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Stereoskopisches Fernsehen als neuer Aspekt
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des High Definition Television 1. Einleitung Nach der Einführung
des Farbfernsehens 1967 entstand die Frage, ob das räumliche Fernsehen die nächste
Stufe in der Perfektion der visuellen Fernübertragung sein könnte. Um diese Frage
zu beantworten, führte das IRT 1969 eine Studie über das stereoskopische Fernsehen
durch, die mit speziell aufgebauten stereoskopischen Geräten durchgeführt wurde
Die Arbeit, die eine Reihe von Fakten klarlegt, führte zu dem Ergebnis, daß der
räumliche Eindruck über den Fernsehschirm in einer angenehmen Weise un für längere
Dauer übermittelt werden kann. Diese Ergebnisse wurden damals aJã Erweiterung unseres
Wissensstandes allgemein zur Kenntnis genommen. Eine Konsequenz aus diesen Arbeiten
ergab sich jedoch nicht.
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Im IRT wurden alle erfaßbaren Fakten diskutiert und es ergab sich
ganz klar, daß das stereoskopische Fernsehen als Aufgabe für eine unbestimmbare
Zukunft zu betrachten sei. Inzwischen hat diese Zukunft jedoch schon begonnen und
es haben sich völlig neue Aspekte ergeben, die die Abfassung der vorliegenden Arbeit
als sinnvoll und notwendig erscheinen lassen.
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In neuerer Zeit wurde in Japan und in den USA das sogenannte High-Definition
Television (HDTV) intensiv betrachtet, wobei die Geräteentwicklung und alle Grundsatzexper
im ente in Japan durchgeführt wurden. Aus einer vielschichtigen Interessenlage,
die hier nicht betrachtet werden soll, hat man in den USA die japanischen Ergebnisse
aufgegriffen. Gegenwärtig ist eine Tendenz erkennbar, die folgenden Daten in einen
HDTV-Standard aufzunehmen
Zeilenzahl pro Vollbild 1125 Halbbildfrequenz 60 Hz Vollbildfrequenz
30 Hz Einfache Zwischenzeile 2:1 Bildseitenverhältn is 5:3 Videobandbreite des HDTV-Signales
30 MHz Das stereoskopische Fernsehen, das zwei Bilder benötigt arbeitet effektiv
pro Stereo-Vollbild mit der doppelten Zeilenzahl wie das normale Fernsehen. Da auch
in den oben angegebenen Daten für HDTV etwa die doppelte Zeilenzahl als im normalen
Fernsehen verwendet wird, erkennt man zwischen HDTV und dem Stereofernsehen (3DTV)
eine enge Verwandtschaft. In gleicher Weise wie HDTV eine Aufgabe für die Zukunft
ist, ist es auch das 3DTV, denn auch hier ist in die Technik Bewegung gekommen,
wie die nachfolgende Betrachtung zeigt.
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2. Der Anlaß zur Neubetrachtung des Stereofernsehens Der Anlaß für
die Neubetrachtung des stereoskopischen Fernsehens liegt in einer Reihe von Fakten.
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Im Rahmen einer populärwissenschaftlichen Sendung produzierte der
NDR 1981 ein stereoskopisches Programm. Die Aufnahme der Szenen erfolgte mit zwei
Stereo-Farbfernsehkameras, die die Firma Philips, Eindhoven, Holland zur Verfügung
gestellt hatte. Die Aufzeichnung der dabei entstehenden beiden PAL-Signale erfolgte
auf zwei mit MOSAIC verkoppelten BCN 50. Für die Übertragung wurden die Leuchtdichtesignale
der beiden PAL-Signale verwendet und mit einem speziellen PAL-Coder erreicht, daß
im Heim empfänger das Bild für das linke Auge in der Farbe Rot erschien und für
das rechte Auge in der Farbe Blaugrün.
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Zur richtigen Zuordnung der Bilder zu den Augen nach dem Anaglyphenverfahren
mußte der Beobachter eine Brille mit gefärbten Folien verwenden. Das Interesse des
Publikums an dieser Sendung war enorm, wie aus dem Verkauf von etwa 15 Millionen
Brillen in Europa zu erkennen ist. Es ist sicherlich nicht falsch, daraus den Schluß
zu ziehen, daß im großen Publikum die Bereitschaft vorhanden ist, das stereoskopische
Fernsehen zu akzeptieren.
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Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Technik sind Fortschritte
erkennbar.
