Estriol enthaltendes hormonales Mittel zur Prophylaxe und Behandlung arteriel¬ ler Erkrankungen beim Mann, Verfahren zu seiner Herstel lung und dessen Verwen¬ dung.
Die Erfindung betrifft ein hormonales Mittel zur Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkrankungen beim Mann, mit einem Gehalt an einem natürlichen schwach wirksamen Östrogen, ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen hormonalen Mittels sowie dessen Verwendung.
Das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen ist bei Frauen im jüngeren und mittleren Alter weitaus geringer als bei Männern. Nach einer Ovarektomie bzw. nach der Menopause steigt das Risiko bei den Frauen stark an, wobei u. a. der Ausfall der Östrogene des Eierstocks eine kausale Rolle spielt. Ein protektiver Effekt der Östrogene gegenüber der Entwicklung einer Atherosklerose sowie gegenüber der Manifestation von Herz-Kreislauferkrankungen bei bestehender Atherosklerose ist durch viele klinische Untersuchungen belegt worden. Die Substitutionstherapie mit Östrogen verringert die Inzidenz arterieller Erkran¬ kungen um etwa 50%, bringt die Symptome zum Verschwinden (Angina pectoris, zerebrale Ausfälle) und erhöht die 10- Jahres-Überlebensrate bei postmenopausalen Frauen mit schwerer Atherosklerose von 60% auf "97%.
In den Jahren zwischen 1966 und 1969 war in den U.S.A. eine groß angelegte nationale Studie begonnen worden, um einen möglichen therapeutischen Effekt natürlicher Östro¬ gene bei Männern mit kardiovaskulären Erkrankungen zu untersuchen. Man verwendete damals konjugierte Östrogene, da diese durch ihren ausgeprägten hepatischen Effekt einen günstigen Einfluß auf den Fettstoffwechsel (Cholesterin- und Trigylceridspiegel) haben. Die Östrogenbehandlung der Männer wurde bei diesem Coronary Drug Project jedoch vor¬ zeitig abgebrochen, als sich herausstelle, daß die Rate thromboembolischer Erkrankungen anstieg und die Mortalität im Vergleich zu unbehandelten Männern zunahm. Zwar war es zu einer Verbesserung der Fettstoffwechselparameter ge¬ kommen, doch war durch den Effekt dieser Östrogene auf die Leber auch das Gerinnungssystem in ungünstiger Weise ver¬ ändert worden. Darüber hinaus wurden unerwünschte Neben-
Wirkungen wie Gynakomastie (Brustentwicklung) , testikuläre Atrophie sowie Verlust von Libido und Potenz festgestellt. Das stark wirksame natürliche Östrogen Estradiol, das auch zur Substitutionstherapie östrogenmangelbedingter Be¬ schwerden und Erkrankungen der Frau eingesetzt wird und nur geringe Wirkungen auf die Blutgerinnung hat, löst ebenfalls solche Nebenwirkungen aus.
Die Schlußfolgerung aus diesen Erfahrungen war, daß es wegen der vorstehend beschriebenen Nebenwirkungen nicht möglich sei, bei Männern Östrogene oder konjugierte Östro¬ gene zur Prophylaxe und Therapie arterieller Erkrankungen einzusetzen, weil bislang in der Fachwelt die einhellige Meinung besteht, daß nur solche natürlichen Östrogene zur Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkrankungen bei Männern geeignet sind, die einerseits in den hepatischen Fettstoffwechsel eingreifen, andererseits aber dann auch gleichsam automatisch zu den beschriebenen unerwünschten Nebenwirkungen führen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein hormonales Mittel der eingangs genannten Art zu schaffen, welches unter Vermeidung der beschriebenen Nebenwirkungen die effektive Prophylaxe und Behandlung arterieller Er¬ krankungen beim Mann ermöglicht.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Mittel der gattungsgemäßen Art gelöst, welches gekennzeichnet ist durch einen Gehalt an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung, wie Estriolester, Estriolether oder dergleichen.
Dabei kann vorgesehen sein, daß eine zu verabreichende Tagesdosis einen derartigen Gehalt an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung aufweist, daß im Blut der behandelten Person eine Estriol- konzentration von 50 bis 100 pg/ml einstellbar ist.
Die Erfindung schlägt auch ein Mittel zur oralen Applikation vor, welches gekennzeichnet ist durch zwei oder drei Tages- einheiten, die jeweils einen Gehalt an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung von 2 bis 8 mg aufweisen.
Dabei kann vorgesehen sein, daß der Gehalt einer Tages¬ einheit an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung etwa 6 mg beträgt.
Die Erfindung schlägt auch ein Mittel der beanspruchten Art vor, welches aus einer Zubereitung zur subkutanen Applika¬ tion besteht.
