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Stochastische Effektivwertmessung
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Stochastische Effektivwertmessung Zur Messung des Effektivwertes einer
Spannung muß die Wurzel ihres quadratischen Mittelwertes bestimmt werden. Die dazu
erforderlichen Operationen werden bei herkömmlichen Meßgeräten in analoger Rechentechnik
durchgeführt und können deshalb nur auf niederfrequente Spannungen angewendet werden.
Der vorliegende Bericht beschreibt ein Gerät, das am Institut für Datentechnik der
Technischen Hochschule Darmstadt entwickelt wurde, bei dem diese Operationen in
einem Mikrocomputer auf stochastisch ausgewähite Abtastwerte der Spannung angewendet
werden. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, daß bei ihm die Verarbeitungsgeschwindigkeit
von der Signalfrequenz unabhängig ist. Die Grenzfrequenz wird damit nur durch die
Abtastschaltung bestimmt und läßt sich mit einfachen Mitteln weit über den üblichen
Bereich steigern.
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Greift man aus einem kontinuierlichen Spannungsverlauf durch Abtastung
einen Wert heraus, vergl. Bild 1, so ist die Wahrscheinlichkeit einen bestimmten
Amplitudenwert zu erhalten, proportional zu der Häufigkeit, mit der dieser Wert
im Signal auftritt. Bei sehr vielen Abtastungen erhält man deshalb eine Amplitudenverteilung
der abgetasteten Werte, die der Häufigkeit der Amplitudenwerte im analogen Signal
entspricht /1/.
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Aufgrund dieser Beziehung lassen sich charakteristische Größen auch
von Signalen sehr hoher Frequenz mit einfachen Mitteln bestimmen. In den Gleichungen
1 und 2 sind als Beispiel die Definitionen des Mittelwertes und des Effektivwertes
angegeben.
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Während mit konventionellen analogen Meßgeräten der Mittelwert eines
Spannungsverlaufes gut mit einem Tiefpass gebildet werden kann, ist zur Bestimmung
des Effektivwertes einer Spannung die Quadratur des Spannungsverlaufes notwendig.
Dies führt insbesondere bei Signalen mit hoher Grenzfrequenz zu wachsenden Fehlern.
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Viel einfacher und sicherer ist es, eine Abtastmethode zu verwenden.
Dann brauchen nur noch-die Abtastwerte quadriert zu werden. Wichtig ist dabei vor
allem die Wahl der Abtastzeitpunkte. Wählt man sie in ganz regellosen Abständen,
so kann man nicht nur die stochastischen Funktionen messen, sondern alle nur denkbaren
Funktionen. Selbstverständlich auch die periodischen Funktionen, bei denen sich
sonst mit einer äquidistanten Abtastung immer die Gefahr einer Fehlmessung ergibt,
wenn nämlich ein Anteil der Signal spannung immer in der gleichen Phasenlage abgetastet
wird.
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Um dieses Prinzip zu erläutern, betrachten wir zuerst den einfacheren
Fall der Bildung des Mittelwertes von Abtastwerten. In Bild 2 ist eine Dreieckfunktion
über der Zeit aufgetragen. Ihre Frequenz fd kann verändert werden.
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In Bild 3 sind die Mittelwerte von Abtastungen dieses Dreiecksignals
unter verschiedenen Abtastbedingungen über seiner Frequenzen dargestellt. Der Abtaster
wurde dabei von einem spannungsgesteuerten Oszillator getriggert,
dessen
Eingangsspannung in K»FYE ons; ãr turvei, zu tsurve;DtvonZeOngrw Rauschsignal zunehmender
Amplitude überlagert wurde. Deutlich ist in Kurve A zu erkennen, daß bei bestimmten
ganzzahligen Verhältnissen der Frequenz des Dreiecksignals und der Abtastfrequenz
nicht der Mittelwert der Dreieckspannling gemessen wird, sondern ein beliebiger
Amplitudenwert zwischen Maximal- und Mi nimal spannung. In den weiteren Kurven erkennt
man, daß durch die Zunahme der Rauschspannung, die zu entsprechend ungleichmäßig
langen Abtastintervallen führt, die deutlich ausgeprägten Spitzen der Kurve A ausgeglichen
werden und in einen kontinuierlichen Frequenzgang übergehen, der durch langere Mitteluny
noch weiter geglättet werden kann (Kurve E).
