Die Erfindung bezieht sich auf ein biologisches Verfahren mit niedrigem
Energieaufwand zum Behandeln, Verwerten und/oder Beseitigen von
tierischen Abfällen mittels Fraßtätigkeit durch Insekten der taxonomischen
Ordnungen Diptera und/oder Coleoptera in einem geschlossenen
Reaktor unter kontrollierten Bedingungen.
Es ist bekannt, daß zur Behandlung, Verwertung und/oder Beseitigung von
tierischen Abfällen physikalische Verfahren angewandt werden.
Bekannte physikalische Verfahren sind a.) die Verbrennung, b.) das
Druckverkochen (z. B. bei 133°C, 3 bar und einer Dauer von 20 min) mit
anschließender Verwertung zu minderwertigen Fleischwaren/Industrie
rohstoffen und c.) die Gefriertrocknung mit anschließender
Verbrennung. Verbrennungsverfahren verfolgen die Ziele Dekontamination
der Krankheitskeime und Oxidation der organischen
Kohlenstoffverbindungen (Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate = CHO). Die
Druckverkochung verfolgt neben der Dekontamination das Ziel der
Verwertung der organischen Kohlenstoffverbindungen zu minderwertigen
Fleischwaren/Industrierohstoffen. Die Verbrennung von tierischen Abfällen
in geschlossenen Anlagen ist u. a. aus den Niederlanden und der Schweiz
bekannt. Die Druckverkochung ist das gängige deutsche Verfahren.
Variationen der Druckverkochung sind u. a. das in der Schrift DE 39 33 479 A1
beschriebene Verfahren oder das Stord-Verfahren ("Continuous
Sterilizer", Stord International a.s., Norwegen). Die Gefriertrocknung wird in
den Schriften DE 38 42 341 A1 und DE 24 51 038 C2 beschrieben.
Physikalische Verfahren können aus immanenten Gründen nur mit hohem
Energieaufwand betrieben werden. Weiter sind zur Behandlung,
Verwertung und/oder Beseitigung von tierischen Abfällen
mikrobiologische Verfahren bekannt. Mikrobiologische Verfahren, wie in
der Schrift DE 30 18 018 A1 beschrieben, arbeiten unter anaeroben
Bedingungen, z. B. in Faultanks (Biogasanlagen). Bei diesen Verfahren
besteht durch die Gewinnung von Methan im Prinzip die Möglichkeit, eine
positivere Energiebilanz als bei physikalischen Verfahren darstellen zu
können. Durch eine hierbei in der Praxis (Biogasanlagen zur Verwertung
von Speiseabfällen) vorgeschaltete Erhitzung wird der positive
Energieeffekt größtenteils eingebüßt. Biochemische Verfahren, d. h.
enzymatisch arbeitende Verfahren, werden wie in der Schrift DE 30 18 018 A1
beschrieben mit mikrobiologischen Verfahren kombiniert. Rein
biochemische Verfahren sind praktisch nicht vorstellbar, da sich in
wäßrigen Phasen in kürzester Zeit eine Mikroorganismenflora entwickelt.
Chemische Verfahren sind bekannt, werden in der Praxis aber nicht
angewandt, da anstelle des Energieproblems ein Entsorgungsproblem tritt,
so z. B. bei Verfahren unter Einwirkung von Säuren und Laugen.
Der Erfindung liegt das Problem zugrunde, ein Verfahren zur Behandlung,
Verwertung und/oder Beseitigung von tierischen Abfällen anzugeben,
das mit niedrigem Energieaufwand betrieben werden kann.
Dieses Problem wird durch das in den Ansprüchen 1, 2 und 3 aufgeführte
Verfahren gelöst.
Im Prinzip arbeitet das Verfahren, nachdem die tierischen Abfälle mit den
Insekten bzw. deren Entwicklungsstadien einmalig in Kontakt gebracht
wurden, unter kontinuierlicher Zugabe von Abfällen eigenständig fort.
