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Vorrichtung und Verfahren zur Gewinnung von Zellsuspensionen aus lebendem
Gewebe Es ist bekannt, Zellen aus Organen junger Tiere zu gewinnen. Hierzu wurden
bereits Organe - im allgemeinen Nieren - zunächst durch Schneiden
manuell zerkleinert; dann wurde das zerkleinerte Gewebe in einer Fermentlösung angedaut,
wodurch die Zellen aus dem Zellverband herausgelöst werden. Dieses Verfahren erbringt
nur geringe Zellausbeuten, weil bereits beim Zerkleinern des Gewebes viele Zellen
zerstört werden und weil beün Zentrifugleren ein großer Anteil lebender Zellen zugrunde
geht und beim Filtrieren nur teilweise aufgeschlossene Zellverbände zurückgehalten
werden. Ein weiterer Nachteil dieses Verfahrens besteht in den vielen Zelltrümmem,
die die Zellsuspension enthält; diese Zelltrümmer wirken bei der Weiterbehandlung
der suspendierten Zellen, z. B. zur Viruszüchtung, als schädlicher oder züm
mindesten als störender Ballast.
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An zu geringer Ausbeute bzw. zu hohem Ballast scheiterten bisher auch
Versuche, die darauf hinausliefen, das Gewebe vor der Aufschwen:unung maschinell
weitgehend zu zerkleinern, die Zerkleinerung in Gegenwart von Fermentlösungen vorzunehmen
oder Zentrifugen zur Separierung der Zellen einzusetzen. Die Verwendung von z. B.
Nieren älterer Tiere gelang bisher überhaupt nicht, weil diese bindegewebereichen
Organe nicht genügend zerkleinert bzw. aufgeschlossen werden konnten. Rindernieren
beispielsweise sind aber in Schlachthöfen in großer Menge erhältlich.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die beschriebenen
Mängel zu vermeiden und insbesondere auch, bei der Gewinnung von Zellsuspensionen
von bindegewebereichen Organen älterer Tiere auszugehen.
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Zur Lösung dieser Aufgabe wird eine Vorrichtung vorgeschlagen, die
gekennzeichnet ist a) durch eine Schneideinrichtung, die aus einem einseitig verschlossenen
Preßzylinder mit verschließbarer Füllöffnung, aus einem im Preßzylinder axial beweglich
geführten Preßkolben mit regelbarem Antrieb, aus einem am Ausgang des Preßzylinders
angeordneten doppelten Schneidgatter mit kreuzweise geführten Messerrahmen, in denen
der Messerabstand 4 bis 20 mm - vorzugsweise 5 bis
7 mm - beträgt, sowie aus einem im Anschluß an das Schneidgatter angeordneten,
rotierenden Messer besteht, und bei der die Geschwindigkeit des Preßkolbens relativ
zur Drehzahl des rotierenden Messers ün Bereich von 1 bis 4 rom Kolbenweg
je Messerumdrehung verstellbar ist, b) durch eine mit der Schneideinrichtung
verbundene Suspendiereinrichtung, die aus einem beheizbaren, geschlossenen Behälter
besteht, eine regelbar angetriebene Rührwelle mit schneidkantig angeschliffenen
Flügeln, vorzugsweise Propellerflügeln, aufweist und mittels eines Siebbodens in
einen Rührraum und einen Absetzraum unterteilt ist, c) durch eine Dampfleitung,
die mit den Innenräumen der Schneideinrichtung und der Suspendiereinrichtung absperrbar
verbunden ist, und d) durch -eine Spüleinrichtung, wie Spülleitung,
Spülköpfe, Spüldüsen u. dgl., die im Messergehäuse der Schneideinrichtung
angeordnet ist.
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Mit dieser erfindungsgemäßen Vorrichtung kann das Gewebe zunächst
in der Schneideinrichtung zu würferähnlichen kleinen Stückchen zellschonend zerkleinert
und dann unter ständigem Rühren wie bekannt in der Suspendiereinrichtung weiterbehandelt
werden. Bereits auf diese Weise werden erheblich größere Ausbeuten an lebenden Zellen
erhalten. Darüber hinaus kann unter Verzicht auf Sterilität und Temperatarkonstanz
der Umgebung in jedem beliebigen kaum gearbeitet -werden, weil der Vorgang
von äußeren Bedingungen unbeeinflußt in einem geschlo - ssenen System abläuft.
