Einführung
Viele
Fragestellungen der modernen biomedizinischen Forschung und Technologie
erfordern das Einbringen von Substanzen wie Nucleinsäuren, Proteinen,
Pharmaka oder biosynthetische Vorstufen von relevanten Molekülen in lebende
Zellen. Die Problematik und ihre bisher bekannten Lösungen werden
in dem Patent "Methode
zur Separation von Zellen, die durch ballistischen Transfer modifiziert
wurden" (
DE 44 16 784 ,
EP 686 697 ) ausführlich erläutert. Wie darin erklärt, stellt
für viele
Problemstellungen die Methode des ballistischen Transfers die einzige
praktikable Lösung
dar. Prinzip des ballistischen Transfers ist, die einzubringende
Substanz direkt in die Zellen zu "schiessen", indem sie in Richtung der Zielzellen
stark beschleunigt wird, so dass sie die Plasmamembran der Zielzellen
durchtritt und in die Zellen gelangt. Abhängig von Grösse und Geometrie der Zellen
und dem relativen Volumenanteil des Zellkerns gelangt ein Teil der
transportierten Substanz auch in den Zellkern. In den bekannten
technischen Verwirklichungen dieses Prinzips wird die einzubringende
Substanz meist an ein massereiches Mikroprojektil adsorbiert, das
seinerseits beschleunigt wird, um auf diese Weise die kinetische
Energie des Teilchens zu erhöhen
und den Eintritt in die Zelle zu erleichtern. Das Mikroprojektil
hat dabei eine Grösse, die
gering ist im Vergleich zur Zielzelle, da diese ja den Vorgang möglichst
unbeschadet überleben
soll.
Ein
wesentlicher Vorteil des ballistischen Transfers gegenüber den
alternativen Transfektionsmethoden ist, dass die Methode relativ
leicht zwischen verschiedenen Zell- oder Gewebetypen übertragbar
ist. Die heute vielfach angewendeten Methoden zur Transfektion von
eukaryoten Zellen, wie Elektroporation oder Lipofektion, haben zudem
den entscheidenden Nachteil, dass die Behandlung die zu transportierende
Substanz nur über
die Plasmamembran bringt, die erste Barriere, die die Zelle von ihrer
Umwelt abgrenzt. Es ist aber für
die meisten in die regulatorischen Funktionen der Zelle eingreifenden
Substanzen notwendig, aus dem Zytoplasma über die nucleäre Membran
in den Zellkern zu gelangen. Diese Membran ist biophysikalisch grundsätzlich verschieden
von der Plasmamembran, und Methoden wie Elektroporation oder Lipofektion überwinden
diese Barriere nicht. Der Grund, warum die genannten Methoden dennoch
bei einem Teil der Zellen z.B. zur Expression in die Zelle eingebrachter
rekombinierter Nucleinsäurekonstrukte
führt,
ist die Tatsache, dass beim Vorgang der Zellteilung die nucleäre Membran
offenbar durchlässig
wird. Dies hat als Konsequenz, dass mit Methoden wie Elektroporation oder
Lipofektion nur Zellen transfiziert werden können, die sich teilen. Für viele
sich langsam oder gar nicht teilende Zellarten, die im Rahmen möglicher gentherapeutischer
Behandlungen interessant sind, wie Stammzellen des Immunsystems
oder der Hämatopoiese,
Muskelzellen, Zellen exokriner oder endokriner sekretorischer Organe,
oder Neuronen oder ihre Begleitzellen kommen deshalb diese Methoden nicht
in Frage. Die ebenfalls verbreitete, und in der Transfektionseffizienz
sehr erfolgreiche, Methode des retroviralen Transports von Erbmaterial
hat den grossen Nachteil, die transfizierten Zellen einer möglichen
immunologischen Reaktion des Wirtsorganismus auszusetzen, was sie
für gentherapeutische
Ansätze
nur sehr begrenzt in Frage kommen lassen dürfte.
Angesichts
dieser Tatsache ist es überraschend,
dass die Methode des ballistischen Transfers noch relativ wenig
Verbreitung gefunden hat.
Insbesondere
auf dem Gebiet der Gentherapie, wo die Behandlung grosser Zellmengen
in Routineabläufen
mit standardisierbaren Protokollen zu erfolgen hat, wäre mit der
Methode des ballistischen Transfers eine grosse Zahl heute noch
vorhandener Schwierigkeiten hinsichtlich der Art, Menge und Reinheit
transfizierter Zellen überwindbar.
