Prophylaxe und Therapie von koronaren Herzkrankheiten durch Senkung des Östrogenspiegels
Die Erfindung betrifft die Prophylaxe und Therapie von koronaren Herzkrankheiten durch Senkung des Östrogenspiegels. Koronare Herzkrankheiten gehören zu den häufigsten lebensbedrohenden Gefäßerkrankungen. Zur Behandlung dieser Krankheiten verwendet man mehrere Präparate, die einmal auf das Gefäßsystem erweiternd wirken, die die gestörte Sauerstoffversorgung des Herzmuskelgewebes (Myocard) verbessern und die dazu noch die Bildung von Blutgerinseln (Thrombozytenaggregation) verhindern sollen. Darüber hinaus wird auch der Blutdruck medikamentös gesenkt.
Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, daß Männer mit koronaren Herzkrankheiten wie Angina pectoris, Koronarinsuffizienz, drohendem oder eingetretenem Herzinfarkt im Serum erhöhte Ostrogenspiegel aufweisen, hat man noch niemals versucht, eine Behandlung vorzunehmen, bei der der Ostrogenspiegel gesenkt wird.
Eine Behandlung durch Senkung des Östrogenspiegels wurde bisher nur bei Erkrankungen endokriner Drüsen vorgeschlagen, zum Beispiel bei Mammakarzinom (US-Patent 4.235.893, Endocrinology 100 (1977) 1684 - 1695), Prostatahyperplasie (DE-OS 2 817 157 und DE-OS 3 121 153) oder Oligospermie (J. Clin. End. and Met. 52 (1981) 897 - 902).
Zur Senkung des Östrogenspiegels kommen Antiöstrogene wie Tamoxifen und insbesondere Aromatasehemmer wie Testolacton infrage.
Man hat festgestellt, daß der Serumöstradiolspiegel bei Männern mit koronaren Herzkrankheiten signifikant höher liegt als bei gesunden Männern (The American Journal of Medicine 74 (1983) 863 - 869). Ebenso sind die Serumöstrogenspiegel bei Männern mit akutem Herzinfarkt erhöht (The American Journal of Medicine 73 (19Ö2) 872 - 881).
Ferner ist bekannt, daß Aromatasehemmer den Östrogengehalt im Plasma senken (J. Clin. and Met. 52 (1981) 897 - 902).
Es wurde nun gefunden, daß durch Verabreichung von Aromatasehemmern auch der Östrogengehalt im Herzvorhof (Atrium cordis) vermindert werden kann.
Behandelt man geriatrische Rattenböcke (Alter ca. 2 Jahre) über 8 Tage subkutan mit einem Aromatasehemmer, wie zum Beispiel täglich 6 mg 4-Hydroxy-4-androsten-3.17-dion, und senkt damit den Östrogengehalt im Plasma, so findet man nach Gabe von ( 3H)-Östradiol einen überraschenden
Anstieg der Tritiumaufnähme im Atrium gegenüber einer nicht mit 4-Hydroxy-4-androsten-3, 17-dion behandelten Kontrollgruppe. Hieraus läßt sich schließen, daß der Aromatasehemmer den Östrogenspiegel insgesamt im Organismus senkt und damit auch den Einbau von Östrogenen im Atrium vermindert. Mit der dann folgenden Zugabe von spezifisch hoch Tritium-markiertem Östradiol (1 /ug 3,17-Dihydroxy-1, 3, 5( 10)-/2, 4, 6, 7, 16, 17-3H7-estratrien) findet eine bevorzugte Aufnahme in die an Östrogen verarmten Östrogenrezeptoren im Atrium statt. Der Faktor der Anreicherung gegenüber der Kontrollgruppe beträgt 3 und bestätigt damit die hohe Bedeutung, die im Zusammenhang zwischen Östrogenspiegel im Plasma, Östrogenauf- findung im Herzmuskel und koronaren Erkrankungen gegeben ist.
Erste Ergebnisse einer Nacharbeitung einer in Science
196 (1977) 319 - 321 publizierten Arbeit von Stumpf et al. zeigen nach Applikation von ( 3H)-Ostradiol bei nicht vorbehandelten 2 Jahre alten Rattenböcken einen etwa 3fach höheren Östrogengehalt im Atrium als in anderen Teilen des Herzens oder im Plasma.
Aus in vitro-Untersuchungen zur Aromatasehemmwirkung mit ß-Receptoren-Blockern in Sertoli-Zellen (Molecular and Cellular Endocrinology, 13 (1979) 241 - 253) ist bekannt, daß eine durch Inkubation mit Testosteron und Stimulation mit Epinephrin um den Faktor 9 verstärkte Bildung von Östradiol durch Zusatz von Propranolol auf das 2fache der Östradiolbildung gegenüber der Kontrollgruppe abfällt.
