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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Mikropumpe, insbesondere eine membranlose Mikropumpe, zur Erzeugung einer (quasi-)kontinuierlichen Strömung eines in einem Mikro- oder Nanokanalsystem befindlichen Fluids. Die Erfindung betrifft weiterhin ein Pumpensystem und ein Mikrokanalsystem mit solchen Mikropumpen. Insbesondere zielt die Erfindung auf Anwendungen der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik, in welchen die verwendeten Analysesysteme vorzugsweise kostengünstige Einwegprodukte aus der Massenfertigung sind.
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Unter Fluiden sind in der gesamten Beschreibung Flüssigkeiten oder Gemische aus Gasen und Flüssigkeiten und Mehrphasensysteme aus mehr als einer Flüssigkeit zu verstehen. Bei den Gemischen handelt es sich um solche, deren Gasbestandteile molekular so klein sind, dass die Grenzfläche der Flüssigkeit zum umgebenden Gas vollständig intakt ist.
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Pumpen gehören zu den wichtigsten Komponenten in fluidischen Systemen. Mikrosystemtechnische Pumpen stellen nach wie vor eine Herausforderung für die Mikrofluidik dar. Rotatorische Pumpen, die makroskopische Lösungen dominieren, sind aufgrund einer Vielzahl von Schwierigkeiten (Abrieb, Abdichtung, Antrieb, Oberflächenspannung von Flüssigkeiten) für den Einsatz in der Mikrosystemtechnik weitgehend ungeeignet. Mikropumpen werden deshalb zumeist als komplexer Aufbau mit bewegten Festkörpermembranen realisiert, die über vergleichsweise leistungsstarke Antriebe bewegt werden müssen. Einige der im Stand der Technik vorgeschlagenen Lösungen für mikrofluidische Anwendungen sind Systeme, die sich ohne zusätzlichen Aufwand (z. B. Montageschritte oder spezielle Aufbau- und Verbindungstechniken) nicht in den Prozessablauf zur Herstellung mikrofluidischer Systeme unter Verwendung von Standard-Technologieschritten integrieren lassen. Die für die meistverwendeten Aktorprinzipien notwendigen komplexen Aufbauten sind ein Nachteil existierender Lösungen, der bislang aufgrund der damit einhergehenden Kosten den Einsatz in Einweglösungen verhindert.
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Die Entwicklung von Mikropumpen wird seit langem intensiv bearbeitet. Zahlreiche Arbeiten wurden aufgrund der Bedeutung von Pumpen bereits in den 90er Jahren durchgeführt. Aus der
DE 42 23 019 C1 ist z. B. eine „ventillose” Mikropumpe, die dem „klassischen” Aufbau folgt, bekannt, bei der in den spaltartigen Bereich, welchem der Pumpenaktor eine Oszillationsbewegung einprägt, strömungstechnisch anisotrope Strukturen eingebracht sind, die der Fluidbewegung eine Vorzugsrichtung geben.
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Der größte Anteil an Arbeiten zu diesem Thema setzt auf Membran-basierte Pumpen, entweder mit aktiver oder passiver Ventilsteuerung. Die beigefügte 1 zeigt die Prinzipdarstellung eines „klassischen” Mikropumpenaufbaus nach dem Stand der Technik: Über die Auslenkung einer Membran 1 wird das Volumen einer Pumpkammer 2 zyklisch vergrößert bzw. verkleinert, wobei die Pumpkammer 2 mit einem Zufluss 3 und einem Abfluss 4 verbunden ist. In Kombination mit passiven oder aktiven Ventilstrukturen in Zu- und Abfluss 3, 4 wird dem zu fördernden Fluid 6 eine Vorzugsrichtung eingeprägt, woraus eine Pumpwirkung resultiert.
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Als Antriebssysteme wurden bislang in überwiegender Mehrzahl Piezoantriebe, teilweise auch magnetische Antriebe eingesetzt. Die beigefügte 2 zeigt als Ausführungsbeispiel für eine „klassische” Mikropumpe nach dem Stand der Technik einen Aufbau mit einem piezoelektrischen Element 7 als Aktor, der die Membran 1 über der Pumpkammer 2 auslenkt.
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Eine derartige „klassische” Mikropumpe wird z. B. in der
WO 2009/059664 A1 beschrieben, die auf einer Pumpenkammer mit einer Membran basiert, die durch ein Piezoelement ausgelenkt wird. Durch die Kombination mit Ventilstrukturen wird eine Pumpwirkung generiert. Die beschriebene Pumpe besteht dabei aus einer Reihe verbundener Pumpkammern, die mittels einer Phasenverschiebung im Ansteuersignal betrieben werden.
