch die Art der Herstellung beeinflußt werden, z.B. Lipidpartikelgröße, Verhältnis Lipid: Plasmid, sowie Reihenfolge, Art und Konzentration zugesetzter Elektrolyte. Die Komplex-Produkte aus Beispiel 1 wurde mit Kraftmikroskopie (AFM - Atomic Force Microscopy) untersucht . Die Komplexe wurden an der Oberfläche eines Silicium Wafers adsorbiert und mit AFM im Kontaktmode mit einem Nanoscope lila (Digital Instruments) untersucht. Die Federkonstante des Cantilevers war 34 N/m, die Scan Geschwindigkeit 0,5 Hz mit einer Auflösung von 512 x 512 Pixeln. Die Übersichtsaufnähme (Abb. 1A) zeigt die Komplexe, zusätzlich sind noch einzelne Lipidpartikel in einer Größe von ca. 100 nm zu sehen. Es gibt zwei Arten von Komplexen, den zahlenmäßig am häufigsten vorkommenden Komplextyp I mit mehr rundlicher Form in einer Größe von ca. 300 - 800 nm
sowie Komplextyp II mit einer Größe von > 1 μm. Die höher auflösenden Aufnahmen (Abb. 1B und IC) zeigen, daß die Komplexe aus Untereinheiten bestehen, die fusioniert haben, Abb. IC zeigt den Vergleich von ursprünglichem, einzelnem Lipidpartikel zum hergestellten Komplex. Abb ID zeigt eine Momentaufnahme aus dem Bildungsprozeß des Komplexes. Freie DNA-Stränge, DNA-Stränge bereits besetzt mit Lipidpartikeln und freie SLN sind im Prozeß zur Fusionierung zu einem großen Komplex (Aggregat in linker unterer Hälfte) .
Beispiel 3:
Bestimmung der Bindung der Komplexe für DNA durch Gelelektrophorese (EMSA - Electrophoretic Mobility Shift Assay) :
Transfektionskomplexe wurden durch Mischen von Lipidpartikeln und pCMVß Plasmid in 200 μl HEPES-Puffer (pH 7,4) bei einer Plasmid- konzentration von 20 μg/ml analog Beispiel 1 hergestellt.
Verschiedene Verhältnisse von Lipidpartikeln : pCMVß DNA (von 200 bis 5) wurden gemischt und mit diesen Mischungen eindimensionale Gelelektrophorese auf Agarosegel durchgeführt (2 Stunden bei 5V/cm) . Das erhaltene Gel wurde mit einem UV Transilluminator und dem Geldoc2000 Gel Dokumentationssystem untersucht (Biorad, München, Deutschland) , Integration der Bänder und Hintergrundkorrektur erfolgte mit der Molecular Analyst Version 1.1 Software (Bioread) . Bindung der DNA in einen Komplex führt zu einer Änderung (shift) in der Wanderung im Gel hin zu höheren Molekulargewichten bzw. DNA ist so immobilisiert, daß sie an der Auftragstelle (well) im Gel verbleibt. Oberhalb eines Lipidpartikel- Verhältnisses von 50, 100% der DNA war zu höheren Molekulargewichten verschoben bzw. komplett immobilisiert (Abb. 2)
Beispiel 4 :
Bestimmung der Bindungseffizienz des Komplexes für DNA über die Zugänglichkeit noch freier DNA für Ethidiumbromid (EB) :
Ansteigende Verhältnisse von Lipidpartikeln zu pCMVß DNA (von 10:90 zu 90:10) wurden gemischt, um die erfindungsgemäßen Komplexe herzustellen. DNA wurde in 50mM Hepes Puffer (pH 7,4) auf eine Konzentration von lOμg/ml verdünnt, dann wurde mit unterschiedlichen Mengen Partikeldispersion gemischt und auf 2 ml aufgefüllt. Nach 3 Minuten Inkubation zur Komplexbildung wurde 1 ml EB-Lösung (800ng/ml) zur Hälfte der Probe gegeben, 1 ml Wasser zur anderen Hälfte (Hintergrundmessung) und die Fluoreszenz bei λ=366nm (Exsikkation) und λ=590nm (Emmission) in einem F-2000 Fluoreszenzspektrophotometer gemessen.
Freie (zugängliche) DNA interkaliert mit EB, das Fluoreszenz- signal von interkalierten EB wird zur Quantifizierung genutzt, d.h. je geringer das Signal um so mehr ist EB ausgeschlossen und DNA gebunden (Abb. 3) .
