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Die
Erfindung betrifft ein Röhrensystem
zur Rekonstruktion einer Harnröhre
mit einer Röhre
zur Ableitung von Substanzen.
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Ein
solches Röhrensystem
kann in der Medizin zur Bildung eines Ersatzes von defekten Hohlorganen
oder Teilen davon verwendet werden, die bei angeborenen Fehlbildungen,
Tumorresektionen oder anderen Störungen,
die zu einer Fehlfunktion des Organs führen, auftreten. Insbesondere
können
solche Röhrensysteme
bei der Bildung oder Rekonstruktion der Harnröhre verwendet werden.
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Bei
einer Rekonstruktion von Hohlorganen, wie Harnröhren, kommen in der Fachmedizin
bislang Röhren
verschiedenster Materialien, wie synthetische Materialien, sowie
verschiedene Gewebearten als freie Implantate, gefäßhaltige
Hautteile, autologe Mundschleimhaut oder Blasenschleimhaut und Epidermiszellen
zur Auskleidung derartiger Organe zum Einsatz. Diese Technik ist
jedoch mit erheblichen Komplikationen, wie immunologischer Abstossung der
Fremdkörper
oder Fremdgewebe, verbunden. Vor allem im Fall von Harnröhren-Auskleidungen
gelingt es bisher nicht, das darunterliegende Gewebe vor der aggressiven
Wirkung des Urins zu schützen. Fisteln,
Perforationen und Stenosen der rekonstruierten Harnröhren sind
die Folge.
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Eine
neue Rekonstruktionstechnik in Zusammenhang mit der Bildung von
Harnröhren
wurde in einem Beitrag anläßlich der
30. Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Plastische Chirurgie, 15.–16. September
1999 in Seeon, Deutschland, von Bach et al in grundsätzlichen
Zügen präsentiert,
wobei die Bildung einer künstlichen
Harnröhre
durch Transplantation von Urothelzellen erläutert wurde. Im einzelnen wird
hierbei ein Katheter implantiert, um ein zusammenhängendes
Röhrenkonstrukt
aus Gewebe zu bewirken; danach wird der Katheter wieder entfernt
und es wird ein zweiter, dünnerer
Katheter mit autologen in vitrokultivierten Urothelzellen zur Auskleidung
des Geweberaumes eingesetzt. Ein weiterer, flexibler Katheter wird
danach zur Herstellung einer Verbindung zwischen der gebildeten künstlichen
Urethra und der Harnblase verwendet. Problematisch ist hierbei,
dass in zeitlichen Abständen
(von beispielsweise jeweils einigen Wochen), Katheter neu eingesetzt
werden müssen,
was einerseits zu einer Belastung des Patienten und zu einem erhöhten medizinischen
Aufwand führt,
da mehrere chirurgische Behandlungen erforderlich sind, und andererseits
eine erhebliche zeitliche Verzögerung
der gesamten Transplantation bzw. Rekonstruktion zur Folge hat. Überdies
sind mehrere unterschiedliche Vorrichtungen notwendig, die eine
komplexe Handhabung und einen hohen Aufwand mit sich bringen.
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Es
wäre daher
von Bedeutung, hier Abhilfe zu schaffen, um unzureichende funktionelle
Ergebnisse und die hohe Morbidität
der Patienten zu mindern.
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Aufgabe
der Erfindung ist es demnach, ein Röhrensystem der eingangs erwähnten Art
zu schaffen, das in vorteilhafter Weise eine sichere Ableitung von
Substanzen und eine Bildung der Harnröhre ermöglicht unter Verwendung transplantierter
autologer Zellen, um die schützende
Funktion der Zellen im Inneren der Harnröhre wieder herzustellen.
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Das
erfindungsgemäße Röhrensystem
der eingangs erwähnten
Art ist dadurch gekennzeichnet, dass die Röhre zur Ableitung von Substanzen
innerhalb einer äußeren Röhre angeordnet
ist, und dass der Zwischenraum zwischen den beiden Röhren zur Applikation
von Zellen vorgesehen ist, und dass die äußere Röhre durch eine mikroperforierte
Membran gebildet wird, die aus einem bioresorbierbaren Material
besteht und für
die zu applizierenden Zellen permeabel ist.
