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Inhalationsanästhetikumgemisch Die Erfindung betrifft ein Inhalationsanästhetikumgemisch,
welches sich durch einen Gehalt an Sauerstoff oder Luft in zur Atmung zumindest
ausreichender Menge, 3-Brom-1,1,2,2-tetrafluorpropan und gegebenenfalls Distickstoffmonoxyd
kennzeichnet.
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Es ist bekannt, daß kein einziges Inhalationsanästhetikum alle die
Eigenschaften aufweist, die von einem allgemein verwendbaren Anästhetikum gewünscht
werden. Die bisher allgemein verwendeten Inhalationsanästhetika haben verschiedene
unerwünschte Eigenschaften. Äthyläther und Cyclopropan bedingen Feuer- und Explosionsgefahr
im Operationsraum. Die nur zu oft auf die Verwendung von Äther folgende postoperative
Nausea ist unangenehm und lästig. Cyclopropan hat einen hohen Dampfdruck bei üblichen
Zimmertemperaturen, so daß in es schweren Zylindern transportiert und gehalten werden
muß.
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Chloroform ist zwar nicht entflammbar und in leichten Behältern lagerfähig,
es erzeugt jedoch manchmal schwere Herz- und Leberschäden, insbesondere, wenn die
Ventilation während der mit Chloroform eingeleiteten und aufrechterhaltenen Narkose
unzulänglich ist. Distickstoffmonoxyd ist verhältnismäßig unschädlich, jedoch unterstützt
es die Verbrennung und stellt nur ein mildes Anästhetikum dar; hohe Gaskonzentrationen
sind zur Einleitung der Narkose erforderlich. Der Zustand der Unempfindlichkeit
ist weder tief noch lang andauernd. Es ist beträchtliche Forschungsarbeit aufgewendet
worden, um Inhalationsanästhetika aufzufinden, die nicht derartige unerwünschte
Eigenschaften aufweisen.
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Es ist bekannt, daß eine Anzahl von organischen Fluorverbindungen
anästhetische - Eigenschaften aufweist. Obgleich manche dieser Verbindungen nicht
die unerwünschten Eigenschaften der üblichen Inhalationsanästhetika besitzen, haben
fast alle von ihnen andere unerwünschte Eigenschaften, wie hohe Toxizität, hydrolytische
Imstabilität, Reaktivität mit Natronkalk, unzureichende Wirksamkeit in vernünftigen
Konzentrationen und unzureichende Narkosebreite. Die meisten erzeugen unerwünschte
physiologische Nebenwirkungen.
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Bis heute ist nur eine organische Fluorverbindung als geeignet für
die klinische Verwendung als Inhalationsanästhetikum angesehen worden. Bei dieser
Verbindung handelt es sich um 2-Brom-2-chlor- 1,1,1 -trifluoräthan. Diese Verbindung
ist ein verhältnismäßig neues und sehr starkes Anästhetikum. Die wirksame Konzentration
schwankt von ungefähr 1 bis weniger als 3,5°/0, wobei eine für chirurgische Eingriffe
ausreichende Narkose innerhalb 5 bis 7 Minuten mit Konzentrationen von 2 bis 2,5
O/o erzeugt und mit
Konzentrationen von 0,8 bis 1 °/o aufrechterhalten wird. Die
Verbindung wird im Handel angeboten mit dem Hinweis, daß sie keinen weiten Spielraum
für Irrtümer zuläßt und eine starke Hypotension mit Herzstillstand eintreten kann,
wenn man den Patienten plötzlich relativ hohen Konzentrationen aussetzt.
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Deshalb ist eine sorgfältige und sachgemäße Handhabung vorgeschrieben.
Die Verbindung soll nur in Verdampfern verwendet werden, die durch genaue Kalibrierung
Konzentrationen erlauben, die in Bruchteilen von 0,1°/o über einen klinischen Bereich
von 0,5 bis 3,5 0/o und unter der Kontrolle eines geschulten Anästhesisten geändert
werden können. Es wird ausgeführt, daß üblicherweise während der Einleitung der
Narkose ein kurzes, aber deutliches Exzitationsstadium auftritt, wenn nicht vorher
ein Medikament gegeben wird; es entwickelt sich eine Herabsetzung des Atmungsaustausches,
die üblicherweise anhält.
