-
Dauertubus für die Kalibrierung verätzter Speiseröhren
Die Verätzung
der Speiseröhre mit Laugen, Säuren, Sublimat usw. zieht als erste Folge Schlingstörungen
(besonders bei Laugen), heftige Schmerzen, oft von stürmiscllen Erscheinungen begleitet
(besonders bei Säuren), nach sich, welche sich bis zum Unvermögen des Schluckens
steigern können. Die erste Behandlung besteht in der sofortigen Eingabe von Flüssigkeiten
und Ntagenspülungen. Nach Abklingen der akuten Erscheinungen (Laugen 3, Säuren 6
bis 8 Tage) besteht die hlöglichkeit der flüssigen und breiigen Nahrungsaufnahme.
In den nächsten 3 his 8 Wocllell führt die beginnende Narbenbildung zur Verengung
bzw. zur Verlegung des Lumens der Speiseröhre.
-
Dieser Verlegung des Lumens muß ärztlich begegnet werden. Eine der
Behandlungsmöglichkeiten ist die Sofortbehandlung mittels Bongieren durch dicke,
ovale Magenschläuche nach Abklingen der akuten Erscheinungen. Die Dauer der täglich
vorzunehmenden Bougiebehandlung erstreckt sich über 1/4 Jahr. Diese Sofortbehandlung
der Speiseröhrenverätzung durch langzeitiges tägliches Bongieren ist nicht Allgemeingut
geworden, wohl auch wegen der Gefahr der Perforation, und wird in der Regel auch
nicht streng systematisch durchgeführt, so daß Strikturen nicht zu vermeiden sind.
Dieser Methode des langzeitigen Frühintervallbougierens gegenüber hat die im folgenden
näher beschriebene Niethode der Frühdauerintubation enorme Vorteile.
-
Die Dauerintubation soll von vornherein nicht nur der Bildung von
Strikturen durch schrumpfende Granulationen vorbeugen, vielmehr soll das Granulationsgewehe
im frühen Stadium gezwungen werden, sich dem Schaft des Dauerbougies, dessen Weite
dem eines über die Hälfte geöffneten normalen Speiseröhrenlumens entspricht, anzupassen.
-
Die Heilung wird also im Sinne einer normalen Kalibrierung der Speiseröhre
gelenkt. Die Behandlung beträgt etwa 6 bis 8 Wochen.
-
Die bisher zur Dauerintubation angewandte
Duodenalsonde
genügt infolge ihresgeringenDurchmessers der Anforderung einer Kalibrierung nicht.
-
Ein der Weite des normalen Speiseröhrenlumens entsprechender Gummi
schlauch, als Dauertubus angewandt, wirkt in der ersten Enge der Speiseröhre, also
unmittelbar hinter der Ringknorpelplatte, als Fremdkörper; dadurch entstehen Schmerzen,
blutende Arosionen und Infektionen.
-
Bei der Frühdauerintubation sind unter Umständen folgende zwei Arten
der Behandlung notwendig: A. Dauerintubation, B. Dauerintubation und gleichzeitige
Dilatation.
-
A. Der zu wählende Dauertubus muß eine normale Kalil)rierung der
zu heilenden Speiseröhre erreichen und darf im Bereich der ersten Speiseröhrenenge
hinter dem Kehlkopf nicht zu Druckgeschwüren führen. Er muß also aus zwei zwar verschieden
dicken, aber unmittelbar ineinander übergehenden Teilen bestehen, erstens aus einem
der Walibrierung dienenden Speiseröhrenabschnitt und zweitens aus einem hinter bzw.
neben dem Kehlkopf liegenden Abschnitt, welcher lang genug zum Munde bzw. zur Nase
herausführt. Die innere Weite muß gerade ausreichen für die Passage dickflüssiger
Nahrung.
