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GEBIET DER OFFENBARUNG
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Steuerungsverfahren, das zur Steuerung von Fahrzeugvorrichtungen eines eigenen Fahrzeugs verwendet werden kann, ein Computerprogramm, ein nicht-transitorisches computerlesbares Medium und ein automatisiertes Fahrsystem.
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Ein automatisiertes Fahrsystem ist ein Kraftfahrzeug-Fahrautomatisierungssystem, das in der Lage ist, die dynamische Fahraufgabe (Dynamic Driving Task, DDT) ganz oder teilweise dauerhaft auszuführen.
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Ein automatisiertes Fahrsystem kann oder soll in ein Kraftfahrzeug oder Fahrzeug (zum Beispiel PKW, LKW usw.) eingebaut werden.
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Im Fall von Straßenfahrzeugen kann es in Stufen von „keine Fahrautomatisierung“ (Stufe 0) bis „volle Fahrautomatisierung“ (Stufe 5) gemäß SAE-Norm J3016 unterteilt werden.
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Um diese Funktion zu realisieren, umfasst ein automatisiertes Fahrsystem normalerweise mindestens einen Sensor und eine elektronische Steuereinheit, die Steuerbefehle an einen oder mehrere Aktuatoren des Fahrzeugs (zum Beispiel an die Lenksäule oder - welle, die Bremse, das Gaspedal oder dergleichen) sendet, um den Fahrer beim Fahren zu entlasten.
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Ein automatisiertes Fahrsystem ist mindestens in der Lage, einen Teil der Fahraufgabe zu übernehmen (zum Beispiel die Längssteuerung des Fahrzeugs auszuführen). Insbesondere sind viele automatisierte Fahrsysteme darauf ausgelegt, den Fahrer zu unterstützen, und werden daher Höherentwickelte Fahrassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) genannt. Einige automatisierte Fahrsysteme sind in der Lage, mindestens während einiger Zeiträume die gesamte Fahraufgabe zu übernehmen. Solche Systeme werden nach der SAE-Norm J3016 in Stufe 3, 4 oder 5 klassifiziert.
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein automatisiertes Fahrsystem, das auf einer der Stufen 1 bis 5 gemäß SAE-Norm J3016 klassifiziert ist.
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HINTERGRUND DER OFFENBARUNG
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Es ist allgemein bekannt, dass viele Fahrentscheidungen auf einem „wahrgenommenen Risiko“ basieren, das vom Fahrer eines Fahrzeugs wahrgenommen wird.
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Dieses „wahrgenommene Risiko“ an Bord des eigenen Fahrzeugs ist ein Parameter, der das durch eine Person, die das eigene Fahrzeug fährt, wahrgenommene Risiko darstellt. Im weiteren Sinne ist das „wahrgenommene Risiko“ für den Fall, dass sich kein Fahrer im Fahrzeug befindet, das Risiko, das durch eine Person, die das eigene Fahrzeug zum betrachteten Zeitpunkt fährt, wahrgenommen werden würde.
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Eine „Fahrentscheidung“ ist jede durch den Fahrer getroffene Entscheidung, die zu einer Änderung der Art und Weise führt, wie das Fahrzeug gesteuert wird. Typische Fahrentscheidungen sind zum Beispiel Entscheidungen zum Bremsen, zum Beschleunigen, zum Links- oder Rechtsabbiegen und/oder Kombinationen dieser Aktionen (wenn möglich) und/oder die Verstärkung oder Verringerung dieser Aktionen.
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Wenn Fahrzeuge mit teilweise oder vollständig automatisiertem Fahren (im Folgenden „automatisierte Fahrzeuge“) in den Straßenverkehr gebracht werden, so müssen sie mit durch Menschen gefahrenen Fahrzeugen zusammengebracht werden. Um das höchste Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten, erfordert eine reibungslose Integration dieser Fahrzeuge unter solchen Umständen, dass sich diese automatisierten Fahrzeuge im Verkehr ganz ähnlich wie durch Menschen gefahrene Fahrzeuge verhalten.
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Folglich ist es notwendig, dass die Steuerungssysteme von automatisierten Fahrzeugen in der Lage sind, das durch einen Menschen wahrgenommene Risiko während der Fahrt zu bewerten, um Fahrentscheidungen ähnlich wie ein Mensch zu treffen.