Möglicherweise
ist die relativ seltene Anwendung des ballistischen Transfers der
apparativen Verwirklichung des Prinzips geschuldet, die für medizinische
Routineanwendungen immer noch unzureichend ist. Die einzige bisher
kommerziell erhältliche
Verkörperung
der Idee des ballistischen Transfers lässt nur den Beschuss von Zellmengen
bis zu ca. 106 Zellen zu, was für
die meisten gentherapeutischen Ansätze zu wenig ist. Die Apparatur
ist nicht für
ein kontinuierliches Arbeiten geeignet, die Vorbereitung der Apparatur
erfordert immer wieder eine Unterbrechung der Zellkulturarbeit,
und der ganze Aufbau ist nur in Teilen autoklavierbar, was die Verwendung
derselben Apparatur für
verschiedene Chargen von Zellen, die verschiedenen Patienten innerhalb
einer gentherapeutischen Behandlung zurückgegeben werden sollen, unmöglich macht.
Verbesserungen, die eng an die existierende Apparatur angelehnt
sind, wie die Vergrösserung
der beschiessbaren Fläche
durch Verteilung des Gasstosses auf mehrere Schiessmodule (Wittig et
al.
DE 19510696 ;
EP 732395 ), mögen zwar
eine gewisse Erleichterung der Situation bewirken, ändern aber
nichts an den negativen Merkmalen der Gesamtkonzeption.
Bekannt
ist eine Apparatur, die sich die direkte Beschleunigung von Teilchen
im Druckluftstrom zur Transfektion von Zellen zunutze macht (McCabe, WO
95 19799). Hier allerdings werden die Mikroprojektile in einer pistolenartigen
Anordnung entlang eines Laufes 1,5 × 106 pa
bis über
5 × 106 pa, die strömenden Volumina weit oberhalb
dem Betriebsdruck der hier beschriebenen Erfindung. Das Prinzip
der zitierten Erfindung beruht auf dem Mitreißen der Partikel im Volumenstrom,
nicht, wie bei der vorliegenden Erfindung, auf der Übertragung
eines Stoßimpulses bei
minimalem Volumenstrom. Zwangsläufig
ist bei der zitierten Erfindung die Verteilung der Mikrocarrier beim
Auftreffen auf die Zielzellen nicht so uniform und dicht, wie für das Ziel
einer reproduzierbaren, hohen Transfektionsrate bei einer großen Anzahl
beschossener Zellen erforderlich. Gleichzeitig setzt der Schussvorgang
die Zielzellen einem beträchtlichen Gasdruck
aus, was bei Anwendung der Apparatur auf Zellen in vitro, besonders
bei nicht-adhärenten
Zellen wie Lymphozyten, die Zellen aufwirbeln oder zerstören kann.
Die Erfindung von McCabe wurde hauptsächlich für die genetische Vaccinierung
von Säugern
im Feldeinsatz konzipiert, wo die genannten Merkmale nicht negativ
in Erscheinung treten sollten; für
massenhafte Transfektion von Zellkulturzellen allerdings ist die
Apparatur kaum geeignet. Grundsätzlich
ist das jetzt verfügbare
Gerät nicht
auf die Verarbeitung von um Größenordnungen
größeren Zellmengen
eingerichtet.
Aus
der
DE 691 03 631
T2 ist weiterhin eine Vorrichtung bekannt, bei der die
Mikroprojektile auf der dem Ziel des Transfers zugewandten Oberfläche eines
elastischen, gegebenenfalls oberhalb eines bestimmten Drucks spontan
zerreißenden
Substrats, vorzugsweise einer Membran, haften. Der Transfer der
Mikroprojektile zum jeweiligen Ziel (Target) mit den zu behandelnden
Zellkulturen erfolgt durch einen, mittels eines Gasrohrs erzeugten,
zentral auf das Substrat gerichteten Gasstoßes. In Folge des Gasstoßes dehnt
sich das elastische Substrat im Auftreffpunkt des Gasstoßes und
in den Bereichen, welche den Auftreffpunkt umgeben aus. Hierdurch
oder durch ein spontanes Zerreißen
der Membran werden die Mikroprojektile quasi katapultartig von der
Substratoberfläche
hin zum Ziel beschleunigt. Allerdings dürfte sich dabei ein nur wenig
gleichförmiges
Trefferbild auf dem Target ergeben. Zumindest sollte dieses im Hinblick
darauf, dass sich das Substrat im Auftreffpunkt des Gasstoßes stärker ausdehnt
als in den davon weiter entfernten Bereichen, insbesondere den Randbereichen,
in denen das Substrat gehalten wird, oder aber bei einer spontan
zerreißenden
Membran schwer zu steuern sein.
