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Verfahren zur Denitration von hochradioaktiven Abfallösunsen Als
Abfallprodukte der Kernenergiegewinnung entstehen in den Reaktor-Brennelementen
Spaltprodukte, die zum größten Teil radioaktiv sind. Sie gehören zum überwiegenden
Teil zu den mittelschweren Elementen mit Ordnungszahlen zwischen 30 (Zink) und 64
(Gadolinium). Solange die Brennelemente intakt sind, bleiben diese Spaltprodukte
in den Brennelementhüllrohren eingeschlossen. Erst beim Zerlegen und Auflösen der
bestrahlten Brennelemente im Head-End einer Wiederaufbereitungs-Anlage werden sie
freigesetzt.
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Einige Spaltprodukte, wie z.B. Krypton und Jod, treten vorwiegend
gasförmig auf und müssen durch spezielle Vorrichtungen aus dem Abgas entfernt werden.
Die meisten Spaltprodukte liegen jedoch als Feststoffe vor und werden zusammen mit
dem Uran und den im Reaktor neben Spaltprodukten entstehenden Transuranen beim Auflösen
der abgebrannten Kernbrennstoffe in heisser Salpetersäure gelöst. Nach Abtrennung
von Uran und Plutonium durch eine Flüßig-Flüßig-Extraktion (Extraktionsmittel: Tributyl-n-Phosphat
nach dem Purex-Verfahren) enthält die zurückbleibende wässrig-salpetersaure Phase
praktisch sämtliche Spaltprodukte und die übrigen Transurane. Außerdem befinden
sich in der wässrigen Lösung noch KorrosionsrffckFtiAd usS r.Neßakiikalien der Wiederaufbereitung.
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Die pro kWh erzeugter elektrischer Energie anfallende Menge an Abfallösung
beträgt um 0,004 ml Die Abfalllösungen werden zunächst in der Wiederaufbereitungsanlage
in Stahltanks gelagert. Auf Grund ihrer hoben Aktivitätskonzentration, die zu Beginn
bei mehreren Tausend Curie pro Liter liegt, stellen sie ein erhebliches Gefährdungspotential
für die Biosphäre dar und müssen deshalb sorgfältig isoliert w^Jerden. Infolge der
großen anfallenden Menge an Abfallösungen (im Jahre 2000 werden es in der Bundesrepblik
Deutschland voraussichtlich ca. 1560 m3 jährlich sein) stellt eine Endlagerung der
hochradioaktiven Abfälle in Form von Lösungen in Tanks keine befriedigende Lösung
des Problems dar.
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Aus diesem Grund strebt man eine Umwandlung der hoehradioaktiven Abfälle
in Feststoffe an. Diese nehmen weniger Platz ein, können wesentlich einfacher gehandhabt
und gelagert werden als Flüssigkeiten und eignen sich darüber hinaus auch zur Langzeitlagerung.
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An das Verfestigungsprodukt müssen allerdings mehrere Mindestanforderungen
gestellt werden e die wichtigsten davon sind: a. chemische Beständigkeit und geringe
Löslichkeit in Wasser, b. mechanische Beständigkeit, Beibehaltung einer möglichst
kompakten Blockform mit geringer Oberfläche, um diw dispersion zu erschweren,
c.
gute Wärmeleitfähigkeit, um ein Ableitung der Zerfallwärme sicherzustellen und die
höheren Temperaturen im Produkt zu verhindern.
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Die einfachste Methode zur Verfestigung bestilnde is Eindampfen der
Abfallösung bis zum festen Rückstand und Erhitzen auf mehrere hundert Grad Celsius,
um die Nitrate zu zersetzen. Man erhält damit ein Kalzinat, das überwiegend aus
Oxiden besteht. Dieses Kalzinat erfüllt jedoch keine der drei vorgenannten Mindestforderungen.
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Man hat daher vorgeschlagen die hochradioaktiven Abfallösungen nach
Eintrocknen und Zugabe geeigneter Zuschläge zu glasartigen Massen zu verschmelzen.
Als Glasbildner eignen sich vor allem. die Oxide der Elemente Silizium, Phosphor
und Bor, die das Glasnetzwerk bilden.
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Siliziumdioxid und Bortrioxid werden meist in Kombinationen genannt
als Borosilikatglas. Beim Einsatz von Phosphorpentaoxid bekommt man Phosphatglas.
