DE19854749A1 - Verwendung von Kapseln, die eine oder mehrere antigene Substanzen enthalten, zur Prävention und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen - Google Patents

Abstract

Die Erfindung betrifft die Verwendung von Kapseln, insbesondere von Mikrokapseln, in denen eine oder mehrere antigene Substanzen eingeschlossen sind, zum Erhalt des Zustandes der Immuntoleranz in Organismen sowie zur Prävention und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Description

Die Erfindung betrifft die Verwendung von Kapseln, insbesondere von Mikrokapseln, in denen eine oder mehrere antigene Substanzen eingeschlossen sind, zum Erhalt des Zustandes der Immuntoleranz in Organismen sowie zur Prävention und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Spätestens, nachdem erkannt wurde, daß Vitaminmangel das Entstehen von Krankheiten verursacht, besteht Einigkeit darüber, daß die quantitative und qualitative Zusammensetzung der Nahrung die Gesundheit entscheidend beeinflußt. Neben einem absoluten Mangel durch eine generell verminderte Aufnahme essentieller Nahrungsmittelbestandteile (z. B. Hunger) kann ein ähnlicher Zustand auch bei langfristigen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten (absoluter Mangel essentieller Bestandteile bei kalorisch ausreichender Nahrungsaufnahme) beobachtet werden.

Autoimmunerkrankungen, wie der insulinabhängige Diabetes (IDDM), die Multiple Sklerose und Rheumatoide Arthritis, sind durch eine Zerstörung körpereigener parenchynatöser Zellen durch körpereigene Immunzellen charakterisiert. Basierend auf einer genetischen Belastung und ausgelöst durch exogene Reize (Umwelt) konnte in der letzten Dekade eine überproportionale Zunahme von Autoimmunerkrankungen beobachtet werden, so daß die gesundheitspolitische und kassenärztliche Bedeutung dieser Erkrankungen stetig zunahm. So wurde beispielsweise für den IDDM in den Industrienationen eine Morbidität von 1,5% errechnet. In den USA, Japan und der EU kann daher von ca. 11,5 Mill. Patienten mit IDDM ausgegangen werden, die bei einem durchschnittlichen Manifestationsalter von 16 Jahren lebenslang enorme Kosten verursachen.

Gegenwärtig wird angenommen, daß die Zahl der Prädiabetiker, d. h. Probanden mit dem potentiellen Risiko, an IDDM zu erkranken, identisch hoch sein kann. Bei anderen Autoimmunerkrankungen insbesondere der Rheumatoiden Arthritis, ist die Erkrankungsinzidenz noch höher.

Durch familien- und populationsgenetische Untersuchungen und durch immunologische Diagnostik (insbesondere dem Nachweis von Autoantikörpern) werden zur Zeit ca. 10% der Prädiabetiker als Hochrisikoprobanden eingestuft, die therapiert werden müßten. Allerdings sind die bisher vorgeschlagenen Therapiestrategien (intermittierende Insulingabe, temporäre Immunsuppression, NAD- Applikation) nicht geeignet, die Manifestation der Erkrankung zu verhindern, da der phasenhafte Verlauf der Zellzerstörungen nicht eindeutig diagnostizierbar und deshalb auch kaum therapierbar ist.

Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist bekannt, daß durch Langzeitverfütterung einzelner Substanzen, die mit dem IDDM in Beziehung stehen (z. B. Insulin, GAD), an prädiabetische Versuchstiere die Manifestation des IDDM verhindert werden kann (Nat. Med. (1997) 7:793-796; Diabetologica (1997) 40:902-909). Diese Substanzen müssen hochgereinigt oder als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in einer bestimmten Verarbeitungsstufe aufgenommen werden.

Aufgabe der Erfindung war es deshalb, Substanzen zu finden und sie durch geeignete Verfahren so zu verpacken, daß sie vor der abbauenden Wirkung der Verdauungsenzyme geschützt sind. Dadurch soll es möglich sein, mit geringen Mengen, ohne gentechnische Bearbeitung und/oder deren aufwendigen Reinigung, diese Stoffe, insbesondere als Nahrungsbestandteil, für eine Prävention von Autoimmunerkrankungen einzusetzen.

