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Die vorliegende Erfindung betrifft
das Gebiet der Zusammensetzungen, die Ladungen für modifizierbare Raketenantriebe
und für
pyrotechnische Gasgeneratoren bilden können, welche dazu vorgesehen
sind, Prallsäcke
und insbesondere Airbags zum Schutz der Insassen eines Kraftfahrzeugs
aufzublasen. Die Erfindung bezieht sich genauer auf feste Materialien,
die in Hybridgeneratoren mit fester Ladung abbrennbare Ladungen
bilden können.
Eine Ladung wird als abbrennbar bezeichnet, wenn sie nur unter äußerer Zufuhr
eines Oxidationsmittels brennen und durch Verbrennung gasförmige Moleküle bilden
kann.
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Zum Aufblasen von Prallsäcken für die Insassen
von Kraftfahrzeugen wurden meistens pyrotechnische Gasgeneratoren
vorgeschlagen, in denen die gesamten, zum Aufblasen der Prallsäcke dienenden
Gase aus der Verbrennung einer pyrotechnischen Ladung stammen. Für diese
Ladungen werden im Allgemeinen zwei große Gruppen von pyrotechnischen
Zusammensetzungen verwendet. Eine erste Gruppe betrifft die Zusammensetzungen
auf der Basis von anorganischen Aziden und insbesondere Natriumazid.
Diese Zusammensetzungen haben den Nachteil, dass sie durch Verbrennung
große
Mengen an festen, heißen
Rückständen bilden,
die gefiltert werden müssen,
damit sie nicht in den aufblasbaren Sack gelangen. Eine zweite Gruppe
betrifft die Treibmittel in Pulverform, die auf Nitrocellulose und
Nitroglycerin oder einer oxidierenden Verbindung basieren können, welche
mit einem organischen reduzierenden Bindemittel umhüllt ist.
Diese Propergole in Pulverform führen
zu wenigen oder sogar zu gar keinen festen Rückständen, ihr Hauptnachteil liegt
jedoch im Allgemeinen in sehr hohen Verbrennungstemperaturen.
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Als Lösungen für die Probleme hinsichtlich
der festen Rückstände und
der Temperatur der Verbrennungsgase wurden auch so genannte "Hybrid"-Gasgeneratoren
vorgeschlagen, die gleichzeitig eine feste pyrotechnische Ladung
und ein Gasreservoir unter Druck enthalten, in dem die aus der Verbrennung
der festen Ladung stammenden Gase verdünnt werden, wenn die in dem
Reservoir enthaltenen Gase inert sind, oder sogar zu brennen aufhören, wenn
die in dem Reservoir enthaltenen Gase oxidierend sind. Im letzten
Fall werden vorteilhaft feste brennbare Ladungen mit Sauerstoffunterschuss
verwendet, wie dies beispielsweise in den europäischen Patentanmeldungen EP-A-0
768 218 oder EP-A-0 779 260 beschrieben ist. Mit diesen Hybridgeneratoren
kann der Gehalt der Gase, die feste Rückstände bilden, bereits ganz deutlich
vermindert und auch ihre Temperatur etwas abgesenkt werden.
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Um die Temperatur der Gase aus den
Hybridgeneratoren noch weiter zu senken, wurden Hybridgeneratoren
vorgeschlagen, die als pyrotechnische Komponente einen einfachen
pyrotechnischen Initiator und im Übrigen ein Reservoir eines
oxidierenden Gases unter Druck, das im Allgemeinen Sauerstoff ist,
und eine feste Ladung enthalten, die nicht aus einem brennbaren
Material mit Sauerstoffunterschuss, sondern einem abbrennbaren Material
besteht. Solche Hybridgeneratoren mit fester abbrennbarer und nicht
brennbarer Ladung sind beispielsweise in den Patentanmeldungen PCT/FR
97/01260 oder den amerikanischen Patenten US-A-S 509 981 und US-A-5
619 011 beschrieben. Die Bestandteile der abbrennbaren Materialen,
die in diesen Patenten beschrieben sind und die auf stark stickstoffhaltigen
Verbindungen und organischen Polymeren basieren, ermöglichen
es, abbrennbare Materialien herzustellen, die bei einer moderaten
Temperatur zu Gasen ohne feste Rückstände führen, wobei
diese Gase jedoch zuweilen sehr hohe Mengenanteile an Stickoxiden und
Kohlenmonoxid aufweisen, bei denen es sich um toxische Gase handelt;
im Übrigen
ist die Abbrenngeschwindigkeit der auf diese Weise hergestellten
Materialien im Hinblick auf die Anforderungen der Automobilhersteller
nicht immer zufrieden stellend.