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In
dem vorliegenden Röhrensystem
ermöglicht
die innerhalb der äußeren Röhre angeordnete innere
Röhre vorteilhafterweise
einen Transport von Substanzen oder Flüssigkeiten, ohne dass das aufzubauende
Harnröhren-Konstrukt dadurch
beeinträchtigt
wird. Gleichzeitig wird über
den Zwischenraum zwischen der inneren Röhre und der durch die Membran
gebildeten äußeren Röhre ein
Gewebeaufbau ermöglicht,
wofür insbesondere
eine Applikation von entsprechenden protektiven, vorzugsweise autologen,
in vitro-kultivierten Zellen erfolgt, und zwar durch die genannte
Membran hindurch von innen nach außen. Durch diese Durchlässigkeit,
insbesondere durch die Mikroperforationen, wird der erforderliche
Durchtritt der zu applizierenden Zellen erreicht, und durch die
Migration und Proliferation dieser Zellen in die unmittelbare Umgebung
wird eine ungestörte
Auskleidung des inneren Geweberaumes der Harnröhre mit geeigeten protektiven
Zelle ermöglicht. Dazu
ist es günstig,
wenn die Mikroperforationen einen Durchmesser in der Größenordnung
von 300 μm aufweisen;
bei derartigen Größen können die
Zellen problemlos, wie gewünscht,
hindurchtreten, und andererseits können etwaige Verstopfungen
der Mikroperforationen verhindert werden.
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Es
sollte erwähnt
werden, dass beispielsweise bereits aus der WO 92/09311 A oder der
US 5,575,815 A bekannt
ist, daß Zellen
oder andere bioaktive Materialien aus einem äußeren Lumen in Blut oder ähnliches
freigesetzt werden können,
indem sie ein inneres Lumen des entsprechenden Kathetersystems passieren.
Entsprechend geht es hier um vaskuläre Prothesen, und es ist die
innere Röhre,
die für bioaktive
Materialen durchlässig
ist.
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Das
erfindungsgemäße Röhrensystem
ist bevorzugterweise mit einer epithelialen Auskleidung versehen.
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Die
innere Röhre
des erfindungsgemäßen Röhrensystems
besteht bevorzugt aus Silikon. Silikon hat nicht nur eine gute Eignung
für medizinische Anwendungen,
sondern ermöglicht
auch ein stabiles Röhrensystem
für eine
vorteilhafte Stützfunktion
in der Art einer "Schienung" der Operationswunde.
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Die
mikroperforierte Membran kann aus einem natürlichen oder synthetischen
Polymer bestehen, wie z. B. aus Polymilchsäure (PLA), Polyglykolsäure (PGA),
Polyglykol-Polymilchsäure
(PGLA), Fibrin oder Kollagen.
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Derartige
Membranen sind gewebeverträglich,
haltbar und strapazfähig.
Von besonderem Vorteil ist es auch, wenn das Membran-Material bioresorbierbar
ist.
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Vorzugsweise
verfügt
das Röhrensystem über eine
Abdichtung, um ein Eindringen der abzuleitenden Substanzen in den
Zwischenraum zwischen den Röhren
oder in den Bereich des Gewebeaufbaus zu verhindern. Demgemäß ist es
vorteilhaft, wenn der inneren Röhre
ein Abdichtungsorgan, vorzugsweise ein Ballon, zugeordnet ist. Der
Ballon ist vorteilhafterweise aufblasbar, um so in Verbindung mit
der inneren Röhre
in der Art eines Ballonkatheters eine kontinuierliche Ableitung
der Flüssigkeit,
beispielsweise des Harns aus einer Harnblase, zu erlauben.
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Es
ist weiterhin vorteilhaft, wenn der Zwischenraum zwischen den Röhren mit
zumindest einem Schlauch oder einer Röhre zur Applikation von Zellen,
vorzugsweise in Form einer Suspension, verbunden ist. Mit Hilfe
dieses Schlauchs können
auf einfache Weise dem Zwischenraum zwischen den Röhren protektive
Zellen zugeführt
werden, von wo aus die Zellen durch die Membran hindurch zur Innenseite
des Harnröhren-Konstrukts
gelangen können.