-
Zusammenfassend hat das oben beschriebene Verfahren einer Dauerintubierung
folgenden Vorteil: 1. Lenkung der Narbenheilung durch primäre Kalihrierung, welche
das sekundäre Dilatationsverfahren nach Zeit und Bougiedicke abkürzt oder sogar
vermeidet, 2. Vermeidung der Perforationsgefahr bei frühzeitigem Bougieren, 3. Möglichkeit
der ungehinderten Nahrungsaufnahme durch den Dauertubus und Vermeidung einer Magenfistel,
4. Vermeidung des bei sonstiger Dauerintubation auftretenden Dekubitus.
-
Der Dauertubus ist an drei Ausführungsbeispielen dargestellt, und
zwar zeigt Abb. 1 den Längsschnitt einer ersten Ausführungsform mit zwei zusammengesetzten
Schlauchteilen (1 und 2) für Behandlungsart A, Abb. Ia den Querschnitt a-a dieser
Ausführung, Abb. 2 den Längsschnitt einer zweiten Ausführungform, bei der die beiden
Schlauchteile (I und 2) aus einem Stück hergestellt sind für Behandlungsart A, Abb.
2a den Querschnitt a-a dieser Ausführungsform, Abb. 3 den Längsschnitt durch eine
Ausführungsform, bei der der Tubus während der Dauerintuhation gedehnt werden kann
für Behandlungsart B, Abb. 3 a den Querschnitt a-a dieser Ausführungsform. ller
der Kalibrierung der verätzten Speiseröhre als Tubus dienende hohle Schlauchabschnitt
I (Abb. I) mit kreisförmigem Querschnitt besteht aus auskochbarem Gummi, Buna, Igelit
oder Rüschelit.
-
Sein zur Spitze auslaufendes Ende trägt die eingeschliffenen Augen
3, die für den Austritt der flüssigen oder breiigen Nahrung dienen. Die Augen selbst
sind am Rande so abgerundet, daß sie beim Einführen des Tubus in die Speiseröhre
die letztere nicht verletzen. Durchmesser und Länge desTubus I sind entsprechend
der Weite und Länge des Speiseröhrenlumens (Länge = Abstand vom unteren Kehlkopfrand
bis Mageneingang) zu wählen.
-
Für die Kalibrierung der Speiseröhre ist es vorteilhafter, wenn sie
mit einem Schlauch mit kreisförmigem Querschnitt erfolgt. Der kreisförmige Querschnitt
bietet den Vorteil, daß sich der Schlauch beim Einführen in die Speiseröhre um seine
Längsachse etwas verdrehen kann, ohne daß Teile der Speiseröhrenwände unerwünscht
gedehnt werden, wie dies beim ovalen Querschnitt der Fall sein kann. Andererseits
lassen sich kreisförmige Schläuche leichter herstellen, schleifen und bearbeiten
als ovale.
-
Der dünnere Schlauchteil 2 dient der Zuführung von Nahrung und dem
Herausziehen des Tubus aus der Speiseröhre. Sein Innendurchmesser muß so gewählt
werden, daß dickflüssige Nahrung leicht passieren kann, und sein Außendurchmesser
muß dem Engpaß hinter der Ringknorpelplatte entsprechen, so daß am Kehlkopf keine
Arosionen durch Druck entstehen. Dieser Schlauchteil 2 wird in den den Tubus bildenden
Schlauchteil I geschoben und an seiner Verbindungsstelle 4 mit diesem ein stetiger
Übergang durch Vulkanisieren und Schleifen geschaffen, der heim Herausziehen des
Tubus I aus der Speiseröhre keine Verletzung des Kehlkopfes verursacht. Während
der Dauerintubation liegt nämlich die Verbindungsstelle 4 unterhalb des Kehlkopfes
und der dünne Schlauch teil 2 seitlich des Kehlkopfes zwischen Kehlkopf und Wirbelsäule.
Bei Verwendung von Buna, Igelit oder Rüschelit müssen die beiden Schläuche I und
2 fest verklebt werden, so daß der Tubus I mittels des dünneren Schlauches 2 wieder
aus der Speiseröhre gezogen werden kann.