Entwicklungsstadien sind neben dem adulten Tier (Imago) das Ei, die
Larve und die Puppe. Beimpft wird mit einer genügend großen
Individuenzahl, die den raschen Aufbau einer hohen Populationsdichte
erlaubt. Die Larven - bei bestimmten Spezies auch die Imago - sind
fleischfressend und ernähren sich vom tierischen Abfall. Nach
beginnendem exponentiellem Populationswachstum stabilisiert sich die
Populationsdichte entsprechend der angebotenen Nahrungsmenge auf
einem hohen Niveau. Vorteilhafterweise werden bestimmte Spezies aus
der taxonomischen Familie der Calliphoridae (Diptera) eingesetzt, da diese
aufgrund ihrer larvalen Ernährungsweise, ihrer r-strategischen
Reproduktionsfähigkeit sowie ihrer euryöken Anpassungsfähigkeit
besonders geeignet sind. Die Behandlung, Verwertung und/oder
Beseitigung der Abfälle erfolgt vorzugsweise in einem geschlossenen
Reaktor um die Diffusion von Krankheitskeimen und der Insektenpopulation
selbst zu verhindern. Das Entweichen von Insektenindividuen wird durch
Schleusen, Kontaktsperren, Partikelfilter und andere Einrichtungen
verhindert. Die Temperatur-, Luftfeuchtigkeit-, Licht- und/oder sonstigen
Bedingungen im Reaktor werden den Bedürfnissen der eingesetzten
Spezies angepaßt und kontrolliert, um schnelle Generationsfolgen, hohe
Reproduktionsraten und die Vermeidung von Diapause-Induktionen
sicherzustellen. Tierische Abfälle sind (Seuchen-) Tierkörper, (Seuchen-)
Tierkörperteile, Schlachtabfälle sowie verdorbene fleischliche Ware. Das
Verfahren eignet sich zur Behandlung, Verwertung/Beseitigung tierischen
Materials folgender Tiergruppen: Säugetiere, Vögel, Fische. Der mit der
Erfindung erzielte Vorteil besteht insbesondere darin, tierische Abfälle mit
niedrigem Energieaufwand dadurch behandeln, verwerten und/oder
beseitigen zu können, daß die organischen Kohlenstoffverbindungen
(CHO) biologisch, d. h. auf enzymkatalysiertem Weg abgebaut werden und
die wesentlichen - aus den biologischen Abbauprozessen entstehenden -
Stoffe CO₂ und H₂O (im Reaktor größtenteils als Luftfeuchtigkeit
vorliegend) über eine UV- Bestrahlung dekontaminiert und über
Biowäscher/Biofilter als Abluft abgeführt werden. Nur die verbleibenden
Teilströme a.) Knochenfragmente und b.) Tierkörperflüssigkeiten und
Kondensate werden thermischen Nachbehandlungen unterzogen.
Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung ist in der Zeichnung (Fig. 1) dargestellt
und wird im folgenden näher beschrieben: Imagines von Calliphora vicina
ROBINEAU-DESVOIDY (Diptera, Calliphoridae, Fleisch- und Schmeißfliegen)
suchen zur Eiablage frische bis stark verweste Tierleichen auf. Das
Weibchen legt 540-720 Eier direkt auf den Tierkörper. Bei einer
Umgebungstemperatur von 25-35°C schlüpft nach ca. 11 Stunden das
erste von insgesamt 3 Larvenstadien. Alle Larven ernähren sich mit
Unterbrechung der Häutungsphasen vom Fleisch des Kadavers. Die
Larvalentwicklung ist mit der Verpuppung nach 3-4 Tagen bei der o.g.
Temperatur abgeschlossen. Aus den Puppen schlüpfen die Imagines. In
Natura stellt die Puppe von C. vicina das Überwinterungsstadium dar. Unter
günstigen Umweltbedingungen werden die Kadaver durch die ca. 1 cm
großen Larven bis auf die Knochenanteile restlos skelettiert. Die
Imagines sind Blütenbesucher und ernähren sich von flüssiger oder
verflüssigter Nahrung wie Nektar, Pollen, Honigtau oder gärenden
Früchten, welche sie mit Hilfe ihres Rüssels (Labellum) aufsaugen.
