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Klarinetten herkömmlicher Bauart sind gekennzeichnet durch einen Rundrohrkorpus mit teilweise sehr kleinen Tonlöchern, sowie durch einen darauf abgestellten Löffelklappen-Mechanismus. Diese Bauweise verhindert eine volle und gleichmäßige Entfaltung der Töne: Mit abnehmender Länge der schwingenden Luftsäule, in Hinblick auf den Korpus also „nach oben“ hin, werden die Töne immer leiser. Insbesondere im Chalumeau-Register nehmen sie dabei auch eine „gedeckte“, näselnde Klangfarbe an, verlieren also an Brillianz.
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Inbezug auf die Flöte ist diese Unvollkommenheit bereits im 19. Jahrhundert durch Theobald Böhm mit der Einführung durchgehend sehr großer Tonlöcher beseitigt worden. Doch obwohl die heute am weitesten verbreitete Bauform der Klarinette die Bezeichnung „Böhmklarinette“ trägt, ist besagte Neuerung auf diese Bauform nicht übertragen worden. Somit leitet die Bezeichnung ihre Berechtigung einzig durch die von Böhm schon früher eingeführte neue Griffweise ab.
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Der in den folgenden Schutzansprüchen bezeichneten Erfindung liegt das Problem zugrunde, eine Klarinette zu schaffen, welche durch ihre Bauart den Ton in allen Lagen zur vollen Entfaltung verhilft.
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Zunächst stellt sich der Lösung eine Schwierigkeit entgegen, welche mit dem Überblasverhalten der Klarinette untrennbar verbunden ist, dem Überblasen nämlich nicht in die Oktave, sondern in die Duodezime, was eine Erweiterung der Skala um eine Quinte, also auch eine Vermehrung der Tonlöcher erfordert. Deren Abstände werden, akustischen Gesetzmäßigkeiten folgend, nach oben hin (mundstückseitig) immer geringer, und damit auch der ihnen zur Verfügung stehende Raum.
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Mit dem in Schutzanspruch 1 aufgeführten Merkmal wird diese Schwierigkeit dadurch behoben, daß die bisher runden Tonlöcher durch gleichmäßig große rechteckige Tonfenster ersetzt werden, welche bei gleichbleibenden Abständen deutlich größere offene Flächen aufweisen, als dies für runde Öffnungen der Fall ist. Für ihre Maße wird der volle zur Verfügung stehende Raum genutzt.
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Diese Änderung allein aber würde eine neue Schwierigkeit herbeiführen. Um nämlich Fenster dieser Größe deckeln zu können - die Fingerkuppen des Spielers wären hierfür ohnehin zu klein -, müßte ein Rundrohrkorpus an diesen Stellen entweder weitflächig plangeschliffen werden, was eine Erhöhung der Wandstärke erfordert und damit auch eine Gewichtserhöhung nach sich zieht; oder es müßte auf jedes Fenster ein relativ hoher Kamin aufgesetzt werden. Beide Maßnahmen aber würden das Platzangebot für den Schließmechanismus vermindern.
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Mit dem in Schutzanspruch 2 aufgeführtem Merkmal wird diese Schwierigkeit dadurch behoben, daß der Rundrohrkorpus ersetzt wird durch einen Kantrohrkorpus, also durch ein Rohr mit rechteckigem, vorzugsweise quadratischem Querschnitt. Ohnehin gibt es keine Notwendigkeit, Klarinetten mit Rundrohren auszustatten, weil bereits die Tonbildung in einem kantigen Innenraum des Mundstücks stattfindet und aus akustischer Sicht nichts dafür spricht, eine anfangs kantige Luftsäule in eine runde Luftsäule überzuführen.
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Aus konstruktiver Sicht besteht der entscheidende Vorteil des Kantrohres darin, daß nicht einmal die für kleinste Tonlöcher in Rundrohren notwendigen Kamine und/oder Zwirle mehr zwingend nötig sind, weil die Fenster ohnehin plan abschließen. Damit entfällt eine der Fehlerquellen für die Abdichtung geschlossener Tonlöcher. Insbesondere die metallische dünnwandige Ausführung des Kantrohres bietet hier Vorteile in Hinblick auf Haltbarkeit und Stabilität, ohne daß das Gewicht der Klarinette zwingend erhöht wird. In der Erprobungsphase hat sich ein Korpus aus Messing bewährt.
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Mit den in Schutzanspruch 3 aufgeführten Merkmalen wird eine weitere Verbesserung beschrieben, die sich mit dem Bauprinzip des Kantrohres in idealer Weise verbindet. Es handelt sich um den Ersatz des Klappenmechanismus durch einen Ventilmechanismus. Er wird angewandt nicht nur auf alle Tonfenster, sondern der Konsequenz halber auch auf die Überblasfunktion.
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Der entscheidende Nachteil eines Klappensystems besteht in der Notwendigkeit einer genauen Ausrichtung ihrer Rotationsachsen. Da dieses Ziel offenbar nicht zur Gänze erreicht werden kann, nehmen die Instrumentenmacher Zuflucht zum Prinzip der sogenannten Löffelklappe; das heißt, daß der Klappendeckel muldenförmig gestaltet wird, um ein Polster aufzunehmen. Dieses Polster wird durch erhitzten Siegellack oder einem vergleichbaren Medium zunächst fixiert. Kurz vor seiner Erstarrung wird die präparierte Klappe auf den Tonlochkamin oder Tonlochzwirl gedrückt und damit individuell angepaßt. Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht nicht nur im Arbeitsaufwand, sondern auch in der begrenzten Haltbarkeit der Polster. In der Folge werden die Klarinetten reparaturanfällig.