Dabei kann vorgesehen sein, daß die Zubereitung aus einem Alkohol-Wasser-Gel besteht.
Es kann auch vorgesehen sein, daß die Zubereitung aus einem Liposomenkonzentrat besteht.
Nach der Erfindung kann auch eine Zubereitung zur transder¬ malen Applikation vorgesehen sein.
Dabei wird vorgeschlagen, daß die Zubereitung ein Haut¬ pflaster aufweist, welches das Estradiol und/oder mindestens eine Estriol freisetzende Verbindung enthält.
Die Erfindung sieht hierbei auch vor, daß das Hautpflaster einen Lδsungsvermittler aufweist.
Dabei kann vorgesehen sein, daß der Lösungsvermittler Ethanol ist.
Nach der Erfindung keine derartige Zubereitung auch gekenn¬ zeichnet sein durch einen derartigen Gehalt der Zubereitung an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung, daß täglich 50 bis 200 μg Estriol durch die Haut absorbiert werden.
Die Erfindung schlägt ferner eine Zubereitung zur subkutanen Therapie vor, welche eine Anzahl einzeln unter die Haut im¬ plantierbarer Pellets aufweist.
Dabei kann vorgesehen sein, daß der Gehalt jedes Pellets an Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung 50 bis 100 mg beträgt.
Die Erfindung schlägt dabei auch vor, daß die Pellets einen Füllstoff wie z. B. Cholesterin aufweisen.
Nach der Erfindung kann das Mittel auch aus einer Zube¬ reitung zur intramuskulären Therapie bestehen.
Dabei kann vorgesehen sein, daß die Zubereitung aus einer öligen Lösung von 10 bis 40 mg Estriol und/oder mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung besteht.
Auch kann vorgesehen sein, daß die Zubereitung aus einer wässrigen mikrokristallinen Suspension von Estriol und/oder
mindestens einer Estriol freisetzenden Verbindung besteht.
Die Erfindung schlägt auch ein Kombinationspräparat vor, welches zusätzlich einen Androgengehalt, wie z. B. Testoste¬ ron, aufweist.
Die Erfindung lehrt ferner ein Verfahren zum Herstellen eines hormonalen, einen Gehalt an natürlichem schwach wirksamen Östrogen aufweisenden Mittels zur Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkrankungen beim Mann, welches sich dadurch aufzeichnet, daß als natürliches Östrogen Estriol und/oder mindestens eine Estriol freisetzende Verbindung verwendet werden.
Schließlich lehrt die Erfindung auch die Verwendung des hor¬ monalen Mittels zur Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkrankungen beim Mann.
Der Erfindung liegt die überraschende Erkenntnis zugrunde, daß sich das schwache natürliche Östrogen Estriol zur wirk¬ samen Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkrankungen beim Mann eignet, obwohl es nicht, wie das bislang einge¬ setzte Estradiol, in den hepatischen Stoffwechsel eingreift. Unerwünschte Nebenwirkungen werden dabei vollständig vermieden. Die Wirkung beruht darauf, daß der günstige therapeutische Effekt der Östrogene bei der Prophylaxe bzw. der Behandlung der Atherosklerose und andere arterielle Erkrankungen nicht nur über ihren hepatischen Effekt auf den Fettstoffwechsel zustandekommt, sondern zum überwiegenden Teil auf der direkten Einwirkung der Östrogene auf die Ge¬ fäßwand beruht. Dabei bewirken die Östrogene eine Gefäßer¬ weiterung, verhindern bei bestehenden Gefäßschäden die
Vasokonstriktion, die das Entstehen einer Thrombose fördern würde, und verhindern die Plättchenaggregation (Bildung eines Blutgerinnsels) . Darüber hinaus verhindern die Östro¬ gene lokal in der Gefäßwand den Ablauf biochemischer und chemischer Prozesse, die zu einer ungünstigen Modifikation der Cholesterin enthaltenden Partikel (Low-density- Lipoproteine, LDL) führen, wodurch die Ablagerung von Cholesterin in der Arterienwand gefördert wird.
In dieser Hinsicht ist das schwache natürliche Östrogen Estriol ähnlich wirksam wie das natürliche stark wirksame Östrogen Estradiol. Es erweitert durch seine direkte Wirkung auf die Gefäßwand der Arterien, verhindert Vasospasmen bei vorhandenen Gefäßschäden und verhindert die chemische Modi¬ fikation der LDL. Dadurch ist es geeignet, die Entwicklung der Atherosklerose zu hemmen und bei bestehender Atheros¬ klerose oder an deren kardiovuaskulären Erkrankungen oder Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Bluthochdruck) das Auftreten entsprechender Symptome und Manifestationen (Angina-Anfall, Herzinfarkt, Schlaganfall) zu verhindern.