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Eine Hypotension verschiedenen Ausmaßes entsprechend der Tiefe der
Narkose tritt allgemein auf.
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Im allgemeinen wird eine für größere chirurgische Eingriffe erforderliche
Muskelerschlaffung nur bei Narkosetiefen erreicht, bei denen eine stärkere Hypotension
auftreten kann.
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3-Brom-1,1,2,2-tetrafluorpropan ist eine neue inhalationsanästhetisch
wirksame Verbindung, die durch Umsetzung des p-Toluolsulfonsäureesters des l-Hydroxy-2,2,3,3-tetrafluorpropans
mit Kaliumbromid in an sich bekannter Weise hergestellt wird.
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Für die Herstellung der neuen Verbindung wird im Rahmen dieser Anmeldung
kein Schutz beansprucht.
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Es wurde gefunden, daß 3-Brom- 1,1 ,2,2-tetrafiuorpropan der Formel
HCF2CF2CH2Br besonders gut zur Verwendung als Inhalationsanästhetikum geeignet ist,
da diese Verbindung glatt und leicht eine tiefe Narkose erzeugt und ihre Dämpfe
in Konzentration innerhalb des anästhetischen Bereichs einen angenehmen und nicht
reizenden Geruch besitzen. Die Verbindung wird von Natronkalk unter den in einer
Anästhesiervorrichtung angewendeten Bedingungen nicht angegriffen. In rigorosen
Versuchen mit stark alkalischer Lösung wird etwas Fluorwasserstoff abgespalten.
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Beim Schütteln der Verbindung mit 1 00/0iger Natriumhydroxydlösung
im geschlossenen Rohr 20 Stunden bei 80"C werden 500/o der Verbindung unverändert
zurückgewonnen. In Konzentrationen, die eine für chirurgische Zwecke ausreichende
Narkose erzeugen, verursacht die Verbindung keine Krämpfe bei Mäusen und Hunden.
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Die erfindungsgemäß verwendete Verbindung wird durch Inhalation in
Mischung mit Sauerstoff gegeben, der als reiner Sauerstoff oder als Luft in lebensnotwendigen
Mengen zugeführt wird.
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Das Anästhetikum wird verdampft und mit Sauerstoff gemischt, bevor
es eingegeben wird, oder es wird während der Gabe gemischt, um das gewünschte Verhältnis
von Anästhetikum zu Sauerstoff in der Lunge zu schaffen. Die einatembare, gasförmige
an ästhetische Mischung enthält ausreichend Anästhetikum zur Erzielung der gewünschten
Narkosetiefe und genügend Sauerstoff zur Aufrechterhaltung des Lebens. Die Konzentrationen
des Anästhetikums in der Mischung können in Übereinstimmung mit den Erfordernissen
des chirurgischen Vorgangs während der Narkose variiert werden. Das Anästhetikum
nach der Erfindung ist chemisch mit anderen bekannten Anästhetika, wie Äther, Distickstoffmonoxyd,
Cyclopropan und 2-Brom-2-chlor-l,l,l-trifluoräthan, verträglich. Derartige andere
Anästhetika können in Kombination mit dem Anästhetikum nach der Erfindung gewünschtenfalls
verwendet werden. Die Verwendung von Distickstoffmonoxyd zusammen mit dem Anästhetikum
nach der Erfindung vermehrt die analgetische Qualität der anästhetischen Gesamtmischung.
Die Verwendung anderer bekannter Anästhetika zusammen mit dem Anästhetikum nach
der Erfindung scheint keinen besonderen Vorteil zu bringen.