Im Gegensatz zu den vorherrschenden Arbeitshypothesen geht die Erfindung davon aus, daß auch die selektive Abnahme äußerer Reize für den Ausbruch von Autoimmunerkrankungen von vorrangiger Bedeutung ist. Alle Säugetiere einschließlich des Menschen haben in ihrer phylogenetischen Entwicklung Mechanismen entwickelt, die eine Wirkung der aufgenommenen Nahrungsmittel als antigenen Reiz verhindern, so daß die zugeführte Nahrung als Energiequelle und nicht als potentielle Antigenbelastung wirkt. Säugetiere sind immunologisch tolerant gegenüber den Nahrungsbestandteilen, die infolge ihrer intermittierenden Zufuhr diese Toleranz lebenslang aufrecht erhalten. Bei langandauernden drastischen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten besteht die Möglichkeit einer fehlenden oder mangelhaften Antigenzufuhr, so daß sich konsekutiv eine partielle oder totale Intoleranz gegenüber gegenüber den Nahrungsmitteln entwickeln kann.

So wurde festgestellt, daß, vorrangig durch den zunehmenden Wohlstand bedingt, sich die Ernährungsgewohnheiten in den letzten 50 Jahren markant dahingehend änderten, daß "minderwertige Nahrung" (Gehirn, Pankreas, Knorpel, Innereien) weitgehend aus dem Ernährungsprogramm verschwunden ist.

Erfindungsgemäß wurde nun gefunden, daß unverdaute und/oder partiell angedaute Proteine der Nahrung für die Induktion und das Aufrechterhalten der Immuntoleranz des Körpers gegenüber den Nahrungsmitteln von ausschlaggebender Bedeutung sind, und die Zufuhr essentieller Mischproteine, die in den letzten fünf Dekaden aus dem menschlichen Ernährungprogramm weitgehend verschwunden sind, in Form von Kapseln, vorzugsweise in Form von Mikrokapseln, insbesondere als Nahrungsmittelbestandteil, hervorragend geeignet sind, den Zustand der Immuntoleranz in Säugetier-Organismen aufrechtzuerhalten.

Da die Wirksamkeit der applizierten Antigene speziesunabhängig ist, sind keinerlei Probleme in der Antigenbereitstellung bei der Anwendung am Menschen zu erwarten.

Mit an sich bekannten Verfahren werden Nahrungsmittelbestandteile, die für die Aufrechterhaltung einer notwendigen Immuntoleranz zur Prävention von Autoimmunkrankheiten bedeutsam seien können, in trockener Form oder als Lösung verkapselt.

Vorzugsweise als Lebensmittelzusatzstoff werden die Kapseln, bevorzugt Mikrokapseln, mit den darin enthaltenen Mischantigen üblichen Lebensmitteln wie Fleisch-, Milch-, Getreide-, Feinkost- und/oder Saftprodukten so zugemischt, daß die Bestandteile geschmacks- und geruchsneutral verabfolgt werden können.

Diese werden durch die Lebensmittelproduzenten verschiedenen Milchprodukten und/oder Getreideerzeugnissen zugesetzt, um somit die lebenslange und kontinuierliche Aufnahme zu gewährleisten und den Erhalt der Nahrungsmitteltoleranz zu ermöglichen. Die Verkapselung der zugesetzten Antigene bewirkt nicht nur die Geschmacks- und Geruchsneutralität, sondern erlaubt auch die gezielte Applikation einer definierten Dosis der zu applizierenden Mischproteine in den Dünndarm, der für die Nahrungsmitteltoleranz von entscheidender Bedeutung ist.

Die so hergestellten Lebensmittel rufen durch kontinuierliche und lebenslange Aufnahme einen Zustand der Immuntoleranz gegen die verabreichten Antigengemische hervor und helfen dadurch, das Entstehen einer Autoimmunkrankheit zu verhindern.

Eine tägliche Aufnahme derart verkapselter Lebensmittel reduzierte die Häufigkeit das Risiko des Erkrankens an Diabetes nachweisbar.

Weiterhin beinhaltet die Erfindung den Vorteil, daß durch die intermittierende, aber lebenslange kontinuierliche Zufuhr der angereicherten Antigene, eine Wirksamkeit auch ohne Diagnostik akuter Autoimmunitätsschübe zu erwarten ist.