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Es ist erwogen worden (siehe zum Beispiel das Dokument
US 2007/0030132 ), dass das wahrgenommene Risiko hauptsächlich von zwei Parametern abhängt: der „Fahrzeugfolgezeit“ (Time Headway, THW) und der „Zeit bis zum Zusammenstoß“ (Time to Collision, TTC), die wie folgt definiert sind:
- - die Fahrzeugfolgezeit THW ist das Verhältnis zwischen der Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs und dem relativen Abstand dr zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug:
- - die Zeit bis zum Zusammenstoß TTC ist das Verhältnis zwischen der relativen Geschwindigkeit Vr zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem relativen Abstand dr zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug:
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Es ist außerdem erwogen worden, dass das wahrgenommene Risikoniveau (Perceived Risk Level, PRL), auch als „Risikowahrnehmung“ (Risk Perception, RP) bezeichnet, als Funktion der Fahrzeugfolgezeit THW und der Zeit bis zum Zusammenstoß TTC durch die folgende Gleichung ausgedrückt werden kann:
wobei α eine Konstante ist.
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Studien haben jedoch gezeigt, dass die Fahrer in den verschiedenen Ländern jeweils unterschiedliche Einstellungen in Bezug auf das Risiko haben. Das wahrgenommene Risikoniveau PRL ist länderabhängig. So hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass in der Europäischen Union der Abstand bei Bremsbeginn viel kürzer ist als in Japan oder Nordamerika. Es ist ebenfalls festgestellt worden, dass in der Europäischen Union die Fahrgeschwindigkeit einen geringeren Einfluss auf den relativen Abstand bei Bremsbeginn hat als in Japan oder Nordamerika.
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Es hat sich herausgestellt, dass die obige Gleichung (0) keine Werte für das wahrgenommene Risikoniveau PRL erbringt, die ausreichend genau wären, um das wahrgenommene Risikoniveau zu schätzen, wenn die Fahrer verschiedenen Kulturen entstammen oder aus verschiedenen Ländern oder verschiedenen Kontinenten kommen.
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Am Ende wurde kein automatisiertes Fahrsystem und kein Steuerungsverfahren für ein Fahrzeug ermittelt, das (insbesondere kontinentübergreifend) die Vielfalt der wahrgenommenen Risikoniveaus, wie sie von den Fahrern tatsächlich wahrgenommen werden, korrekt berücksichtigen würde.
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Folglich besteht Bedarf an einem automatisierten Fahrsystem und einem Steuerungsverfahren zur Steuerung verschiedener in einem Fahrzeug eingebauter Fahrzeugvorrichtungen während der Fahrt, das ungeachtet des Landes, in dem das Fahrzeug gefahren wird, eine korrekte Einschätzung des wahrgenommenen Risikoniveaus für das Fahrzeug, wie es vom Fahrer wahrgenommen wird oder wahrgenommen würde, erbringt. Auf der Grundlage dieser Informationen können die durch das automatisierte Fahrsystem ausgegebenen Steuerbefehle so berechnet werden, dass sie dem menschlichen Fahrverhalten nahe kommen.
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KURZDARSTELLUNG DER OFFENBARUNG
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Gemäß der Erfindung wird, um den oben genannten Anforderungen gerecht zu werden, eine Steuerungsverfahren für ein eigenes Fahrzeug offenbart. Diese Steuerungsverfahren weist die folgenden Schritte auf:
- a) Erfassen einer Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs, einer relativen Geschwindigkeit Vr zwischen einem vorausfahrenden Fahrzeug und dem eigenen Fahrzeug und eines relativen Abstands Dr zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem eigenen Fahrzeug;
- b) Berechnen eines wahrgenommenen Risikoniveaus als eine Funktion der Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs, der relativen Geschwindigkeit Vr und des relativen Abstands Dr auf der Grundlage von Gleichung (1 a):
wobei die PRL-Funktion kleiner wird, wenn Vx/dr größer wird, während Vr konstant ist;
- c) Steuern mindestens einer Fahrzeugvorrichtung des eigenen Fahrzeugs als eine Funktion des wahrgenommenen Risikoniveaus.
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In Gleichung (1 a) ist das wahrgenommene Risikoniveau keine lineare Funktion der TTC wie in der oben erwähnten Gleichung (0), sondern kann als Funktion von Vr, Vx und Dr variieren.
