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Verfahren zum Herstellen lunkerfreier Formteile großer Dimensionen
aus thermoplastischen Kunststoffen In der kunststoffverarbeitenden Industrie erlangen
Formteile, z. B. Blöcke aus thermoplastischem Kunststoff, die durch spanabhebende
Verformung weiterverarbeitet werden können, zunehmende Bedeutung. Bisher lassen
sich solche Formteile größerer Dimensionen, z. B. Blöcke, nur über beheizbare Formpressen
oder im sogenannten Wickelverfahren über eine mit Breitschlitzdüse versehene Schneckenpresse
und anschließendes Zusammenpressen der extrudierten Platten herstellen. Beide Verfahren
sind aufwendig und daher nicht wirtschaftlich.
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Nach dem neueren Fließgußverfahren können lediglich Teile mit begrenzter
Wandstärke bis zu etwa 150 mm gefertigt werden. Dabei muß man aber in Abhängigkeit
von der Wandstärke lange Kühlzeiten des Blockes in der Form sowie gegebenenfalls
längere Temperzeiten in Kauf nehmen. Außerdem treten im Laufe dieser Arbeitsgänge,
bedingt durch den hohenausdehnungskoeffizienten der thermoplastischen Kunststoffe,
Schrumpfungserscheinungen beim Abkühlen auf, die sich in Form kleinerer und größerer
Lunkern äußern.
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Die bisherigen Schwierigkeiten, lunkerfreie Formteile aus thermoplastischen
Kunststoffen zu fertigen, sind dabei hauptsächlich durch deren schlechtere Wärmeleitzahl,
die z. B. bei dem Polyäthylen VESTO-LEN A 15 (Handelsprodukt der'Chemische Werke
Hüls AG) A = 0, 37 (kcal/m h ° C) gegenüber Metallen, z. B. nichtrostendem Stahl,
R = 20 (kcal/m h-°C) beträgt, und durch den linearen Ausdehnungskoeffizienten, der
z. B. bei Polyäthylen 1 bis 20#10-6 gegenüber Stahl 11 bis 12-10-6 beträgt, bedingt.
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Schließlich ist es aus der deutschen Patentschrift 883 062 bekannt,
beim Herstellen lunkerfreier Formteile großer Abmessungen aus thermoplastischen
Kunststoffen die Abkühlung in der Weise vorzunehmen, daß das Material in und nahe
an der Füll-Öffnung bis zuletzt ilüssig bleibt, so daß die Zuführung von Material
unter Druck zum Ausgleich des Erstarrungsschrumpfes möglich, bleibt.
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Bei diesem Verfahren muß das Formteil bis zur endgültigen Abkühlung
in der Form verbleiben. Dabei sind Druck und Temperatur an der FiWZ5ffnung aufrechtzuerhalten,
um eine Lunkerbildung zu vermeiden.
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Es wurde gefunden, daß man lunkerfreie Formteile großer Dimensionen
aus thermoplastischen Kunststoffen in einfacher und wirtschaftlicher Weise herstellen
kann, wobei aus dem plastifizierten Kunststoff ein Formteil gebildet und durch Nachfließenlassen
von Kunststoff Lunkerstellen vermieden werden, wenn der plastifizierte Kunststoff
nach Formgebung gekühlt, vor dem völligen Abkühlen auf Normal-bzw. Raum-
temperatur
aus der Form genommen und das so erhaltene, noch nicht endgültig erstarrte Formteil
auf seiner Oberfläche örtlich so weit aufgeheizt wird, bis ein Teil des K, unststoffes
wieder fließfähig wird.
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Als thermoplastische Kunststoffe kommen z. B.
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Polyolefine, Polystyrol und Polystyrolmischpolymerisate, Polyamide
und Polyvinylchlorid in Frage. Unter plastifizierender Verarbeitung soll die Formgebung
durch Walzen, Gießen, z. B. im Intrusions-und Rotationsverfahren,. Spritzen, Extrudieren
verstanden werden ; mit anderen Worten also die für Thermoplasten gebräuchlichen
Verarbeitungsmaßnahmen in der Wärme. Die Zufuhr der Wärme kann dabei durch Strahlung,
Konvektion, Leitung erfolgen. Der in an sich bekannten Vorrichtungen, z. B. Schneckenpressen
und Knetsätzen, plastifizierte Kunststoff wird nach dieser Formgebung in üblicher
Weise abgekühlt, und zwar kann er einmal, sofern keine besonders großen Anforderungen
an die Maßhaltigkeit der Formteile gestellt werden, vor der völligen Abkühlung auf
Normal- (bzw. Raum-) Temperatur, d. h. vor der völligen Erstarrung aus der Form
entnommen (z. B.
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Gießform) bzw. aus ihr herausgeführt werden (z. B.
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Spritzdüse, Breitschlitzdüse). In diesen Fällen, die sich zur technischen
Produktion besonders empfehlen, muß ledigiich eine gewisse Formstabilität gewährleistet,
d. h. eine gewisse Temperaturschwelle unterschritten sein. Dieses so. vorbehandelte
Formteil wird sodann vor der endgültigen Abkühlung auf der Oberfläche örtlich aufgeheizt,
wodurch ein Teil des thermoplastischen Kunststoffes wieder nießfäbig wird und zum
Ausgleich des bei der Abkühlung auftretenden Masseschwunds und der dadurch bedingten
Lunkerbildung beiträgt. Bei der Behandlung solcher Formteile insbesondere zur sogenannten
» gesteuerten Abkühlung « sind
im einzelnen bestimmte Bedingungen
einzuhalten, die von der jeweiligen Temperaturführung und der Größe der beheizten
Fläche abhängen. Als Beispiele für solche Formteile sind lunkerfreie Blöcke, lunkerfreie
Platten und andere dickwandige, z. B. im Intrusionsverfahren hergestellte Teile
zu nennen.
