-
Drosselspule zum Schutz von Hochspannungswicklungen gegen Wanderwellen
Die Erfindung betrifft Drosselspulen, die in elektrischen Anlagen als Schutz gegen
die zerstörende Wirkung von Wanderwellen Anwendung finden. Diese Drosselspulen erhalten
in der bisher bekannten Ausführung, wenn man ihnen große Selbstinduktion zur Erzielung
hoher Schutzwirkung geben will, eng gewickelte Windungen, die mittels Papier oder
eines anderen Dielektrikums von hoher Durchschlagfestigkeit gegeneinander isoliert
sind.
-
Neuere Versuche (vgl. T r a-g e , Messungen über den Durchgang von
Wanderwellen, Archiv für Elektrotechnik, 1925, Band XV, Heft 4, S.345 bis 376) haben
jedoch gezeigt, daß diese eng gewickelten Spulen den Nachteil haben, daß beim Auftreffen
einer Wanderwelle ein Teil derselben, anstatt den Windungen der Spule zu folgen,
vielmehr quer durch die hintereinandergeschalteten Windungskapazitäten zum Spulenende
und von dort in das zu schützende Betriebsmittel vordringt (Ladestoß), so daß dieses
stark gefährdet ist.
-
Es wird also, wenn z. B. eine Rechteckwelle a, aus einer Freileitung
kommend, auf die Schutzdrosselspule i prallt, aus dem Spulenende nicht eine sanft
ansteigende Wellenfront nach Abb. i, Kurve b, treten, wie es der Fall wäre, wenn
die Selbstinduktion der Drosselspule konzentriert und ohne Gegenwart von Windungskapazität
wirken könnte. Vielmehr wird der Ladestoß quer durch die Windungskapäzitäten sich
derart bemerkbar machen, daß der Kurve b ein je nach den Kapazitätsverhältnissen
der Spule mehr oder minder 5teiler Wellenkopf etwa nach Kurve c (Abb. i) aufgesetzt
wird (vgl. a. a. O.), dessen Vorausberechnung mit einer für die Praxis genügenden
Genauigkeit möglich ist.
-
Um diese gefährliche Eigenschaft der zu eng gewickelten Schutzdrosselspulen
zu beseitigen und ihre große Selbstinduktion für die Schutzwirkung nutzbar machen
zu können, muß man den Ladestoß herabdrücken oder zum Verschwinden bringen.
-
Da die Erdkapazität der Spulen den durch die Windungskapazitäten gehenden
Ladestoß schwächt, indem sie ihm Strom nach Erde entzieht, so kann eine Näherung
von geerdeten Leitern an die Spule oder das Einschieben eines Dielektrikums von
hoher Dielektrizitätskonstante zwischen Spule und Erde Aussicht auf eine gewisse
Herabsetzung des Ladestoßes bieten. Man könnte also z. B. die Spule in einen geerdeten,
mit Öl gefüllten Kessel stecken oder aufk eine Platte aus kIartpapier von genügender
Durchschlagsfestigkeit legen, deren andere Seite geerdet ist. Jedoch ist auf diesem
Wege im allgemeinen kein großer Erfolg zu erzielen.
-
Ein besseres Mittel ist das, die Eigenkapazität der Spule (resultierende
Kapazität der hintereinandergeschalteten Windungskapazitäten) durch Vergrößerung
des Windungsabstandes, Verwendung von Windungsisolierung
mit kleiner
Dielektrizitätskonstante usw. so weit herabzusetzen, daß der Ladestoß ganz oder
zum größten Teil verschwindet.
-
Um dieses Ziel jedoch ohne erhebliche Schwächung der wünschenswerten
Größe der Selbstinduktion zu erreichen, wird erfindungsgemäß der weitaus größte
Teil der Windungen nach wie vor eng gewickelt (Hauptwindungen), während der kleinere
Teil (Zusatzwindungen) mit sehr geringer Windungskapazität ausgeführt wird. Infolge
der Hintereinanderschaltung der großen Eigenkapazität der Hauptwindungen mit der
kleinen der Zusatzwindungen entsteht die erstrebte Schwächung der Eigenkapazität
der Gesamtspule und damit des Ladestoßes.
-
Die kleine Wiridungskapazität der Zusatzwindungen kann man auf verschiedene
Weise erreichen, z. B. durch Vergrößerung des -Windungsabstandes gegenüber dem der
Hauptwindungen, Verwendung von Windungsisolierung mit kleiner Dielektrizitätskonstante,
Abänderung der Form oder auch der Größe des Leiterquerschnitts, - Verkleinerung
des Windungsdurchmessers" usw.