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Wenn die Funktion des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL so gewählt wird, dass sie mit zunehmendem Vx/dr kleiner wird, wobei Vr konstant ist, so wurde beobachtet, dass das auf der Grundlage von Gleichung (1a) berechnete wahrgenommene Risikoniveau vorteilhafterweise mindestens bei niedrigen Werten der Geschwindigkeit des eigenes Fahrzeugs (in der Regel Geschwindigkeiten unter 50 km/h) der tatsächlichen Risikowahrnehmung der Fahrer besser entspricht als ein auf der Grundlage der vorherigen Gleichung (0) berechnetes wahrgenommenes Risikoniveau. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass Fahrer, die in einem kurzen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu bremsen beginnen (und daher, wenn die Risikowahrnehmung hoch sein sollte), den Parameter der Fahrzeugfolgezeit (THW) bei der Risikoeinschätzung weniger berücksichtigen als Fahrer, die in einem relativ großen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu bremsen beginnen.
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In einer bevorzugten Ausführungsform des oben definierten Steuerungsverfahrens wird das wahrgenommene Risikoniveau auf der Grundlage von Gleichung (1b) berechnet:
wobei X und Y Konstanten sind. Vorzugsweise kann bei dem oben beschriebenen Steuerungsverfahren X im Bereich von -6,45 bis -4,45 liegen und Y kann im Bereich von 2,4 bis 4,4 liegen.
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Die durch Gleichung (1b) vorgeschlagene Definition des PRL, insbesondere mit den oben genannten Werten von X und Y, ist einfach und hat eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit den tatsächlich wahrgenommenen Risikoniveaus einer großen Gruppe von Fahrern erbracht.
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In einer Ausführungsform wird der Parameter des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL verwendet, um einem Benutzer des Fahrzeugs, insbesondere dem Fahrer, die Möglichkeit zu geben, den Fahrstil des Fahrzeugs zu definieren. Der Benutzer wird daher aufgefordert, ein von ihm als akzeptabel erachtetes maximales Risikoniveau (Maximum Risk Level, MRL) in das automatisierte Fahrsystem einzugeben.
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Dementsprechend umfasst in dieser Ausführungsform des oben beschriebenen Steuerungsverfahrens das Steuern mindestens einer Fahrzeugvorrichtung des eigenes Fahrzeugs als eine Funktion des wahrgenommenen Risikoniveaus das Steuern mindestens einer Fahrzeugvorrichtung des eigenes Fahrzeugs als eine Funktion einer Differenz zwischen dem wahrgenommenen Risikoniveau PRL und einem zuvor festgelegten maximal akzeptablen Risikoniveau.
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In einer Ausführungsform umfasst die mindestens eine Fahrzeugvorrichtung mindestens einen Fahraktuator. In diesem Fall kann in Schritt c) das Steuern der mindestens einen Fahrzeugvorrichtung die Betätigung des mindestens einen Fahraktuators umfassen, wenn das wahrgenommene Risikoniveau PRL einen zuvor festgelegten Wert überschreitet.
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In einer konkreten Implementierung wird der Steuerungsschritt des Steuerungsverfahrens für ein eigenes Fahrzeug durch Instruktionen eines Computerprogramms bestimmt.
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Dementsprechend stellt die Erfindung auch ein Computerprogramm bereit, das auf einem nicht-transitorischen computerlesbaren Medium gespeichert ist und das dafür geeignet ist, durch einen Prozessor ausgeführt zu werden, wobei das Programm Instruktionen umfasst, die dafür ausgelegt sind, das oben beschriebene Steuerungsverfahren auszuführen, wenn es durch den Prozessor ausgeführt wird.
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Das Computerprogramm kann jede beliebige Programmiersprache verwenden und kann in Form von Quellcode, Objektcode oder eines Codes zwischen Quellcode und Objektcode, zum Beispiel in teilweise kompilierter Form, oder in jeder anderen zweckmäßigen Form vorliegen.
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Die Erfindung stellt außerdem ein nicht-transitorisches computerlesbares Medium zur Speicherung von Instruktionen bereit, die, wenn sie durch einen Prozessor ausgeführt werden, den Prozessor veranlassen, das oben erwähnte Steuerungsverfahren auszuführen.
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Das computerlesbare Medium kann eine Entität oder eine Vorrichtung sein, die das Programm speichern kann. Zum Beispiel kann das computerlesbare Medium ein Speichermittel wie zum Beispiel einen Nurlesespeicher (ROM), zum Beispiel einen Compact Disk (CD)-ROM oder einen ROM mit mikroelektronischem Schaltkreis, oder auch ein magnetisches Aufzeichnungsmittel, zum Beispiel eine Diskette oder eine Festplatte, umfassen.
