Hochtemperaturbeständiger Werkstoff für Vorrichtungen zum Ausformen von aus Glas bestehenden optischen Bauelementen hoher Oberflächengüte
Die Erfindung betrifft einen anorganischen, thermisch resistenten Werkstoff für Vorrichtungen zum Formen von aus optischem Glas bestehenden Bauelementen, die aufgrund der Genauigkeit und der Güte der Formfläche nach dem Formprozeß ohne weitere Oberflächenbehandlung - wie Schleifen und/oder Polieren - benutzt werden können.
Die Fertigung optischer Bauelemente aus Glas ist ein mehrstufiger Prozeß, der hohe Genauigkeiten verlangt. Neben der Herstellung der geometrischen Form, z.B. von gekrümmten Flächen mit bestimmten vorgegebenen Radien und deren Zentrierung, müssen die Flächen frei von Oberflächenfehlern, wie Kratzern, Riefen, etc., sein. Die Flächen müssen "auspoliert" sein. Diese
Prozesse sind zeit- und kostenaufwendig.
Um den Schleif- oder Fräsvorgang an optischen Elementen (Linsen, Prismen, Spiegeln, Platten) abzukürzen, stellt man Glaspresslinge her, deren Abmaße mit einem entsprechenden Übermaß dem optischen Fertigteil entsprechen. Diese Formkörper werden aus Glas bei so hohen Temperaturen gepreßt, daß das Glas zähplastisch ist. Als Formteile werden warmfeste, zunderfreie Metallegierungen verwendet.
Die auf diese Weise hergestellten Preßlinge haben eine mehr oder weniger matte Oberfläche, die von der Reaktion des Glases mit dem Stempelmaterial und von dem während des Prozesses verwendeten pulvrigen Trennmittel zwischen Glasfläche und anderen Berührungsflächen herrührt. Diese Preßlinge müssen dann in konventioneller Art und Weise geschliffen und poliert werden.
Durch entsprechende, feine Gestaltung der Formflächen gelingt es, Linsen mit einer Oberfläche zu pressen, die im Beleuchtungsstrahlengang optischer Geräte Verwendung finden können. Deren Oberflächen weisen aber im Mikrobereich noch so viele Fehler auf ("Apfelsinenhauteffekt"), daß Linsen, die auf diese Weise hergestellt sind, für die Verwendung in einem optischen Abbildungsstrahlengang nicht geeignet sind.
Als Verbesserung wird in den US-PatentSchriften
3 900 328, 3 833 347 und 3 844 755 die Verwendung von Glaskohlenstoff an den Formflächen vorgeschlagen. Die durch Stempel mit Formflächen aus Glaskohlenstoff hergestellten optischen Flächen sind in der Tat von wesentlich besserer Qualität. Allerdings unterliegt Glaskohle der Oxidation und hat auch sonst nachteilige Eigenschaften.
Eine weitere Verbesserung ist in der DE-OS 2 639 259 vorgeschlagen. Der die Formflächen bildende Werkstoff besteht hier aus Siliziumkarbid (SiC) oder aus Siliziumnitrid (Si3N4). Allerdings haben auch solche
Materialien erhebliche Nachteile. SiC wie auch Si3N4 sind bei höherer Temperatur empfindlich gegen Sauerstoff und Wasserdampf. Die Materialien können sich gemaß folgender Reaktionsgleichung zersetzen:
SiC + 2O2 → SiO2 + CO2
und Siliziumkarbid und Wasser gehen gemäß:
SiC + 2H2O →SiO2 + CH4
über in Siliziumdioxid und Methan.
Diese Reaktionen erfolgen zunächst zumeist oberflächlich und führen dazu, daß sich die genannten Materialien dann mit einer SiO2-Schutzschicht überziehen. Bei Dauerbelastung bei hohen Temperaturen schreitet die Reaktionsfront in das Volumen des Materials hinein, wo-
durch es zu einer Volumenvergrößerung kommt und sich das SiC bzw. das Si3N4 zersetzt und als Staub zerrieselt.
