Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und eine Einrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 6 zur indirekten Bestimmung der
Zahnvitalität mit thermischen Reizen.
Die indirekte Bestimmung der Vitalität von Zähnen mit thermischen Reizen ist bekannt.
Es werden kalte oder warme Prüfkörper (vereiste Pellets, aus CO2-Schnee hergestellte Stäbchen
oder erhitztes Guttapercha) eingesetzt. Die Prüfkörper werden an den Zahn gedrückt. Der Zahnarzt
beobachtet, ob und wie der Patient auf den Kälte- bzw. Wärmereiz reagiert, beispielsweise mit
Schmerz, und zieht hieraus seine Schlüsse. Er kann eigentlich nur Ja-Nein-Entscheidungen treffen.
Eine differenzierte Beurteilung bzw. quasi-quantitative Beurteilung der Zahnvitalität ist mit diesen
Mitteln nicht möglich.
Die Neinentscheidungen sind nicht sicher. Bei schlechtem Kontakt zum Zahn, zu geringer
Temperaturdifferenz zwischen Prüfkörper und Zahn oder zu kleiner Wärmekapazität der
Prüfkörper ist die Temperaturänderung des Dentins zu gering oder nicht schnell genug, um einen
Reiz hervorzurufen. Auch bei der zunehmenden Zahl zahnfarbener Restaurationen, die über
Adhäsiv-Verfahren eingegliedert werden, ergeben thermische Verfahren eine niedrige Validität bei
geringen Temperaturdifferenzen. Die Verwendung besonders kalter oder heißer Prüfkörper, wie
CO2-Schnee-Stäbchen oder erhitztes Guttapercha, ist andererseits nicht problemlos.
Bei CO2-Schnee-Applikationen über 2 Sekunden können sich Schmelzsprünge bilden. Außerdem ist
der adhäsive Verbund von Füllungsmaterial und Zahnsubstanz aufgrund unterschiedlicher
thermischer Ausdehnungskoeffizienten gefährdet.
Mit erhitztem Guttapercha besteht die Gefahr einer Koagulation. Zähne reagieren erst ab 43°C auf
Wärmereize. Die Koagulationstemperatur beginnt aber bereits mit 48°C.
Neben den thermischen Prüfkörpern sind auch thermoelektrische Einrichtungen auf der Basis von
Peltierelementen zum Testen der Zahnvitalität bekannt. In DE 36 31 306 A1 ist eine solche
Einrichtung beschrieben. An der Kaltseite des Peltierelements ist ein Kälteblock mit einer Aufnahme
für einen Verbindungsstift und an der Warmseite ein Luftwärmetauscher befestigt. Das stabförmige
Verbindungsstück, die Prüfspitze, steckt in dem Kälteblock. Das Peltierelement, der Kälteblock und
der Luftwärmetauscher sind zusammen mit einem Akku in einem Halter untergebracht. Die
Prüfspitze ragt aus dem Halter heraus. Sie besteht aus einem gut wärmeleitfähigen Material,
vorzugsweise Kupfer. Die zylindrische Stirnfläche und der vordere Teil der Spitze sind versilbert.
Zum Prüfen wird die Stirnseite der Prüfspitze auf den Zahn aufgesetzt.
Die Zahnvitalitätsprüfung mit den thermoelektrischen Vorrichtungen unterscheidet sich qualitativ
nicht von der mit den Prüfkörpern. Es sind ebenso nur Ja-Nein-Aussagen möglich.
US 4,308,012 beschreibt eine Vorrichtung zum Messen der Vitalität des Zahnmarks, die aus
einem thermischen und einem elektrischen Probestab besteht. Die Vorrichtung besteht ferner
aus einem Display, auf welchem die Größe einer Zeitdauer angezeigt werden kann, jedoch
keine weiteren Parameter, wie Temperatur oder gar ein Temperaturverlauf.
US 4,350,488 beschreibt einen Stab, welcher der Kälte- oder Wärmezufuhr an einen Zahn
dient. Eine Auswertung der Zeit und des Wärmekontakts ist hier nicht möglich.
Aufgabe der Erfindung ist es, die Zahnvitalität wesentlich differenzierter als bisher zu bestimmen.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe für das Verfahren durch
die Merkmale des Anspruchs 1 und für die Vorrichtung durch
die Merkmale des Anspruchs 6 gelöst.
Zur Durchführung des Verfahrens eignet sich eine Prüfeinrichtung mit einer Prüfspitze und mit einer
thermischen Quelle, deren Temperatur zwischen Minus- und Plusgraden einstellbar ist sowie einem
Wärmeleitstück zwischen der Prüfspitze und der thermischen Quelle und einem Regelkreis zur
Einstellung der Temperatur der Prüfspitze auf einen vorgegebenen Sollwert, wobei an der
Prüfspitze wenigstens ein Temperaturfühler angebracht ist und dessen Meßsignal an einen
zeitgetakteten Speicher gelegt ist.