In neuen von V. Hansson, Oslo, durchgeführten in vitro- Studien wurde nun gefunden, daß sowohl ß-Receptoren- blocker, wie Propranolol und Mepindolol, als auch Aromatasehemmer, wie Testolacton und 4-Hydroxy-4- androsten-3, 17-dion, in Sertoli-Zellkulturen eine durch Isoproterenol induzierte Aromatisierung zu hemmen vermögen. Hier bietet sich eine Parallele in der Wirkungsweise von ß-Blockern und Aromatasehemmern an. Wenn auch der biochemische Angriffspunkt im Ablauf der Ereignisse, die zur Aromatisierung führen, ein anderer ist, so bleibt letztlich beiden Stoffklassen gemeinsam eine Minderung des endogenen Östrogengehalts.
Aus den Ergebnissen der Studien von Hansson läßt sich folgern, daß die Aromatasehemmwirkung - mit ihrer Konsequenz einer verminderten Östrogenbildung - auch das Wirkprofil der ß-Blocker prägt. So wie Isoproterenol sollte auch Adrenalin (Epinephrin) die Aromatisierung induzieren. ß-Blocker greifen zweimal in den Östrogenbildungsregelmechanismus ein. Einmal über eine verminderte
Adrenalinausschüttung per se und Blockierung des Angriffspunktes von Adrenalin (ß-Receptoren) und der damit geringeren Stimulierung einer Aromatisierung und zum anderen über die nachgewiesene sekundäre Hemmwirkung auf die als Folge der Stimulierung anlaufende Aromatisierung.
Erste klinische Versuche mit dem Aromatasehemmer Testolacton bei Patienten mit koronaren Herzkrankheiten sind vielversprechend.
In einem Fall ließen Angina-pectoris-Beschwerden schon nach 4wöchiger Einnahme von täglich je 2 mal 100 mg Testolacton nach und verschwanden schließlich völlig. Das durch Krampf- und Angstzustände gekennzeichnete Krankheitsbild wurde vom Patienten nicht mehr empfunden. Die Therapie wurde 5 Monate fortgesetzt. In dieser Zeit traten nur noch einmal kurzfristig Herzbeschwerden auf, die jedoch den früheren schmerzhaften Schweregrad nicht erreichten.
Auch nach Absetzen des Testolactons blieben die Beschwerden aus, und der Patient ist weiterhin - nach Ablauf von weiteren 8 Monaten - beschwerdefrei. Da ein lebensbedrohender Zustand nicht vorlag, kann mit der Medikation so lange ausgesetzt werden, bis erneut Beschwerden eintreten, die dann nach Einsatz einer Erhaltungsdosis wieder zum Verschwinden gebracht werden können.
Die Dosierung des Antiöstrogens bzw. des Aromatasehemmers richtet sich nach der Art und Schwere der Herzkrankheit. Im allgemeinen wird man mit einer täglichen Dosis eines Antiöstrogens, die der von 10 bis 200 mg Tamoxifen entspricht, oder eines Aromatasehemmers, die der von 50 bis 1000 mg Testolacton entspricht, auskommen.
Zur Prophylaxe und Therapie von koronaren Herzkrankheiten sind erfindungsgemäß alle Stoffe geeignet, die eine Senkung des Östrogenspiegels bewirken. Zu diesen Stoffen zählen alle Antiöstrogene, die sowohl steroidal als auch nicht-steroidal sein können. Zu den am besten untersuchten nicht-steroidalen Antiöstrogenen zählen:
Tamoxifen ((Z) -2-/p-(1, 2-Diphenyl-1-butenyl)-phenoxy7-
N,N-dimethylethylamin) und dessen Salze,
Clomifen (1-/p-(ß-diethylaminoethoxy)pheny17-1, 2- diphenylchlorethylen,
Cyclofenil (Bis(p-acetoxyphenyl) cyclohexylidenmethan,
Nafoxidin ( 1 -( 2-/4-( 6-Methoxy-2-phenyl-3, 4-dihydro-1 - naphthyl)phenoxy7-ethyl)-pyrrolidin, hydrochlorid u.a.
Als Beispiele für steroidale Antiöstrogene seien
11α-Methoxy-17α-ethinyl-östradiol und 16ß-Ethylöstradiol genannt.
Ein Übersichtsreferat über die "Pharmalogie der Antiöstrogene", in dem noch weitere Antiöstrogene abgehandelt werden, ist publiziert in "Gynäkologe" 12 (1979) 199 - 211, Springer-Verlag.