Neben der Reaktion mit dem Luftsauerstoff und dem Wasser muß das Material der Formfläche auch dem Angriff der Glasschmelze widerstehen. Im allgemeinen kann der Grundsatz gelten, daß ein Formwerkzeug sich um so widerstandsfähiger erweist, je kleiner das chemische Reaktionsgefalle zwischen dem erweichten Glas und dem Formmaterial ist. Reaktionen zwischen erweichten Gläsern bzw. Glasschmelzen und Preßwerkzeugoberflächen können bereits bei einfacher Berührung auftreten. Man bezeichnet sie als Kontaktreaktion. Nach dem Verhalten bei Kontaktreaktionen kann man folgende drei Werkstoffgruppen unterscheiden:
1. Saure Gruppe:
Hierzu gehören Werkstoffe aus SiO2, aber auch aus Siliziumkarbid und Siliziumnitrid.
2. Basische Gruppe: Hierbei handelt es sich um Keramik aus CaO und/ oder MgO.
3. Kontaktindifferente Gruppe:
Hierzu gehören Kohlenstoff bzw. Glasierkohlenstoff,
Es ist nahezu unmöglich, Materialien der "sauren Gruppe" mit Materialien der "basischen Gruppe" zu
kontaktleren, ohne daß Zerstörungen durch Kontaktreaktionen auftreten. Glasschmelzen, insbesondere solche, die für optische Zwecke Verwendung finden, sind äußerst unterschiedlich in ihren chemischen Zusammensetzungen, d.h. sie können sowohl sauren, als auch basischen Charakter aufweisen.
Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die sich aus dem Chemismus der bekannten TiegelformWerkstoffe und der jeweiligen Glasschmelze ergebenden chemischen Unverträglichkeiten und glastechnologischen Fertigungsnachteile zu vermeiden und zum Pressen von optischen Bauelementen aus Glas Werkstoffe aus derjenigen Materialgruppe auszuwählen, die als "kontaktindifferent" bzw. "kontaktinert" bezeichnet werden.
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der Werkstoff zumindest an einer Formfläche aus mindestens einem Metalloxid bzw. Metall-Doppeloxid besteht. Alternativ dazu kann der Werkstoff zumindest an einer Formfläche aus einem Mischkristall, der entweder mindestens zwei Metalloxide bzw. zwei Metall- Doppeloxide oder aber ein Metalloxid und ein Metall- Doppeloxid enthält, bestehen. Das jeweils eingesetzte Metalloxid bzw. Metall-Doppeloxid bzw. der Mischkristall weist vorzugsweise eine Gitterenergie zwischen 9 und 16 MJ/Mol (Megajoule pro Mol) auf. Nach einer vorteilhaften Ausführungsform der vorliegenden Erfindung liegt das Metalloxid bzw. das Metall-
Doppeloxid bzw. der Mischkristall jeweils in monokristalliner Form vor. Es ist indes auch möglich, daß das Metalloxid bzw. das Metall-Doppeloxid bzw. der Mischkristall jeweils in polykristalliner Form bzw. als Sinterkeramik vorliegt. Die Sinterkeramik kann aus einem Gemisch bestehen, das mindestens zwei Komponenten aus der Gruppe der Metalloxide, der Metal1-Doppeloxide und der Mischkristalle enthält.
Nach einer besonders bevorzugten Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung besteht das Metalloxid aus
Aluminiumoxid (A12O3) in seiner α- und/oder γ-Modifikation. Alternativ dazu können als Metalloxide Chromoxid (Cr2O3), Zirkonoxid (ZrO2) und/oder Nickeloxid (NiO) verwendet werden. Darüber hinaus ist es auch möglich, daß das Metall-Doppeloxid ein Spinell mit der Summenformel MeIIO . Me2 IIIO3 ist, wobei für das zweiwertige Metall (MeII) gilt: Mg und/oder Zn und/ oder Fe und/oder Mn und/oder Ni und/oder Cu und/oder
Co, und wobei für das dreiwertige Metall (MeIII) gilt: AI und/oder Fe und/oder Cr und/oder Mn und/oder
Co. Das Metall-Doppeloxid ist insbesondere ein Spinell der Zusammensetzung MgAl2O4 oder NiAl2O4.
Als Mischkristall kann zweckmäßigerweise eine der Varietäten der α-Modifikation des Aluminiumoxids (α-Al2O3), nämlich der Saphir ((AI, Ti, Fe)2O3) oder der Rubin ( (AI, Cr)2O3 ), verwendet werden. Außerdem ist es möglich, daß der Mischkristall aus einem Metalloxid und einem Metall-Doppeloxid zusammengesetzt ist,
beispielsweise aus y-Al2O3/MgAl2O4.