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Weiterhin ist aus der
EP 0 844 395 B1 eine Mikropumpe, bestehend aus Pumpkammer und Aktor, bekannt. Die Ventilwirkung bzw. die der Fluidbewegung eine Vorzugsrichtung einprägenden Strukturen sind als Kanäle mit nichtlinearem Strömungswiderstand ausgeführt. Je nach Ansteuerregime wird in diesen Kanälen eine laminare oder eine turbulente Strömung generiert, was mit unterschiedlich großen Strömungswiderständen in den einzelnen Kanälen einhergeht.
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Weitere Ausführungsbeispiele für Mikromembranpumpen sind z. B. in der
DE 197 19 862 A1 und
US 2004/0033146 A1 beschrieben.
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In allen diesen bekannten Mikropumpen sind jedoch bewegliche mechanische Elemente (hier: Membranen) vorgesehen, über deren Auslenkung der Pumpenhub realisiert wird. Derartige Pumpen wurden in zahlreichen Ausführungsvarianten realisiert.
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In der
US 2006/0292013 A1 wird eine Pumpe für Ferrofluide (d. h. Flüssigkeiten, in denen sich Nanopartikel befinden, die ferromagnetisch sind und auf die demzufolge Anziehungskräfte von magnetischen Polen ausgeübt werden können) beschrieben.
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Bisher speziell in der Mikrosystemtechnik bekannte elektrostatische Antriebe für Membranen sind für Pumpanwendungen eher ungeeignet, da hier die Kraftwirkung auf die Membranen zu gering ist. Gelegentlich werden auch Verfahren mittels Dampfblasen (thermische Aktoren) oder Ultraschall untersucht.
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Alle bekannten Mikropumpen nutzen bewegte Festkörperelemente (i. d. R. Membranen), über deren Auslenkung durch verschiedene Aktoren das Volumen einer Pumpkammer periodisch vergrößert bzw. verkleinert wird. In Kombination mit Ventilen, die der erzeugten periodischen Strömung eine Vorzugsrichtung einprägen, entsteht so ein gerichteter Transport des Fluids. Mit der Nutzung bewegter Festkörperelemente ist eine Reihe von Nachteilen verbunden. Aufgrund der Notwendigkeit, träge Massen zu bewegen, kommt es zu einer Erhöhung der Trägheit und damit auch der Systemzeitkonstante. Außerdem ist der Einsatz bewegter Festkörperelemente immer mit Phänomenen wie Verschleiß oder Materialermüdung verbunden. Die Nutzung bewegter Festkörperelemente führt zu einem zusätzlichen parasitären Energieverbrauch, der den Wirkungsgrad einer Pumpe bzw. deren Energieeffizienz verschlechtert. Daneben erfordert die Notwendigkeit bewegter Festkörperelemente in einer Pumpe zusätzliche Schritte im Herstellungsprozess, welche den Stückpreis erhöhen und damit prinzipiell der Fertigung von häufig benötigten Einweglösungen entgegensteht. Gleichzeitig gehört die Montage von Aktor und Membran zu den kostenintensivsten Schritten bei der Herstellung von Pumpen nach dem o. g. Prinzip.
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Der Nutzung von bewegten Festkörperelementen sind bei fortschreitender Miniaturisierung bereits aus Sicht der Herstellungsprozesse fertigungstechnische Grenzen gesetzt. Damit gehen Grenzen einher, was die reproduzierbare Dosierbarkeit kleinster Fluidvolumina anbelangt. Zahlreiche Aktoren, die nach dem oben beschriebenen Prinzip arbeiten, tragen prinzipbedingt Wärme in das zu fördernde Fluid ein. Dies muss aber insbesondere im Zusammenhang mit biologischen Anwendungen häufig vermieden werden. Externe Pumpen bzw. Pumpen mit deutlich ausgebildeten Pumpenkammern führen darüber hinaus zu zusätzlichem Totvolumen im mikrofluidischen System.
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In der der
US 6 551 849 B1 ist ist eine Methode zur Herstellung eines Feldes aus Mikronadeln beschrieben.
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Aus der
WO 2008/124046 A1 ist ein mikrofluidisches Ventil bekannt, bei dem sich das Verhalten der Fluidströmung mithilfe des Electrowetting-Effektes steuern lässt. Dabei wird mit einem ersten Elektrodenpaar das Benetzungsverhalten der Flüssigkeit auf einer hydrophoben Oberfläche im Kanal geändert, um das Ventil zu öffnen, und mit einem zweiten Elektrodenpaar wird elektrolytisch eine Blase erzeugt, um den Fluidfluss zu stoppen.
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Die
US 2008/135411 A1 beschreibt die Bewegung von Fluiden über eine Oberfläche aufgrund elektrostatischer Kräfte, die durch in die Oberfläche eingebrachte Elektroden erzeugt werden.
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In der
CN 101 256 132 A wird wird eine Entwurfsmethode beschrieben, die es basierend auf den Theorien nach WENZEL, CASSIE und BAXTER erlaubt, den scheinbaren Kontaktwinkel eines Flüssigkeitstropfens auf einer mikrostrukturierten Oberfläche vorauszuberechnen.