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Die chemischen Probleme bei der Glasherstellung liegen einerseits
in der Forderung, ein homogenes Glas mit möglichst hohem Gehalt an spaltproduktoxiden
zu erhalten, und andererseits in der Korrosion des Schmelzgefäßes. Dabei zeigt sich
erwartungsgemäß, daß ein hohes Aufnahmevermögen für Spaltproduktoxide auch mit einer
hohen Agressivität der Schmelze verbunden ist. Z. B.
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Phosphatglas zeichnet sich durch ein hohes Aufnahmevermögen für Spaltproduktoxide
aus: es kann 30 - 35 Gew.-% Spaltproduktoxide aufnehmen. Beim Borosilikatglas ist
das Aufnahmevermögen für Spaltproduktoxide auf rund 20 Gew.-% beschränkt, wobei
hier das Element Molybdän infolge Bildung einer separaten Phase kritisch wird.
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Ein weiteres Problem stellt die Verflüchtigung von hochradioaktiven
Spaltprodukten bei der Verglasung dar. Hier sind besonders die Nuklide Cs 137 und
Ru 106 zu nennen. Cäsiumoxid verflüchtigt sich bei höheren Temperaturen in zunehmendem
Masse. Die einzige wirksame Gegenmassnahme ist hier die Anwendung einer möglichst
niedrigen Verglasungstemperatur. Ruthenium liegt in der Wastelösung im allgemeinen
in der Oxidationsstufe 3 vor. In Gegenwart von Oxidationsmitteln wird es bei höheren
Temperaturen jedoch leicht bis zur Oxidationsstufe 8 oxidiert. Man erhält Ru04,
das bereits bei 25,40 C schmilzt, auf Grund seines Dampfdruckes ins Abgas gelangt
und dieses stark kontaminiert. Da die Abfallösung Salpetersäure und Nitrate enthält,
sind die oxidierenden Bedingungen gegeben, RuO4-Rückhaltung aus dem Abgas erfolgt
in Filtern mit Eisenoxid.
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Es wird aber oft so verfahren, daß man die oxidierenden Bedingungen
auszuschalten versucht, indem man zunächst die Salpetersäure und Nitrate durch ein
Reduktionsmittel zerstört (Denitrierung). Als Reduktionsmittel kommen Formaldehyd
und Ameisensäure zum Einsatz. Alkali- und Erdalkalinitrate werden dabei normalerweise
nicht zerstört. Wird jedoch Phosphorsäure zugeführt, so werden durch eine Verdrängungsreaktion
auch hier diese Salze von der Denitrierung erfaßt. Die Zugabe von Phosphorsäure
ist jedoch nur sinnvoll, wenn ansdRießend ein Phosphatglas hergestellt wird.
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In der Denitrationsstufe werden bisher ausschließlich flüssige Mittel
eingesetzt. Man verarbeitet die hochradioaktiven Lösungen daher mit Formaldehyd-Lösung,
Natriumnitratlösung und Phosphorsäure. Eine Bilanz der Feststoffe und des Wassers
für eine Leistung von 200 m3 radioaktive Abfallösung, bei einer Arbeitszeit von
6000 Stunden im Jahr wird in der Tabelle 1 vorgeführt: Tabelle 1: Feststoff,kg/h
Wasser,kg/h a/ Abfallösung (-200m3/a= 33,3 l/h=ca.40 kg/h(ca.28%) 11,2 28,8 b/ Formaldehydlösung
37% 23,9 l/h=26,3 kg/h - 16,C c/ Reaktionswasser - 3,6 d/ Natriumnitratlösung 30%
= 15,2 kg/h 4,6 10,6 e/ Orthophosphorsäure 85% = 10,4 1/h=14,2 kg/h 12,0 2,2 Summierung
1 27,8 61-,8 Summierung 2 89,6 (31,0 Gew.-%) Aufkonzentrierung 27,8 (40,0 Gew.-%)
41,7 Verdampfung 61,8-41,7 kg =20,1 Das verdampfte Wasser (20,1 kg/h) stellt im
System einen lästigen radioaktiven, sekundären Abfall dar. Die Denitrierungsreaktion
wird bei einer Temperatur von 100-1IOOC und unter 0,8-0,9 bar Druck ausgeführt.
Während der Zersetzungsreaktion entstehen stickoxidhaltige Gase, ii zur verdünnten
Salpetersäure aufgearbeitet werden.