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Alternativ kann das computerlesbare Medium ein integrierter Schaltkreis sein, in den das Programm integriert ist, wobei der Schaltkreis dafür ausgelegt ist, das hier besprochene Steuerungsverfahren auszuführen oder an dessen Ausführung mitzuwirken.
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Eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist die Bereitstellung eines automatisierten Fahrsystems für ein eigenes Fahrzeug, das eine elektronische Steuereinheit aufweist, die eingerichtet ist zum:
- a) Erfassen einer Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs, einer relativen Geschwindigkeit Vr zwischen einem vorausfahrenden Fahrzeug und dem eigenen Fahrzeug und eines relativen Abstands Dr zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem eigenen Fahrzeug;
- b) Berechnen eines wahrgenommenen Risikoniveaus PRL als eine Funktion der Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs, der relativen Geschwindigkeit Vr und des relativen Abstands Dr auf der Grundlage von Gleichung (1 a):
wobei die PRL-Funktion kleiner wird, wenn Vx/dr größer wird, während Vr konstant ist;
- c) Steuern mindestens einer Fahrzeugvorrichtung des eigenen Fahrzeugs als eine Funktion des wahrgenommenen Risikoniveaus.
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In einer Ausführungsform dieses automatisierten Fahrsystems ist die elektronische Steuereinheit dafür eingerichtet, das wahrgenommene Risikoniveau PRL unter Verwendung der Gleichung (1b) zu berechnen:
wobei X und Y Konstanten sind. In diesem Fall kann X vorzugsweise im Bereich von -6,45 bis -4,45 liegen und Y kann vorzugsweise im Bereich von 2,4 bis 4,4 liegen.
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In einer Ausführungsform des automatisierten Fahrsystems ist die elektronische Steuereinheit zum Steuern der mindestens einen Fahrzeugvorrichtung eingerichtet, um die mindestens eine Fahrzeugvorrichtung als eine Funktion einer Differenz zwischen dem wahrgenommenen Risikoniveau PRL und einem maximal akzeptablen Risikoniveau zu steuern.
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In einer Ausführungsform des automatisierten Fahrsystems ist die elektronische Steuereinheit dafür eingerichtet, mindestens einen Fahraktuator unter der mindestens einen Fahrzeugvorrichtung zu betätigen, wenn das wahrgenommene Risikoniveau PRL einen zuvor festgelegten Wert überschreitet. (Die eine oder die mehreren Fahrzeugvorrichtungen sind daher ein oder mehrere Aktuatoren).
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In einer Ausführungsform des automatisierten Fahrsystems umfasst die mindestens eine Fahrzeugvorrichtung mindestens eine Bremse und/oder mindestens einen anderen Fahraktuator.
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Figurenliste
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Die vorliegende Erfindung lässt sich besser verstehen und ihre zahlreichen anderen Aufgaben und Vorteile werden für den Fachmann offensichtlich, wenn die vorliegende Erfindung anhand der beiliegenden Figuren gelesen wird, in denen Folgendes dargestellt ist:
- 1 ist eine schematische Zeichnung eines Fahrzeugs, das mit einem automatischen Fahrsystem gemäß der vorliegenden Offenbarung versehen ist und das hinter einem vorausfahrenden Fahrzeug dargestellt ist;
- 2 ist ein Flussdiagramm, das ein Fahrzeugsteuerungsverfahren gemäß der vorliegenden Offenbarung veranschaulicht;
- 3 ist ein Flussdiagramm, das ein Fahrzeugsteuerungsverfahren gemäß der vorliegenden Offenbarung im speziellen Fall einer Bremssteuerung veranschaulicht;
- 4 ist eine Zeichnung, die eine Datenbank mit Bremsaufzeichnungen veranschaulicht; und
- 5 ist eine Zeichnung, welche die Datenbank der Bremsaufzeichnungen veranschaulicht, wobei Gruppen auf der Grundlage der relativen Geschwindigkeit und der Fahrzeuggeschwindigkeit gebildet wurden und jede Gruppe durch einen Punkt dargestellt wird.
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BESCHREIBUNG DER AUSFÜHRUNGSFORMEN
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Es wird nun ein automatisiertes Fahrsystem beschrieben, das dafür eingerichtet ist, eines der vorgeschlagenen Verfahren zum Steuern eines Fahrzeugs zu implementieren.