Erfindungsgemäße technische
Lösung
Der
hier beschriebenen Erfindung liegt ein Beschleunigungsprinzip für die Mikroprojektile
zugrunde, das von dem bekannten Prinzip des „Mikroprojektil auf Makroprojektil" abweicht. Die Mikroprojektile
werden vielmehr direkt durch einen von einem Gasstoß übertragenen
Impuls direkt beschleunigt. Das dabei strömende Gasvolumen ist sehr klein.
Die Mikroprojektile haben erfindungsgemäß von ihrer Ruheposition bis
zum Auftreffen auf die Zielzellen eine im Vergleich zu den bekannten
Methoden viel geringere Distanz zu überwinden, was den Verlust
an kinetischer Energie der Mikroprojektile durch Reibung während des
Fluges minimiert. Die kinetische Energie der Mikroprojektile ist
zudem eine Funktion des direkt auf sie übertragenen Impulses des Gasstoßes, nicht,
wie bei der „Mikroprojektil
auf Makroprojektil"-Anordnung, eine Funktion
der Geschwindigkeit des Makroprojektils. Dies führt dazu, dass theoretisch
die Masse der Mikroprojektile eine geringere Rolle für die kinetische
Energie der Teilchen beim Auftreffen auf die Zellen spielen sollte.
Dies könnte die
Verwendung von anderen Mikroprojektilmaterialen ermöglichen,
als die sehr dichten Schwermetalle, die bisher verwendet werden.
Die Mikroprojektile, treffen zudem unter Anwendung der erfindungsgemäßen Lösung, anders
als dies bei der Lösung
nach der
DE 691 03
631 T2 der Fall sein dürfte,
ziemlich gleich verteilt auf den zu behandelnden Zellkulturen auf.
Erfindungsgemäß wird die
apparative Anordnung von einer Scheibe 1, einem Gasdruckgefäß 2, Ableitungen 3 davon,
und einem oder mehreren Ventilen 4 zur Regulierung des
Gasdruckes, insbesondere zum stoßweisen Entlassen von Gasdruck über einen
sehr kurzen Zeitraum gebildet. In die Scheibe sind Bohrungen 5 orthogonal
zur Scheibenoberfläche
angebracht. Die Scheibe wird so innerhalb der Apparatur angeordnet,
das unter ihr ein Gefäß 6 in die
Apparatur eingebracht werden kann, das die zu transfizierenden Zellen 7 beinhaltet.
Auf der dem Zellgefäß abgewandten
Seiten der Scheibe werden mehrere Ableitungen des Gasdruckgefäßes in großer räumlicher
Nähe zur
Scheibe so angeordnet, dass alle Bohrungen der Scheibe einen vergleichbar starken
Impuls durch einen aus den Ableitungen kommenden Gasstoß erfahren.
Der Gasstoß wird durch
ein oder mehrere, in den Ableitungen angeordnete Ventile kontrolliert.
Zur Verwendung der Apparatur werden die Mikroprojektile, an deren
Oberfläche die
zu transportierende Substanz adsorbiert ist, in Bohrungen besagter
Scheibe gebracht, so dass die Mikroprojektile die Bohrungen verschließen. Da
die Mikroprojektile einen um Größenordnungen
geringeren Durchmesser haben als die Bohrungen, werden die Bohrungen
jeweils von einer Vielzahl von Mikroprojektilen verschlossen. Durch
einen kurzen Gasstoß wird
ein Impuls auf die Mikroprojektile übertragen, der die Mikroprojektile
in Richtung der Zielzellen beschleunigt. Beim Eindringen der Mikroprojektile
in die Zellen wird die auf die Mikroprojektile adsorbierte Substanz
desorbiert.
Das
Beschleunigungsprinzip beruht auf der Übertragung eines Stoßimpulses
direkt auf die Mikropartikel. Darin unterscheidet sich die Erfindung grundsätzlich von
den bekannten Beschleunigungsprinzipien auf dem Gebiet des ballistischen
Transfers, die entweder auf einer Beschleunigung eines Makroprojektils
durch Gasstoß oder
einer Beschleunigung der Mikroprojektile durch Mitreißen im Volumenstrom
(WO 95 19799) beruhen.