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Es wird deshalb erfindungsgemäß vorgeschlagen, anstatt Lösungen,
flüßige und pulverige oder gasförmige Reaktiôtoffe in dosierter Menge für den Denitrationsvorgang
zu verwenden. Dafür sind z Bo empfehlenswert statt Formaldehydlösung das Paraformaldehyd
und statt Natriumnitrat-und Orthophosphorsäure-Lösungen doppelsaures Natriumphosphat
NaH2PO4 einzusetzen. Zur kontinuierlichen Dosierung können bekannte Dosieraggregate
mit Dosierleistungen und kontinuierlicher Arbeitsweise von 300 g/h aufwärts und
maximaler Abweichung kleiner als + 0,5 % vom eingestellten Sollwert gemessen über
eine Minute, verwendet werden.
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Die Bilanz der Feststoffe und des Wassers für eine Leistung von 200
m³ radioaktive Lösung, bei einer Arbeitszeit von 6000 Stunden im Jahr für diese
Alternative wird in der Tabelle 2 vorgeführt: T a b e l l e 2: Feststoff, kg/h Wasser,
kg/h a/ Abfallösung 11,2 28,8 b/ Paraformaldehyd - 3,2 c/ NaH2PO4, 51,6 t/a 8,6
Summierung 1 19,8 32,0 Summierung 2 51,8 (38,2 Gew-%) Verdampfung 49,5 (40,0 Gew.
-%) 2,3
Es wird ein Paraformaldehydtyp eingesetzt, der höchstens
0,5 Gew.-% anhaftende Feuchtigkeit enthält.
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Die Reaktion wird bei einer Temperatur von ca. 1100 C und ca. 1 bar
Druck ausgeführt. Während der Zersetzungsreaktion entstehen stickoxidhaltige Gase,
die zu konzentrierter Salpetersäure rekombiniert werden.
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Daraus folgt, daß man durch Zudosierung von Feststoffen mit der erfindungsgemäßen
Arbeitsweise praktisch dasselbe Resultat wie mit der Verdampfung bei der herkömmlichen
Arbeitsweise erreicht.
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Das eingesetzte Paraformaldehyd ist handelsüblich ein Gemisch von
Polymerhomologen no (CH2O), wobei n = 8 bis 100 ist. Mit Wasser hydratisiert es
zu Polyoxymethylenglykolen verschieden hoher Polymerasationsgrade. Die Löslichkeit
des Paraformaldehyds in Wasser hat ein Minimum bei pH 3 bis 5 und nimmt mit höherem
bzw. niedrigerem pH erheblich zu.
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Paraformaldehyd zersetzt sich unter Abgabe von monomerem Formaldehyd,
wobei bei höheren Temperaturen folgende Drücke auftreten TABELLE Temperatur Partialdruck
100 ° C 372 mm Hg 120 ° C 587 mm Hg 140 ° C 740 mm Hg (hier fast totaler Zerfall
zu Monomeren).
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Um die Zerfallgeschwindigkeit zu erhöhen und die Hydratisierungsreaktion
zu vermeiden wird erfindungsgemäß folgende Arbeitsweise eingesetzt 1. Es wird von
vornherein nur mit konzentrierten Lösungen von Nitratverbindungen (ca. 40 Gew. -%)
gearbeitet, um die höchstmögliche Arbeitstemperatur ohne Siedezustand der wässerigen
Phase. d. h untere halb Siedetemperatur zu erreichen und die hohen Partialdrücke
des Formaldehyds aufrechtzuerhalten (siehe Tabelle) Es werden weiterhin Citronensäure-Phosphat-Puffer
zum Einsatz gebracht, die eine wirksame Zusammensetzung für einen pH-Bereich von
2,2 aufweisen (Citronensäurelösung: 21,008 g Citronensäure C6H8O7.H2O auf 1000 ml
Wasser, Phosphatlösung: 35,62 g Dinat-riumphosphat auf 1000 ml Wasser, Zusammenstellung:
98,0 ml Citronensäurelösung und 2,0 ml phosphatlösung).
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2. Die eingesetzten Puffersubstanzen (Pseudokatalysatoren) verzögern
das Erreichen der unteren (kleineren) pH-Grenze bis eine Wasserstoffijonen-Konzentration
durch eine Mengeneinstellung des eingeführten Paraformaldehyds erreicht werden ist,
die beinahe der oberen (größeren) pH-Grentze entspricht.