Zum Zwecke einer anlagentechnischen Nutzung von C. vicina wird ein
geschlossener und wärmeisolierter Reaktor (A) vorzugsweise mit Imagines
beimpft. Optimale Umweltbedingungen (25-35°C, hohe relative
Luftfeuchtigkeit, Nahrungsüberangebot) garantieren in der Anfangsphase
ein exponentielles Populationswachstum, welches sich entsprechend der
angebotenen Nahrungsmenge auf einer hohen Populationsdichte
stabilisiert. Den Imagines wird eine verdünnte Zuckerlösung - ggf. mit
Zusätzen von essentiellen Nahrungsbestandteilen und Blütenduftstoffen -
auf Leckflächen geboten. Die tierischen Abfälle werden vor der
Eingabe in den Reaktor zur Vergrößerung der relativen Oberfläche auf ca.
5-20 cm Durchmesser z. B. mittels eines Shredders (B) zerkleinert. Das
Entweichen von Insektenindividuen wird durch Schleusen, Kontaktsperren,
Partikelfilter und andere Einrichtungen verhindert. Der Abfall wird im
Reaktorraum auf einer langsamlaufenden (Schnecken-) Fördereinrichtung
bewegt und den Insekten zur Eiablage angeboten. Alle 3 Larvenstadien
entwickeln sich auf und am Abfall. Skelettierte Knochenfragmente werden
auf einem Rüttelsieb - direkt über dem frischen Input-Material - von
anhaftenden Larven und Puppen befreit und anschließend aus dem
Reaktor befördert. Die Puppen durchwandern den Anlagenzyklus im
Reaktor bis zur Entwicklung der Imago. Fellfragmente gehen im Reaktor in
Fäulnis über. Die Knochenfragmente werden im weiteren mittels einer
Mühle (C) zerkleinert und einer thermischen Nachbehandlung (D)
unterzogen. Als thermische Nachbehandlung kann z. B. eine Verbrennung
zum Einsatz kommen. Bei Einsatz einer nachgeschalteten Verbrennung
kann das Endprodukt als anorganischer Dünger (E) verwertet werden.
Tierkörperflüssigkeiten und Kondensate werden im Reaktorraum
aufgefangen, einer biologischen Klärung (F) und ebenso einer
nachgeschalteten thermischen Nachbehandlung (G) zugeführt. Das
geklärte sowie thermisch nachbehandelte Wasser wird ins öffentliche
Sielnetz (H₁) eingeleitet. Rückstand der Fliegenpopulation sind die
imaginalen Exoskelette aus Chitin. Die inneren Organe der Imagines
werden nach deren Absterben innerhalb kürzester Zeit durch
Mikroorganismen abgebaut. Chitinhüllen gelangen mit den
Tierkörperflüssigkeiten und Kondensaten in die biologische Klärung und
werden dort ggf. unter Zugabe von Chitinasen in ihre Grundbausteine
zerlegt. Die CO₂-haltige Abluft (I₁) des Reaktors wird mittels Biowäschern,
-filtern (J) von olfaktorischen Belastungen befreit. Vom Biowäscher, -filter
gelangt die Abluft (I₂) in die Atmosphäre. Die Dekontamination des
Abluftstromes kann z. B. über eine UV-Bestrahlung (K) erfolgen. Das durch
Respiration im Reaktor entstehende und als hohe relative Luftfeuchtigkeit
auftretende Wasser wird größtenteils mit der Abluft über den Biowäscher
abgeführt und ins öffentliche Sielnetz (H₂) eingeleitet. Die durch die
Stoffwechselaktivität der Larven und Mikroorganismen entstehende
Respirationswärme reicht zur Erwärmung des Reaktors weitgehend aus. Die
Abluft wird ggf. mit der Zuluft (L) wärmegetauscht (Wärmetauscher = M).
Zur Aufrechterhaltung der Reaktortemperatur während der winterlichen
Kaltperiode ist eine Wasserzentralheizung vorgesehen, die aus den
thermischen Nachbehandlungen (D und G) gespeist werden kann. Die
Reaktortemperatur wird über den Regelkreis "Abluft-Zuluft-
Wärmetauscher-Wasserzentralheizung" elektronisch gesteuert. Durch
Außenfenster - aus Überhitzungsgründen vorzugsweise auf der
Nordseite des Reaktors - wird den Insekten in den Sommermonaten die
natürliche Photoperiodik geboten. Die in den Wintermonaten verkürzte
Photoperiode wird durch künstliche Beleuchtung ergänzt, um eine
Diapause-Induktion zu verhindern.