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Die für die Gabe des Inhalationsanästhetikums nach der Erfindung
im einzelnen ausgewählte Verfahrensweise oder Technik hängt von bestimmten Bedingungen
und Umständen ab, wie beispielsweise der Vorliebe des Anästhesisten für bestimmte
Verfahrensweisen, den Erfordernissen des jeweiligen chirurgischen Eingriffs und
der vorhandenen Ausrüstung. Vorzugsweise wird das Anästhetikum mittels einer kalibrierten
Anästhesiervorrichtung mit geschlossenem Kreislauf, in der die Dämpfe des Anästhetikums
eingeschlossen sind, und in einer gelenkten Atmosphäre gegeben, die durch die Vorrichtung
aufrechterhalten und durch eine Gesichtsmaskenvorrichtung gegeben wird.
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Die üblichen, vorher verabreichten Arzneimittel, wie Barbiturate,
Meperidine, Morphin oder Scopolamin scheinen mit dem Anästhetikum nach der Erfindung
verträglich zu sein und können zur Verwendung gemeinsam mit ihm verschrieben werden.
Epinephrin und Norepinephrin sind jedoch mit dem Anästhetikum
nach der Erfindung
unverträglich, ebenso wie mit anderen halogenierten 1 nhalationsanästhetika. Statt
dieser Medikamente können Methedrine, Methoxamine und Neosynephrine sicher verwendet
werden, um einer übermäßigen Hypotension entgegenzuwirken, falls eine solche auftritt,
und um Blutgefäße während des chirurgischen Eingriffs zu verengen.
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Üblicherweise gibt man ein Inhalationsanästhetikum in einer höheren
Konzentration, als zur Aufrechterhaltung der Narkose erforderlich ist, um angenehm
und rasch eine für chirurgische Eingriffe voll ausreichende Narkosetiefe zu erreichen.
Die anfängliche Konzentration wird auf die Erhaltungsdosis vermindert, wenn die
gewünschte Narkosetiefe erreicht ist. Es ist erwünscht, daß ein Inhalationsanästhetikum
ausreichend stark ist, so daß es in niedriger Konzentration in Sauerstoff zur Einleitung
und zur Aufrechterhaltung der Narkose verwendet werden kann.
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Andererseits soll das Anästhetikum nicht so stark sein, daß die wirksamen
Konzentrationen so niedrig sind, daß Schwierigkeiten bei dem Abmessen des Anästhetikums
auftreten. Auch sollte die obere Grenze, bis zu der das Anästhetikum ohne Gefahr
für Atmung und Herztätigkeit verwendet werden kann, hoch genug sein, um eine große
Narkosebreite bei seiner Verwendung zu gewähren.
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Bei 3-Brom-1,1,2,2-tetrafluorpropan kann man mit einer Konzentration
von ungefähr 6 bis ungefähr 7 Volumprozent in Sauerstoff oder Luft eine für chirurgische
Eingriffe ausreichende Narkosetiefe bei Hunden erzeugen. Eine solche Tiefe wird
mit Konzentrationen von ungefähr 4 bis ungefähr 5 Volumprozent leicht aufrechterhalten.
Konzentrationen über 801, sind ohne Unglücksfall verwandt worden.
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Die durchschnittliche zum Atemstillstand führende Konzentration,
ausgedrückt in Prozent der Atmungsatmosphäre, ist bei der erfindungsgemäß verwendeten
Verbindung 21/2mal größer als die von 2-Brom-2-chlor-1,1,1-trifluoräthan. Andererseits
ist die durchschnittliche, zur Aufrechterhaltung der Narkose in der zweiten Ebene
des dritten Stadiums erforderliche Konzentration bei beiden Verbindungen gleich
groß.
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Daraus ergibt sich, daß man bei der erfindungsgemäß verwendeten Verbindung
einen Spielraum von 4 °/0 zwischen zum Atemstillstand führender Konzentration und
Narkosekonzentration, dagegen bei der bekannten Verbindung nur 1 °/o Spielraum besitzt.
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Darüber hinaus erzielt man mit der erfindungsgemäß verwendeten Verbindung
noch weitere Vorteile, die zahlenmäßig nicht wiedergegeben werden können.