Ein
grundlegender Vorteil der hier beschriebenen Apparatur ist die Möglichkeit,
sie beliebig der Menge an zu transfizierenden Zellen anpassen zu können. Geht
man davon aus, dass die zu transfizierenden Zellen in Zellkultur
vorliegen, so ist die Zahl der in einem Arbeitsgang transfizierbaren
Zellen direkt proportional der Fläche, die in einem Arbeitsgang
beschossen werden kann. Die Fläche
der Scheibe 1 ist der korrespondierende Parameter in der
vorliegenden Apparatur. Diese ist im Rahmen der Druckbelastbarkeit
der Scheibe frei wählbar.
Die
Scheibe wird aus einem stabilen Material, vorzugsweise Aluminiumoxidkeramik,
Zirkonoxidkeramik oder Metall hergestellt. Die Stärke der
Scheibe hängt
ab von ihrem Durchmesser und ihrer Geometrie und liegt zwischen
1 und 20 mm. In die Scheibe werden Bohrungen von geringem Durchmesser eingebracht.
Der Durchmesser der Bohrungen ist in einem Bereich von 1 mm bis
unter 100 μm
wählbar, als
vorteilhaft hat sich bei den von uns verwendeten Materialien für Scheibe
und Mikropartikel ein Durchmesser von 100 μm erwiesen. Zahl und Verteilung der
Bohrungen beeinflussen im Zusammenspiel mit der Füllmenge
an Mikropartikeln, die in die Bohrungen eingebracht werden, die
Verteilung der Mikropartikel auf der Zielfläche. Die Bohrungen sind orthogonal
zur Scheibenoberfläche
angebracht und weisen auf die zu transfizierenden Zellen. Der Abstand
der Scheibe zu den Zellen sollte variierbar sein und in der Grössenordnung
von unter einem bis wenige Zentimeter liegen.
Auf
der dem Zellgefäss
abgewandten Seite der Scheibe werden ein oder mehrere Zuleitungen
für einen
Gasstoss in grosser räumlicher
Nähe so
angeordnet, dass alle Bohrungen der Scheibe einen vergleichbaren
Impuls durch einen aus den Zuleitungen kommenden Gasstoss erfahren.
Der Gasstoss wird hervorgerufen durch Expansion eines Gases aus
einem unter Druck stehenden Gasgefäss, das während eines kontrollierten
Zeitraumes mit den Zuleitungen für
den Gasstoss verbunden wird, entweder a) durch ein elektromagnetisch
operiertes Ventil, oder b) durch laterales Verschieben einer zwischen dem
Druckraum und den Zuleitungen befindlichen Scheibe, in die Öffnungen
eingebracht sind, die für eine
durch Öffnungsquerschnitt
und Verschiebungsgeschwindigkeit bestimmte Zeit den Druckraum mit den
Zuleitungen verbinden. Die Dauer des Gasstosses wird von der Öffnungszeit
des Wegeventils bestimmt, das die Zuleitungen mit dem Gasdruckgefäss verbindet,
und liegt im Millisekundenbereich. Der Druck liegt im Bereich zwischen
1,5·105 pa und 2·106 pa,
vorzugsweise zwischen 6,5·105 pa und 1·106 pa. Das
verwendete Gas ist Druckluft, N2, Helium,
Argon oder ein anderes geeignetes Inertgas. Der Abstand der Scheibe
von den Zuleitungen beträgt
je nach Dimensionierung der Scheibe von 40 bis 0,5 mm.
Die
Verwendung von Keramik, vorzugsweise Aluminiumoxidkeramik oder Zirkoniumoxidkeramik, für die Herstellung
der Scheibe 1 hat sich als vorteilhaft erwiesen. Zum einen
wird dadurch eine sehr hohe Materialbeständigkeit auch in den Mikrostrukturen
der Bohrungen gegenüber
den beim Betrieb, der Reinigung und der Sterilisation auftretenden
mechanischen und chemischen Einflüssen gewährleistet. Zum anderen lässt sich
durch geeignete Behandlung eine extrem glatte Oberfläche der
Scheibe herstellen, was bei der Verteilung der Mikropartikel in
die Bohrungen von grossem Vorteil ist.