-
Die Zusatzwindungen müssen mit den Hauptwindungen jedoch kapazitiv
gekopp-elt sein. Es genügt also nicht, eine Spule mit kleiner Windungskapazität
hinter die Hauptspule zu schalten, wie in Abb.2 dargestellt. Denn in einem solchen
Falle würde beim Auftreffen der Rechteckwelle a auf die, Hauptspule i in der Verbindungsleitung
2 zwischen Hauptspule i und Zusatzspule 3 der von .der Hauptspule durchgelassene
steile Wellenkopf c erscheinen. Dieser trifft dann auf die Zusatzspule 3, deren
kleine Eigenkapazität ihn nicht durchläßt, sondern zwingt, den Windungen der Zusatzspule
entlangzuziehen. Dadurch unterliegt der Wellenkopf c der Einwirkung der Induktivität
der Zusatzspule 3, die aber so klein ist, daß sie ihn nur sehr wenig schwächt, wie
das Kurve d im Vergleich zu c andeuten soll. Von Reflexionserscheinungen ist hierbei
abgesehen, die unter Umständen die Wirkung noch verschlechtern können.
-
In Abb. 2 ist auch der in der Praxis häufigste Fall dargestellt, daß
das zu schützende Betriebsmittel q. nicht direkt an die Schutzdrosselspule anschließt,
sondern mit derselben durch eine Verbindungsleitung 5 verbunden: ist, deren Wellenwiderstand
Z man dann für die Berechnung der aus der Spule tretenden Welle benutzt.
-
Dieser Fall ist auch in Abb.3 gezeichnet, jedoch ist hier -keine Zusatzspule
verwendet, sondern die Schutzdrosselspule i ist durch Zusatzwindungen 6 vergrößert.
Die Eigenkapazität von 6 ist so klein, daß die Gesamteigenkapazität von i und 6
zusammen derart erniedrigt ist, daß der Ladestoß c (Abb. i und 2) vollständig abgefangen
wurde. In der Verbindungsleitung 5 erscheint also nur noch die dem Zuge der Windungen
gefolgte und unter der Einwirkung der Selbstinduktion von i und 6 abgeflachte Welle
e, die nur noch einen kleinen Spannungssprung an ihrem Anfang enthält, der in Abb.
i der Kurve f entspricht.
-
Dieser Spannungssprung entsteht (a. a. O.) beim Eintreffen der den
Windungen gefolgten Hauptwelle am Spulenende. Er ist um so kleiner, je größer die
Selbstinduktion der Gesamtspule i und 6 ist. Die Induktivität der Zusatzwindungen
6 wirkt dabei an sich günstig als Vermehrung der Induktivität der Hauptwindungen
i. Doch ist sie im allgemeinen so klein, daß sie praktisch keine Rolle spielt. Entscheidend
ist nur die kleine Eigenkapazität.
-
Zwischen den Wellenfronten c und f in Abb. i sind, je nach Größe der
Eigenkapazität, viele Formen des Anstieges möglich, wie die Kurven :b und g andeuten..
b wäre sehr günstig, ist aber kaum zu erreichen. Auch Kurven, die sich der Form
b nähern, sind im allgemeinen schwer zu er-_zielen; Kurven ähnlich g sind zu vermeiden,
da Oscillationen die Isolierung des zu schützenden Betriebsmittels wiederholt beanspruchen.
Man wird sich deshalb meistens mit .einem Anstieg, ähnlich f, wenn möglich noch
etwas sanfter, begnügen, besonders da die Induktivitäten der üblichen, eng gewickelten
Schutzdrosselspulen so groß sind, daß der Anstieg f verhältnismäßig klein wird.
-
Im allgemeinen ist es falsch, die Zusatzwindungen 6 so anzuordnen,
daß sie zuerst von der Wanderwelle durchlaufen werden und nicht die Hauptwindungen
i. Denn in diesem Falle würde die kleine Eigenkapazität der Zusatzwindungen 6 schon
unwirksam werden, sobald die eindringende Welle sie durchlaufen hat. Man hat dann
weiter nichts erreicht, als daß der Ladestoß c, abgesehen von einer ganz unwesentlichen
Erniedrigung, zeitlich verzögert ist. Wenn jedoch zufälligerweise die Eigenkapazität
der Hauptwindungen schon in der Nähe des richtigen Wertes liegt, so daß nur noch
eine kleine Einschaltschwingung dem sanften Verlauf der austretenden Welle vorangeht,
kann es richtig sein, die Zusatzwindungen zuerst von der Welle durchlaufen zu -lassen,
um die Einschaltschwingung zu beseitigen.
-
Falls jedoch die Schutzdrosselspule dazu bestimmt ist, zwei Betriebsteile
voneinander zu trennen, so daß der Übertritt von Wanderwellen sowohl von der einen
wie von der anderen Seite erschwert werden soll, so müssen an jeder Seite der Spule
Zusatzwindungen angebracht werden.
Bei zylinderförmig gewickelten
Spulen wird man die Zusatzwindungen 6 meist in der Richtung der Spulenachse nach
Art der Abb.3 anfügen. Bei spiralförmig gewickelten Spulen kann man sie sowohl nach
Abb. 4 im Innenraum der Spule anbringen als auch am äußeren. Umfange.
-
Bei der Verbesserung der Schutzwirkung von Spulen, die nach den alten
Grundsätzen bereits mit zu enger Wicklung hergestellt sind; kann man durch Anbringung
von Zusatzwindungen die Schutzwirkung bedeutend erhöhen und so das in ihnen angelegte
Kapital retten.