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Heutige Heim-Cassetten Recorder haben eine Leistungsfähigkeit, die
die gleichzeitige Aufzeichnung von zwei PAL-Farbfernsehsignalen bei geeigneter Konstruktion
ermöglicht.
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Zur Wiedergabe der Stereoaufnahmen in normaler Farbe hatte die Firma
Philips zwei Philips Heim-P rojekti ons-E mpfänger zu einem Stereoempfänger kombiniert.
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Der Endverbraucherpreis für einen derartigen Empfänger könnte im
Bereich von 8 000 bis 10 000,- DM liegen. Weitere Entwicklungen sind imgange um
die Leistungsfähigkeit solcher Empfänger zu verbessern.
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Das IRT hat sowohl einen Projektionsempfänger mit zwei Cinema 9000
von Grundig aufgebaut als auch einen kleinen Stereoempfänger, der aus zwei normalen
Heimempfängern (Preis insgesamt ca. DM 4000,-) kombiniert wurde. Da mit freundlicher
Hilfe des NDR und der Firma Philips dem IRT die PAL-Stereo-MAZ-Bänder zur Verfügung
standen, konnte mit beiden Empfangseinrichtungen stereoskopisches Farbfernsehen
in sehr eindrucksvoller Form in Farbe demonstriert werden. Aus der Industrie hört
man aufgrund von Untersuchungen die Meinung -die sich auch mit der Meinung des Verfassers
deckt - daß der Beobachter ein höherzeiliges Bild zwar irgendwie als Fortschritt
betrachtet, daß er über ein stereoskopisches Fernsehbild jedoch begeistert ist.
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Eine allgemeine Betrachtung der Demonstrationen führte zu der Erkenntnis,
daß im Stereobild die Definition durch die Auflösung in der Tiefe, d.h. in der 3.
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Dimension, erhöht wird. Daraus ergibt sich, daß die stereoskopische
Fernsehübertragung dem "High Definition Television" zuzuordnen ist. Daß dies nicht
nur ein Spiel mit Begriffen ist, sondern praktische Konsequenzen hat, zeigen die
folgenden Betrachtungen.
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3. Standard für HDTV + 3DTV Wenn man die Frage stellt, wie der Standard
für ein System aussehen könnte, das sowohl das HDTV als auch die Stereoskopie beinhaltet,
so muß man die generelle Unterscheidung machen, ob die Bildinformation nur auf einem
Kanal übertragen wird oder ob gleichzeitig zwei parallele Kanäle zur Verfügung stehen.
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Diese Unterscheidung ergibt sich einerseits aus der Systematik des
Standards und andererseits aus praktischen Gegebenheiten.
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Die Satelliten kanäle für Europa sind weitgehend festgelegt und lassen
nur etwa die Videobandbreite heutiger FBAS-Signale zu. Die Übertragung von Videosignalen
mit einer Bandbreite von etwa 30 MHz ist somit ausgeschlossen. Hier kann gegebenenfalls
eine erhöhte Auflösung in der vertikalen Bildrichtung durch Parallelübertragung
in zwei Kanälen erreicht werden.
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In Amerika sind die Verhältnisse anders, da dort die Satellitenkanäle
im Detail noch nicht festgelegt sind. Man hat damit die Freiheit für Satellitenkanäle
Videobandbreiten im Bereich von 30 MHz anzusetzen.
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Für die Betrachtung eines HDTV + 3DTV Systems muß man 4 Forderungen
berücksichtigen: a) Das Wiedergabegerät muß ein HDTV-Signal wiedergeben können.
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b) Das Wiedergabegerät muß ein Stereobild wiedergeben können.
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c) Der Stereoempfänger muß bei einer Stereosendung ein ungestörtes
flaches Bild, z.B. nur das linke Bild wiedergeben können.
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d) Ein HDTV-Gerät muß bei einer Stereosendung ein ungestörtes flaches
Bild wiedergeben können.
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3.1 Einkanalbetrieb 3.1.1 HDTV - Wiedergabeeinrichtung für 1249/50/2:1
Betrachtet man eine HDTV-Variante für europäische Verhältnisse, so kommt man zu
folgenden Werten: Zeilenzahl pro Vollbild 1249 Halbbildf req uenz 50 Hz Vollbildfrequenz
25 Hz Einfache Zwischenzeile 2:1 Bildseitenverhältnis 4:3
Ein HDTV-System
dieser Art ist für die stereoskopische Wiedergabe nicht geeignet. Würde man nämlich
einen HDTV-Projektor mit 1249 Zeilen verwenden, so könnte man bei Stereoempfang
durch geeignete Polarisation das erste Halbbild dem linken Auge zuordnen und das
zweite Halbbild dem rechten Auge. Ein Beobachter, der das Bild mit polarisierten
Brillengläsern betrachtet, empfängt jedoch mit jedem Auge nur 25 Bilder pro Sekunde.