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1 zeigt schematisch ein Kraftfahrzeug 100 (ein Beispiel für ein eigenes Fahrzeug), das mit einem automatisierten Fahrsystem 10 versehen ist, das eine beispielhafte Ausführungsform der vorliegenden Erfindung darstellt. Das Kraftfahrzeug 100 folgt einem „vorausfahrenden Fahrzeug“ 200. Beide Fahrzeuge bewegen sich in der durch Pfeil A gezeigten Richtung. Das eigene Fahrzeug und das vorausfahrende Fahrzeug sind um einen Abstand Dr getrennt (der Abstand Dr erscheint in 1 proportional viel kürzer als in Wirklichkeit).
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Das automatisierte Fahrsystem 10 (oder kurz: das System 10) ist im vorliegenden Fall ein automatisiertes Fahrsystem, das eine elektronische Steuereinheit 20 und mehrere Sensoreinheiten, die zusammen mit 30 bezeichnet werden, umfasst, die mehrere Kameras, eine Lidar-Einheit, einen Satz Radare, eine Nahbereichs-Sonarsensoreinheit, eine GPS-Einheit, ein Funkkommunikationssystem zum Kommunizieren mit der Infrastruktur und/oder mit anderen Fahrzeugen und einen Geschwindigkeitssensor, der die Geschwindigkeit Vx des Fahrzeugs misst, umfassen.
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Die Radare des Radarsatzes messen insbesondere die relative Geschwindigkeit Vr zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug 200 und dem eigenen Fahrzeug 100.
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Alle oben genannten Sensoreinheiten 30 sind mit der elektronischen Steuereinheit 20 (ECU 20) verbunden.
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Die ECU 20 weist insgesamt gesehen die Hardware-Architektur eines Computers auf. Die ECU 20 umfasst einen Mikroprozessor 22, einen Direktzugriffsspeicher (RAM) 24, einen Nurlesespeicher (ROM) 26 und eine Schnittstelle 28.
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Die Hardware-Elemente der ECU 20 werden optional von anderen Einheiten des automatisierten Fahrsystems 10 und/oder anderen Systemen des Fahrzeugs 100 gemeinsam genutzt.
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Die Schnittstelle 28 umfasst insbesondere ein taktiles Display und verschiedene Displays, die in oder auf dem Armaturenträger des Fahrzeugs montiert sind.
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Die Schnittstelle 28 umfasst daher eine Fahrerschnittstelle mit einem (nicht gezeigten) Display zum Übermitteln von Informationen an den Fahrer des Autos 100 sowie Schnittstellenverbindungen zu Aktuatoren und anderen Fahrzeugvorrichtungen des Autos. Insbesondere umfasst die Schnittstelle 28 eine Verbindung mit mehreren Fahraktuatoren des Autos 100. Zu diesen Fahraktuatoren gehören unter anderem der Motor 32, die Lenksäule 34, die Bremsen 36 und das Getriebe 38.
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Die ECU 20 sendet Drehmomentanforderungen an die Motor-ECU und Arbeitssteuerbefehle an die jeweiligen Arbeitselemente (zum Beispiel Kupplungen) des Getriebes 38. Auf der Grundlage dieser Steuerbefehle steuert die Motor-ECU das vom Motor 32 abgegebene Drehmoment und das Getriebe nimmt die gewünschte Konfiguration ein, wodurch dem Kraftfahrzeug die gewünschte Beschleunigung verliehen wird.
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Ein Computerprogramm, das dafür eingerichtet ist, die Fahraufgabe teilweise zu übernehmen, indem es eine Quer- und Längssteuerung des Fahrzeugs durchführt, ist in Speicher 26 gespeichert. Dieses Programm ist dafür eingerichtet, die Steuerbefehle zu berechnen, die mindestens während einiger Fahrperioden die Fahraktuatoren des eigenen Fahrzeugs steuern.
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Dieses Programm und der Speicher 26 sind Beispiele für ein Computerprogramm bzw. ein nicht-transitorisches computerlesbares Medium gemäß der Erfindung.
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Der Nurlesespeicher 26 der ECU 20 stellt praktisch ein nicht-transitorisches computerlesbares Medium gemäß der Erfindung dar, das durch den Prozessor 22 gelesen werden kann. Er speichert Instruktionen, die, wenn sie durch einen Prozessor ausgeführt werden, den Prozessor 22 veranlassen, das Steuerungsverfahren gemäß der Erfindung auszuführen.