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In Callies, Mathilde; Quere, David: On water repellency, Review in: Journal of Soft Matter, 2005, No. 1, pp. 55–61 wird beschrieben, dass sich eine Flüssigkeit u. a. durch Temperaturfelder, Licht oder elektrische Felder vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand überführen lässt.
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In Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated superhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341 ist der Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand beschrieben.
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Die Realisierung des Electrowetting-Effekts auf nanostrukturierten, superhydrophoben Oberflächen wird in Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostruktured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827 beschrieben. Der durch Electrowetting induzierte Übergang vom CASSIE-BAXTER-Zustand in den WENZEL-Zustand wurde dort als „abrupter” Wechsel beschrieben.
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Aus der
US 2004/0191127 A1 ist eine Vorrichtung zur Bewegung eines Tropfens auf einer mikro- oder nanostrukturierten Oberfläche bekannt. Die Bewegungsrichtung des Tropfens wird durch die Mikro- bzw. Nanostrukturen beeinflusst. Die Bewegung des Tropfens ist auf die mit Mikro- oder Nanostrukturen versehene Fläche beschränkt. Der Tropfen kann den Rand der mikro- oder nanostrukturierten Oberfläche nicht überschreiten. Die beschriebene Vorrichtung ist somit nicht zur Erzeugung eines kontinuierlichen Volumenstroms geeignet.
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Aus der
US 2010/0104459 A1 ist eine tropfenaktuierte Mikropumpe bekannt, die nach dem Electro-Wetting-On-Dielectrics-Effekt arbeitet. Der Mikrokanal ist mit einer hydrophilen Oberfläche versehen und wird durch ein Verdrängungsmittel, welches hydrophobe Oberflächen und Elektroden umfasst, mit Tropfen einer Flüssigkeit aus einem Reservoir versorgt. Der Pumpeffekt wird dadurch erzielt, dass der Tropfen die hydrophobe Oberfläche nahe des Einlasses zum Mikrokanal und die hydrophile Oberfläche des Mikrokanals gleichzeitig benetzt. Die Differenz der Benetzbarkeit verursacht den Übergang des gesamten Tropfens auf die hydrophile Oberfläche und damit in den Mikrokanal. Die beschriebene Mikropumpe ist nicht zur Erzeugung einer quasikontinuierlichen Strömung geeignet. Der Benetzungsvorgang durch den Tropfen innerhalb des Mikrokanals lässt sich durch Zuführung weiterer Tropfen maximal bis zur kapillaren Steighöhe des Mikrokanals fortsetzen, danach führt das Zuführen weiterer Tropfen zu keiner weiteren Flüssigkeitsbewegung im Mikrokanal. Sobald der hydrophile Mikrokanal einmal mit Tropfen gefüllt ist, muss er durch einen externen Druckgradienten „entleert” werden, damit der beschriebene Vorgang erneut ablaufen kann.
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N. T. Nguyen et al.: „MEMS-Micropumps: A Review” beschreibt die Anwendbarkeit des Electro-Wetting-Effekts für die Aktuierung von Flüssigkeiten, d. h. für die Erzeugung von Druckgradienten.
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Die
US 2008/0098917 A1 zeigt einen Flüssigkeitsaktuator umfassend eine Elektrolytschicht, mindestens zwei Elektroden auf einer oder beiden Seiten der Elektrolytschicht und eine wasserabweisende Schicht mit einer porösen Struktur auf der Außenfläche mindestens einer der Elektroden. Die Elektrolytschicht, die Elektroden und die wasserabweisenden Schichten bilden einen Baukörper. Durch Variation der an die Elektroden angelegten Spannung kann die oberflächliche Benetzbarkeit des Baukörpers geändert werden. Die Oberfläche der wasserabweisenden Schicht weist Strukturen, beispielsweise konvexe und konkave Strukturen auf.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Mikropumpe und ein Mikrokanalsystem bereitzustellen, die die oben beschriebenen Nachteile des Standes der Technik überwinden und mit denen eine weitere Miniaturisierung mikrofluidischer Systeme für verschiedene Anwendungen, beispielsweise der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik, realisiert werden kann.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch eine Mikropumpe mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, durch ein Pumpensystem mit den Merkmalen des Anspruchs 7 und durch ein Mikrokanalsystem mit den Merkmalen des Anspruchs 8 gelöst. Die Erfindung macht sich dabei zunächst die Erkenntnis zunutze, dass für die Pumpwirkung de facto nur die Änderung des definierten Fluidvolumens notwendig ist, welche im Stand der Technik regelmäßig durch eine Aktorbewegung erzeugt wurde.
