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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein antiangiogen wirksames Antithrombin
III aus koagulationsaktivem (nativem) Antithrombin III und die Verwendung
von koagulationsaktivem Antithrombin III zur Prophylaxe und Therapie
von Erkrankungen.
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Stand der Technik
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Es
ist allgemein anerkannt, dass das Tumorwachstum, chronische Entzündungen
und Retinopathien angiogeneseabhängig
sind. Hierbei spielt das Verhältnis
zwischen positiven und negativen Regulatoren der Angiogenese eine
entscheidende Rolle. Beispielsweise exprimieren Tumoren sowohl positive Regulatoren
und können
zusätzlich
auch an der Generierung von negativen Regulatoren der Angiogenese
beteiligt sein. Hierbei sezenieren Tumoren Enzyme, die bekannte
Proteine wie z. B. Kollagen XVIII und Antithrombin III (AT III)
proteolytisch spalten bzw. ihre Konformation ändern (z.B. zu latentem AT
III). Die so entstandenen Fragmente (Spaltprodukte) zeigen dann
in vitro und in vivo potente antiangiogene Eigenschaften. Beispiele
dafür sind
Angiostatin als Spaltprodukt von Plasminogen, Endostatin als Spaltprodukt
von Kollagen XVIII, antiangiogenes Antithrombin III als Spaltprodukt
von Antithrombin III und konformationsgeändertes Antithrombin III (O'Reilly et al. Science
1999; Kisker et al. Cancer Research 2001). Es ist weiterhin
bekannt dass durch chemische (ex vivo) Modifikation (Citrat-Behandlung)
des nativen AT III, latentes AT III entsteht, welches-antiendotheliale
(in vitro) und antiangiogene (in vivo) Eigenschaften besitzt (O'Reilly et al. Science
1999; Larsson et al. Cancer Research 2000 und Larsson et al JBC
2001).
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Die
Literaturliste gibt einen Überblick
zum Stand der Technik:
- Kisker et al. Cancer research
60, 2001, 7298–7304
- O'Reilly
et al. Science Vol. 285, 1999 1926–1928
- Larsson et al. Cancer Research 2000, 6723–6729
- Larsson et al. Journal of Biological Chemistry Vol. 276,
No.15 2001, 11996–12002
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Die
Spaltprodukte mit antiendothelialer oder antiangiogener Eigenschaft
können
in Form von Medikamenten therapeutisch am Patienten eingesetzt werden.
Die Produktion dieser antiangiogenen Spaltprodukte kann allerdings
zur Zeit nur in technisch sehr aufwendigen und teuren Herstellungsverfahren z.B.
gentechnisch erfolgen (z.B. Endostatin), sie sind zudem für den Einsatz
am Patienten nur bedingt geeignet, da die gentechnisch produzierten
Proteine je nach verwendetem Expressionssystem keine genaue Übereinstimmung
und 100%ige Effektivität
im Vergleich zu natürlich
vorkommenden Spaltprodukten zeigen. Die Verfügbarkeit der Stoffe ist zudem durch
die zusätzlichen
Verfahrensschritte limitiert und für die Medikamentenherstellung
bedeutet jeder neue technische Verfahrensschritt eine Verteuerung des
Produktes.
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Aufgabe
der Erfindung war es, ein Spaltprodukt mit antiangiogenen Eigenschaften
aus einem Stoff der per se keine antiangiogenen Eigenschaften besitzt
zur Herstellung eines Medikamentes zur Prophylaxe und Therapie von
Angiogenese-abhängigen Erkrankungen
zu entwickeln.
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Aufgabe
war es darüberhinaus,
einen solchen Stoff zu identifizieren, der zur Herstellung eines Arzneimittels
zur Prophylaxe und Therapie von Erkrankungen, insbesondere Angiogeneseabhängige Erkrankungen,
geeignet ist.
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Die
Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die
Ansprüche
1 bis 6 gelöst.
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Tumoren
bzw. Tumorzellen sezernieren Enzyme (z.B. proteolytische Enzyme
wie u.a. Matrix-Metalloproteinasen) die in der Lage sind, aus bekannten
Proteinen antiangiogen wirksame Substanzen abzuspalten oder das
Protein in ihrer Proteinstruktur so zu verändern, dass das daraus entstandene
veränderte
Protein potente antiangiogene Eigenschaften besitzt.