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Für
die Fachleuten besteht daher ein Bedürfnis, feste, leicht abbrennbare
und in Gasgeneratoren zum Aufblasen von Airbags für die Insassen
von Kraftfahrzeugen verwendbare feste Materialien angeben zu können, d.
h. feste Materialien, die eine Abbrenngeschwindigkeit und eine Abbrenntemperatur
aufweisen, die die Vorgaben der Automobilhersteller erfüllen und
die zu Gasen führen,
die im Wesentlichen aus Stickstoff und Kohlendioxid bestehen und
praktisch keine festen Rückstände enthalten
und frei von Stickoxiden und Kohlenmonoxid sind. Diese leicht abbrennbaren
Materialien können
auch für
Ladungen von modulierbaren Treibmitteln und insbesondere den stromabwärts gelegenen
Ladungen von "Zweikammer"-Ladungen eingesetzt werden, deren stromaufwärts gelegene
Kammer eine selbstbrennende Ladung enthält, die ein oxidierendes Gas bildet,
wobei durch die Änderung
des Drucks bei der Verbrennung in der stromaufwärts gelegenen Kammer das Treibvermögen der
Treibmittel verändert
werden kann.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung
besteht im Einzelnen darin, Materialien anzugeben, die alle diese
Bedürfnisse
erfüllen.
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Die Erfindung betrifft daher ein
abbrennbares, festes Verbundmaterial, das dazu vorgesehen ist, mit einem
oxidierenden Gas zu reagieren, wobei das Material hauptsächlich aus
einem organischen Binder, mindestens einer reduzierenden organischen
Ladung und gegebenenfalls Zusatzstoffen besteht und dadurch gekennzeichnet
ist, dass:
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- (i) die reduzierenden organischen Ladungen
unter 3,5-Diaminotriazol, Dimethylbitetrazol, Tetraformaltrisazin, Melamin
und 5-Aminotetrazol ausgewählt
sind,
- (ii) der Gewichtsanteil des Binders, bezogen auf das Gesamtgewicht
des Materials, im Bereich von 4 bis 80 % liegt,
- (iii) die Bildungsenthalpie ΔHf
des Materials mindestens 1250 kJ/kg beträgt, und
- (iv) die Zusatzstoffe keine oxidierenden Gruppen aufweisen.
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Es hat sich herausgestellt, dass
das abbrennbare feste Material im Wesentlichen reduzierend sein sollte
und unbedingt eine deutlich positive Bildungsenthalpie ΔHf von mindestens
1250 kJ/kg aufweisen sollte.
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Die verwendbaren Ladungen sind hierzu
stickstoffhaltige reduzierende organische Ladungen mit einer positiven
Bildungsenthalpie.
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Wenn der verwendete organische Binder
ein Binder mit einer negativen Bildungsenthalpie oder einer schwach
positiven Bildungsenthalpie ist, wie dies insbesondere für kohlenwasserstoffhaltige
thermoplastische Polymere und für
Polymere auf der Basis eines mit einem Polyamin vernetzten Epoxidharzes
der Fall ist, liegt der Gewichtsanteil des Bindemittels, bezogen
auf das Gesamtgewicht des Materials, vorteilhaft im Bereich von 4
bis 10% und vorzugsweise im Bereich von 6 bis 8%. In diesem Fall wird
das Material unter Verwendung eines Lösungsmittels für die Extrusionsphase
zu extrudierten Blöcken
geformt oder durch Granulieren und Komprimieren ohne Lösungsmittel
in die Form von Pastillen gebracht.
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Wenn das verwendete organische Bindemittel
ein Binder mit einer stark positiven Bildungsenthalpie ist, wie
dies beispielsweise für
Polyazide mit Alkoholgruppe der Fall ist, die mit einem Polyisocyanat
vernetzt sind, kann das Bindemittel in einem Gewichtsanteil von
4 bis 80% des Gesamtgewichts des Materials und vorzugsweise 20 bis
60% verwendet werden. Die reduzierende organische Ladung wird dann
vorzugsweise unter Dimethylbitetrazol und Tetraformaltrisazin ausgewählt, die
mit den Isocyanatgruppen nicht oder kaum reagieren. Mit dieser zweiten
Gruppe von Bindemitteln wird das Material im Allgemeinen in die
Form von extrudierten Blöcken
gebracht, wobei die Extrusion ohne Lösungsmittel vor dem Abschluss
der Vernetzung erfolgt. Es sind jedoch auch andere Verfahren zur
Formgebung möglich,
insbesondere das Granulieren und anschließende Komprimieren, wenn der
Bindemittelgehalt relativ gering ist.