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Bevorzugte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Mikropumpe, des Pumpensystems und des Mikrokanalsystems sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Eine erfindungsgemäße membranlose Mikropumpe wird zur Erzeugung einer Strömung eines Fluids in einem Mikrokanalsystem verwendet. Sie umfasst eine Pumpkammer, die durch einen Einlass und einen Auslass begrenzt ist. Vorzugsweise sind Einlass und/oder Auslass durch eine Ventilstruktur ausgebildet. Erfindungsgemäß weist die Innenwand der Pumpkammer einen lyophoben (im Sinne von: eine Flüssigkeit abstoßend) Volumenänderungsabschnitt auf. Die Mikropumpe umfasst weiterhin elektrische Mittel zum zyklischen Verändern des Benetzungsverhaltens des Fluids in dem Volumenänderungsabschnitt. Dabei wird durch die elektrischen Mittel das Benetzungsverhalten des Fluids zwischen einem ersten entnetzenden Zustand und einem zweiten benetzenden Zustand zyklisch verändert, wodurch die Grenzfläche des Fluids zum Volumenänderungsabschnitt eine Art virtuelle Membran bildet, welche die gewünschte Volumenänderung hervorruft.
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Geeignete Werkstoffe für die Herstellung der Pumpkammer, des Volumenänderungsabschnitts und ggf. der Ventilstrukturen sind beispielsweise Silizium, Glas, Kunststoffe und Keramiken. Vorzugsweise erfolgt die Herstellung mit mikroelektronischen Standardverfahren, die dem Fachmann bekannt sind.
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In einem erfindungsgemäßen Pumpensystem sind mehrere Mikropumpen in Reihe oder parallel angeordnet. Durch eine Reihenschaltung kann eine Steigerung des Drucks, durch eine parallele Schaltung eine Steigerung der Förderrate erreicht werden. Die Ventilstrukturen der Mikropumpe werden nicht benötigt oder lassen sich vereinfacht ausbilden, wenn in einer Reihenschaltung der Mikropumpen die Mittel zum zyklischen Verändern des Benetzungsverhaltens der einzelnen Mikropumpen phasenverschoben angesteuert werden. In diesem Fall wird eine Art „Peristaltik” des Pumpensystems erzeugt.
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Ein erfindungsgemäßes Mikrokanalsystem umfasst mehrere Kanalabschnitte, wobei zwischen jeweils zwei der Kanalabschnitte mindestens eine erfindungsgemäße Mikropumpe angeordnet ist. Eine Kanalquerschnittsfläche der Kanalabschnitte eines solchen Mikrokanalsystems ist gewöhnlich kleiner als 1 mm2 und zumeist größer als 1 μm2. In einer Ausführungsform ist die Kanalquerschnittsfläche unterschiedlich groß zu einer Pumpkammerquerschnittsfläche.
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Mit der erfindungsgemäßen Lösung wird nicht auf die geometrische Miniaturisierung bekannter Prinzipien und Aufbauten gesetzt, sondern ein völlig anderer und bisher in Pumpen nicht als nutzbar erkannter Effekt ausgenutzt, der durch die Integration von Mikro- bzw. Nanostrukturen innerhalb von technischen Systemen bzw. Mikrosystemen realisierbar wird.
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Vorzugsweise werden die elektrischen Mittel zum reversiblen Verändern der Oberflächenspannung des Fluids durch eine erste und eine zweite Elektrode gebildet, zwischen denen ein Dielektrikum vorgesehen ist. Als Elektrodenmaterialien kommen alle Metalle und Halbleiter in Frage, als besonders geeignet werden Platin, Titan, Chrom, Indium-Zinn-Oxid und Gold angesehen.
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Dabei bildet in einer bevorzugten Ausführungsform der Volumenänderungsabschnitt die erste Elektrode, während die zweite Elektrode innerhalb oder außerhalb der Pumpkammer vorgesehen ist, um das Fluid zu kontaktieren. Zwischen den Elektroden oder auf einer der Elektroden ist dann ein Dielektrikum ausgebildet.
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Als Dielektrikum kommen alle elektrisch gut isolierenden Stoffe in Frage. Besonders geeignet sind Siliziumnitrid, Siliziumdioxid, Glas, diamantartiger Kohlenstoff, Titannitrid, Titanoxid sowie Hydrophobierungswerkstoffe wie z. B. Teflon AF oder Cytop. Die Hydrophobierungswerkstoffe lassen sich besonders vorteilhaft als Dielektrikum auf dem lyophoben Volumenänderungsabschnitt verwenden.
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In einer anderen Ausführungsform können die Elektroden auch komplett außerhalb der Pumpkammer angeordnet sein, wodurch die Pumpkammer selbst durch ihre Materialeigenschaften oder das durch die Pumpkammer zu fördernde Fluid das Dielektrikum bildet.