Es ist zweckmäßig, daß das polykristalline Aluminiumoxid eine Reinheit von mindestens 97% aufweist. Der erfindungsgemäße Werkstoff kann in der Weise verwendet werden, daß er nicht nur als Kompakt-Werkstoff, sondern auch zur Beschichtung bzw. Auskleidung mindestens eines Teils der Ausform-Vorrichtung vorgesehen ist.
Die für den erfindungsgemäßen Werkstoff vorgesehenen AusgangsStoffe kommen z.T. als natürliche Mineralien in Edelsteinqualität vor, so z.B. der farblose Korund (α-Al2O3), der blaue Saphir (α-Al2O3 + Zusätze), der rote Rubin (α-Al2O3 + Zusätze), der Baddeleyit (ZrO2), der edle Spinell (MgAl2O4) und der Gahnit (ZnAl2O4). Andererseits sind sie nach bekannten Synthese-Verfahren in monokristalliner Form - also als relativ große Einkristalle - herstellbar. So werden nach dem Flammenschmelzverfahren (Verneuil-Verfahren), das eine Zwischenstufe zwischen der Kristallzüchtung aus der Schmelze und aus der Dampfphase darstellt, erschmolzen: Rubin, Saphir, Korund, Rutil (TiO2) Spinell, Chrysoberyll (Al2BeO4) u.a. Daneben sind auch Hydrothermalsyntheseverfahren zur Herstellung der AusgangsSubstanzen für den erfindungsgemäßen Werk- stoff bekannt.
Mono- und/oder polykristalline Partikel von Metalloxiden, Metall-Doppeloxiden bzw. Metalloxid-Misch-
kristallen sind die AusgangsSubstanzen zur Herstellung entsprechender Sinterkeramiken. Sie können nach bekannten Sinter-, Preß-, Preßsinter- oder HeißpreßVerfahren hergestellt werden, wobei es auf eine mögliehst ideale Raumausfüllung des fertigen Sinterwerkstoffs ankommt. Das bedeutet, daß nach Möglichkeit die Restporosität des Sintermaterials verschwindend klein zu halten ist. Dies kann durch eine entsprechende Wahl der Verfahrensparameter (Temperatur, Druck, Zeit) und der Partikelgröße der Ausgangskomponenten erreicht werden.
Es hat sich als notwendig erwiesen, die Formflächen der Ausf.orm-Vorrichtung möglichst frei von werkstoffbedingten Mikrogefüge-Strukturen zu gestalten. Aus diesem Grunde wird erfindungsgemäß dem "Einkristall" als Formwerkstoff der Vorzug gegeben, der keinerlei Kristallitkorngrenzen, Poren etc. aufweist.
Durch die Auswahl hochtemperaturbeständiger Metalloxide, Metall-Doppeloxide bzw. Mischkristalle ist es gemäß der vorliegenden Erfindung darüber hinaus aber auch möglich, einen polykristallinen Werkstoff, der definitionsgemäß aus einer Vielzahl von Kristalliten besteht, als Tiegelmaterial vorzusehen.
Unter Mischkristallen werden solche Substanzen verstanden, die in das jeweilige Kristallgitter andere Ionen auf Gitterplätzen aufnehmen können, ohne dadurch die Kristallstruktur des reinen Ausgangskristalls
zu verändern. Es handelt sich mithin um einen partiellen Gitterbaustein-Austausch unter Beibehaltung der ursprünglichen kristallgittergeometrischen Isomorphiebeziehungen. Unter Modifikationen werden Substanzen einundderselben chemischen Summenformel verstanden, die sich hinsichtlich ihrer Raumgitter - also auch ihrer Packungsdichte, ihrer physikalischen und chemischen Parameter usw. - unterscheiden (vgl. α-, y-Al2O3). Unter Varietäten versteht man spezielle, durch gezielte Dotierungen oder Verunreinigungen oder sonstige Gitterdefekte gekennzeichnete Kristall- Vertreter einundderselben Modifikation (z.B. Korund, Saphir, Rubin).