Die gezielte Applikation der Nahrungsmittelmischproteine in den Dünndarm via bevorzugter alginatmodifizierter Mikrokapseln erschwert die proteolytische Verdauung der Antigene, so daß geringere Dosen effizient sind, wobei der Applikationsort dem Wirkort entspricht. Die gleiche Wirkung tritt ein, wenn das Mischantigen in Arzneitransportsysteme mit an sich üblichen pharmazeutischen Trägerstoffen für die orale Verabreichung eingeschlossen wird.

Da bisher kein ähnliches Produkt am Markt vorhanden ist, können die Vorteile der Erfindung ausschließlich im Vergleich zu Ergebnissen tierexperimenteller Untersuchungen gezogen werden.

Zusammenfassend wird festgestellt:

Die Erfindung betrifft die Verwendung von geschmacksneutralen Kapseln, in denen eine oder mehrere antigene Substanzen eingeschlossen sind zur Aufrechterhaltung des Zustandes einer Immuntoleranz in Säugetier-Organismen, zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Autoimmunkrankheiten, wie z. B. insulinabhängiger Diabetes (IDDM), Multipler Sklerose und/oder Rheumatoider Arthritis, wobei als Hüllmaterial der Kapseln an sich übliche Polysaccharide, Polyester und Polyamide alleine oder in Kombinationen verwendet werden.

Vorzugsweise werden als Hüllmaterial im Verdauungstrakt an sich unverdauliche Oligo- und/oder Polysaccharide, z. B. Alginsäure, Polymere der Alginsäure, Alginate, Pectine und/oder Xanthane ggf. zusammen mit einem physiologisch tolerierbaren Metallsalz, wie z. B. einem Calciumsalz, verwendet, die zusätzlich verdauliche Bestandteile in der Kapselwand mit einem Verhältnisanteil von 30% bis zu 80% enthalten, vorzugsweise Mono-, Oligo- und/oder Polysaccharide, (poly)Hydroxycarbon­ säuren, Fettsäuren sowie deren Salze und Derivate sowie Aminosäuren, deren Salze und deren Derivate.

Zu verkapselnde antigene Substanzen sind bevorzugt Organe, Gewebe, Zellen oder Zellinhaltstoffe von tierischen oder pflanzlichen Organismen in behandelter oder unbehandelter Form, deren humane Equivalente durch eine Autoimmunreaktion geschädigt oder zerstört werden können, besonders bevorzugt sogenannte minderwertige Nahrung, wie z. B. Gehirn, Pankreas, Knorpelmasse und/oder Innereien.

In einer bevorzugten Ausführungsvariante der Erfindung werden in Alginat verkapselter Schweine-Pankreas oder verkapselte Schweine-Pankreasinseln zur Prophylaxe und/oder Behandlung von insulinabhängiger Diabetes (IDDM) verwendet, ggf. ist dem Alginat Stärke beigemischt.

Dabei werden zur Anwendung die Kapseln zur Erhaltung des Zustandes der Immuntoleranz zu einer beliebigen Substanz, vorzugsweise zu einem Lebensmittel zugegeben, vorzugsweise zu Fleisch-, Milch-, Getreide-, Feinkost- und/oder Saftprodukten, während oder nach Herstellung, ohne die sensorischen Eigenschaften des Endproduktes nachhaltig zu beeinflussen.

Die Erfindung betrifft auch geschmacksneutrale Kapseln, umfassend ein an sich übliches Hüllmaterial, in dem eine oder mehrere antigene Substanzen, vorzugsweise in Form von Mischproteinen, verkapselt sind, zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen, vorzugsweise von IDDM, Multipler Sklerose und/oder Rheumatoider Arthritis, wobei die antigenen Substanzen essentielle Mischproteine aller natürlich vorkommender Antigene bzw. ein Teil davon sind, wie sie in sogenannter minderwertiger Nahrung vorkommen, und die Kapseln vorzugsweise eine Größe von 0,2 µm bis 500 µm, bei Mikrokapseln vorzugsweise 0,5 µm bis 20 µm aufweisen.

Ausführungsbeispiel

Am Beispiel des insulinabhängigen Diabetes (IDDM) wurde tierexperimentell die erfindungsgemäße Strategie überprüft.

Durch Untersuchungen an BB-Ratten und NOD-Mäuse, Tieren die einen IDDM entwickeln, wurde die Wirksamkeit des "designer foods" nachgewiesen. Der entscheidende Vorteil des erfindungsgemäßen Vorgehens liegt im Einsatz aller natürlich vorkommenden Antigene (Applikation als angereichertes Mischantigene), da einerseits der Nachweis von Autoantikörpern (und damit einer partiellen Intoleranz) gegen < 15 Proteine bei IDDM die Bedeutung eines einzelnen Proteins deutlich relativierte, so daß die singuläre Proteinapplikation die präventive Effizienz deutlich limitiert.