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Noch bedeutend verbesserte Ausbeuten werden jedoch erzielt, wenn man
unter Verwendung der erfindungsgemäßenVorrichtung das lebende Gewebe unter Zusatz
einer isotonischen Salzlösung, z. B. physiologischer Kochsalzlösung, Tyrode-Lösung,
Ringer-Lösung, Hanksche Lösung oder Earles-Lösung, in Stückchen von 20
- 20 - 4 bis 4 - 4 - 1 mm, vorzugsweise 7 - 7 -
2 bis 5 - 5 - 2 mm, vorzerkleinert und in die Suspendiereinrichtung
fördert, hierin
das vorzerkleinerte, in isotonischer Salzlösung
suspendierte Gewebe feinzerkleinert, mit einem proteolytischen Ferment die Zellen
aus dem Zellverband herauslöst und vom Bindegewebe trennt.
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Mit diesem Verfahren können beispielsweise unter üblicher Nachbehandlung
der Suspension aus 75
sonst nicht verwendbaren Nieren von Rindern
10001 Gewebevirussuspension gewonnen werden, deren Titer 10-6,5 bis 10-7#5/ml
beträgt und die 250000 monovalenten Maul- und Klauenseuche-Impfstoffdosen
entsprechen. Für die gleiche Virusmenge wurden bisher 200 Kälbernieren gebraucht.
Dabei ist durch Fortfall fast aller manuellen Arbeitsgänge nur ein Zehntel des bisherigen
Personalaufwandes erforderlich.
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In der Zeichnung ist die erfindungsgemäße Vorrichtung in beispielsweiser
Ausführung dargestellt. Die Schneideinrichtung, teilweise in axialem Längsschnitt
skizziert, ist mit 1 bezeichnet. Der einseitig verschlossene, hier vertikal
angeordnete Preßzylinder 2 weist eine Füllöffnung 3 auf, die durch
eine Klappe verschließbar ist, und enthält einen Preßkolben 4 mit regelbarem Antrieb
5. Der Preßkolben drückt die eingefüllten Organe oder Organteile mit einstellbarer
Geschwindigkeit durch ein doppeltes Schneidgatter mit kreuzweise geführten Messerrahmen6.
Der Messerabstand in den Rahmen beträgt 4 bis 20 mm. Sind die Messerabstände
in beiden Rahmen gleich groß, beispielsweise 6 mm, so treten hinter dem Gatter
Gewebestreifen mit dem Querschnitt 6 - 6 mm aus. Die austretenden
Streifen werden von dem rotierenden Messer 7 in Scheiben geschnitten. Die
Dicke der Scheiben ist durch das Verhältnis von Kolbenweg- je' Sekunde zur
Messerumdrehung je Sekunde bestimmt. Bei einem Kolbenvorschub von 2 mm/sec
und einer Messerdrehzahl von 1 Umdr./sec-entstehen unter Verwendung eines
einflügeligen Messers 7 im stationären Betrieb Scheibehön von 2
mm Stärke.
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Mit der Schneideinrichtung ist eine Suspendiereinrichtung
8 verbunden; sie besteht aus einem beheizbaren Behälter 9 mit regelbar
angetriebener Rührwelle 10. Auf der Rührwelle sitzen vorderseitig zur Schneide
angeschliffene, propellerförmige Rührflügel 11. Die Flügel erzeugen in Flüssigkeiten
bei kleinen -Drehzahlen, also im laminaren und mittleren Strömungsbereich, eine
schwache Rührwirkung. Bei größeren Drehzahlen treten turbulente Strömungsverhältnisse
auf. In -diesem Bereich- werden die Flügel zu Zerldeinerungselementen, mit denen
in der Flüssigkeit suspendierte Scheibchen zeRschonend zersclAtten - werden
können. Der Siebboden 12 trennt den Innenraum des Behälters in einen Rührraum
13 und einen Absetzraum 14. Das aufgelegte Sieb, z. B-. - ein aus
ein- oder mehrfädigen (mono-oder polyfilen) Kunststoffdrähten, hergestelltes Sieb,
hält Teilchen, die größer als 50 pan sind, zurück.-. -Die Dampfleitung
15 ist-mit den Innenräumen der Schneideinrichtung und der Suspendiereinrichtung
absperrbar verbunden. Vor Inbetriebnahme wird durch die Dampfleitung 15 Dampf
in die Apparatur geleitet und die ganze Vorrichtung dadurch sterilisiert.
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Mittels der Spüleinrichtung 16, die einen Anschluß zum Preßzylinder
und im Messergehäuse 17 untergebrachte Düsenleitungen aufweist, kann die
Schneideinrichtung mit isotonischer Salzlösung durchgespült werden. Die Salzlösung
kann jedoch auch Während Jes, Betriebes fortwährend in das Messergehäuse eingedüst
werden, so daß die Vorzerkleinerung praktisch in der Lösung vor sich geht und das
in Scheibchen vorzerkleinerte Gewebe in die Suspendiereinrichtung geschwemmt wird.
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.- In der Suspendiereinrichtung können die eingetragenen Scheibchen
in Anpassung an die Eigenschaften der verwendeten Organe, unter Variieren des erfindungsgemäßen
Verfahrens, verschiedenen Behandlungen unterworfen werden. So können die einzelnen
Verfahrensschritte in mehreren Stufen durchgeführt und Waschverfahren zwischengeschaltot
werden.