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So führt 2-Brom-2-chlor-l,l,l-trifluoräthan unter Umständen zu starken
Hypotensionen mit Herzstillstand, wenn man plötzlich relativ hohe Konzentrationen
verabfolgt. Dagegen kommen bei der erfindungsgemäß verwendeten Verbindung praktisch
kaum Hypotensionen vor. Ebenso bringt die Verwendung der bekannten Verbindung die
Gefahr von Herzarythmien, welche bei der erfindungsgemäß verwendeten Verbindung
nicht auftreten. Für chirurgische Eingriffe ist im allgemeinen eine Muskelerschlaffung
erforderlich.
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Bekanntlich erschlaffen zunächst die Muskeln der Extremitäten und
erst zuletzt die Muskulatur des Bauches und der Brust. Mit der bekannten Verbindung
erzielt man diese notwendige Muskelerschlaffung nur bei Narkosetiefen, bei denen
eine stärkere Hypotension auftreten kann. Dagegen besitzt die erfindungsgemäß verwendete
Verbindung den ganz besonderen Vorteil, daß eine ausreichende Muskelerschlaffung
beim Menschen
schon in der ersten Ebene des dritten Stadiums erzielt
wird.
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Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung.
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Beispiel 1 Versuche an Mäusen 3-Brom- 1,1 ,2,2-tetrafluorpropan ergibt
bei Mäusen eine rasche und glatte Einleitung der Narkose mit vollständiger Erschlaffung,
gefolgt von einer raschen und ohne Komplikationen verlaufenden Erholung.
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Die zur Erzeugung der Narkose bei der Hälfte der Tiere unter Versuchsbedingungen
während zehnminutiger Einwirkung erforderliche Dosis (AD50) beträgt 0,5 Volumprozent
in Luft.
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Die für den Versuch verwendete Vorrichtung besteht aus einem 3,8-l-Weithalsgefäß,
das seitlich mit 14 Umdrehungen je Minute gedreht wird. Man bringt 2 Mäuse in das
Gefäß, injiziert das Anästhetikum mit einer Injektionsnadel durch den Gummiverschlußdeckel
des Gefäßes und läßt es sich innerhalb des Gefäßes verflüchtigen. Die zur Erzielung
bekannter Dampfvolumenprozentgehalte in der Luft innerhalb des Gefäßes erforderlichen
flüssigen Raumteile des injizierten Anästhetikums sind vorherberechnet. In dem Versuch
wird ein Tier als narkotisiert angesehen, wenn es unfähig ist, eine aufrechte Haltung
beizuhalten und kontinuierlich 15 Sekunden lang umherrollt. Dieses Testverfahren
ist von dem von R o b b i n s, Journ.
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Pharmacology and Experimental Therapeutics, Bd. 86, 197 (1946), beschriebenen
Verfahren übernommen.
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CHF2CF2CF2CF2CH2C1 und CHF2CF2CF2CF2CH2Br verursachen bei der Prüfung
an der Maus heftige
Krämpfe und sind daher als Anästhetika überhaupt nicht geeignet.
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Beispiel 2 Versuche am Hund Ein Hund wird mit 3-Brom-l,l ,2,2-tetrafluorpropan
in Sauerstoff unter Verwendung einer Anästhesiervorrichtung mit geschlossenem Kreislauf
narkotisiert.
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Der Verdampfer für das Anästhetikum ist von der Art, wie man sie bei
der Äthernarkose verwendet.
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Durch Regulierung der durch das flüssige Anästhetikum hindurchgehenden
Sauerstoffblasen wird eine gesteuerte Menge Anästhetikum in die anästhetisierende
Atmosphäre eingeführt. Mit einer Konzentration von 6 bis 7 Volumprozent des Anästhetikums
wird eine für chirurgische Eingriffe ausreichende Narkosetiefe erreicht und diese
mit einer Konzentration von 4 bis 5°/0 aufrechterhalten. Eine spezifische Wirkung
des Anästhetikums auf Atmung oder Herz bei Einleitung und Aufrechterhaltung dieser
Narkosetiefe wird nicht beobachtet. In der für chirurgische Eingriffe ausreichenden
Narkosetiefe wird eine geringe Hypotension beobachtet. Krämpfe treten während der
Narkose oder während der Erholung hiervon nicht auf.