Beispiel 5:
Transfektionseffizienz :
Die Transfektionseffizienz wurde an African Green Monkey Kidney Fibroblast-like Cos-1 Zellen untersucht. Komplexe wurden durch Mischen hergestellt wie in Beispiel 1 beschrieben, die Lipid- partikelkonzentrationen variierten, die Endkonzentration an Plasmid in der Mischung betrug 20 μg/ml. Die Komplexe wurden mit Puffer oder doppeltkonzentriertem Zellkulturmedium (Dulbecco^s modified eagle s - DME) 1:1 verdünnt, und die Monolayer der Cos-1 Zellen im Well der Mikrotiterplatten mit 100 μl dieser Mischung für 4 Stunden bei 37° C inkubiert. Die Zellen wurden mit Puffer gewaschen, und für weitere 48 Stunden in DME unter Zusatz von 10% fötalem Kälberserum (FCS) kultiviert. Das pCMVß Plasmid bewirkt eine ß-Galactosidase Expression. Die Transfektionseffizienz wurde daher anschließend über die Aktivität der ß-Galactosidase
bestimmt unter Verwendung des Luminescence Galacto-Star assay System (PE Biosystems, CCC) . Die Zellen wurde mit Puffer gewaschen, lysiert und mit 100 μl Reaktionslösung über 90 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert um maximale LumineszenzSignale zu erreichen. Die Bestimmung der Lumineszenz erfolgte mit einem Wallac beta (PE Biosystems) über eine Integrationszeit von einer Sekunde. Gereinigte rekombinante ß-Galactosidase wurde als Standard eingesetzt. Die Transfektionseffizienz war maximal bei einem Verhältnis von ca. 40-60 (Abb. 4) .
Beispiel 6:
Transfektionseffizienz von Komplexen mit zusätzlichem Chloroquin (CQ) :
Die Herstellung und Testung erfolgte wie in Beispiel 5 beschrieben, zusätzlich enthielt das Komplexsystem 100 μM Chloroquin. Das Komplexsystem aus Lipidpartikeln, Plasmid und Chloroquin hat eine weit höhere Transfektionseffizienz, maximale Transfektion tritt bereits beim kleinsten Gewichtsverhältnis von 10 auf (Abb. 4) .
Beispiel 7:
Bestimmung der Cytotoxizität (Membranschädigung) von Trans- fektionsagentien:
Zur Bestimmung der Membranschädigung wurden die Cos-1 Zellen mit ansteigenden Konzentrationen des Transfektionsagens 4 Stunden inkubiert und anschließend nach Waschen mit Puffer direkt mit dem LDH-Assay (LactatDehydrogenase) untersucht (Boehringer Mannheim, Mannheim Germany) . Mit zunehmender Membranschädigung nimmt die LDH-Freisetzung zu. Untersucht wurden die Transfektionsagentien Lipidpartikel aus Beispiel 1 im Vergleich zu dem konventionellen Agens Polyethylenimin (pEI) (Molekulargewicht 60 kDa) sowie zu Poly-L-Lysin. Die ED50 im LDH-Assay war 3000 μg/ml bei den Lipidpartikeln, jedoch 20 μg/ml bei pEI (d.h. pEI hat ca. 150 fach höhere Membrantoxizität) und 10 μg/ml bei Poly-L-Lysin.
Beispiel 8 :
Viabilitätstest mit Transfektionsagentien:
Die Cos-1 Zellen wurden mit ansteigenden Konzentrationen des Transfektionsagens 4 Stunden inkubiert, gewaschen und - im Gegensatz zu Beispiel 7 - nicht direkt untersucht sondern nach dem Waschen mit Puffer weitere 48 Stunden in DME Medium unter Zusatz von 10% FCS kultiviert. Zur Bestimmung der Zellviabilität wurde das WST-1 Assay eingesetzt (Boehringer Mannheim, Mannheim Germany) , eine verbesserte Form des MTT-Tests . Bestimmt wurde die Dosis, die zum Absterben von 50% der Zellen führt (LD50) .
Untersucht wurden die Transfektionsagentien Lipidpartikel aus Beispiel 1 im Vergleich zu dem konventionellen Agens Polyethylenimin (pEI) sowie zu Poly-L-Lysin als Standard. Die LD50 war 600 μg/ml bei den Lipidpartikeln, jedoch 20 μg/ml bei pEI und 10 μg/ml bei Poly-L-Lysin.
Beispiel 9:
Membranschädigung und Viabilität:
Lipidpartikel wurden wie in Beispiel 1 hergestellt, jedoch aus 4% festem Paraffin als Lipid. Die Mebranschädigung wurde analog Beispiel 7 bestimmt: ED50 > 5000 μg/ml (pEI 20 μg/ml), die Viabilität analog Beispiel 8 bestimmt: LD50 700 μg/ml (pEI 20 μg/ml) .
Beispiel 10:
Komplexierungsvermδgen von Lipidpartikeln:
Es wurden Lipidpartikel analog Beispiel 1 hergestellt, als Lipid wurde das Behensäure-Glyceridgemisch Compritol eingesetzt (Firma Gattefosse, Frankreich) , als zusätzliches kationisches Tensid 1% Cetylpyridiniumchlorid (CPC) . Der PCS-Durchmesser betrug 105 nm, der Polydispersitätsindex 0,112 und das Zetapotential +40 mV
(d.h. identische physikalische Kenndaten zu den Lipidpartikeln aus Beispiel 1) . Einfache Mischung dieser Lipidpartikel mit HEPES-Puffer ohne Komplex-fördernden Elektrolytzusatz führte zu keiner Komplexbildung, im EMSA wurde keine "mobility shift" detektiert .
Beispiel 11:
Physikalische Stabilität der zur Herstellung von Komplexen benutzten Lipidpartikel :
Die in Beispiel 1 hergestellten Partikel wurden durch Autoklavieren bei 121°C für 15 Minuten sterilisiert. Der PCS-Durchmesser vor der Sterilisation betrug 103 nm, der Polydispersitatsindex 0,110, die Werte nach der Sterilisation 101 nm und 0,101.