Für einen
solchen Vorgang ragt der Schlauch zweckmäßig über die nach außen gerichtete Öffnung (das
Orifizium) hinaus, um die Zellen möglichst einfach zuführen zu
können.
Der Schlauch weist einen wesentlich kleineren Durchmesser als die
innere Röhre
auf.
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Um
die Zellapplikation besonders effizient durchführen zu können, ist an einem Ende des Schlauchs
ein Spritzenanschluss, zur Injizierung von Zellen, vorzugsweise
in Form einer Suspension, vorgesehen. Damit ist eine praktische
Handhabung möglich.
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Die
zuzuführenden
Zellen sind vorteilshafterweise autologe Zellen, insbesondere Urothelzellen, die
in vitro kultiviert und sodann in einer Transportmatrix, vorzugsweise
einem Fibrinkleber, suspendiert werden. Hierbei wird erreicht, dass
die Zellen durch die Transplantation mittels des erfindungsgemäßen Röhrensystems
in den angrenzenden Bindegewebsraum eingebracht werden, ohne dass
es zu Abstossungen oder sonstigen immunologischen Störungen kommt.
Im einzelnen können
beispielsweise durch eine Biopsie gewonnene patienteneigene Gewebezellen
in vitro gezüchtet
und vermehrt werden. Die Suspension in einem Fibrinkleber als Transportmatrix ermöglicht einen
schonenden Transport und eine verlässliche Übertragung der in vitro gezüchteten Urothel-
bzw. allgemein Gewebezellen.
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Das
vorliegende Röhrensystem
sollte in Abhängigkeit
der Form der zu rekonstruierenden Harnröhre dimensioniert werden, und
es kann beispielsweise als doppellumiges Kathetersystem ausgebildet sein,
wobei das innere Lumen die innere Röhre bildet und das äußere Lumen
die äußere Röhre bildet.
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Das
Röhrensystem
kann auch bereits applizierte Zellen, beispielsweise Urothelzellen,
im Zwischenraum enthalten. Eine solche Ausführungsform ist besonders dann
von Vorteil, wenn die Zellen in einem tiefgefrorenen Zustand gehalten
werden und bei Gebrauch vor einem operativem Eingriff aufgetaut und
in die Harnröhre
eingesetzt werden. Da Zellen in tiefgekühlter Form über einen gewissen Zeitraum hinweg
lagerungsfähig
sind, können
derartige Zellen auch gemeinsam mit dem Röhrensystem kurzfristig verfügbar gemacht
werden. Die Entnahme der körpereigenen
Zellen der defekten Harnröhre
des Patienten und anschließende
Zellvermehrung in vitro kann vorweg bei einer ohnehin erforderlichen
Voruntersuchung stattfinden, um die immunologischen Vorteile beim
Wiedereinsetzen der autologen Zellen zu garantieren.
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Zusammenfassend
können
als Vorteile der gegenständlichen
Erfindung hervorgehoben werden, dass ein Röhrensystem bzw. doppellumiger
Katheter vorliegt, welches bzw. welcher einerseits primär im Rahmen
eines chirurgischen Eingriffes oder einer Rekonstruktion des Bindegewebeanteils
einer Harnröhre
orthotop eingebracht werden kann, und mit welchem andererseits eine
kontinuierliche Ableitung von Substanzen, z. B. Urin, unter Abdichtung,
vorzugsweise mit einem aufblasbaren Ballon, erreicht wird, wobei
auch gleichzeitig eine Schienung und ein Schutz der Operationswunde
gewährleistet
wird. Außerdem
wird durch das gegenständliche
Röhrensystem
die primäre
und sekundäre
Besiedelung des Bindegeweberaumes, welcher das Röhrensystem umgibt, mit kultivierten
autologen Zellen, die in einer Transportmatrix über die äußere Röhre transportiert werden, ermöglicht.
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Ein
Ausführungsbeispiel
der vorliegenden Erfindung wird anhand der Zeichnung noch weiter
erläutert.