Es hat sich überraschenderweise herausgestellt, daß die Gitterenergie ein geeignetes Auswahlkriterium darstellt. Unter der Gitterenergie eines Kristalls versteht man den Energiebetrag, der aufzuwenden ist, um den Kristall in seine Bausteine zu zerlegen und diese ins Unendliche zu transportieren. Sie stellt für einen Kristall eine charakteristische Größe dar, die mit anderen Eigenschaften, wie Kompressibilität, thermische Ausdehnung, Schmelz- und Siedepunkt, Härte u.a., in engem Zusammenhang steht. Bei ihrer Berechnung, der der Born-Haber-Kreisprozeß zugrunde gelegt wird, geht man von den unterschiedlichen Bindungskräften (Bindungsarten zwischen den einzelnen Kristallbausteinen; Anziehungs- und Abstoßungskräfte) aus. Einige Beispiele für aus der Literatur bekannte, berechnete Gitterenergien, angegeben in Megajoule pro
Mol, sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt: l
Unter dem Begriff "hochtemperaturbeständiger Werkstoff" werden solche anorganischen, nichtmetallischen, oxidisehen Verbindungen verstanden, deren Erweichungstemperatur oberhalb 1000°C, vorzugsweise oberhalb 1500°C, liegt. In der Keramik-Terminologie werden derartige Materialien als "feuerfest" bezeichnet; liegt ihr Erweichungspunkt gar oberhalb 1830°C, so nennt man sie "hochfeuerfest". Die ungefähren Schmelzpunkte einiger AusgangsSubstanzen sind nachfolgend angegeben:
A12O3 - 2070°C
NiO - 1980°C
BeO·Al2O3 - 1910°C
MnO _ 1730°C
Vergleicht man die erfindungsgemäßen Materialien mit bislang verwendeten Metall- oder Metallegierungen, so treten die Vorteile dieser hochresistenten, nichtmetallischen Werkstoffe klar hervor. Bei Formflächen aus Metallen bzw. Legierungen besteht die Gefahr, daß sich die MikroStruktur des Gefüges abdrückt. Metallisches Gefüge besteht meistens aus dem Korn (aus Kristalliten) und den dazwischenliegenden Korngrenzen, in welche Beimengungen des Metalls eingehen. Dieses blanke, anfänglich oxidschichtfreie Gefüge bewirkt eine örtlich verschiedene Wärmeableitung, wodurch die Oberfläche in negativer Weise beeinflußt wird. Des weiteren neigen die meisten Metalle bei Temperaturdauerbeanspruchung zur Rekristallisation, d.h. zu einem bevorzugten Wachstum von größeren
Kristallen' auf Kosten von .kleineren. Erst wenn nach einigem Gebrauch ein Oxidfilm auf der Formfläche gebildet ist, vermag dieser die Gefügekonturen zu verwischen. Die Formfläche hat dann die Höhe ihrer Gebrauchsfähigkeit erreicht. Das Ausmaß der Oxidschicht-Bildung ist jedoch abhängig vom Gleichgewicht zwischen Wärmezu- und -abfuhr durch den Glasposten bzw. von der Wärmeableitung durch das Form-
material und von dem Lösungsvorgang zwischen dem Glas und der angrenzenden Fläche.
Es läßt sieh kaum vermeiden, daß die Formen beim Füllen, beim Formgebungsvorgang und beim Ausformen in ungleichmäßiger Weise beansprucht werden. Demzufolge wird die sich auf Metallen ausbildende Oxidschicht in ihrem Ausmaß lateral inhomogen über die Formfläche verteilt sein. Dies kann an bestimmten Stellen zur Rißbildung oder gar zum Abblättern führen. Die ursprüngliche Glätte der Formfläche ist dann völlig zerstört bzw. die Form zum Herstellen optischer Gegenstände nicht mehr brauchbar.
Diese zuletzt genannten Nachteile treten bei Formflächen aus oxidischen Kompakt- oder Schichtwerkstoffen nicht auf.
Die Herstellung der eigentlichen Ausform-Vorrichtung geschieht beispielsweise mittels formgebender, spanabhebender Verfahren (z.B. Bohren, Sägen, Drehen, Fräsen u.a.) aus einem Kompaktwerkstück mit anschließender Formflächen-Endbearbeitung (Höhnen, Polieren, Glanzdrehen, Polierfräsen, Schwabbeln u.a.). Wird als Werkstoff Sinterkeramik eingesetzt, kann das entsprechende Ausgangsmaterial sogleich in eine solche Form eingebracht werden, so daß nach Abschluß des eigentlichen Sinter- und Keramisierungsprozesses unmittelbar die fertige Tiegelform-Geometrie resultiert.