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Nach diesem Prinzip wird in dem entwickelten Gerät auch der Effektivwert
von beliebigen Signalspannungen bestimmt. Hierzu werden wieder durch statistische
Abtastung Meßwerte gewonnen, die einem Mikrocomputer zugeführt werden, der dann
alle weiteren Operationen bis zur Anzeige des Ergebnisses durchführt.
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In Bild 4 ist eine Obersicht des realisierten Meßgerätes dargestellt.
Die Signalspannung gelangt zuerst in die Abtast- und Halteschaltung der Meßeinheit.
Dort wird sie von zwei Abtastern aufgenommen, von denen abwechselnd jeweils einer,
durch einen Stochastikgenerator getriggert, zufällig ausgewählte Werte des Eingangssignals
aufnimmt, während der andere den letzten aufgenommenen Wert für die hier gewählte
Wandlungszeit von 243 psec an den Eingang des folgenden A/D-Wandlers anlegt. Hierdurch
wird einerseits die statistische Unabhängigkeit der Abtastintervalle gewahrt, andererseits
kann der Mikrocomputer ohne Wartezeit jeweils nach einer Wandlung beginnen, einen
neuen Wert zu verarbeiten.
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Der Wandler arbeitet nach dem Charge Balancing-Prinzip /2/. Bei der
hier beschriebenen Schaltung wird die Spannung Um (aus dem Bereich von 0 bis 5 Volt)
am Eingang des Integrators durch eine Folge von 5 Volt-Impulsen einer Dauer von
2 µsec kompensiert. Durch Zählung der Impulse, die zur Kompensation nötig sind,
läßt sich die Eingangsspannung bestimmen.
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Mit einfachen Mitteln wurde auch der Stochastikgenerator- realisiert,
siehe Bild -5, der mit einer mittleren Frequenz von 4 kHz kurze Impulse abgibt,
das bedeutet pro Abtastzeitraum ein bis zwei Impulse, mit denen die Abtaster betrieben
werden. Die Inverter 4, 5 und 6 bilden einen stromgesteuerten Oszillator. Verwendet
wurde der Baustein CD 4049, der mit 5 Volt betrieben wird.
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Die Frequenz dieses Oszillators wird von der Rauschspannung der Zenerdiode
nach einer Verstärkung über die Inverter 1 bis 3 statistisch verändert, Im einzelnen
arbeitet der Stochastikgenerator wie folgt: Oberschreitet die Spannung an C11 die
Schwellspannung des mit den Invertern 4 und 5 aufgebauten Schmitt-Triggers, so schaltet
Inverter 6 nach Masse und entlädt dadurch über D4 den Kondensator. Die dynamische
Mitkopplung über C13 bestimmt zusammen mit dem Widerstand R14 die Dauer des negativen
Ausgangsimpulses.Der positive Impuls an Inverter 5 wird dem Spannungsverdoppler
aus D2, D3, C12 und C5 zugeführt. Man erreicht dadurch einerseits eine ausreichend
hohe Spannung zum Betrieb einer 8 Volt-Zenerdiode als Rauschquelle. Andererseits
ist die Versorgungsspannung der Rauschquelle auf diese Weise von der gemeinsamen
5 Volt-Versorgung entkoppelt, sodaß die entstehende Rauschspannung von allen anderen
Vorgängen unabhängig bleibt.
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Bei der Realisierung der Meßeinheit wurde das Ziel verfolgt nur einfache
handelsübliche Bauelemente einzusetzen und deren Zahl gering zu halten. Bilc e zeigt,
wie die Abtast- und Halteschaltung, der A/D-Wandler, der Stochastikgenerator und
die benötigte Steuerlogik auf einer 5 x 10 cm großen Leiterplatte aufgebaut sind.
Eine weitere Karte dieser Größe trägt die 4-stellige CO-Anzeige zur Ausgabe des
MeSeruebnisses, das rnit einen F8 Ein-Chip rocomputer berechnet wird. Dieser Cuna
Jter ist auf einer dritten Fritte der
gleichen Größe untergebracht.~tiese
drei attnWben binden das vollständige Effektivwertmeßgerät, das mit einem Steckernetzteil
betrieben wird.