Die thermische Quelle kann aus wenigstens einem Peltierelement oder aus der thermischen
Kopplung einer mit komprimiertem Gas nach dem Joule-Thomson-Effekt arbeitenden Kühlung und
einer Heizung bestehen.
Bei beiden Ausführungen können unterschiedliche kalte oder warme Ausgangstemperaturen
innerhalb einer hinreichend großen Bandbreite zuverlässig eingestellt werden. Die Gefahr einer
Zahnschädigung wird wesentlich verringert.
In einer vorzugsweisen Ausführung ist der zeitgetaktete Speicher an einen Mikrorechner
angeschlossen bzw. der Speicher ist Teil eines Mikrorechners.
Während des Kontakts mit dem Zahn verändert sich die Temperatur des Prüfkörpers bzw. der
Prüfspitze. Sie nimmt zu oder ab, je nachdem, ob der Prüfkörper bzw. die Prüfspitze gegenüber der
Zahntemperatur zuvor abgekühlt oder erwärmt war. Die nacheinander in kleinen Zeitintervallen
gemessenen Temperaturwerte werden gespeichert. Der Temperaturverlauf kann ausgedruckt und
von Hand ausgewertet werden. Vorzugsweise werden die besonders interessierenden
Auswertungen automatisch mit dem Mikrorechner vorgenommen.
Zur Begrenzung der Meßzeit erhält der Patient einen Schalter und betätigt ihn, sobald er einen Reiz
verspürt. Das Schaltsignal beendet die Aufzeichnung der Meßwerte. Bleibt eine Reaktion des
Patienten aus, wird die Messung nach einer vorgegebenen Maximalzeit automatisch beendet.
Aus dem Temperaturverlauf über der Meßzeit kann die über die Kontaktstelle fließende
Wärmemenge bzw. ein ihr in etwa entsprechender Wert ermittelt werden. Der Anstieg des
Temperaturverlaufs ist eine Information über die Geschwindigkeit der Temperaturänderung, d. h.,
ob sich das zu prüfende Objekt (d. h. der zu prüfende Zahn) schnell abkühlt bzw. erwärmt oder nur
langsam.
Vorzugsweise legt der Rechner mit einem speziellen Programmteil den Beginn der Messung
automatisch fest. Vor dem Kontakt schwankt die Temperatur der Prüfspitze geringfügig um eine
mittlere Temperatur, die sich im Ergebnis von Kühlleistung und Wärmeeintrag (bei kalter
Prüfspitze) oder Heizleistung und Wärmeverlust (bei warmer Prüfspitze) einstellt. Mit dem Kontakt
zum Objekt ändert sich die Temperatur stetig. Dieser Zeitpunkt wird vorzugsweise automatisch
festgestellt.
Der Zahnarzt kann sich die bis zur Reizauslösung erforderliche Applikationszeit und die
dazugehörige Intensität des Wärmeaustausches zwischen Zahn und Prüfkörper bzw. -spitze
ansehen. Im Vergleich mit Werten, die er an analogen Zähnen desselben Patienten mißt oder aus der
Erfahrung her kennt, kann er eine wesentlich differenziertere Entscheidung zur Zahnvitalität treffen
als bisher.
Vorzugsweise ist die Prüfeinrichtung mit mehreren Peltierelementstufen und Wasserkühlung
ausgerüstet. Dadurch können Temperaturen bis -40°C an der Prüfspitze erreicht werden.
Mit dem einen Temperaturfühler oder vorzugsweise mit einem weiteren, der näher am
Peltierelement angebracht ist, und einem Regelkreis kann die Temperatur der Prüfspitze durch
Änderung des Stromes durch die Peltierelemente innerhalb der Maximalgrenzen eingestellt werden.
Nach Umpolen des Stromes am Peltierelement wird die Prüfspitze beheizt und die gewünschte
Temperatur nahe 48°C einstellbar.
Das die Prüfspitze und die Wärmequelle verbindende Wärmeleitstück ist im Inneren des Handstücks
vorzugsweise abgeflacht und geschlitzt. Auf beiden Seiten des Flachstücks sind Peltierelemente
befestigt. Dadurch entsteht ein konstruktiv fester Verbund. Die federnde Halterung nimmt
Wärmespannungen auf. Die Gefahr möglicher Beschädigungen der Peltierelemente wird verringert.