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Nach Initiation mit einem pyrotechnischen
Initiator in Gegenwart eines oxidierenden Gases wie Luft oder Sauerstoff
brennen die endungsgemäßen Materialien
sehr schnell bei Temperaturen ab, die meistens unter 1600°K liegen.
Die auf diese Weise gebildeten Gase bestehen im Wesentlichen aus
Stickstoff und Kohlendioxid, sie sind frei von festen Rückständen und
enthalten keine Spuren von Stickoxiden und Kohlenmonoxid.
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Die erfindungsgemäßen Materialien werden bevorzugte
in Hybridgasgeneratoren mit fester abbrennbarer Ladung eingesetzt,
die dazu vorgesehen sind, Airbags für die Insassen eines Kraftfahrzeugs
aufzublasen.
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Im Folgenden wird eine bevorzugte
Ausführungsform
der Erfindung detailliert beschrieben.
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Die erfindungsgemäßen abbrennbaren Materialien
sind daher feste Verbundmaterialien, die im Wesentlichen einen organischen
Binder und eine organische Ladung enthalten, wobei sie so zusammengesetzt sind,
dass sie durch Abbrennen keine festen Rückstände bilden. Sie können gegebenenfalls
in geringen Mengen Zusatzstoffe enthalten, wobei diese Zusatzstoffe
keine oxidierenden Gruppen enthalten, damit das Material vollständig abbrennbar
bleibt und nicht zum Teil brennbar wird.
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Es wurde festgestellt, dass das Material
eine sehr positive Bildungsenthalpie ΔHf von mindestens 1250 kJ/kg
aufweisen sollte, damit es eine mit den Anforderungen der Kraftfahrzeugsicherheit
vereinbare Abbrenngeschwindigkeit aufweist.
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Hierzu handelt es sich bei der organischen
Ladung um eine stickstoffhaltige reduzierende organische Ladung
mit einer positiven Bildungsenthalpie.
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Die nachstehende Tabelle 1 gibt die
Bezeichnungen, Formeln, Strukturen und Bildungsenthalpien ΔHf von beschiedenen,
im Rahmen der Erfindung verwendbaren Ladungen an.
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Aufgrund der Bildungsenthalpien können Dimethylbitetrazol,
Tetraformaltrisazin und 5-Aminotetrazol als einzige Füllstoffe
verwendet werden, wohingegen das 3,5-Diaminotetrazol und das Melamin
nur als weitere Ladungen im Gemisch mit mindestens einer der drei
vorgenannten Ladungen verwendet werden können.
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Die Ladungen sind in einem organischen
Binder enthalten, der in einem Gewichtsanteil von 4 bis 80% des
Gesamtgewichts der Zusammensetzung vorliegt. Es hat sich herausgestellt,
dass im Rahmen der vorliegenden Erfindung die stark sauerstoffhaltigen
Polymere, wie Polyester und Polycarbonate, nicht als Binder verwendet
werden können
und dass andererseits ein Polymer nicht alleine ein abbrennbares
Material bilden kann, sondern eine oder mehrere der oben genannten
reduzierenden organischen Ladungen in einer Menge von mindestens
etwa 25% seines Eigengewichts enthalten muss.
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In der Praxis werden zwei große Gruppen
von Bindern unterschieden, die im Rahmen der vorliegenden Erfindung
verwendbar sind.
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Die erste Gruppe umfasst Binder mit
negativer oder sehr schwach positiver Bildungsenthalpie, in der Praxis
unter 200 kJ/kg. Diese Gruppe umfasst insbesondere die Polymere
auf der Basis eines mit einem Polyamin vernetzten Epoxidharzes und
thermoplastische kohlenwasserstoffhaltige Polymere.
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Wenn ein erfindungsgemäßes abbrennbares
Material aus einem Binder aus dieser ersten Gruppe gebildet wird,
führt die
reduzierende organische Ladung ausschließlich oder im Wesentlichen
zu der positiven Bildungsenthalpie des Materials. Dieses enthält daher
wenig Binder, in der Praxis 4 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise 6 bis
8 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Materials.