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Der lyophobe Volumenänderungsabschnitt ist vorzugsweise durch Mikro- oder Nanostrukturen gebildet, die als nadel-, säulen- oder linienartige Erhebungen bzw. Vertiefungen ausgebildet und zufällig oder regelmäßig verteilt angeordnet sind. Diese Mikro- und Nanostrukturen können elektrisch leitfähig oder isolierend und so gestaltet werden, dass sie lyophob (d. h. das Fluid abstoßend bzw. entnetzend) sind, d. h. dass beispielsweise wässrige Medien in einem mikrofluidischen Kanal „oberhalb” der Strukturierung entlang strömen, ohne in die Struktur einzudringen. Mikrostrukturen können beispielsweise mittels UV-Lithographie hergestellt werden und können Größenordnungen etwa zwischen 0,7 μm und 500 μm haben. Nanostrukturen (Nadeln oder dgl. wie zum Beispiel bei „black silicon”) lassen sich beispielsweise durch selbstmaskierende Ätzprozesse herstellen. Die Mikro- oder Nanostrukturen sowie ggf. deren dielektrische Beschichtung müssen hinsichtlich der Abmessungen, Material- und Benetzungseigenschaften auf das zu fördernde Fluid und dessen Oberflächenspannungen abgestimmt sein, um den gewünschten Volumenwechseleffekt zu erzielen.
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Durch Aktivierung der elektrischen Mittel zum zyklischen Verändern des Benetzungsverhaltens des Fluids im bzw. auf dem Volumenänderungsabschnitt, bzw. durch Anlegen einer elektrischen Spannung an die Elektroden kann eine erzwungene Benetzung auf/in dem lyophoben Volumenänderungsabschnitt erreicht werden, bei der das Fluid durch elektrostatische Kräfte auch in die Zwischenräume der Mikro- oder Nanostrukturen hineingezogen wird bzw. sein Benetzungsverhalten zum Stadium „benetzend” hin verändert und damit den Anteil seiner Oberfläche, die eine Grenzfläche zum Volumenänderungsabschnitt definiert, vergrößert. Dieser als Electrowetting (On Dielectrics) bezeichnete Effekt wird erfindungsgemäß genutzt, um durch zyklisches Anlegen einer elektrischen Spannung das Flüssigkeitsvolumen in der Pumpkammer zu modulieren, ähnlich einer „virtuellen Membran”. Die durch die Oberflächenspannung definierte Grenzfläche des Fluids wirkt in diesem Falle sozusagen als Membran. Notwendig für die „Entnetzung” sind das Abschalten der elektrischen Mittel und eine geringe Kontaktwinkelhysterese. Als Ansteuerspannungen sind Gleichspannung und Wechselspannung gleichermaßen geeignet. Im Falle von Wechselspannung ist die Frequenz der Aktuierungsspannung von der Frequenz des Pumpenhubes zu trennen, wobei sinnvollerweise die Frequenz der Aktuierungsspannung deutlich größer ist, als die Frequenz des Pumpenhubes. In Abhängigkeit von den Dimensionen des Systems und der Massenträgheit des bewegten Volumens sind die Steuerfrequenzen und Spannungen der elektrischen Mittel zu wählen.
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Durch geeignete, dem Fachmann bekannte, vorzugsweise passive Ventilstrukturen wird dann ein gerichteter Fluss und damit ein Pumpeffekt erzeugt. Unter einem Ventil wird dabei nach DIN ISO 5598 ein „Bauteil” verstanden, „das die Richtung, den Druck oder den Volumenstrom eines Fluids steuert oder regelt”. Dabei kann das Ventil auch aus verkleinerten, wiederkehrenden Ventilstrukturen in kaskadierter Anordnung bestehen. Die Vorzugsbewegungsrichtung wird bei der vorliegenden Erfindung vom Verlauf des Kanals bzw. von den im Kanal enthaltenen Ventilstrukturen eingeprägt.
