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Beschreibung
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In der Glaukomtherapie ist Pilocarpin seit nahezu einem Jahrhundert
bekannt. Es wurde 1877 durch Weber eingeführt (E. Ermer, Pharm. Ztg. 120, 1771;
1975). Pilocarpin gehört aus pharmakologischer Sicht der Wirkstoffklasse der Parasympathomimetika
an und wirkt ähnlich wie beispielsweise Acetylcholin.
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Seine Eignung als Antiglaukomatosum beruht darauf, daß es durch Kontraktion
des Ciliarmuskels den Abfluß des sogenannten Kammerwassers bewirkt, was die Herabsetzung
und die Normalisierung des Augeninnendruckes zur Folge hat.
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Beim Pilocarpin handelt es sich um ein Alkaloid aus den Blättern der
südamerikanischen Sträucher Pilocarpus jaborandi und Pilocarpus microphyllus. Pilocarpin
wird dabei als Base oder in Form seiner Salze (z.B. Borat, Nitrat, Hydrochlorid)
angeboten. Angewendet werden bisher meist Pilocarpinlösungen von 0,25 bis 10 $,
wobei fetsgestellt worden ist, da oberhalb einer Konzentration von 4 % bei weißen
Versuchspersonen keine Verstärkung des augendrucksenkenden Effekts eintritt und
daß schon mit schwachprozentigen Lösungen (0,25 - 0,5 96) eine oft ausreichende
Tensionssenkung zu erzielen ist. In Europa wird Pilocarpin üblicherweise als 0,25-
4%ige Lösung appliziert.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden
in Deutschland Pilocarpin-Augentropfen hauptsächlich vom Apotheker rezeptturmäßig
ohne Korrektur des sich von selbst einstellenden pH-Wertes hergestellt. Danach nahm
sich die Pharmaindustrie des Wirkstoffes an und stellte Pilocarpin-Präparate mit
pH-Werten her, die dem physiologischen pH-Wert der Tränenflüssigkeit (pH 7,4) möglichst
nahe kamen. TROLLE-LASSEN (Pharm.
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Weckblad 93, 148; 1958) hat in bis heute gültigen Versuchsreihen festgestellt,
daß Lösungen mit einem pH-Wert unter 5,8 in 99 Prozent der Fälle eine Augenreizung
verursachen, während dies bei Lösungen mit pH 7,3 oder höher nur beil Prozent der
Probanden der Fall ist. Auf einem Ophthalmologen-Kongreß wurde dann im Jahre 1969
"die alarmierende Behauptung aufgestellt, daß sich eine Pilocarpinlösung mit pH
= 6,6 bei 250C in 60 Tagen zur Hälfte zersetzt. (E. Ermer, Pharm.
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Zeitung 120, 1771; 1975). Dies war für das Deutsche Arzneiprüfungs-Institut
München der Anlaß, sich des Themas anzunehmen (F. Schlemmer, Pharm. Ztg. 116, 1494;
1971).
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Es stellte sich heraus, daß die oben zitierte Feststellung zwar übertrieben
ist, daß die Stabilität von Pilocarpin aber eindeutig vom pH-Wert abhängig ist.
Bedingt durch seinen Lactoncharakter unterliegt Pilocarpin bereits ab pH 5,0 einer
allmählichen hydrolytischen Zersetzung unter der Bildung der physiologisch unwirksamen
Pilocarpinsäure.
Pilocarpin Pilocarpinsäure
Die Hydrolysegeschwindigkeit nimmt mit
steigender Hydroxylionen-Konzentration zu und ist im pH-Bereich zwischen 7,0 und
7,5, der filr die Resorption und Verträglichkeit am günstigsten wäre, so groß, daß
innerhalb von 6 Monaten bei Raumtemperatur mindestens 35 % des Wirkstoffes abgebaut
sind (Versuche E. Ermer, 1975). Es besteht also ein großes Interesse daran, Pilocarpin-Lösungen
mit guter Haltbarkeit und physiologisch akzeptablen pH-Werten herzustellen. Niedrige
pH-Werte (pH 4,0 bis 6,0), die gegenwärtig in Pilocarpin-Augentropfen des Handels
üblich sind, garantieren zwar eine ausreichende Stabilität des Wirkstoffes, sie
führen jedoch zu Reizerscheinungen am Auge (siehe oben) und außerdem zu einer verminderten
Wirksamkeit des Pilocarpins. Die besten Resorptionsbedingungen sind bei Pilocarpin,
ebenso wie bei anderen Alkaloiden, in neutraler bis schwach basischer Lösung gegeben,
da hier das Gleichgewicht von der hydrophilen zur nicht dissoziierten lipophilen
Form verschoben ist und da letztere die ebenfalls lipophilen Zellmembranen gut durchdringen