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Überraschenderweise
wurde gefunden, dass antiangiogenes Antithrombin III ein solches
Spaltprodukt bzw. ein in seiner Konformität verändertes Protein aus nativen
Antithrombin III ist. Die Applikation von nativem Antithrombin III
führt in
vivo, wenn die Tumorzellen in der Lage sind Antithrombin III zu
spalten oder in seiner Konfiguration zu verändern, zu einer Reduktion bzw.
zu einem Wachstumsstop durch Hemmung des Gefäßwachstums, da der Tumor sich aus
dem Überangebot
von Antithrombin III in größerer Menge
antiangiogenes Antithrombin III selber herstellt und dadurch die
Balance zwischen positiven und negativen Regulatoren zu Gunsten
der negativen Regulatoren verschoben wird. Dies bedeutet, dass ein
in ausreichender bzw. in genügend
hoher Menge vorhandenes Protein wie zum Beispiel natives Antithrombin
III ohne aufwendige labortechnische Verfahren, zusätzliche
Verfahrensschritte und Kosten sofort zur Therapie eingesetzt werden
kann. Eine gesonderte teure, aufwendige und zeitintensive Medikamentenzulassung
ist zudem nicht notwendig, da z.B. natives Antithrombin III ein
bereits im Handel befindliches Medikament ist.
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In
der
DE19937656A1 und
EP1075840A3 wird
die Verwendung von Antithrombin zur Prophylaxe und Therapie von
Erkrankungen vorgeschlagen. Allerdings ist dort die Einsatzmöglichkeit
auf die Entzündungsreaktionen
beschränkt
und die Funktion von Antithrombin III steht in Zusammenhang mit
der Migration von Leukozyten.
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Die
vorliegende Erfindung zeigt, daß die
humane Pankreaskarzinom Zelllinie BxPC-3 in der Lage ist, aus nativem
Antithrombin III sowohl gespaltenes als auch konfigurationsverändertes
antiangiogen wirksames Antithrombin III (latentes AT III) herzustellen.
Die Therapie eines 100 mm3 großen BxPC-3 bzw. ASPC-1 Tumors
im Mausversuch mit 50mg/kg/Tag gespaltenem humanem Antithrombin
III führt
zu einer deutlichen Hemmung der Angiogenese (reduzierte Mikrogefäßdichte)und
dadurch zu einer vollständigen
Blockierung des Tumorwachstums. Ebenso kann die Applikation von
60mg/kg/Tag normalen (nativem) AT III zu einer deutliche Hemmung der
Angiogenese und des Tumorwachstums führen (1), während die
Therapie eines Tumors, der nicht die Fähigkeit besitzt natives AT
III zu verändern auch
nicht mit normalen AT III in seinem Wachstum behindert wird (2).
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Es
wird ein Verfahren vorgeschlagen, mit dem in vitro durch Tumorzelllinien
aus nativem Antithrombin III antiangiogen wirksames AT III generiert werden
kann.
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Dieses
Verfahren kann zusätzlich
zur in vitro Identifizierung und Herstellung neuer negativer und positiver
Regulatoren der Angiogenese oder alternativ zum Test verschiedener
Tumorzelllinien verwendet werden.
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Darüberhinaus
ist die erfindungsgemäße Verwendung
von koagulationsaktivem AT III als Arzneimittel bei der Prophylaxe
und Therapie von onkologischen Erkrankungen, insbesondere soliden
Tumoren und Leukämien,
gezeigt.
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Das
Plasmaprotein Antithrombin kann in verschiedenen Konformationen
und Varianten vorkommen.
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Erfindungsgemäß ist unter
koagulationsaktivem AT III das native, im Körper vorhandene Antithrombin
III zu verstehen, das bei der Blutgerinnung aktiv ist. Unter antiangiogen
wirksamem Antithrombin III sind jedoch das in seiner Konformation
veränderte native
Antithrombin III, das latente und gespaltenes Antithrombin III zu
verstehen, die jeweils keine Funktion bei der Blutgerinnung haben.
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Die
Erfindung betrifft die Verwendung von koagulationsaktivem Antithrombin
III als Arzneimittel an Patienten, wobei der Begriff Patient sich
gleichermaßen
auf Menschen und Wirbeltiere bezieht. Damit können die Arzneimittel in der
Human- und Veterinärmedizin
verwendet werden.
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Das
therapeutisch antiangiogen wirksame Antithrombin III der vorliegenden
Erfindung wird den Patienten, als Teil einer pharmazeutisch akzeptablen Komposition
entweder oral, rektal, parenteral intravenös, intramuskulär oder subkutan,
intracisternal, intravaginal, intraperitoneal, intravasculär, intrathekal, intravesikal
(durch Instillation in die Blase), lokal (Puder, Salbe oder Tropfen)
oder in Sprayform (Aerosol) verabreicht. Die intravenöse, subcutane,
intraperitoniale und intrathekale Gabe kann dabei kontinuierlich mittels
einer Pumpe oder Dosiereinheit erfolgen.