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Die vorliegende Erfindung zeichnet sich gegenüber dem bekannten Stand der Technik durch eine Reihe von Vorteilen aus. Die erfindungsgemäße Mikropumpe kommt vollkommen ohne bewegte (bewegliche) Teile, wie z. B. Membranen aus. Darüber hinaus kann ein Totvolumen vollständig oder weitgehend vermieden werden, da die Pumpe ausschließlich den Kanal selbst als Pumpkammer benutzt. Das zu fördernde Fluid selbst wird als Arbeits- bzw. Aktormedium benutzt. Mit dem Verzicht auf zusätzliche bewegte Massen geht eine besondere Energieeffizienz des Systems einher. Zusätzlich ist eine Steigerung der Dynamik des Systems zu erwarten. Außerdem werden Versagensursachen wie Verschleiß und Materialermüdung von vorneherein ausgeschlossen. Da die beschriebene Pumpe auf deutlich kleineren Strukturen basiert, als es derzeitige Pumpen technologisch erlauben, können noch geringere Fluidvolumina reproduzierbar dosiert werden. Das beschriebene Aktuierungsprinzip trägt keinerlei Wärme in das zu fördernde Medium ein, was ein wichtiges Kriterium für den Einsatz bspw. in der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik darstellt. Der Herstellungsprozess des beschriebenen Systems vereinfacht sich gegenüber konventionellen Lösungen enorm, womit eine Reduzierung der Herstellungskosten einhergeht. Die Herstellung der erfindungsgemäßen Mikropumpe ist unter Rückgriff auf eine einzige Kette aus Standardprozessen der Mikromechanik bzw. -elektronik möglich, was die Herstellung preisgünstiger Einweglösungen überhaupt erst ermöglicht. Beispielsweise kann als Mikro- oder Nanostruktur das in Plasmaätzverfahren (Standard-Verfahren der Elektronik- bzw. Mikrosystemtechnik) hergestellte Siliciumgras verwendet werden, welches einfach herstellbar ist. Aber auch andere Nanostrukturen (z. B. sogenannte Nanodrähte oder lithografisch hergestellte Strukturen) sind als Alternative ebenfalls denkbar.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung besteht darin, dass ergänzend zur Pumpwirkung nicht nur das Benetzungsverhalten des Fluids, sondern auch dessen Viskosität lokal im Bereich der mikro- oder nanostrukturierten Kanalinnenwand beeinflusst werden kann. Dazu können die erfindungsgemäßen Mikro- bzw. Nanostrukturen zusätzlich bzw. alternativ als Heizelemente fungieren und Wärme in das vorbeiströmende Fluid eintragen. Resultierend aus der gezielten Temperierung des Fluids kann die Flussrate des Fluids im Kanal variiert werden. Dabei kann durch die große effektive Oberfläche der Mikro- und Nanostrukturen eine besonders hohe Energieeffizienz im Vergleich zu planaren bzw. glatten Strukturen erreicht werden, während die thermische Zeitkonstante stark verringert wird.
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Neben der gezielten Temperierung des Fluids kann in Verbindung mit speziellen Flüssigkeiten (z. B. Pluronic® Solution) die Viskosität der Flüssigkeit so beeinflusst werden, dass sich durch die Viskositätserhöhung bei Wärmeeintrag ein Pfropfen im Kanal bildet, der den Volumenstrom bremst bzw. blockiert. Auf diese Weise kann – ebenfalls ohne bewegte mechanische Teile – eine Ventilwirkung generiert werden. Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber Anordnungen wie beispielsweise Düsen-Diffusor-Mikroventilen liegt in der Möglichkeit, den Volumenstrom nicht nur durch Verwirbelungen bzw. Strömungsgeschwindigkeit abhängige fluidische Widerstände zu verlangsamen bzw. dem Fluid eine Vorzugsrichtung einzuprägen, sondern den Volumenstrom vollständig zum Erliegen bringen zu können.
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Die Wirkungsweise sowie weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung sind dem nachfolgenden Beschreibungsteil zu entnehmen, in dem die Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen, in denen dieselben Bezugszeichen gleiche oder ähnliche Teile in den gesamten Figuren bezeichnen, näher erläutert. Es zeigen:
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1 – eine Prinzipdarstellung einer Mikropumpe nach dem Stand der Technik;
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2 – eine Prinzipdarstellung einer Mikropumpe nach dem Stand der Technik mit einem Piezoaktor;
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3 – Physikalische Gegebenheiten bei der Benetzung einer Oberfläche mit einem Fluid;
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4 – CASSIE-BAXTER- und WENZEL-Zustand eines Fluids auf einer periodisch und definiert strukturierten Oberfläche;
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5 – CASSIE-BAXTER- und WENZEL-Zustand einer Flüssigkeit auf einer zufällig strukturierten Oberfläche wie z. B. Siliciumgras („black silicon”);
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6 – Prinzipdarstellung des Electrowetting (on dielectrics) – EW(OD);
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7 – Prinzipdarstellung einer „virtuellen Membran” auf einer nanostrukturierten Oberfläche;
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8 – Längsschnittdarstellung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels einer erfindungsgemäßen Mikropumpe;
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9 – Perspektivdarstellung des Ausführungsbeispiels der erfindungsgemäßen Mikropumpe gemäß 8.
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Die 1 und 2 wurden bereits oben im Zusammenhang mit dem Stand der Technik näher erläutert.
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Zum besseren Verständnis der erfindungsgemäßen Lösung werden nachfolgend zunächst anhand der 3 bis 7 die physikalischen Grundlagen erläutert, wie sie sich zum Zeitpunkt der Erfindung darstellten.