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Die Lunkerbildung bei der Abkühlung ist bekanntlich von der thermischen
Ausdehnung des jeweiligen Stoffes abhängig. In der Regel dehnen sich die Körper
infolge der thermischen Bewegung der Moleküle beim Erwärmen aus. Innerhalb nicht
zu großer Temperaturbereiche ist die relative Längenänderung 4l/Z eines festen Körpers
der Temperaturänderung #t . proportional : S t, wobei a der lineare Ausdehnungskoeffizient
ist. Nur bei isotropen und anisotropen kristallinen Stoffen vom kubischen Kristalltyp
ist der lineare Ausdehnungskoeffizient nach allen Richtungen gleich groß.
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Bei Kunststoffen dagegen geht neben der der.. mischen Ausdehnung
eine Schrumpfung einherj die mit höheren Temperaturen einsetzt und die Längenzunahme
ganz überdecken kann. Daraus ist zu folgern, daß sich Kunststoffe auch bei der Abkiihlung
anders verhalten müssen als z. B. Metalle. Das ergibt sich auch aus den bereits
erwähnten großen Unterschieden in den Wärmeausdehnungskoeffizienten, den Wärmeleitzahlen,
den kristallinen Strukturen und den thermoelastischen bzw. thermoplastischen Bereichen.
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Außerdem lassen sich die thermoplastischen Kunststoffe so gut wie
überhaupt nicht verflüssigen.
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Auf Grund dessen läßt sich die Verfahrenstechnik des Metallgusses
zur Herstellung von großen Formteilen nicht ohne weiteres auf thermoplastische Kunststoffe
übertragen. Zwar wird im Stahlguß mit so-
genannten werlorenen Köpfen « gearbeitet
; infolge des schnellen Abkühlungsvorganges und des geringen Ausdehnungskoeffizienten
ist es jedoch nicht notwendig, diese Köpfe durch Wärmezufuhr ffüssig zu halten.
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Das Verfahren wird an Hand des nachfolgenden Beispiels veranschaulicht
: Beispiel Auf einer Spritzgùßmaschine mit Kurzkompressionsschnecken vom Durchmesser
65 mm, Kompression 1 : 2, 8, wird thermoplastischer Kunststoff bei Temperaturen
von 120 bis 260° C plastifiziert und in eine 5-1-Eimerform ohne Kern extrudiert.
Die Form wird in 15 bis 20 Minuten gefüllt. Nach einer Nachdruckzeit von 5 Minuten,
wonach sich eine dünnwandige, etwa 2 bis 4 mm, verhältnismäßig feste Außenhaut bei
Temperaturen zwischen etwa 20 und 130°C gebildet hat, wird der Block herausgenommen
und in einen dem Formteil angepaßten Stahlbehälter übergeführt, um ein eventuelles
AuseinanderflieBen zu vermeiden. In der nun folgenden Abkühlung an der Luft wird
dem Block entweder durch eine elektrische Heizplatte oder einen Fön 10 bis 16 Stunden
Wärme zugeführt, um die obere Schicht gerade so plastisch zu halten, daß fließfähige
Masse ausreichend bereitgehalten wird.
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Durch Variierung der Größe der beheizten Fläche sowie der Heiztemperatur
und der äußeren Kühlung (z. B. Luft-oder Wasserkühlung) kann der Verlauf der Abkühlung
gesteuert und die Schrumpfung als Einfallstelle an die ; Oberfläche des Blockes
verlegt werden. Die optimalen Heiz-bzw. Kühlwerte sind von dem verwendeten Material
und der Größe des Blockes abhängig. Die näheren Bedingungen sind nachfolgend zusammengestellt
:
Material |
Vestolen A 18 | Vestolen A 250 | Vestolen X 369 |
O |
Formtemperatur, 90 90 90 |
Zylindertemperatur, ° 160, 170, 180, 190 145, 150, 155, 160
200, 210 |
Schneckendrehzahl, U/min..51 51 51 |
Einfüllzeit, 15 15 15 |
Förderdruck, kg/cm2 30 30 30 |
nachdruckzeit, Minuten ............... 5 5 5 |
Temperatur der Heizplatte, °C......... 140 125 140 |
Abkühlzeit, Stunden .................. 16 14 14 |
Beschaffenheit des lunkerfrei lunkerfrei lunkerfrei |
VESTAMID (Nylon 12) wurde drucklos in einem 5-1-Behälter extrudiert.
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Zylindertemperatur........ 200, 200, 210, 220 0 (° G Temperatur der
Heizplatte.. 150° C Beschaffenheit des Formteils. lunkerfrei Nach dem vorliegenden
Verfahren ist es erstmals möglich, thermoplastische Kunststoffe auf technisch einfache
Weise zu lunkerfreien, gegebenenfalls maßhaltigen Formteilen großer Dimensionen
zu verarbeiten.