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Kunstleder, Wachstuch oder ähnliche flächenartige Gebilde aus gestrichenen
Geweben sowie deren Anwendung Zur Herstellung von Kunstleder, Wachstuch, Wandbelag
u. dgl. werden bekanntlich Gewebeunterlagen aus Baumwolle, Leinen, Jute o. dgl.
mit besonderen Streichmassen überstrichen.
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Bei der Herstellung solcher Gebilde ergibt sich der Übelstand, daß
der auf das Gewebe gestrichene Überzug nach einiger Zeit im Gebrauch abblättert.
Besonders tritt dies an solchen Stellen ein, an denen das Kunstleder o. dgl. geknickt
oder über eine Kante gespannt wird. An diesen Kanten oder Knickstellen scheuert
sich der überzug besonders leicht ab. Auch ist das handelsübliche Kunstleder gegen
Feuchtwerden, was beispielsweise bei Sitzüberzügen in offenen Autos nicht zu vermeiden
ist, sehr empfindlich.
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Versuche, diesen Übelständen durch Anwendung einer anderen Gewebeunterlage,
nämlich handelsüblicher Kunstseide, bei der Herstellung von Kunstleder, Wachstuch
u. dgl. zu begegnen, haben vollkommene Mißerfolge ergeben. Die handelsübliche Kunstseide
weist im allgemeinen eine geringere Festigkeit als die sonst verwendete Baumwolle,
dagegen eine viel größere Dehnung auf. Gerade dieses große Dehnungsvermögen ist,
wie gefunden wurde, ein Hauptgrund dafür, daß die Überzugsschicht von einer derartigen
Unterlage besonders leicht abblättert. Auch ist die Wasserempfindlichkeit der gewöhnlichen
Kunstseide in vielen Fällen sehr nachteilig. Beim Naßwerden geht die Festigkeit
noch erheblich weiter zurück, und- die Dehnung wächst noch mehr. Ein Naßwerden vermag
also ein derartiges Kunstleder nicht zu vertragen. Auf Grund dieser Übelstände hat
sich in Fachkreisen die Meinung gebildet, daß mit einer Unterlage aus künstlichen
Fasern überhaupt kein brauchbares Kunstleder, Wachstuch o. dgl. herzustellen sei.
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Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß sich ein Kunstleder, Wachstuch
usw. von ganz neuartigen Eigenschaften ergibt, wenn man an Stelle gewöhnlicher Kunstseide
eine Spezialkunstfaser verwendet, wie sie beispielsweise nach dem britischen Patent
27¢ 521 und zahlreichen Zusatzpatenten hergestellt wird. Die Herstellung erfolgt
kurz derart, daß eine in besonderer Weise, nämlich ohne Reifung gewonnene Viskose
in sehr starker, etwa 6oo/Qig er Schwefelsäure unter Anwendung starken Zuges auf
die entstehende Faser versponnen wird. Hierbei werden Fasern gewonnen, die eine
Trockenfestigkeit von mehr als 2 g/1 den., unter Umständen 3 g, ja selbst 5 g/1
den. Fadenstärke und eine Naßfestigkeit von über 1,5g, beispielsweise 29,
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oder noch mehr je den. Fadenstärke besitzen. Die Dehnung dieser Fasern
ist im allgemeinen wesentlich kleiner als die von gewöhnlicher Kunstseide. Sie beträgt
meist unter 1o % in trockenem und unter 12 % in nassem Zustand. Ein großer Teil
dieser Dehnung ist reversibel, d. h. die Dehnung geht
beim Aufhören
der Zugkräfte in entsprechendem Maße wieder zurück, während stark gedehnte Handelskunstseide,
übrigens auch Baumwolle, im wesentlichen eine sogenannte plastische Dehnung besitzen,
d. h. eine durch Zugkräfte erreichte Verlängerung des Fadens bleibt auch nach Aufhören
des Zuges größtenteils dauernd bestehen. Die neue Spe-, zialfaser weist also trotz
geringerer Gesamtdehnung verhältnismäßig wesentlich größere Elastizitätsanteile
als die bekannten Fasern auf.