Experimente im IRT haben ganz klar gezeigt, daß jedes Auge für sich allein ein starkes
25 Hz Flimmer wahrnimmt und daß sich die beiden Augeneindrücke keineswegs zu einem
annehm baren 50 Hz-Eindruck aufsummieren. Wegen des 25 Hz-Flimmern ist das HDTV-System
1249/50/2:1 undiskutabel, wenn 3DTV berücksichtigt werden soll.
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3.1.2 HDTV + 3D1V und 1250/100/4:1 Ein universelleres System erhält
man, wenn man anstelle von 50 Hz Halbbildfrequenz eine Teilbildfrequenz von 100
Hz wählt. Dann ergeben sich die folgenden Daten: Zeilenzahl pro Vollbild 1250 Vollbildfrequenz
25 Hz Teilbildfrequenz 100 Hz Teilbilder pro Vollbild 4 Zeilen pro Teilbild 312,5
Quasi-Zeilensprung 4:1 Bildseitenverhältnis 4:3 Bei einem normalen HDTV-Empfänger
schreiben dann die ersten beiden Teilbilder H1 und H2 (Bild 1) ein 625 Zeilenbild.
Die beiden nächsten Teilbilder H3 und H4 schreiben ebenfalls ein 625 Zeilenbild,
das exakt auf dem ersten 625 Zeilenbild liegen würde. Um die volle vertikale Auflösung
von 1250 Zeilen zu erreichen, wird das zweite 625-Zeilenbild mit einer zusätzlichen
vertikalen Ablenkung (z.v.A.), die während den Teilbildern H3 und H4 konstant ist,
zwischen die Zeilen der ersten beiden Teilbilder geschoben. Dies führt zu der Bezeichnung
Quasi-Zeilensprung 4:1.
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Für die Stereowiedergabe und für die flache Wiedergabe vom rechten
oder vom linken Bild erscheint die Teilbildfolge L1, R1, L2, R2 sinnvoll. L1 L2
beziehen sich auf die beiden Teilbilder für das linke Auge und R1, R2 für das rechte
Auge. Durch diese Reihenfolge wird erreicht, daß jedes Auge 50 Lichteindrticke pro
Sekunde bekommt und daß die Dunkelintervalle für die Augen genau so lang sind wie
die Hellintervale. Bild 2 zeigt die Lage der Teilbilder zueinander auf dem Schirm.
So liegen jeweils die Teilbilder 1 und 2 aufeinander (z.B. L2 auf L1), was nicht
erlaubt ist. Durch zusätzliche vertikale Ablenkungen (z.v.A.) während den entsprechenden
Teilbildern muß nun für die ebenfalls richtige Lage der Teilbilder zueinander gesorgt
werden. Wie in Bild 2 mit Pfeilen angedeutet ist, wird man in Bild 2 L2 zwischen
L1 schieben und R2 zwischen R1. Falls der "flache" Empfang von nur einem der beiden
Stereosignale erwünscht ist, so braucht nur der jeweils andere Kanal unterbrochen
werden. Die Augen bekommen dann ein Bild mit 50 Hz-Flimmern angeboten.
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Ein normaler HDTV-Empfänger, der nicht für Stereowiedergabe eingerichtet
ist, muß beim Empfang eines Stereosignals die Möglichkeit haben, ein Bild des Stereopaars
zu unterdrücken und das andere als 625 Zeilenbild mit Zwischenzeile und 50 Hz Flimmerfrequenz
wiederzugeben. Die dafür notwendigen Maßnahmen zu denen auch die zusätzliche vertikale
Ablenkung im Empfänger zählt, benötigen nur einen sehr geringen Auf wand und können
manuell schaltbar gemacht werden, oder vom Signal selbst betätigt werden.
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3.1.3 Zusätzliche Vorteile des Systems 1250110014:1 Der oben für HDTV
+ 3DTV diskutierte Standard 1250/100/4:1 hat mehrere zusätzliche Vorteile, wenn
man annimmt, daß er das gleiche Bildseitenverhältnis wie das heutige Fernsehen hat
und somit nicht das von japanischer Seite vorgeschlagene Verhältnis von 5:3. So
hat er eine sehr günstige Verwandtschaft zu dem heutigen Fernsehstandard 625/SO/2:1.