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3. Es ist durchaus möglich Paraformaldehyd außerhalb des Reaktionsgefäßes
thermisch zu depolimerisieren und nachher der Reaktionsmischung zuzuführen. Als
Formaldehyd abspaltende Chemikalien kann man auch die niedrigmolekularen Formaldehydpolymere,
z.B. Trioxan, die in saueren Lösungen einer Depolimerisation unterliegen, einsetzen.
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4. Die Hydratisierungsreaktion wird vermindert durch eine sehr genaue
Zudosierung von feinpulverigen Paraformaldehyd in Hengen,die der Löslichkeit des
Paraformaldehyds entsprechen und schnelle Aufwärmung auf die Zerfalltemperatur von
ca. 1050 C zulassen. Die Zudosierung von ca. 50 g Paraformaldehyd pro Minute bei
einer mittleren Korngröße von 50-60 Mikron hat sich bei einer Einsatzlösungsmenge
um ca. 300 Liter als die beste Einsatzmenge des wirksamen Mittels erwiesen, wobei
einer gleichmäßigen Vermischung des Paraformaldehyds größte Bedeutung beigemessen
wenden muß.
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Beispiel 1: Nach herkömmlich arbeitenden Methoden wird ca. 300 1 radioaktive
Lösung mit einer Eingangskonzentration von ca. 28 Gew.-% mit ca. 210,4 kg 37 Gew.-%-ger
Formaldehydlösung, ca. 121,6 kg 30 Gew.-%-ger Natriumnitratlösung und 113,6 kg 85
Gew.-%-ger Orthophosphorsäure vermischt und bei einer Temperatur von ca. 100°C 8
- 10 Stunden umreagiert. Dabei findet eine Denitrationsreaktion nach der globalen
Gleichung: 2 HN03 + HCHO = CO2 + NO + N02 + 2 HXO mit gleichzeitger Aufkonzentrierung
durch Verdampfung der Lösung bis ca. 40-Gew.-% statt. Formaldehydlösung wird in
drei Prozeßstufen zugegeben: zur Einleitung der Denitrationsreaktion, als Ha=ptreaktions-
und als Nachfolgereaktionsmittel.
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Die entweichenden Gase beinhalten Stickoxide und »ind mit Wasser gesättigt.
Trotz einer Zwichentufenkühlung kann nur eine ca. 2O-Gew.%- Sa;petir.säure rekombiniert
werden.
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BeisEiel 2 : Nach der erfindungsgemäßen Methode werden ca. 300 1 radioaktive
Lösung mit einer Eingangskonzentration von ca. 28 Gew.-% mit 68,8 kg NaH2PO3 versetzt,
wobei die Konzentration der Lösung ohne Verdampfung auf ca. 38,2 Gew.-% steigt.
Bei einer Temperatur von ca.
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1100 C wird ein übliches Puffergemisch (Citronensäure-Phosphat-Puffer)
zugemischt und fein-pulveriges (Kerngröße unter 60 Mikron) Paraformaldehyd in einer
Menge von ca. 50 g pro Minute zugemischt.
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Die Lösung wird unterhalb der Siedetemperatur umreagiert. Die entweichenden
Gase beinhalten Stickoxide und werden zu konzentrierten, also ca. 40 Gew.-%iger
Salpetersäure rekombiniert. Die Reaktion dauert ca.
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5 - 6 Stunden.
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Schlußfolaerunaen : Durch Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens
werden folgende vorteilhafte Resultate erzielt 1. Die Verminderung der radioaktiven,
sekundären Abfälle beträgt (20,1-2,3) x 6000 = 106 800 kg/a = 106,8 t/a (siehe Tabelle
1 und 2).
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Die Verminderung für die erwogene Prozeßstufe und Leistung der Anlage
beträgt ca. 88,5 %.
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Im Jahre 2000 werden jährlich ca. 830 t sekundäre Abfälle eingespart.
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2. Es kann eine einsatzfertige ca. 40 Gew.%-ige Salpetersäure zum
Auflösen von abgebrannten Brennelementen wiedergewonnen werden.
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3. Es wird eine Halbierung der Denitrationszeit oder eine doppelte
Leistung einer Denitrationsanlage erreicht.
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4. Die Senkung der Produktionskosten (Dampf, Kühlwasser, Arbeitszeit)
und die Einsparung der Lagerung von ca. 5000 Faß kann erreicht werden.