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Pharmazeutisch
akzeptable Kompositionen können
die Modifikationen als Salze, Ester, Amide und "Prodrugs" beinhalten, sofern sie nach zuverlässiger medizinischer
Beurteilung keine übermäßige Toxidität, Irritationen
oder allergische Reaktionen am Patienten auslösen.
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Dosierungsformen
für die örtliche
Administration der Verbindung dieser Erfindung schließen Salben,
Puder, Sprays oder Inhalationsmittel ein. Die aktive Komponente
wird unter sterilen Bedingungen, mit einem physiologisch akzeptablen
Trägerstoff
und möglichen
Preservativen, Puffern oder Treibmitteln, je nach Bedarf, vermischt.
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Ausführungsbeispiele
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A) Generierung von antiangiogen wirksamem
AT III, gespaltenem und latentem AT III in vitro durch Tumorzelllinien:
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Methoden:
Humane Pankreaskarzinom Zelllinien BxPC3 und ASPC-1 werden in Zellkultur
(Medium: RPMI 1640 + 10% FCS + 1 % Penicillin/Streptomycin; 37°C und 5%
CO2) gezüchtet.
Um zu überprüfen ob das
serumfreie Zellmedium dieser Zelllinien die Fähigkeit besitzt, humanes natives
AT III in seiner Konfiguration zu verändern, werden die Zellen bis
zur Konfluenz hochgezogen. Anschließend werden die Zellen 2 mal
mit PBS gewa schen und mit serumfreiem Medium (RMPI 1640) für 48 Stunden
inkubiert (sogenanntes konditioniertes Medium). Anschließend wird
1 mg/ml natives humanes AT III zu dem serumfreien Medium hinzugefügt. Nach
einer weiteren Inkubationszeit von 48 Stunden wird der Mediumüberstand
gewonnen und anschließend
auf einem 72 Stunden dauernden, dem Durchschnittsfachmann geläufigen,
bFGF stimulierten Endothelzellproliferations-Assay gegeben. Zusätzlich wird
durch Western-Blut-Analyse mit einem Antikörper gegen humanes natives
AT III und durch Harnstoffgradienten-Gelanalyse die Konformationsänderung
des AT III im Vergleich zu humanem nativem AT III untersucht.
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Ergebnis:
Der Überstand
der BXPC-3 Zellen zeigt im Endothelzellproliferations-Assay eine
konzentrationsabhängige
Inhibition der Proliferationsrate. Das serumfreie Medium ohne Zugabe
von nativem AT III (Kontrolle) zeigt keine inhibitorische Eigenschaft.
Auch die Zugabe von AT III zu reinem Medium (ohne Vorinkubation
auf den Zellen = negativ Kontrolle) zeigt ebenfalls keine antiproliferativen
Eigenschaften. In der Western-Blut-Analyse des konditionierten Mediums
mit nativen AT III befindet sich die gespaltene Form des AT III.
Zusätzlich
ist in der Harnstoffgradienten-Gelanalyse eine latente Form des
AT III nachweisbar.
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Nach
Purifikation mit einer Heparin-Sepharose-Säule (50 mM Tris-Puffer pH 7,4)
eluiert das antiangiogen wirksame AT III bei 0,5 molar NaCl. Die weitere
Aufreinigung erfolgt durch Anionen-Austausch-Säule (Mono-Q-Säule) mit
20 mM Tris-Puffer, pH 7,0 und Flution mittels eines Gradienten von
0 bis 0,35 molare NaCl. Hier eluiert antiangiogen wirksame AT III
bei 0,31–0,35
molar NaCl, latentes und gespaltenes AT III in separaten Fraktion.
Das antiangiogen wirksame AT III zeigt im Endothelzellproliferations-Assay
antiendotheliale Wirksamkeit
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Für die Zelllinie
ASPC-1 findet sich im identischen Versuchsansatz (siehe oben) keine
inhibierende Aktivität
des konditionierten Mediums nach Zugabe von nativen AT III im Endothel zellproliferations-Assay.
Sämtliche
positiven und negativen Kontrollen zeigen ebenfalls keine inhibitorische
Aktivität. Western-Blot-Analyse
und Harnstoffgradienten-Gelanalyse weisen weder ein gespaltenes
noch ein latentes AT III für
diese Zelllinie nach. Die Zelllinie ASPC-1 verfügt demnach nicht über die
nötige
enzymatische Aktivität
aus koagulationsaktivem AT III antiangiogen wirksames AT III zu
generieren. Mit dem vorliegenden Verfahren können eine Vielzahl von Tumorzelllinien
auf ihre enzymatische Aktivität
aus koagulationsaktivem AT III antiangiogen wirksames AT III zu
generieren, getestet werden. Es ist ebenfalls möglich weitere Proteinkandidaten
auf ihre Fähigkeit
hin zu untersuchen, ob sie von einer gegebenen Tumorzellinie zu
positiven oder negativen Regulatoren der Angiogenese verändert werden
können.