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Die zweite Gruppe umfasst Binder
mit stark positiver Bildungsenthalpie in der Praxis von mindestens etwa
800 kJ/kg. Diese Gruppe umfasst insbesondere die Polyazide mit Alkohol-Funktionalität, die mit
einem Polyisocyanat vernetzt sind.
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Wenn ein erfindungsgemäßes abbrennbares
Material aus einem Binder aus dieser zweiten Gruppe aufgebaut wird,
tragen der Binder und die reduzierende organische Ladung zur positiven
Bildungsenthalpie des Materials bei. Diese kann dann große Mengen
Binder enthalten, in der Praxis 4 bis 80 Gew.-% und vorzugsweise
20 bis 60%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Materials. Es wird
jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass auch in diesem Fall der
Binder nicht alleine das gesamte abbrennbare Material bilden kann, insbesondere
wegen der Abbrenngeschwindigkeit. Mit diesem Bindertyp werden reduzierende
organische Ladungen bevorzugt, die keine Aminogruppe NH2 aufweisen,
die gegenüber
den Isocyanatgruppen -NCO reaktiv sind, d. h. Dimethylbitetrazol
und Tetraformaltrisazin.
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Die folgenden Beispiele erläutern einige
Möglichkeiten
zur Durchführung
der Erfindung, wobei sie nicht einschränkend zu verstehen sind.
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Beispiele 1 bis 3
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Es wurden drei zylindrische hohle
Blöcke
hergestellt, die ausgehend von den drei folgenden Zusammensetzungen
extrudiert wurden:
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Beispiel 1:
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- – Binder:
mit einem Polyamin vernetztes Epoxid: 6 Gew.-%
- – Ladung:
5-Aminotetrazol: 94 Gew.-%
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Beispiel 2:
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- – Binder:
Glycidylazidpolymer mit OH-Funktionen, vernetzt mit einem Polyisocyanat:
55 Gew.-%
- - Ladung: Dimethylbitetratol: 45 Gew.-%
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Beispiel 3:
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- – Binder:
Glycidylazidpolymer mit OH-Funktionen, vernetzt mit einem Polyisocyanat:
55 Gew.-%
- - Ladung: 5-Aminotetrazol: 45 Gew.-%.
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Aus Gründen der Einfachheit dienen
die so erhaltenen Blöcke
für die
durchzuführenden
Versuche als abbrennbare Ladung für Hybridgeneratoren, deren
oxidierendes Gas Luft ist und die dazu vorgesehen sind, Prallsäcke von
60 l aufzublasen. Die folgenden Tabellen 2 bis 4 geben die Ladungen
für die
Generatoren und die Ergebnisse beim Auslösen an. In den Tabellen wurden
die folgenden Abkürzungen
verwendet:
ω =
Gewichtsverhältnis
Luft/abbrennbarer Feststoff
Ta = Abbrenntemperatur in °C
Rdt
gesamt = Gasausbeute in l/g der gesamten Ladung des Hybridgenerators
(Luft und abbrennbarer Feststoff)
Rdt abl. = Gasausbeute in
l/g, bezogen auf die abbrennbare feste Ladung des Hybridgenerators
%
res. = Prozentualer Gewichtsanteil der festen Rückstände in den Gasen
COppm
= Kohlenmonoxid-Gehalt der Gase, ausgedrückt in ppm in einem Volumen
von 2,5 m3, ausgehend von einem 60 l-Prallsack,
der mit den aus dem Generator stammenden Gasen aufgeblasen wurde
NOxppm
= Gehalt der Gase an Stickoxiden, ausgedrückt in ppm, in einem Volumen
von 2,5 m3, ausgehend von einem 60 l-Prallsack,
der mit den aus dem Generator stammenden Gasen aufgeblasen wurde.
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Die Ergebnisse zeigen, dass die erfindungsgemäßen abbrennbaren
Materialien, wenn sie in Hybridgeneratoren eingesetzt werden, die
oxidierende Gase enthalten, zu moderaten Gastemperaturen führen, wobei die
Gase keine festen Rückstände enthalten
und nicht toxisch sind, insbesondere wenn das Gewichtsverhältnis oxidierendes
Gas/abbrennbarer Feststoff ausreichend hoch ist.