Im Gegensatz zu den stärker wirksamen Östrogenen wie Estra¬ diol und die konjugierten Östrogene oder Estron bzw. Estron¬ sulfat (welche teilweise oder überwiegend nach Umwandlung in Estradiol wirksam werden) hat Estriol keine Wirkungen auf die Leber, d. h. keinerlei ungünstigen Einfluß auf die Ge¬ rinnung. Dadurch erhöht sich nicht das Risiko thromboembo- lischer Erkrankungen. Darüber hinaus beeinträchtigt es als schwaches Östrogen nicht die Funktion des Hodens, die Libido und Potenz sowie die Brustentwicklung. Es hat zwar auch keine Wirkungen auf den Fettstoffwechsel, stellt aber wegen seiner ausgeprägten direkten Wirkungen auf die Gefäßwand ein
geeignetes Mittel zur Prophylaxe und Therapie arterieller Erkrankungen bei Männern dar. Estriol hat einen allgemeinen durchblutungssteigernden Effekt, fördert die Kollagensyn¬ these in der Haut und in den Schleimhäuten und hat dadurch einen günstigen Effekt auf die Blase und Harnröhre. Da es als Abbauprodukt der stärker wirksamen natürlichen Östrogene im menschlichen Organismus entsteht - auch beim Mann -, ist nicht mit unerwarteten toxischen oder gesundheitssgefährden- den Nebenwirkungen zu rechnen.
Bei der Anwendung des Estriols für die Indikationen kommt es darauf an, eine mehr oder weniger gleichmäßige Konzentration des Estriols im Blut zu gewährleisten, die im Bereich zwischen 50 und 100 pg/ml liegt.
Geeignet ist dazu die orale Einnahme von Estriol bzw. von Verbindungen, die Estriol freisetzen (z. B. Estriolester) , und zwar zweimal täglich (morgens und abends) , wobei wegen der großen individuellen Unterschiede die Dosierung individuell angepaßt werden muß, z. B. zweimal 2 bis 6 mg.
Geeignet ist ferner die perkutane, die transdermale, die subkutane und die intramuskuläre Applikation von Estriol bzw. Verbindungen, die Estriol in gleichmäßiger Weise freisetzen.
Bei der perkutanen Behandlung wird z. B. ein Alkohol-Wasser- Gel oder ein Liposomenkonzentrat auf die Haut aufgetragen, welches Estriol enthält, wobei die betroffene Hautfläche für die Serumkonzentrationen des Estriols wichtiger ist als die aufgetragene Menge des Gels oder des Liposoms. Das Estriol diffundiert durch die Haut in den Kreislauf.
Bei der transdermalen Therapie werden Hauptpflaster verwendet, die Estriol oder Estriolverbindungen enthalten (mit oder ohne Lösungsvermittler wie z. B. Alkohol), die in die Haut diffundieren und in den Kreislauf gelangen (täglich 50 bis 200 μg) .
Bei der subkutanen Therapie werden Pellets (Preßlinge) mit 50 oder 100 mg Estriol (mit oder ohne Zusätze wie z. B. Cholesterin) unter die Haut implantiert. Bei der intramus¬ kulären Therapie werden ölige Lösungen oder wäßrige mikro¬ kristalline Suspensionen des Estriols oder eines geeigneten Esters injiziert; dabei entsteht im Bereich der Injektions¬ stelle im Muskel ein Depot, von dem aus das Hormon kontinu¬ ierlich abgegeben wird.
Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus der nach¬ stehenden Beschreibung, in der Beispiele erläutert sind.
Beispiel 1:
Zur Prophylaxe und Behandlung arterieller Erkranungen wurde bei einer Gruppe von Versuchspersonen ein hormonales Mittel in Drageeform verwendet, wobei jedes Dragee 6 mg Estriol enthielt. Die behandelten Personen nahmen morgens und abends jeweils ein Dragee ein. Bei einjähriger Behandlung ergaben sich deutlich verbesserte Durchblutungswerte.
Beispiel 2:
Ober einen Zeitraum von einem Vierteljahr wurde bei einer Gruppe von Männern wöchentliche Injektion von 10 mg Estriol intramuskulär appliziert, so daß bei allen Versuchspersonen
über den gesamten Behandlungszeitraum eine Estriolkonzentration im Blut von etwa 80 pg/ml einstellen ließ. Es wurde eine deutlich verbesserte Durchblutung festgestellt, ähnlich der Behandlung gemäß Beispiel 1.
Die in der vorstehenden Beschreibung und in den Ansprüchen offenbarten Merkmale der Erfindung können sowohl einzeln als auch in beliebiger Kombination für die Verwirklichung der Erfindung in ihren verschiedenen Ausführungsformen wesent¬ lich sein.