Nach dem Anlegen der Prüfspitze an den Zahn ist die Temperatur der Prüfspitze abhängig vom
Wärmestrom durch die Kontaktfläche zum Zahn und von der Zeit. Die Gestaltung des
Wärmeleitstücks bestimmt die Geschwindigkeit und die Höhe der Temperaturänderung bei sonst
gleichen Randbedingungen sowohl am Zahn als auch an der Prüfspitze. Die gewünschte rasche
Abkühlung des Zahnes erfordert einerseits einen geringen Wärmewiderstand des Wärmeleitstücks,
andererseits erhöht sich mit steigendem Wärmewiderstand die Meßempfindlichkeit und -genauigkeit
der Meßanordnung. Das Wärmeleitstück ist vorzugsweise aus Kupfer gefertigt (geringer
Wärmewiderstand) und verjüngt sich zur Spitze hin (Erhöhung der Meßempfindlichkeit).
Bei Verwendung des Joule-Thomson-Effekts zur Kühlung und einer elektrischen Gegenheizung in
thermischer Kopplung über das Wärmeleitstück kann die gewünschte Temperatur durch Regelung
des Heizstromes eingestellt werden. Mit Hilfe des Regelkreises wird der Heizstrom so lange
verändert, bis die vorgegebene Temperatur an der Prüfspitze erreicht ist. Zur Erwärmung der
Prüfspitze bis zur oberen Grenztemperatur muß die Kühlung nicht notwendigerweise mittels
Unterbrechung der Gaszufuhr abgeschaltet werden.
Die Erfindung wird nachfolgend an einem Ausführungsbeispiel näher dargestellt. In den
Zeichnungen zeigen
Fig. 1 einen Schnitt durch eine erste erfindungsgemäß ausgebildete Prüfeinrichtung,
Fig. 2 ein Blockschaltbild der erfindungsgemäßen elektronischen Auswertung,
Fig. 3 einen gemessenen Temperaturverlauf
Fig. 4 einen Schnitt durch eine zweite erfindungsgemäß ausgebildete Prüfeinrichtung.
Gemäß Fig. 1 besteht die Prüfeinrichtung aus einer Prüfspitze 1, einem Wärmeleitstück 2, zwei
mehrstufigen Peltierelementen 3, einem Wärmetauscher 4 mit Anschlüssen zu einer Wasserkühlung
und einem Handstück 5. Die Prüfspitze besteht aus Kupfer und ist hart vergoldet. Das
Wärmeleitstück 2 ist im vorderen Teil leicht gebogen und im hinteren Teil, der im Handstück 5
liegt, abgeflacht. Die Peltierelemente 3 sind auf den beiden abgeflachten Seiten des Wärmeleitstücks
2 und in einer Aussparung des Wärmetauschers 4 befestigt. Zwischen den Peltierelementen 3 ist das
Wärmeleitstück 2 zur Aufnahme von Wärmespannungen federartig geschlitzt. Die elektrischen
Zuleitungen zur Prüfeinrichtung sind nicht eingezeichnet.
Es sind drei Temperaturfühler vorgesehen: T1 innerhalb der Prüfspitze 1, T2 im verdickten Teil des
Wärmeleitstücks 2 und T3 am Wärmetauscher 4 in der Nähe der Peltierelemente 3.
Der schlanke Teil des Wärmeleitstücks 2 stellt einen definierten Wärmewiderstand zwischen dem
auf Solltemperatur befindlichen inneren Teil des Wärmeleitstücks 2 und der Prüfspitze 1 dar und ist
leicht gekrümmt, damit die Prüfspitze 1 möglichst senkrecht auf die zu testende Zahnoberfläche
aufgesetzt werden kann. In diesem Teil bildet sich während der Messung ein Temperaturprofil
heraus, das mit dem Temperaturfühler T1 in Abhängigkeit von der Zeit beobachtet und registriert
wird.
Mit weiteren Temperatursensoren auf der Strecke T1 bis T2 kann das Temperaturprofil exakter
vermessen werden, und es ergibt sich eine höheren Meßgenauigkeit für die ausgetauschte
Wärmeenergie.
Das Signal des Temperaturfühlers T1 liegt gemäß Fig. 2 an einem zeitgetakteten Speicher 6. Er ist
an einen Mikrorechner 7 mit wenigstens einer Ausgabeeinheit 8, z. B. Display oder/und Drucker,
angeschlossen. Der im Beispiel verwendete zyklische Speicher realisiert eine Speicherzeit von 25
Sekunden für die Temperatur an der Meßspitze. Der älteste Meßwert wird dabei zyklisch vom
jüngsten Meßwert überschrieben.
Das Signal des Temperaturfühlers T2 liegt im Vergleich zu einem Sollwert am Eingang einer
Regelschaltung, die ein Programmbestandteil des Mikrorechners 7 ist. Die Temperatur des
Wärmeleitstücks 2 wird durch Änderung der Stromzufuhr zum Peltierelement 3 eingestellt.