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Die Mikrocomputereinheit ist mit der Meßeinheit durch drei Signalleitungen
verbunden. Vom Mikrocoputer aus wird die Steuerlogik betrieben, die die. Abtaster
umschaltet. Zum Betrieb des Wandlers liefert der Computer außerdem den 500 kHz Takt,
mit dem das D-Flipflop getaktet wird. Der interne 8 Bit-Zähler des F8 zählt die
5 Volt-Pulse, durch die die Eingangsspannung U des Wa.ndlers kompensiert wird.
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Der Zählerstand, der dem Eingangswert entspricht, wird mit Hilfe einer
Tabelle quadriert; 1250 Meßwerte werden in einem 3 Byte Speicherwort aufsummiert.
Die Wurzel wird durch zwei Newton-lterationen /3/ bestimmt, nachdem der Startwert
aus der höchsten Stelle des Summationsergebnisses mit Hilfe einer weiteren Tabelle
gewonnen wurde. Die Wurzel wird in eine Dezimalzahl aus dem Bereich 0 - 2500 gewandelt
und danach je nach Schalterstellung direkt zur Anzeige gebracht, oder, um das Springen
der Anzeige zu unterdrücken, vor der Ausgabe mit den vorherigen Meßwerten mit dem
Gewicht 0,125 gleitend gemittelt.
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So ergibt sich eine Bestimmung des Effektivwertes mit drei Ausgaben
pro Sekunde, die sich auf 10 000 Einzelmessungen stützt und damit eine hohe Grundgenauigkeit
bei tiefen Frequenzen aufweist. Die einzelnen Spannungswerte werden zwar nur mit
1% Genauigkeit bestimmt, und die Quadraturtabelle hat wegen ihrer Nichtlinearität
eine leichte Vergrößerung des Fehlers zur Folge, doch wegen der großen Zahl der
Einzelmessungen bleibt der Gesamtfehler in der Größenordnung von 0,1 % /4/.
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Werden in der Meßeinheit Operationsverstärker mit niedriger Offsetspannung
verwendet, so ist dort der Fehler im wesentlichen durch die Geschwindigkeit des
Eingangsverstärkers bestimnit. Alle weiteren Verstärker müssen lediglich die Abtastwerte
verarbeiten, die für jeweils 243 ijsec konstant sind.
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Entscheidenden Einfluß auf die obere Grenzfrequenz haben die Analogschalter,
die das Eingangssignal stochastisch abtasten. Für das erstellte Gerät wird ein einfacher
CMOS-Baustein CD 4016 verwendet, bei dem der Bahnwiderstand der Schalter zusammen
mit der Halte-Kapazität einen Tiefpass erster Ordnung für das Signal darstellt.
Da sich bei Erhöhung der Versorgungsspannung dieses Bausteins der Bahnwiderstand
verringert, konnte bereits durch diese Maßnahme die Grenzfrequenz weiter erhöht
werden.
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Bild 7 zeigt den Frequenzgang des Meßgerätes im Vergleich mit einem
Echt-Effektivwert-Meßgerät einer marktführenden Herstellerfirma. Dieses Meßgerät
hat seine Spezifikationen voll erfüllt.
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Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, daß die Grenzfrequenz
bei der Messung des Effektivwertes nach dem beschriebenen Prinzip nur durch den
Eingangsverstärker und die Abtast- und Halteschaltung bestimmt wird. Verwendet man
hierfür sehr schnelle Schaltelemente, so ist die restliche Schaltung unverändert
bis in den Bereich sehr hoher Frequenzen, z.B. bis in den GHz-Bereich, brauchbar.
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Literatur /1/ R. Massen Stochastische Rechentechnik Carl Hanser Verlag,
München 1977 /2/ M. Lobjinski, D. Sinn, j. Arenz Spannungen und Frequenzen mit geringem
Aufwand gemessen Elektronik Heft 19, 1980, S. 98 - 100 /3/ P. Henrici Elemente der
numerischen Analysis Band 1 Hochschultaschenbücher Band 551 Bibliographisches Institut,
Mannheim 3972 /4/ N.C. Barford Kleine Einführung in die statistische Analyse von
Meßergebnissen Akademische Verlagsanstalt, Frankfurt 1970
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