Da die beim Manne vorhandenen Ostrogene vorwiegend aus der peripheren Aromatisierung von androgenen Hormonen stammen (Excerpta Medica 1979, 42 - 50 und J. Clin. Endocrinol. Metab. 27 (1967) 1103 - 1111), sind Aromatasehemmer zur Senkung des Östrogenspiegels beim Manne besonders gut geeignet. Durch Verabreichung von Aromatasehemmern wird die Bildung von biologisch wirksamen Östrogenen (Östrogenbiosynthese) verhindert bzw. gehemmt. Erfindungsgemäß sind alle Aromatasehemmer geeignet, die die Östrogenbiosynthese hemmen und selbst nur geringe oder keine ostrogene oder andere hormonelle Wirkung entfalten. Aromatasehemmer gemäß
vorliegender Erfindung sind zum Beispiel
Testolacton ( 17a-Oxa-D-homo-androsta-1, 4-dien-3.17-dion,
Androst-4-en-4-ol-3, 17-dion (Endocrinology 100 (1977)
1684 - 1695),
Ester des Androst-4-en-4-ol-3, 17-dions (US-Patent 4 235 893)
Weitere geeignete Aromatasehemmer werden beschrieben beispielsweise in Endocrinology 92 (1973) 866 - 880, DE-OS 3 124 719 und US-Patent 4 289 762.
Die Erfindung betrifft auch Mittel zur Senkung des Östrogenspiegels für die Prophylaxe und Therapie von koronaren Herzkrankheiten bei Männern, wobei Antiöstrogene und insbesondere Aromatasehemmer zur Senkung des Östrogenspiegels geeignet sind.
Die Wirkstoffe (Ostrogenspiegelsenker) können mit den in der galenischen Pharmazie üblichen Zusätzen, Trägersubstanzen und/oder Geschmackskorrigentien nach an sich bekannten Methoden zu den üblichen Applikationsformen verarbeitet werden, beispielsweise für die orale, perkutane oder parenterale Applikation.
Für die bevorzugte orale Applikation kommen insbesondere Tabletten, Dragees, Kapseln, Pillen, Suspensionen oder Lösungen infrage.
Die wie oben angegeben formulierten Arzneimittel enthalten vorzugsweise
10 - 100 mg Tamoxifen oder biologisch äquivalente Mengen eines anderen Antiöstrogens oder
50 - 200 mg Testolacton oder biologisch äquivalente Mengen eines anderen Aromatasehemmers.
Darüber hinaus können zur Behandlung von Herzkrankheiten gemäß vorliegender Erfindung auch Antiöstrogene oder Aromatasehemmer mit ß-Receptorenblockern gemeinsam verabreicht werden. Antiöstrogene und ß-Receptorenblocker oder Aromatasehemmer und ß-Receptorenblocker werden vorzugsweise gleichzeitig in getrennten oder einheitlichen Dosiseinheiten appliziert.
ß-Receptorenblocker werden zusammen mit Antiöstrogenen oder Aromatasehmmern in gleicher Form und gleicher oder bis auf die Hälfte herabgesetzter Menge im Vergleich zu der Behandlung mit ß-Blockern allein appliziert.
Das Gewichtsverhältnis von Aromatasehemmer zu ß-Blocker liegt für Testolacton als Aromatasehemmer und Propranolol als ß-Blocker etwa bei 1 : 1 bis 15 : 1. Je nach der Wirkungsstärke der Wirkstoffe kann das Gewichtsverhältnis der Kombination entsprechend angepaßt werden.
Als ß-Receptorenblocker sind außer Propranolol auch alle anderen bekannten ß-Blocker geeignet, wie zum Beispiel Oxprenolol, Nadolol, Pindolol, Mepindolol, Sotalol usw.
Beispiel 1
100,0 mg 17a-0xa-D-homoandrosta-1, 4-dien-3, 17-dion (Testolacton)
80,5 mg Lactose
39,5 mg Maisstärke
2,5 mg Poly-N-Vinylpyrrolidon 25
2,0 mg Aerosil
0, 5 mg Magnesiumstearat
225,0 mg Gesamtgewicht der Tablette, die in üblicher Weise auf einer Tablettenpresse hergestellt wird.
Beispiel 2
50,0 mg 17a-0xa-D-homoandrosta-1, 4-dien-3, 17-dion (Testolacton)
115.5 mg Lactose
54,5 mg Maisstärke
2,5 mg Poly-N-Vinylpyrrolidon 25
2,0 mg Aerosil
0, 5 mg Magnesiumstearat
225,0 mg Gesamtgewicht der Tablette , die in üblicher Weise auf einer Tablettenpresse hergestellt wird.
Beispiel 3
Zusammensetzung einer öligen Lösung;
50,0 mg 17a-Oxa-D-homoandrosta-1, 4-dien-3 , 17-dion (Testolacton) 378,4 mg Rizinusöl 64316 mg Benzylbenzoat
1072,0 mg = 1 ml Lösung
Die Lösung wird in eine Ampulle gefüllt und sterilisiert.
Beispiel 4
Zusammensetzung einer Tablette:
20,0 mg (Z)-2-/p-(1, 2-Diphenyl-1-butenyl) -phenoxy7- N,N-dimethyläthylamin (Tamoxifen) 120,5 mg Lactose
59 5 mg Maisstärke 2 5 mg Poly-N-Vinylpyrrolidon 25 2 0 mg Aerosil 0 5 mg Magnesiumstearat
205,0 mg Gesamtgewicht der Tablette, die in üblicher Weise auf einer Tablettenpresse hergestellt wird.