kann (K. Heilmann, Medikamentöse Glaukomtherapie, F.Enke-Verlag, Stuttgart 1974,
S. 14 und 39).
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So stellten R.A. Anderson und J.B. Cowle (Brit.J.Ophthal. 52, 607;
1968) fest, daß wegen der pH-abhängigen Penetration mit Hilfe einer 0,5°,6igen Pilocarpin-Lösung
mit pH 6,5 der gleiche drucksenkende Effekt am Auge erreicht werden kann wie mit
Hilfe einer eigen Pilocarpinlösung mit pH 4,0.
Pilocarpin-Lösungen
mit neutralen pH-Werten haben also gegenüber solchen mit niedrigen pH-Werten den
Vorteil, vom Auge besser vertragen zu werden und außerdem stärker zu wirken.
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Durch Erhöhung des pH-Wertes in Pilocarpin-Lösungen kann folglich
die Wirkstoff-Konzentration gesenkt werden, ohne die therapeutische Wirkung zu verändern.
Eine solche Wirkstoffreduzierung ist sehr erstrebenswert, da sich hierdurch die
Nebenwirkungen von Pilocarpin-Lösungen verringern.
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Aufgabe der Erfindung war es, Pilocarpin in wasserhaltigen Zubereitungen
(Lösungen, gelartige Salben oder zur Anwendung am Auge geeignete Lamellen) mit neutralen,
d.h. physiologisch gut verträglichen pH-Werten so weit zu stabilisieren, daß diese
Zubereitungen über einen vernünftig langen Zeitraum aufgebraucht werden können,
ohne daß ein zu großer Wirkstoffabfall eintritt. Diese Aufgabe wurde dadurch gelöst,
daß den wasserhaltigen Pilocarpinzubereitungen Pektin als Stabilisator zugesetzt
wurde.
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Das Pilocarpin kommt dabei in Konzentrationen von 0,25 bis 20 % zur
Anwendung, bei Augentro-iifen hauptsächlich in Konzentrationen von 0,25 bis 4 %,
vorzugsweise 2 S'o. Bei dem eingesetzten Pilocarpin handelt es sich um Pilocarpinbase
oder deren Salze, z.B. Borat, Nitrat oder Hydrochlorid.
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Pilocarpin
Die Konzentration des Pektins in der Zubereitung
beträgt 0,5 bis 15 %, mit einem bei Augentropfen bevorzugten Bereich von 0,5 bis
4 %. In der Augentropfen-Lösung beträgt das Verhältnis von Pilocarpin zu Pektin
1 : 0,5 bis 1 : 4, inbesondere 1 : 0,5 bis 1. Als Pektin kommt handelsübliches Pektin
mit einem üblichen Veresterungsgrad (entsprechend 5 - 80 S5 Methoxylgruppen) und
einem Molekulargewicht von 20.000 bis 600.000 in Frage-Das Pektin kann synthetisch,
halbsynthetisch oder aus Früchten, Citrusschalen oder anderem pflanzlichen Material
gewonnen werden. Vom chemischen Aufbau her sind Pektine kohlenhydratartige polymere
Stoffe, die entweder aus reiner Polygalakturonsäure bestehen oder aus Polygalakturonsäure
mit kleinen Anteilen von Galaktose und Arabinose (siehe Römpps Chemie-Lexikon, 7.
Auflage, Stuttgart 1974).
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Es ist erfindungsgemäß festgestellt worden, daß Pilocarpin in wasserhaltigen
Zubereitungen mit einem gewissen Pektinzusatz besser haltbar ist als ohne Pektinzusatz.