-
Die Einführung des Tubus in die Speiseröhre wird durch die Versteifung
in Form des eingelegten Stabes g begünstigt. Dieser Stab g kann entweder durch einen
Stahldraht oder Igelitstab gebildet werden. Nach Einführung des Tubus mit der Verbindungsstelle
4 unter den Kehlkopf wird dieser Stab g aus der Schlauchkombination I, 2 gezogen,
so daß dann der weiche Schlauchteil 2 mühelos durch die Nase ins Freie geschoben
werden kann.
-
In der Ausführungsform (Abb. 2) ist Schlauchteil I und 2 aus einem
Stück geformt. Auch diese Ausführung kann aus auskochbarem Naturgummi, Buna, Igelit
oder Riischelit hergestellt werden. Die Anwendung ist die gleiche wie bei der Ausführung
in Abb. I.
-
B. Gewissermaßen als eine Zwischenlösung zwischen der Spätbougiebehandlung
und der Frühdauerintubationsbehandlung ist die Behandlung jener Verätzungsfälle
anzusehen, bei welchen der günstigste Zeitpunkt der Frühdauerintubation bereits
verpaßt ist, wo es aber noch nicht zur Bildung von starren Strikturen gekommen ist.
Hier ist das Verfahren mit einer Dauerintubation noch am Platze, es muß aber das
Verfahren so modifiziert sein, daß der Dauertubus in situ erweitert werden kann.
Damit ist das Kalibrierungsverfahren gleichzeitig mit einem Dilatationsverfahren
verbunden, ohne daß
damit die Dauerintubatiou und die damit ermöglichte
Nahrungsaufnahme unterbrochen werden.
-
Die in Abb. 3 dargestellte Ausführung zeigt die Vorrichtung für dieses
zusätzliche Dilatationsverfahren. Der Dauertubus I bildet die äußere Hülle, die
am Ende 8 mit dem speisefübrenden inneren Schlauchteil I' luftdicht verbunden ist.
An der Übergangsstelle 4 geht der Tubus I wieder in den dünneren Schlauchteil 2
stetig über. Nachdem das Schlauchende 7 durch die Nase geführt ist, wird an demselben
das Anschluß stück 6 einer Luftpumpe mittels Lasche 5 befestigt. Um bei der Dilatation
des Tubus I aus weichem Gummi oder Rüschelit keine zu starke Dehnung des Zufüllrullgsschlauclles
2 zu erhalten, ist dessen Ä','andstärke IO wesentlich stärker gewählt als diejenige
des Tubus I. Auf diese Weise werden unerwünschte Druckerscheinungen bei der Dauerintubation
auf den Kehlkopf verhütet.
-
Durch das Innere des Tubus I führt, konzentrisch angeordnet, der
speisefübrende Schlauch I', 2' mit Auge 3 an seinem Ende. Eingangsstelle 4 und Austrittsstelle
8 sind als stetige iil)ergangsstellell gut vulkanisiert bzw. verklebt sowie gut
geschliffen und bearbeitet, so daß der Tubus 1 luftdicht abschließt und dadurch
den erforderlichen Luftdruck beliebig lange hält. Außerdem darf der Tubus t keine
Stellen besitzen, die eine Perforationsgefahr bilden. Der Schlauchteil 2 wird durch
die andere Nasenöffnung nach Entfernung des Versteifungsstabes g aus dem Schlauch
I', 2' nach außen geführt.
-
Der Dauertubus I gestattet, das Kalibrierungsverfahren den Abmessungen
der Speiseröhre durch Wahl des Luftdruckes, der bis zur maximalen Grenze der Dehnungsfähigkeit
des Tubus I gesteigert werden kann, anzupassen.
-
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das klinische Bild, abhängig
von der Art der Ausdehnung und der Stärke der Verätzung, unter ständen eine Kombination
der unter A (Dauerintubation) und B (Intubation und Dilatation) geschilderten Verfahren
notwendig machen wird. Es wird dann zunächst mit der Dauerintubation A begonnen
werden und nach einer gewissen aber nicht zu langen Frist das Intubations-Dilatations-Verfahren
B einsetzen.