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Beispielsweise können die Gewebescheibchen vor der Feinzerkleinerung
auch - der Behandlung mit einer Fermentlösung ausgesetzt werden; auf diese
Weise werden die unvermeidlichen Zelltrümmer von den Schnittstellen abgelöst und
beim Ablassen der Lösung aus dem Suspendierkessel gespült. Weiterhin kann die Feinzerkleinerung
- in der Fermentlösung vorgenommen werden; dies kann besonders bei der Verwendung
von Organen älterer Tiere vorteilhaft sein.
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Zur optimalen Führung der-einzelnen Verfahrensschritte kann --äie
-Vorrichtung in bekannter Weise ergänzt werden, z. B. -durch ein Schauglas
18 im Ab-
lauf des Suspendierkessels. -Schaugläser können auch an anderer
Stelle der Vorrichtung, etwa in der Verbindung zwischen Schneid- und -Suspendiereinrichtung
angebracht werden. Weiterhin kann die Heizung des-Kessels mit-Einrichtungen zur
Konstanthaltung der Temperatur versehen werden. Ebenso können Einrichtungen zur-Einstellung
verschiedener Lösungskonzentrationen angeordnet werden. - .
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Als Organe eignen sich für das erfindungsgemäße Verfahren, z.-B.-
Nieren, Leber, Milz,- Lunge und Hoden von Säugetieren und Vögeln. Die Wahl der Tierart
richtet sich natürlich in erster Linie nach dem Zweck für den die Zellsuspension
verwendet werden soll. Dient die Zellsuspension z. B. zur Bereitung einer Zellkultur
für die Züchtung bestimmter Viren, so -wird man zweckmäßig Zellen eines Tieres verwenden,
welches gegen die Viren empfindlich ist. Beispielsweise wird man für die Züchtung
von MKS-Viren -insbesondere Organe von Rindern oder Schweinen einsetzen; Staupeviren
wird man bevorzugt in Zellen aus den vorgenannten Organen von Tieren, die von Staupe
befallen werden, das sind Caniden und Mustehden, züchten, während für die Züchtung
von Tolioviren in erster Linie Zellen aus Affenorganen in Betracht kommen, da menschliche
Organe in der Praxis für derartige Zwecke nicht zur Verfügung stehen. Viren der
atypischen Geflügelpest werden vorzugsweise in Zellen aus Organen voll Huhn, Ente
und Pute gezüchtet.
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Beispiel Herstellung einerZellsuspensiön aus Nieren älterer Rinder.
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Von zehn Nieren frischgeschlachteter Rinder wird unter sterilen Kautelen
die Nierenkapsel und der bindegewebige Anteil des Nierenbeckens entfernt. Die so
- präparierten Nieren werden in den Einfüllstutzen der vorher mit Dampf sterilisierten
Schneideinrichtung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung gegeben. Darin werden- die
Nieren entsprechend den Messerabständen im Gatter und dem eingestellten Preßstempelvorschub
in Scheibchen von 6 - 6 - 2 geschnitten. . Während des Schneidvorganges
wird
Hanksche Salzlösung in die Schneidkammern gedrückt. Dadurch
werden die geschnittenen Scheibchen in die Suspendiereinrichtung geschwemmt.
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In der Suspendiereinrichtung werden die Nierenscheibchen bei niedriger
Rührerdrehzahl mittels der Hankschen Lösung durch Waschen von Blutresten befreit.
Nach 10 Minuten wird der Waschvorgang mit frischer Lösung wiederholt. Danach
werden die Scheibchen zur Ablösung von Zelltrümmern 15 Minuten in auf 37'C
erwärmter 0,20811/oiger Trypsinlösung gerührt. Beim Ablassen der Lösung werden die
Zelltrümmer durch das Trennsieb hindurch gespült.
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In frischer Trypsinlösung werden nun die Scheibchen bei hoher Rührerdrehzahl
weiter zerkleinert. Es entstehen dabei Teilchen von etwa 1 mms. Nach etwa
25minutiger Einwirkung der Trypsinlösung sind fast alle Zellen aus diesen Teilchen
herausgeschwemmt und in der Lösung suspendiert. Die Zellsuspension kann nun abgedrückt
und zur weiteren Behandlung, z. B. zur Herstellung von Impfstoff, bereitgestellt
werden.
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Aus den zehn Rindernieren gewinnt man nach diesem Verfahren
1351 Gewebevirus mit dem Titer 10-7,5/ml bzw. 33335 monovalente l#MS-Impfstoffdosen.
Nach dem bisher üblichen Verfahren braucht man für die gleiche Virasmenge
25 bis 30 Kälbernieren.