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Genauer gesagt, umfasst das im Speicher 26 gespeicherte Programm Instruktionen zum Ausführen eines Verfahrens zum Steuern der Fahraktuatoren 32, 34, 36 und 38 als eine Funktion des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL.
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Das automatisierte Fahrsystem 10 ist dafür konzipiert, die Fahraufgaben nur unter der ständigen Aufsicht des Fahrers auszuführen. Das System 10 gilt daher als automatisiertes Fahrsystem der Stufe 2 gemäß SAE-Norm J3016. Die vorliegende Erfindung kann jedoch in automatisierten Fahrsystemen jeder Stufe 1 bis 5 implementiert werden.
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Um seine Funktion zu erfüllen, verwendet das System 10 die von den Sensoren 30 übermittelten Daten, verarbeitet die Daten in der ECU 20 und steuert die Fahrzeugvorrichtungen 32 des Kraftfahrzeugs auf der Grundlage der durch die ECU 20 berechneten Steuerbefehle. Darüber hinaus findet möglicherweise auch ein Informationsaustausch zwischen dem Fahrzeug 100 und externen Vorrichtungen über die Schnittstelle 28 statt, um die Leistung des Systems 10 zu verbessern.
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Wie oben erwähnt, gibt die ECU Steuerbefehle zum Steuern der Aktuatoren des Kraftfahrzeugs 100 aus; diese Steuerbefehle werden als eine Funktion eines wahrgenommenen Risikoniveaus PRL berechnet.
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Gemäß der vorliegenden Offenbarung kann das Fahrzeug 100 während der Fahrt zum Beispiel gemäß dem durch 2 veranschaulichten Steuerungsverfahren gesteuert werden.
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Bei diesem Verfahren werden in einem ersten Schritt a) die relative Geschwindigkeit Vr und der relative Abstand Dr zwischen dem eigenen Fahrzeug 100 und einem vorausfahrenden Fahrzeug 200 durch die ECU 20 auf der Grundlage von durch die Radare der Sensoren 30 übermittelten Radarinformationen erfasst. Die Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs wird von dem Geschwindigkeitssensor der Sensoren 30 erfasst.
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Dann wird in Schritt b) das wahrgenommene Risikoniveau PRL berechnet.
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Das wahrgenommene Risiko PRL kann nur in einer Situation berechnet werden, in der das eigene Fahrzeug 100 einen vorausfahrenden Fahrzeug 200 folgt, wie in 1 veranschaulicht.
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Das wahrgenommene Risikoniveau PRL wird durch die ECU 20 wie folgt berechnet.
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Die relative Geschwindigkeit Vr und der relative Abstand Dr zwischen dem eigenen Fahrzeug 100 und einem vorausfahrenden Fahrzeug 200 werden durch die ECU 20 auf der Grundlage von durch die Radare der Sensoren 30 übermittelten Radarinformationen berechnet.
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Die Geschwindigkeit Vx des eigenen Fahrzeugs wird des Weiteren von dem Geschwindigkeitssensor der Sensoren 30 erfasst.
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Das wahrgenommene Risikoniveau PRL wird dann gemäß einem Berechnungsverfahren berechnet, das im Folgenden dargelegt wird.
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In einem dritten Schritt c) werden dann eine oder mehrere Fahrzeugvorrichtungen des eigenen Fahrzeugs 100 in Abhängigkeit von dem Wert des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL gesteuert oder aktiviert. Zum Beispiel können die Bremsen 36 betätigt werden; der Zeitpunkt (oder der Abstand Dr), wann die Bremsung ausgelöst wird, wird auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL bestimmt.
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Der Algorithmus wird iterativ in regelmäßigen Zeitschritten ausgeführt. Nachdem in Schritt c) Steuerungsbefehle für die verschiedenen Fahraktuatoren ausgegeben wurden, wird der Algorithmus in Schritt a) wieder aufgenommen.
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Verschiedene Variablen - oder verschiedene Vorrichtungen - des Fahrzeugs 100 können durch das automatisierte Fahrsystem 10 auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus gesteuert werden. Gewöhnlich ist das Fahrsystem 10 dafür eingerichtet, die Bremskraft, die Beschleunigung oder das Drehmoment des Motors und/oder den Lenkwinkel des Fahrzeugs auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus zu modifizieren.