Die eingangs erwähntenVersuche von E. Ermer haben gezeigt, daß in auf pH 7 bis 7,5
eingestellten Pilocarpinsalz-Lösungen innerhalb von 6 Monaten bei Raumtemperatur
mindestens 35 % des Wirkstoffs abgebaut werden. Eigene Untersuchungen zeigten, daß
in Pilocarpinhydrochlorid-Lösungen mit pH 7,0 nach sechsmonatiger Lagerung bei Raumtemperatur
nur noch 55 C/o unverändertes Pilocarpin gefunden werden kann. Innerhalb sechs Monaten
wird also 45 % des ursprünglich vorhandenen Wirkstoffes zur therapeutisch unwirksamen
Pilocarpinsäure hydrolisiert, wobei der Wirkstoffabfall
bereits
nach den ersten zwei Monaten mehr als 20 % beträgt. Durch Zusatz von Pektin kann
der Wirkstoffabfall bei sonst gleichen Versuchbedingungen auf 14 % nach sechs Monaten
bzw. auf weniger als 5 % nach zwei Monaten verringert werden.
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Die folgenden Beispiele sollen die Erfindung näher erläutern: Beispiel
1 Es wurden Pil-ocarpin in Form des Hydrochlorids in einer Menge von 2,35 g (entsprechend
2 g Pilocarpin-Base) und 1 g Pectin NF XIV auf 100 ml in Phosphatpuffer-Lösung nach
Srensen (Münzel, Galenisches Praktikum, Stuttgart 1959, Seite 120) gelöst. Man erhielt
so eine Lösung mit pH 7,0, die 2 % Pilocarpin und 1 °,4 Pektin enthielt, so daß
das Verhältnis von Pilocarpin zu Pektin 1 : 0,5 betrug (Lösung A).
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Parallel dazu wurde eine pektinfreie Lösung von 2,35 g Pilocarpinhydrochlorid
in Phosphatpuffer-Lösung nach Srensen (pH 7,0) hergestellt (Lösung B).
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Beide Lösungen wurden sowohl bei Raumtemperatur (20 - 220C) als auch
im Kühlschrank (7 - 80C) 10 Monate lang gelagert.
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Die Pilocarpinbestimmung wurde mittels der von E. Ermer auf Seite
1772 beschriebenen Methode nach HELCH durchgeführt, die nur auf den intakten Wirkstoff,
nicht jedoch auf die durch Hydrolyse entstehende Pilocarpinsäure anspricht. Die
Untersuchungsergebnisse sind aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich:
Pilocarpinzersetzung
(in,') bei den Lösungen A und B nach Lagerung (Raumtemperatur, Kühlschrank)
Lagerzeit Raumtemperatur Kühlschrank |
Lösung A Lösung B Lösung A Lösung B |
Bei Herstellung O % 0% O % O % |
Nach 2 Monaten 4,7 % 21,4 % 1,2 % 4, 4 % |
Nach 6 Monaten 13,9 % 45,2 % 3,9 % 10,7 % |
Nach 10 Monaten 19,1 % 53,5 % 6,1 % 15,9 % |
Beispiel 2 Die Untersuchungen wurden wiederholt mit einer gelartigen Zubereitung
von 0,25 6 Pilocarpin (als Borat) und 8 6 Pectin NF XIV auf 100 ml Phosphatpuffer-Lösung
pH 7,0 (Gel A). Als Kontrolle diente ein pektinfreies Gel pH 7,0 mit 0,25 6 Pilocarpin
(als Borat) = Gel B.
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Pilocarpinzersetzung (in %) bei Gel A und B nach Lagerung Raumtemperatur)
Lagerzeit Gel A Gel B |
Bei Herstellung 0% 0% |
Bei Herstellung 0 % 0 % |
Nach 6 Monaten 10, 2 6 44,8 % |
Beispiel 3 Es wurden Pilocarpin-Lamellen hergestellt, d.h. in
Wasser lösliche dünne Plättchen, die am Auge angewendet werden können und sich dort
zusammen mit der Tränenflüssigkeit allmählich auflösen. Die Lamellen enthielten
Pilocarpin 20 , (in Form der Base), Pektin NF XIV 15 %, Phosphatpuffer-Lösung pH
7,0 nach Srensen 20 6 und 45 6 eines geeigneten filmbildenden Materials, wie Celluloseäther,
Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylalkohol, Polymere aus Acrylsäure und/oder Methacrylsäure
und/oder Methylmethacryl (Lamellen A). Als Kontrolle dienten Lamellen ohne Pektin
mit sonst gleicher Zusammensetzung (Lamellen B).
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Pilocarpinzersetzung (in 96) bei Lamellen A und B nach Lagerung (Raumtemperatur)
Lagerzeit Lamellen A Lamellen B |
Bei Herstellung ° 6 O 6 |
Nach 6 Monaten 8,7 6 23,2,' |