Dabei ist in der einzigen Zeichnungsfigur eine schematische Darstellung
eines Röhrensystems
in Form eines doppellumigen Katheterss gezeigt, der zur Rekonstruktion
einer Harnröhre
eingesetzt wird.
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Im
Einzelnen zeigt die Zeichnung als Röhrensystem einen doppellumigen
Katheter 1, der in einer inneren Röhre 2 ein geschlossenes
inneres Lumen mit einer blasenseitigen Öffnung und eine äußere Öffnung zur
Ableitung von Substanzen aus der Harnblase 3 sowie ein äußeres Lumen 4 aufweist. Dieses äußere Lumen 4 ist
nach außen
hin durch eine Membran 5 begrenzt, die die äußere Röhre darstellt
und mit Mikroperforationen 6 ausgestattet ist. Bei der
Rekonstruktion einer Harnröhre,
deren Bereich in der Zeichnung schematisch bei 7 angedeutet ist,
kommt diese Membran 5 bzw. die äußere Röhre in diesem Harnröhrenbereich 7 zu
liegen, und Zellen, die dem Zwischenraum zwischen den Röhren 2 und 5,
d. h. dem äußeren Lumen 4,
zugeführt
werden, können
durch die Mikroperforationen 6 hindurchtreten, um folglich
die Bildung eines inneren Geweberaums der Harnröhre einzuleiten. Am offenen
Ende des Katheters 1, das zur Blase hin gerichtet ist,
wird eine Abdichtung in Form eines auf übliche Art und Weise aufblasbaren
Ballons 8 zur Verfügung
gestellt, der ein unbeabsichtigte Eindringen von Urin in den Bereich
der Gewebebildung verhindert, wodurch ein kontinuierliches Entleeren
der Blase 3 ermöglicht wird.
Dieser Ballon 8 verhindert weiterhin ein Herausgleiten
des Systems aus der Harnröhre
und gewährleistet
den Kontakt zur Blase. Die Harnflußrichtung wurde in der Zeichnung
mit einem Pfeil A angedeutet.
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Ein
Schlauch oder eine Röhre 9 wird
in den Raum 4 zwischen der inneren Röhre 2 und der äußeren Röhre 5 eingeführt, um
den Raum 4 wie vorstehend beschrieben mit Zellen von der
Außenseite 10 zu
versorgen. Am äußeren, offenen
Ende des Schlauchs 9, das gegenüber dem Ballon 8 liegt,
d. h. auf der Seite des Orifiziums, ist ein – nur ganz schematisch angedeuteter – Spritzenanschluß 11 vorgesehen,
der dafür
sorgt, daß die
direkte Applikation der Zellen einfach mittels einer Injektionsspritze durchgeführt werden
kann.
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Über diesen
Spritzenanschluß 11 werden
somit unter Verwendung der nicht dargestellten Spritze autologe,
in vitro kultivierte Urothelzellen als Suspension in einem Fibrinkleber
injiziert. Dies erleichtert eine effiziente schonende Zellapplikation
und gewährleistet
in weiterer Folge eine sorgfältige
Migration und Ansiedelung der autologen Urothelzellen im Harnröhreninnenraum.
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Die
das innere Lumen bildende innere Röhre 2 besteht vorzugsweise
aus Silikon, wogegen die das äußere Lumen 4 begrenzende
mikroperforierte Membran 5 insbesondere aus einem natürlich oder
künstlichen,
bioresorbierbaren Polymer besteht, wie z. B. aus Polymilchsäure (PLA),
Polyglykol-Polymilchsäure
(PGLA), Fibrin oder Kollagen. Der Schlauch 9 kann z. B.
ebefalls aus Silikon bestehen.
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Die
innere Röhre 2 ist
zusammen mit dem aufblasbaren Ballon 8 in der Form eines
an sich herkömmlichen
Ballonkatheters ausgeführt,
wobei sich eine nähere
Erläuterung
erübrigen
kann.
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Insgesamt
wird somit ein Röhrensystem 1 erhalten,
welches zum einen relativ leicht zu handhaben ist und zum anderen
eine effektive Rekonstruktionsmöglichkeit
z. B. einer Harnröhre
mit autologen Urothelzellen darstellt.