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Ventile öffnen und schließen nicht durch Rotation, sondern durch Parallelführung ihrer Deckel zum fließenden Medium bzw. zum Rohr. Mit ihrer Anwendung entfällt die bei Klappen notwendige genaue Ausrichtung von Rotationsachsen und ebenso die Notwendigkeit gepolsterter Deckel. Durch Wegfall dieser Fehlerquellen wird das Übel der niemals endgültig auszuschließenden Undichtheit noch weiter verringert. Zwar werden auch die hier angewandten Ventildeckel „gepolstert“, d.h. mit dünnen Moosgummi-Unterlagen versehen; sie dienen vor Allem aber zur Dämmung der Aufschlaggeräusche.
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Bewerkstelligt wird die Parallelführung der Ventildeckel durch seitlich am Korpus angebrachte Koppelgetriebe, ausgeführt als Viergelenkgetriebe. Deckel und Getriebe bilden konstruktive Einheiten, die einen Kantrohrkorpus als bauliche Grundlage und zur funktionellen Voraussetzung haben. Er garantiert, daß weder durch seitlichen noch durch vertikalen Versatz der Module die Parallelführung beeinträchtigt werden kann; sie würde es höchstens durch Drehung. Diese aber wird unmöglich gemacht dadurch, daß alle Module durch jeweils zwei ihrer Gelenkwellen verschiebbar miteinander verbunden sind.
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Bei den geöffneten, durch Tastendruck gegen Federspannung zu schließenden Ventilen sind Ventildeckel und Taste identisch, sofern das Ventil mit dem ihm zugeordneten Finger erreicht werden kann. Ansonsten erfolgt die Betätigung, wie üblich, durch gesonderte Tasten, die hier über Koppelschwingen mit den Ventilen/Koppelgetrieben verbunden sind.
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Bei den geschlossenen, zu öffnenden Ventilen befinden sich Fenster und Deckel auf der äußeren Unterseite des Instruments. Durch Druck auf die oberhalb befindliche Taste wird der Deckel vom Fenster nach unten weggedrückt und öffnet es auf diese Weise. Aus ästhetischen Gründen sind Deckel und Taste meist gleichförmig gestaltet und dann nur bei näherem Hinsehen voneinander zu unterscheiden. Sofern die dem Ventil zugehörige Taste mit den ihm zugeordneten Finger nicht erreicht werden kann, kommt auch hier die mechanische Verbindung über Koppelschwingen zur Anwendung.
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Die Rückführung der Ventildeckel in ihre jeweilige Ausgangsposition erfolgt durch Zugfedern innerhalb der Koppelgetriebe.
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Aufgrund der durchgehenden Gleichförmigkeit aller Tonfenster sowie der relativen Gleichförmigkeit der ihnen zugeordneten Ventil-Koppelgetriebe-Einheiten ist der gesamte Mechanismus im Wesentlichen modular aufgebaut, was den Vorteil hat, daß die weitaus meisten Elemente untereinander baugleich oder bauähnlich sind und meist auch vertauscht, in jedem Falle aber leicht ersetzt werden können.
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Somit weist die vorstehend beschriebene Klarinette folgende Vorteile auf:
- - Maximal mögliche Lautstärke und Brillianz gleichmäßig über den gesamten Tonbereich
- - Wegfall einiger Bauteile, die zu Undichtheit beitragen oder diese kompensieren sollen
- - Niedrige Materialkosten, zugleich ressourcenschonend (kein Tropenholz)
- - Einfache Herstellung durch modularisierte Bauweise
- - Größere mechanische Stabilität bei vergleichbarem Gewicht
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Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird anhand der 1 und 2 erläutert. Es zeigen:
- 1 die Klarinette mit Ausschnitt des Kantrohrkorpus (a) mit rechteckigen Tonfenstern (b);
- 2 die Seitenansicht eines geöffneten, zu schließenden Ventil-Getriebe-Moduls.
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Dabei bezeichnet:
- (a) den Ventildeckel, meist identisch mit der Taste
- (b) die Moosgummi-Unterlage
- (c) das zu schließendes Tonfenster im Kantrohrkorpus
- (d) den Kantrohrkorpus in Längssicht
- (e) die seitlich am Korpus befestigte Grundplatte des Koppelgetriebes
- (f) die vier Gelenkwellen des Koppelgetriebes
- (g) eine Koppelschwinge mit Ansatz zur Verbindung mit anderen Modulen
- (h) eine Koppelschwinge ohne Ansatz
- (i) die Zugfeder, welche den Ventildeckel geöffnet bzw. geschlossen hält
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3 die Seitenansicht eines geschlossenen, zu öffnenden Ventil-Getriebe-Moduls. Es gelten die gleichen Bezeichnungen; hinzu kommt
(j) die Taste, welche nicht mit dem Ventildeckel identisch ist.
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Zusammenfassung
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Das Problem, eine Klarinette zur Erzielung höchstmöglicher Brillianz und Lautstärke zu schaffen, wurde in drei Schritten gelöst. Der erste Schritt bestand in der Einführung von Tonfenstern einheitlicher Größe und maximaler Öffnungsfläche durch Rechteckform. Im zweiten Schritt wurde der herkömmliche Rundrohrkorpus ersetzt durch einen dünnwandigen Kantrohrkorpus, welcher die Anwendung von Tonlochkaminen und/oder Zwirlen unnötig macht und insgesamt die akustischen Verhältnisse vereinfacht. Im dritten Schritt wurde der herkömmliche Klappenmechanismus ersetzt durch einen Ventilmechanismus, welcher mit der Kantrohrgestalt des Korpus eine ideale konstruktive Verbindung eingeht und die Nachteile vermeidet, welche mit einem Klappenmechanismus verbunden sind.