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Zerreißversuche mit Geweben, die aus den drei obenerwähnten Fasern
hergestellt waren, haben klar die Überlegenheit von aus der neuen Spezialfaser hergestellten
Geweben für die Kunstleder-, Wachstuch- usw. Fabrikation ergeben. Die Faserstärke
wurde in allen drei Fällen möglichst gleich gewählt, nämlich zur Herstellung des
Baumwollgewebes ein Baumwollfaden Nr. ioo zweifach (das entspricht etwa einem Kunstseidendenier
von iio bis 12o), bei dem Gewebe aus gewöhnlicher Kunstseide ein Kunstseidenfaden
vom Gesamttiter i20 den. und bei dem Gewebe aus Spezialkunstfaser ebenfalls eine
Faser von 12o den. Aus diesen Fäden .wurden mit gewöhnlicher Leinwandbindung Gewebe
hergestellt, die in der Kette 36 Fäden und im Schuß 2g Fäden je Zentimeter aufwiesen.
In allen Fällen handelt es sich .also um Gewebe, wie sie zur Herstellung normalen
Kunstleders ohne weiteres Verwendung finden können, wobei indessen darauf hingewiesen
sein soll, daß natürlich zur Herstellung besonders feiner oder besonders dicker
Sorten von Kunstleder, Wachstuch usw. auch ganz anders gewebte Stoffe Verwendung
finden können, beispielsweise solche mit stärkeren oder schwächeren Fäden, dichterer
oder dünnerer Fadeneinstellung,-anderer Bindung usw.
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Bei den Versuchen haben sich folgende Zahlen ergeben:
Festigkeit Dehnung |
trocken naß trocken naß |
kg kg ofu °f, |
A. Gewebe in Kettrichtung eingespannt |
Baumwollgewebe.. 26,8 '21,8 r2,7 19,8 |
Kunstseidengewebe z8,2 6,7 214 ' 31,6 |
Gewebe aus Spezial- |
kunstfaser...... 38,o4 I 2o,96 8,45i 9,7 |
B. Gewebe in Schußrichtung eingespannt |
Baumwollgewebe.. 23,z 2x,8 16,o 18,4 |
Kunstseidengewebe 13,8 4,2 25,6 31,9 |
Gewebeaus Spezial- |
kunstfaser...... 28,8 20,94 9,0 10,3 |
Abgesehen von diesen aus den obigen Zahlen sich .ergebenden Vorzügen der neuen Gewebeunterlage
für die Herstellung von gestrichenen Flächengebilden, zeigt sich auch, daß die Streichmasse
an der Spezialkunstfaser überraschenderweise ausgezeichnet haftet. Weiterhin hat
sich ergeben, daß das neue Kunstleder, Wachstuch usw. gegen Temperaturschwankungen
viel weniger empfindlich ist, offenbar weil die Dehnbarkeit der neuen Faser durch
Wärme im Gegensatz zu anderen Fasern kaum beeinflußt wird. Dies ist von besonderer
praktischer Bedeutung bei, Sitzüberzügen, die sich beim Benutzen nicht unerheblich
anwärmen, andererseits bei kaltem Wetter in Fahrzeugen u. dgl. sehr stark abkühlen.
Ein Überdehnen des Stoffes an den Kanten und damit ein. Abblättern des überzuges
an diesen Stellen tritt nicht ein; andererseits ist das Material praktisch völlig
wasserfest, weil es auch in nassem Zustand noch eine Festigkeit aufweist, die mindestens
so hoch oder höher ist, wie die anderer Textilstoffe in trockenem Zustand. Eine
Rißbildung in dem Überzug tritt auch nach längerem Gebrauch nicht auf. Die Vorteile
der neuen Gewebeunterlage treten besonders hervor bei der Herstellung von dünnen
Kunstledersorten, wie sie unter anderem für Luxusgegenstände in. Frage kommen. Beispiel
Zur Herstellung von Kunstleder wird ein Gewebe aus Spezialkunstfaser von 12o den.
Fasertiter mit 36 Fäden je Zentimeter in der Kette und 29 Fäden je Zentimeter im
Schuß in an sich bekannter Weise auf einer Kunstlederstreichmaschine bestrichen.
Die Streichmasse besteht zu 7 5 % aus einer 12%igen Kollodiumlösung, 15 % Weichmachungsmitteln,
5 % Kaolin und 5 % braunem Ocker. Das so bestrichene Gewebe wird bei 6o° C getrocknet.
In derselben Weise werden noch weitere fünf Streichschichten aufgetragen. Dazwischen
wird j-edesmal in der bezeichneten Weise getrocknet; dann wird heiß kalandriert
und zuletzt mit einem dünnen Überzug lackiert, wie solcher beispielsweise unter
der Bezeichnung Zaponlack erhältlich ist.