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Das
dargestellte Verfahren zeigt das nach Zugabe von Proteinen ohne
antiangiogene Eigenschaften in das konditionierte Medium (siehe
oben) von Tumorzellen diese in ihrer Konfiguration bzw. Struktur
so verändert
werden, das positive bzw. negative Regulatoren der Angiogenese entstehen.
Diese so entstandenen neuen Substanzen sind in nachfolgenden Purifikationsschritten
(z.B. Gelanalyse) zu identifizieren und nach entsprechender Aufreinigung für den Einsatz
in vivo als Medikament in der Prophylaxe und Therapie von Erkrankungen
einsetzbar.
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B) Koagulationsaktives AT III als Arzneimittel
bei der Therapie von zwei humanen Pankreakarzinom-Zelllinien (BxPC3
und ASPC-1) im Tumormaus-Model (SCID-Maus)
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Methode:
Die beiden (BxPC3 und ASPC-1) humanen Pankreaskarzinom-Zelllinien
werden in der Zellkultur gezüchtet
(siehe unter Abschnitt A)). Die Zellen werden geerntet und es werden
5 × 106 Zellen/Maus s.c. auf den Rücken der
SCID-Mäuse
implantiert. Nachdem die Tumoren eine Größe von ca. 100 mm3 er reicht
haben, werden die Mäuse
in jeweils 3 Gruppen pro Zelllinie randomisiert (n = 4 bzw. 7/Gruppe).
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Anschließend erfolgt
die s.c. Injektion von 60 mg/kg KG von latentem (antiangiogen wirksamem
AT III) bzw. nativem AT III (koagulationsaktivem AT III) weit entfernt
vom Tumor. Zur Kontrolle wird entweder Kochsalz (NaCl 0,9%) bzw.
BSA (Bovines Serum Albumin 60 mg/kg KG) injiziert. Die Injektionen
erfolgt täglich
mit den angegebenen Dosierungen. Das Tumorvolumen wird an jedem
3.–5.
Tag ermittelt und am Versuchsende (BxPC3 nach 26 Tagen bzw. ASPC-1 nach
11 Tagen) in Bezug zum Tumorvolumen der Kontrollgruppe gesetzt.
Dabei wird ein Quotient gebildet aus dem Tumorvolumen der Therapiegruppe geteilt
durch das Tumorvolumen der Kontrollgruppe (T/C).
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Ergebnisse:
Die humane Pankreaskarzinom-Zelllinie BxPC3 kann durch die Gabe
von latenten (antiangiogen wirksamem) und nativem AT III (koagualtionsaktivem)
signifikant in ihrem Tumorwachstum gehemmt werden. Für latentes
AT III ergibt sich ein T/C von 0,1 (90%ige Hemmung im Vergleich
zur Kontrollgruppe). Für
natives AT III ergibt sich ein T/C von 0,15 (85%ige Hemmung im Vergleich
zur Kontrollgruppe (siehe 1)
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Für die humane
Pankreaskarzinom-Zelllinie ASPC-1 findet sich im oben beschriebenen
Versuchsansatz für
latentes AT III ein T/C von 0,31 (69%ige Hemmung des Tumorwachstums
im Vergleich zur Kontrollgruppe). Für natives AT III kann keine
signifikante Hemmung des Tumorwachstums nachgewiesen werden (T/C
= 0,94 oder 6% Hemmung des Tumorvolumens im Vergleich zur Kontrollgruppe)(siehe 2).
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Abbildungen:
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1 Therapie
der humanen Pankreaskarzinom Zelllinie BxPC3 im Tumormausmodel (SCID-Maus)
mit nativem und latentem AT III (60 mg/kg KG) versus Kontrolle (60
mg/kg KG BSA = Bovines Serum Albumin). Herstellung von antiangiogen wirksamem
T/C = Quotient aus Tumorvolumen der Therapiegruppe geteilt durch
Tumorvolumen der Kontrollgruppe (BSA). Antithrombin III aus der
humanen Pankreaskarzinom Zelllinie BxPC-3
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2 Hemmung
der Angiogenese mit humanem antiangiogen wirksamen Antithrombin
III, Therapie der humanen Pankreaskarzinom Zelllinie ASPC-1 im Tumormausmodel
(SCID-Maus) mit nativem und latentem AT III (60 mg/kg KG) versus
Kontrolle (NaCL 0,9%). T/C = Quotient aus Tumorvolumen der Therapiegruppe
geteilt durch Tumorvolumen der Kontrollgruppe (NaCL).