Bei einer Inzidenz von 0,03% erkranken in den USA, der EU und in Japan 250.000 Kinder und Jugendliche jährlich an IDDM. Ausgehend von der begründeten Annahme, daß ca. 5-7 Jahre vor der Manifestation Hinweise für eine beginnende Autoimmunerkrankung diagnostiziert werden können, dürfte die Zielgruppe 1,5 Mill. Probanden betragen, die sich jährlich um 250.000 "Prädiabetiker" erweitert.

Claims (13)

1. Verwendung von geschmacksneutralen Kapseln, in denen eine oder mehrere antigene Substanzen eingeschlossen sind zur Aufrechterhaltung des Zustandes einer Immuntoleranz in Säugetier-Organismen, zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Autoimmunkrankheiten.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Hüllmaterial der Kapseln an sich übliche Polysaccharide, Polyester und Polyamide alleine oder in Kombinationen verwendet werden.

3. Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Hüllmaterial im Verdauungstrakt an sich unverdauliche Oligo- und/oder Polysaccharide, vorzugsweise Alginsäure, Polymere der Alginsäure, Alginate, Pectine und/oder Xanthane ggf. zusammen mit einem physiologisch tolerierbaren Metallsalz, wie z. B. einem Calciumsalz, verwendet werden, die zusätzlich verdauliche Bestandteile in der Kapselwand mit einem Verhältnisanteil von 30% bis zu 80% enthalten, vorzugsweise Mono-, Oligo- und/oder Polysaccharide, (poly)Hydroxycarbon­ säuren, Fettsäuren sowie deren Salze und Derivate sowie Aminosäuren, deren Salze und deren Derivate.

4. Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß als zu verkapselnde antigene Substanzen Organe, Gewebe, Zellen oder Zellinhaltstoffe von tierischen oder pflanzlichen Organismen in behandelter oder unbehandelter Form verwendet werden, deren humane Equivalente durch eine Autoimmunreaktion geschädigt oder zerstört werden können.

5. Verwendung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß Gehirn, Pankreas, Knorpelmasse und/oder Innereien verwendet werden.

6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß in Alginat verkapselter Schweine-Pankreas oder verkapselte Schweine-Pankreasinseln zur Prophylaxe und/oder Behandlung von insulinabhängiger Diabetes (IDDM) verwendet werden.

7. Verwendung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß dem Alginat Stärke beigemischt ist.

8. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Kapseln zur Erhaltung des Zustandes der Immuntoleranz zu jeder Substanz, vorzugsweise zu einem Lebensmittel, vorzugsweise zu Fleisch-, Milch-, Getreide-, Feinkost- und/oder Saftprodukten, während oder nach Herstellung zugesetzt werden, ohne die sensorischen Eigenschaften des Endproduktes nachhaltig zu beeinflussen.

9. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Kapseln zur Prophylaxe und/oder Behandlung von insulinabhängiger Diabetes (IDDM), Multipler Sklerose und/oder Rheumatoider Arthritis verwendet werden. Geschmacksneutrale Kapseln, umfassend ein an sich übliches Hüllmaterial, in dem eine oder mehrere antigene Substanzen, vorzugsweise in Form von Mischproteinen, verkapselt sind, zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Autoimmunerkrankungen, vorzugsweise von insulinabhängiger Diabetes (IDDM), Multipler Sklerose und/oder Rheumatoider Arthritis.

10. Geschmacksneutrale Kapseln nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß die antigenen Substanzen essentielle Mischproteine aller natürlich vorkommender Antigene bzw. ein Teil davon sind, wie sie in sogenannter minderwertiger Nahrung vorkommen.

11. Geschmacksneutrale Kapseln nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß die antigenen Substanzen aus Gehirn, Pankreas, Knorpelmasse und/oder Innereien stammen.

12. Geschmacksneutrale Kapseln nach Anspruch 9 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Größe von 0,2 µm bis 500 µm aufweisen.

13. Geschmacksneutrale Kapseln nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Mikrokapseln eine Größe von 0,5 µm bis 20 µm aufweisen.