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Das Benetzungsverhalten eines Fluids 6 auf einer Festkörperoberfläche 8 ist grundlegend chemischen Ursprungs und stellt sich über das materialspezifische Verhältnis der Grenzflächenspannungen der drei beteiligten, nicht mischbaren Phasen (fest, flüssig, gas- bzw. dampfförmig) ein. Makroskopisch äußert sich das Benetzungsverhalten im YOUNG'schen Kontaktwinkel θY, der ein Maß für die Benetzbarkeit von Oberflächen ist. Er ist derjenige Winkel, den die Ebene der Festkörperoberfläche 8 und eine Tangente 9 an das Volumen des Fluids 6 in einem beliebigen Punkt der Dreiphasenkontaktlinie (engl. triple phase contact line, TPCL) einschließen (3). Als benetzend oder lyophil werden Oberflächen bezeichnet, deren Kontaktwinkel θY in Verbindung mit einer bestimmten Flüssigkeit kleiner als 90° ist. In diesem Fall sind die Adhäsisonskräfte zwischen Festkörperoberfläche 8 und Fluid 6 größer als die Kohäsionskräfte des Fluids 6. Als entnetzend oder lyophob werden Oberflächen bezeichnet, deren Kontaktwinkel θY in Verbindung mit einem bestimmten Fluid größer als 90° ist. Bei vollständiger Benetzung beträgt der Kontaktwinkel θY theoretisch 0°, bei vollständiger Entnetzung 180°. Im letzteren Falle schrumpft die Dreiphasenkontaktlinie zu einem Punkt zusammen. Generell kann man sich die Oberflächenspannung eines abgegrenzten Volumens dabei als infinitesimal dicke „Membran” an der Grenzfläche des Volumens vorstellen, die das Volumen umspannt.
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Die sogenannte YOUNG-Gleichung beschreibt den direkten Zusammenhang zwischen dem Kontaktwinkel θY und den Grenzflächenspannungen, die sich zwischen den drei beteiligten Phasen ausbilden:
- • Flüssig-gasförmig σlv (engl. liquid-vapour)
- • Fest-flüssig σsl (engl. solid-liquid)
- • Fest-gasförmig σsv (engl. solid-vapour)
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Die YOUNG-Gleichung basiert auf der Erkenntnis, dass die Summe aller Grenzflächenspannungen in der Dreiphasenkontaktlinie null sein muss, wenn sich das System im thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Dazu muss σlv in die Ebene der Festkörperoberfläche 8 projiziert werden. Die YOUNG-Gleichung lautet: σlv·cosθY = σsv – σsl
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Sind alle Grenzflächenspannungen bekannt, kann über diese Gleichung der sich einstellende Kontaktwinkel ermittelt werden.
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Zusätzlich zu den bisherigen Betrachtungen weichen reale Oberflächen in ihrer Topografie vom theoretisch angenommenen, ideal ebenen und glatten Profil ab. Neben der Oberflächenrauheit auf atomarer Ebene spielen dabei auch Verunreinigungen oder sonstige Strukturierungen der Oberfläche eine Rolle. Wie in den 4 und 5 dargestellt, lassen sich auf Oberflächen mit Mikro- oder Nanostrukturen 10 nach Callies, Mathilde; Quéré, David: On water repellency, Review in: Journal of Soft Matter, 2005, No. 1, pp. 55–6 zwei grundlegende Zustände der Flüssigkeitsgrenzfläche ausmachen:
- • Szenario a – sogenannter WENZEL-Zustand (Wenzel, Robert N.: Resistance of Solid Surfaces to Wetting by Water, In: Journal of Industrial and Engineering Chemistry, 1936, Vol. 28, No. 8, pp. 988–994): Das Fluid 6 füllt die Unebenheiten vollständig aus bzw. „folgt” der Oberflächentopografie;
- • Szenario b – sogenannter CASSIE-BAXTER-Zustand (Cassie, A. B. D.; Baxter, S.: Wettability of Porous Surfaces, In: Trans. Faraday Soc., 1944, Vol. 40, pp. 546–551): Das Fluid 6 benetzt nur einen Teil der erhabenen Strukturen 10, während darunter Hohlräume 11 verbleiben, die mit dem umgebenden Gas 12 bzw. Dampf gefüllt sind.
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Im WENZEL-Zustand verursachen die Mikro- oder Nanostrukturen 10 auf der Festkörperoberfläche 8 eine Vergrößerung der Oberfläche des Fluids 6 und verstärken so die Benetzungseigenschaften in die jeweilige Richtung. Im CASSIE-BAXTER-Zustand liegt das Fluid 6 auf den erhabenen Festkörper- bzw. Nanostrukturen 10 auf. In denjenigen Bereichen oder Hohlräumen 11, in denen sich Gas 12 bzw. Dampf in den Vertiefungen befindet, stellt sich ein (gedachter) Kontaktwinkel von 180° ein. In diesem Zusammenhang wird oftmals von superlyophoben Oberflächen gesprochen. Der effektive (makroskopisch beobachtbare) Kontaktwinkel θmak ist dabei abhängig vom Verhältnis der Kontaktflächen jeweils zum Festkörper bzw. zum Gas/Dampf 12.