Mit dem Temperaturführer T3 wird die Wärmeentwicklung am Peltierelement 3 überwacht, um ein
Überhitzen des Elements auszuschließen.
Aus dem Temperaturverlauf (Fig. 3) ist zu erkennen, daß vor dem Kontakt der Prüfspitze 1 mit
dem zu prüfenden Zahn zum Zeitpunkt t1 die mit T1 gemessene Temperatur T um einen Mittelwert
schwankt. Danach steigt sie an und nähert sich später asymptotisch einem Endwert. Bereits davor
wird die Prüfung zum Zeitpunkt t2 beendet. Die Messung wird in der Regel vom Patienten beendet,
indem er einen Schalter bedient, sobald er einen Temperaturreiz empfindet, oder durch Vorgabe
einer maximalen Meßzeit.
Ausgewertet werden können: Die Ausgangstemperatur an der Kontaktfläche zum Zahn, die
Meßzeit t1 bis t2, der Temperaturgradient (an einem oder mehreren zuvor festgelegten Zeitpunkten
nach t1) und die ausgetauschte Wärmemenge. Das Meßgerät stellt den Kontakt der Prüfspitze mit
dem Zahn selbsttätig fest. Dazu wird zyklisch ein Mittelwert aus den letzten Meßwerten gebildet
und dieser mit der aktuellen Temperatur T1 verglichen. Nach dem Kontakt der Prüfspitze mit dem
Zahn hinkt der Mittelwert dem aktuellen Wert hinterher. Übersteigt die Differenz zwischen diesem
Mittelwert und der aktuellen Temperatur einen vorher festgelegten Wert ΔT, so wird diesem
Meßwert der Zeitpunkt t1 (interner Zeitpunkt) zugeordnet. Durch den zyklischen Speicher sind die
Temperaturwerte T1 noch über eine Zeitspanne von wenigstens 10 s vor dem Zeitpunkt t1 erhalten.
Der eigentliche Beginn des Wärmeaustausches zwischen Prüfspitze und Zahn t1 wird ausgehend
von ti durch Auswertung des Temperaturgradienten berechnet.
Gemäß Fig. 4 wird bei einer zweiten erfindungsgemäßen Prüfeinrichtung die Kälte durch
Entspannung eines Gases wie Kohlendioxid (CO2) oder Lachgas (NO2) nach den Joule-Thomson-
Effekt bereitgestellt. In dem Handstück 5 ist wieder eine Prüfspitze 1 mit Temperaturfühlern T1
und T2 befestigt. Das im Handstück 5 befindliche Ende des Wärmeleitstücks 2 weist eine Bohrung
auf, in die zwei koaxiale Röhrchen 9 und 10 ragen und einen Hohlraum 11 bilden. Das
Wärmeleitstück 2 ist gegenüber dem Handstück 5 mit einer Scheibe 12 zentriert und thermisch
isoliert gehalten. Seitlich am Wärmeleitstück 2 steckt in einem angelöteten Kupferröhrchen 13 die
Heizung 14.
Zur Einrichtung gehört eine Schaltung analog Fig. 2. Der Temperaturfühler T1 ist an den
zeitgetakteten Speicher 6 angeschlossen. Der Temperaturfühler T2 und die Heizung 14 liegen an
einer Regelschaltung des Rechners 7.
Zum Betrieb strömt in das Röhrchen 9 von einem externen (nicht dargestellten) Behälter aus CO2-
Gas mit einem Druck von ca. 70 bar und entspannt sich durch eine Öffnung 15 in den Hohlraum 11.
Das entspannte Gas strömt zwischen dem Außenmantel von Röhrchen 9 und dem Innenmantel von
Röhrchen 10 ab und kühlt im Gegenstrom das im Röhrchen 9 ankommende Gas und wird danach
ins Freie geleitet. Die nutzbare Tiefsttemperatur bei Verwendung von CO2-Gas liegt bei -60°C.
Unterhalb -70°C bildet sich an der Austrittsstelle des Gases 15 CO2-Schnee, so daß mit dem
dadurch abnehmenden Gasdurchsatz die erforderliche Kälteleistung nicht mehr erreicht wird.
Gegen die Abkühlung arbeitet die Heizung 14. Sie erwärmt das Wärmeleitstück 2. Mit dem
Regelkreis wird der Heizstrom auf einen Wert eingestellt, bei dem die an T2 gemessene Temperatur
einen vorgegebenen Sollwert zwischen -60°C und +60°C erreicht. Die Temperatur T2 ergibt sich
dabei als Gleichgewichtswert zwischen der Kühl- und Heizleistung sowie der Wärmeverluste.