Ein HDTV-Signal kann am Studioausgang durch Unterdrückung der Teilbilder H3 und
H4 und mit Hilfe eines Speichers für 625 Zeilen in ein normales Signal 625/50/2:1
umgewandelt werden.
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Umgekehrt kann ein HDTV-Empfänger ein normales 625/50/2:1-Signal
verarbeiten, wenn er eine zusätzliche Information darüber bekommt, daß die zusätzliche
Vertikalverschiebung
gemäß Bild 1 nicht erfolgen soll und wenn das 625/50/2:1-Signal mit Hilfe eines
Speichers für 625 Zeilen in ein 1250/100/4:1-Signal umgewandelt wird, das natürlich
nur die Information des ursprünglichen 625/50/2:1-Signales enthalten kann.
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Bei der Industrie besteht die Tendenz, normale 625-Zeilen-Heimempfänger
mit 100 Hz-Halbbildfrequenz arbeiten zu lassen, wobei die Bildinformation mit Hilfe
eines Vollbildspeichers auf die verdoppelte Zeilenzahl angepaßt wird
Dieser Empfänger soll dem Publikum als flimmerfreier Empfänger angeboten werden.
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Da er 100 Hz Halbbildfrequenz und 31250 Hz Zeilenfrequenz hat, ist
er mit ganz geringfügigen Modifikationen, die vom Hersteller schaltbar vorgesehen
werden können, für den Empfang eines HDTV + 3DTV-Signales direkt geeignet, wobei
der eingebaute Vollbildspeicher nicht in Anspruch genommen werden muß.
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3.2 Zweikanalübertragung Wenn man annimmt, daß für Europa über Satelliten
keine breitbandigen Kanäle zur Verfügung stehen, so kann man die Vertikalauflösung
im Sinne von HDTV nur über zwei parallele Kanäle erhöhen, wobei die Horizontalauflösung
nur geringfügig erhöht werden kann. Dieser Zweikanalbetrieb ist nicht nur für die
Sate Ilitenübertragung zu diskutieren, sondern auch für Zweikanal-Videorecorder
und für Kabelnetze.
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Das Grund schema für den Parallelbetrieb (Bild 3) besteht aus zwei
Fernsehkameras, die mit 625 Zeilen, 50 Hz Halbbildfrequenz und Zwischenzeile arbeiten,
d.h. 312,5 Zeilen pro Halbbild. Beide Kameras sind so eingerichtet, daß das Raster
der einen Kamera mit dem Raster der anderen Kamera verkämmt ist.
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Es wird also nur "normale" Technik verwendet, die allerdings höheren
Präzisionsanforderungen genügen muß.
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Die beiden Signale werden übertragen und mit einem Projektor wiedergegeben,
der aus zwei Einzelprojektoren besteht, deren 625 Zeilenraster wie bei der Kamera
verkämmt sind. Es entsteht ein Bild mit 1250 Zeilen. Eine solche Anlage eignet sich
unm-ittelbar für die Stereoübertragung, wenn die beiden 625/50/2:1-Signale von einer
Stereokamera kommen und die Raster der beiden Teilprojektoren aufeinander liegen,
wobei die letzte Forderung für Stereowiedergabe nicht sehr präzise eingehalten werden
muß.
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Bei dieser Methode ist die Austauschbarkeit fast beliebig.
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4. Schlußbemerkungen Die in Gang gekommene Entwicklung läßt erwarten,
daß vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft das Stereofernsehen mehr in den Vordergrund
rücken wird. Da zwischen dem HDTV und dem Stereofernsehen in den technischen Fakten
eine außerordentlich enge Verwandtschaft besteht, würde man eine für die Industrie
sehr wichtige Möglichkeit ungenützt lassen, falls bei einem HDTV-Standard das Stereofernsehen
nicht berücksichtigt wird.
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Aufgrund gegenwärtiger Erfahrungen und Meinungen liegt der Schluß
nahe, daß das Stereofernsehen für das große Publikum vermutlich eine größere Attraktivität
aufweisen wird als das "flache" HDTV. Falls man diesem Schluß folgen würde, wäre
es sinnvoll - vom Standpunkt des Consumers aus betrachtet - HDTV als einen Unteraspekt
von 3DTV anzusehen.
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