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Ein weiteres und konkreteres beispielhaftes Steuerungsverfahren eines Fahrzeugs gemäß der vorliegenden Offenlegung wird nun im Zusammenhang mit 3 beschrieben.
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In dieser Ausführungsform hat der Fahrer im Fahrzeug 100 die Möglichkeit, das maximal akzeptierte Risikoniveau (Maximum Accepted Risk Level, MRL) anzugeben, was das maximale Risiko ist, dem er sich aussetzen würde, während das automatisierte Fahrsystem 10 das Kraftfahrzeug fährt.
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Auf der Grundlage dieses Parameters berücksichtigen im Fahrzeug 100 die an die Fahrzeugvorrichtungen 32, 34, 36 und 38 gesendeten Steuerbefehle die Differenz zwischen dem berechneten wahrgenommenen Risikoniveau PRL und dem durch den Fahrer angegebenen gewünschten wahrgenommenen Risikoniveau MRL.
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Durch diese Einstellung kann der Fahrer das Fahrsystem auffordern, einen mehr oder weniger sportlichen Fahrstil anzunehmen.
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Das Steuern des Fahrzeugs 100 wird durch die ECU 20 realisiert, das einen Algorithmus ausführt, der im Wesentlichen identisch mit dem Algorithmus aus 2 ist.
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Die ersten Schritte a) und b) dieses Algorithmus sind mit den Schritten a) und b) des vorherigen Verfahrens identisch.
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In dieser Ausführungsform wird jedoch Schritt c) des Steuerns der Fahraktuatoren wie folgt in zwei Schritten c1) und c2) durchgeführt.
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Zuvor wird der Benutzer des Fahrzeugs in einen Schritt c0) aufgefordert, das maximale Risikoniveau MRL einzugeben, das er während der Fahrt zu akzeptieren bereit ist und das er für akzeptabel hält.
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Während der Fahrt wird jedes Mal, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug vor dem eigenen Fahrzeug auf derselben Fahrspur wie das eigene Fahrzeug detektiert wird, das wahrgenommene Risikoniveau PRL in Schritt b) berechnet.
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Dann wird in einem Schritt c1) das wahrgenommene Risikoniveau PRL mit dem maximalen Risikoniveau MRL verglichen, das zuvor durch den Benutzer des Fahrzeugs eingegeben wurde. Das heißt, die Differenz zwischen PRL und MRL (PRL - MRL) wird berechnet.
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Wenn diese Differenz negativ ist, das heißt, wenn das wahrgenommene Risikoniveau PRL das maximale Risikoniveau MRL nicht überschreitet, so werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, und der Algorithmus springt zu Schritt a), der im nächsten Zeitschritt ausgeführt wird.
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Umgekehrt springt der Algorithmus zu Schritt c2), wenn diese Differenz positiv ist, das heißt, wenn das wahrgenommene Risiko PRL das maximale Risikoniveau MRL überschreitet. In Schritt c2) steuert die ECU 20 die zu betätigenden Bremsen 36. Das heißt, im letzteren Fall gibt die ECU 20 einen Steuerwert aus, und auf der Grundlage dieses Wertes werden die Bremsen 36 betätigt.
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Ein beispielhaftes Verfahren zum Berechnen des wahrgenommenen Risikoniveaus (PRL) wird nun vorgestellt.
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Bei diesem Verfahren wird der Parameter des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL wie folgt als eine Funktion von Vr, Vx und Dr berechnet. Es wird angenommen, dass:
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Die folgenden Werte werden für X und Y gewählt: X = -5,45 und Y = 3,4. Deshalb ist:
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Mit dieser Funktion kann leicht bestätigt werden, dass das PRL abnimmt, wenn Vx/Dr größer wird, wobei Vr konstant ist. Für die Funktion PRL können auch andere Annahmen getroffen werden.
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Die in den 2 und 3 veranschaulichten Steuerungsverfahren sind nur beispielhafte Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
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Allgemeiner ausgedrückt, und wie zuvor erwähnt, können viele verschiedene Funktionen oder Systeme eines Autos oder eines Straßenfahrzeugs auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus gesteuert werden. Gewöhnlich ist das Fahrsystem des Fahrzeugs dafür eingerichtet, die Bremskraft, die Beschleunigung oder das Drehmoment des Motors und/oder den Lenkwinkel des Fahrzeugs auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus zu modifizieren. Das Fahrsystem des Fahrzeugs kann jedoch auch Warnsignale (visuell, akustisch, haptisch) auf der Grundlage des wahrgenommenen Risikoniveaus auslösen. Dementsprechend sind Aussendevorrichtungen, die zum Aussenden eines solchen optischen, akustischen und/oder haptischen Signals verwendet werden, andere Beispiele für Fahrzeugvorrichtungen, die auf der Grundlage des PRL-Parameters gemäß der vorliegenden Offenbarung gesteuert werden können.