-
Bei zylinderförmig gewickelten Spulen ist der nachträgliche Einbau
von Zusatzwindungen im allgemeinen einfach, da man nach Abb.3 eine Vergrößerung
der Spule in Richtung der Zylinderachse vornehmen kann.
-
Bei Spiralspulen ist sehr oft im Innern der Spulen Platz für die Zusatzwindungen
(Abb. q.). Zuweilen werden es auch die räumlichen Verhältnisse erlauben, die Zusatzwindungen
am äußeren Umfange in der Spülenebene um die Hauptspule herumzuwickeln. Ist das
jedoch nicht möglich und auch der Innenraum der Spule bereits durch Isolatoren,
Haltevorrichtungen usw. besetzt, so kann man z. B. eine Anordnung nach Abb. 5 verwenden.
Darin ist 7 ein Isolator, 8 die Vorrichtung, die den Isolator mit der Spule i verbindet.
9 ist ein gut leitender, aufgeschnittener Ring, der auf seinem ganzen Umfange mit
der innersten Spulenwindung gut leitend verbunden ist und über dessen oberem, etwa
rechtwinklig abgebogenem Teile die Zusatzwindungen 6 aufgebaut sind. Die erste Zusatzwindung
ist mit dem Ring 9 leitend verbunden. In ähnlicher Weise kann man auch die Zusatzwindungen
am äußeren Durchmesser der Spule anbringen. Natürlich sind auch noch andere Möglichkeiten
für die Unterbringung der Zusatzwindungen vorhanden, die hier nicht aufgezählt werden
sollen.
-
Bisweilen sind manche Spulen, z. B. manche Spiralspulen, mit ungleichmäßiger
Wicklung bereits geliefert worden. Dies geschah jedoch nicht zum Zwecke der Abflachung
von Wanderwellen, sondern um die Spulen mechanisch zu halten oder gegeneinander
abstützen zu können. Zu diesem Zwecke unterbricht man z. B. nach Abb. 6 bei einer
sonst mit Papierisolierung bewickelten - Spiralspule die gleichmäßige, enge Wicklung
i dadurch, daß man etwa in der Mitte der Wicklungsbreite eine Windung i o mit Luftisolierung
einschiebt. Die radiale Breite der Luftisolierung wird so stark gewählt, daß man
isolierte Bolzen i i hindurchstecken kann, die z. B. in Verbindung mit Isolatoren
gebracht werden oder die direkt aus Isoliermaterial bestehen. Diese eingefügte Luftschicht
i o mit ihrer kleinen Windungskapazität kann bei manchen Ausführungen für den Schutz
gegen Wanderwellen unerwünscht wirken. So zeigt in Abb. 7 der Sprung an der Stelle
h in- der austretenden Welle die schlechte Wirkung einer solchen lediglich aus mechanischen
Gründen eingefügten Luftschicht.
-
Um die Kopplung der Hauptwindungen i einer solchen Spule zu verbessern,
wird erfindungsgemäß die erwähnte Luftschicht i o mit Isoliermitteln höherer DieIektrizitätskonstante,
wie Compoundmasse, Faserstoffe u. dgl., ganz oder teilweise ausgefüllt. .Man kann
aber auch die Windungskapazität der betreffenden Windung dadurch erhöhen, daß man
die Dicke des Leiters an dieser Stelle durch leitende Beilagen verstärkt und so
den Windungsabstand verkleinert. Die Beilage muß möglichst an der ganzen Auflagefläche
innigen Kontakt mit dem Hauptleiter haben. Diese Maßnahmen können natürlich in.
Verbindung mit Zusatzwindungen ergriffen werden.
-
Bei Verwendung der Spulen ist auf die zu- und abgehenden Wellenwiderstände
zu achten, sowie darauf, daß die Wellenstirnen im allgemeinen um so steiler werden,
je höher der Wellenwiderstand der abgehenden Leiter ist. Als abgehender Wellenwiderstand
ist meistens, weil es gewöhnlich nicht möglich ist, die Spule unmittelbar vor das
zu schützende Betriebsmittel zu schalten, der Wellenwiderstand der Verbindungsleitung
zwischen Schutzdrosselspule und zu schützendem Betriebsmittel in die Rechnung einzuführen.
Man macht den in die Verbindungsleitung eintretenden Wellenkopf auf die beschriebene
Weise dann möglichst flach.
-
Es ist aber auch möglich, die Schutzdrosselspule z. B. in den Transformatorkessel
zu verlegen und sie so unmittelbar vor die zu schützende Wicklung zu schalten.-
Dann kann man den Wellenwiderstand des Transformators in die Rechnung einführen,
falls nicht doch noch eine Verbindungsleitung vorhanden ist. Zuweilen kann es auch
vorteilhaft sein, die erste Spule des Transformators gleichzeitig als Schutzdrosselspule
gemäß der Erfindung auszubilden und auf eine besondere Schutzdrosselspule zu verzichten.
Die Anordnung von Schutzdrosselspulen innerhalb von Transformatorenkesseln ist an
sich bekannt, neu ist jedoch die Verwendung der aus Haupt- und Zusatzwindungen bestehenden
Spulen innerhalb der Kessel.