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Obwohl die vorliegende Erfindung oben mit einer PRL-Funktion vorgestellt wurde, die auf der Gleichung (1a) basiert, wird die Erfindung keineswegs auf diesen speziellen Wert der PRL-Funktion oder durch Gleichung (1a) oder (1b) beschränkt. Wie oben erläutert, kann die Erfindung mit vielen verschiedenen PRL-Funktionen implementiert werden.
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Wird bei der Entwicklung eines Steuerungssystems für ein Fahrzeug die Verwendung einer bestimmten PRL-Funktion in Betracht gezogen, so kann mit Hilfe des folgenden Verifikationsverfahrens überprüft werden, ob diese Funktion einen effektiven Wert des PRL-Parameters erbringt (4 und 5):
- a) Erstellung einer Datenbank
- Zunächst wird eine Datenbank mit beispielhaften Bremsvorgängen durch Fahrer in repräsentativen Fahrsituationen erstellt.
- Diese Datenbank umfasst Aufzeichnungen von Bremsvorgängen, die während einer Fahrt stattgefunden haben. Für jede Bremsbetätigung umfasst der Datensatz der Datenbank mindestens folgende Informationen: die Fahrzeuggeschwindigkeit Vx, die relative Geschwindigkeit Vr und den relativen Abstand Dr zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug zum Zeitpunkt der Bremsbetätigung.
- Die Datenbank der Bremsaufzeichnungen ist in den 4 und 5 veranschaulicht. Jeder Punkt in 4 stellt ein Bremsereignis dar, das für ein Fahrzeug aufgezeichnet wurde. Alle diese Bremsereignisse werden in einem Achsensystem aufgezeichnet, das die Fahrzeuggeschwindigkeit Vx, die relative Geschwindigkeit zwischen dem Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug, Vr, und den relativen Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen, Dr, umfasst.
- b) Erstellung von Datengruppen
- Die Bremsaufzeichnungen werden dann auf der Grundlage der relativen Geschwindigkeit Vr und der Fahrzeuggeschwindigkeit Vx gruppiert. Zum Beispiel wird der Gesamtbereich der Geschwindigkeiten der relativen Geschwindigkeiten in zehn Bereiche Vri (i=1 ... 10) unterteilt; ebenso wird der Gesamtbereich der Geschwindigkeiten der Fahrzeuggeschwindigkeiten in zehn Bereiche Vxj (j=1 ... 10) unterteilt.
- Die auf diese Weise erhaltenen Gruppen (Vri,Vxj) sind in 5 gezeigt. Jeder Punkt wird durch einen Punkt dargestellt, der den mittleren relativen Abstand Dr Datenbank für die Gruppe anzeigt.
- Dann wird der mittlere relative Abstand Dr_Datenbank (Vri,Vxj) für jede Gruppe (Vri,Vxj) auf der Grundlage der in der Datenbank enthaltenen Zahlenwerte von Dr berechnet.
- c) Beurteilung der Genauigkeit der PRL-Funktion
- Für jede Gruppe (Vri,Vxj) wird dann der relative Abstand bei Bremsbeginn (Dr berechnet (Vri,Vxj)) auf der Grundlage der PRL-Funktion berechnet, deren Genauigkeit bewertet werden soll.
- Die Genauigkeit der PRL-Funktion kann dann auf der Grundlage der folgenden Formel beurteilt werden:
- Auf der Grundlage dieser Formel kann die Genauigkeit verschiedener PRL-Funktionen verglichen werden. Auf diese Weise wird es möglich zu bestätigen, dass eine beurteilte PRL-Funktion genauere Ergebnisse erbringt als andere bekannte PRL-Funktionen.
- Insbesondere konnte der Schluss gezogen werden, dass die oben veranschaulichten Ausführungsformen der PRL-Funktion gemäß der vorliegenden Offenbarung Werte des wahrgenommenen Risikoniveaus PRL erbringen, die wesentlich genauer sind als PRL-Funktionen des Standes der Technik, wie zum Beispiel die PRL-Funktionen auf der Grundlage von Gleichung (0).
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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