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In beiden Szenarien werden die Phänomene überlagert von der sogenannten Kontaktwinkelhysterese, die die Differenz zwischen Fortschreite- und Rückzugskontaktwinkel (der Fortschreitekontaktwinkel stellt sich während einer dynamischen Volumenzunahme an der Dreiphasenkontaktlinie ein, der Rückzugskontaktwinkel stellt sich während einer dynamischen Volumenabnahme ein) beschreibt und gleichzeitig ein Indikator dafür ist, welchen der beiden genannten Zustände ein Fluid 6 auf der Festkörperoberfläche 9 gerade einnimmt. Sie ist die Ursache für das Anhaften selbst entnetzender Tropfen auf Festkörperoberflächen. Im WENZEL-Zustand ist die Kontaktwinkelhysterese besonders groß. Im CASSIE-BAXTER-Zustand nimmt die Kontaktwinkelhysterese besonders geringe Werte an, da das Fluid 6 nur eine vergleichsweise kleine Kontaktfläche zum Festkörper hat.
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Ein Beispiel für die Wirkung von elektrischen Feldern auf das Benetzungsverhalten von Fluiden auf Festkörperoberflächen 8, die in der Erfindung Anwendung findet, ist der Electrowetting-Effekt. Der Begriff Electrowetting wurde in den 1980er Jahren eingeführt und bezeichnet, wie in 6 dargestellt, einen kondensatorähnlichen Aufbau, bei welchem die Festkörperoberfläche 8 eine erste Elektrode 13 bildet, auf welcher sich das Fluid 6 (i. d. R. in Form eines Tropfens) befindet. Die erste Elektrode 13 kann dabei mit einem Dielektrikum 14 (Electro-Wetting On Dielectrics – EWOD) beschichtet sein oder nicht (Electrowetting). Das Fluid 6 wird von einer zweiten Elektrode 15 (z. B. in Form eines Drahtes) elektrisch kontaktiert. Legt man nun zwischen den beiden Elektroden 13, 15 eine elektrische Spannung U1 an, so verändert sich der Kontaktwinkel θY des Fluids 6 auf der Festkörperoberfläche 8 in Richtung geringerer Kontaktwinkel θEW (6, Abb. b).
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Die These, dass die Grenzflächenspannung zwischen zwei Stoffen (z. B. flüssig-gasförmig oder flüssig-flüssig) durch das Anlegen einer elektrischen Spannung (sowohl Gleich- als auch Wechselspannung) herabgesetzt werden kann, spiegelt sich in der den Effekt beschreibenden YOUNG-LIPPMANN-Gleichung wieder:
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Hierbei ist θEW der Kontaktwinkel während der Electrowetting-Aktuierung, θY der YOUNGsche Kontaktwinkel, ε0 die elektrische Feldkonstante (Permittivität von Vakuum), εr die relative Permittivität bzw. Dielektrizitätskonstante des Dielektrikums, d die Dicke des Dielektrikums, σlv die Grenzflächenspannung flüssig-gasförmig und U die elektrische Spannung.
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Um den Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand herbeizuführen, können u. a. Temperaturfelder, Licht und elektrische Felder angewendet werden. Insbesondere der Electrowetting-Effekt und der Einfluss elektrischer Felder auf die Benetzbarkeit werden hier erfindungsgemäß benutzt, um das Verhalten von Flüssigkeiten auf lyophoben und superlyophoben, d. h. natürlicherweise unbenetzbaren Oberflächen dynamisch einstellen zu können.
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Die Mikro- bzw. Nanostrukturierung kann beispielsweise durch additive (z. B. Wachstum von Nanodrähten) oder durch subtraktive (z. B. Ätzen von Siliciumgras) Techniken erfolgen.
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Für die Realisierung einer erfindungsgemäßen Pumpe kann folgende Herangehensweise verwendet werden: Durch das Ätzen nanoskaliger Säulen auf einem Substrat wird eine hydrophobe Oberfläche erzeugt; der Säulendurchmesser beträgt 350 nm, ihre Höhe 7 μm. Der Rasterabstand der Säulen wird zwischen 1 und 4 μm variiert. Zur Erzeugung des typischen Electrowetting-Schichtaufbaus können die Strukturen thermisch oxidiert und auf diese Weise mit einer elektrisch isolierenden Schicht versehen werden. Die entnetzenden Eigenschaften der Strukturen können durch eine abgeschiedene Polymerschicht verstärkt werden. Das Fluid 6 wird nun z. B. über einen Platindraht als zweite Elektrode (in 8 nicht abgebildet) kontaktiert, das Substrat bildet die erste Elektrode. Das Anlegen einer elektrischen Spannung U führt nun gemäß der den Electrowetting-Effekt beschreibenden, fundamentalen YOUNG-LIPPMANN-Gleichung zu einer Kontaktwinkeländerung, die proportional zum Quadrat der elektrischen Spannung ist.
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Um eine schaltbaren Benetzung zu erreichen, muss die Systemantwortzeit sehr gering ausgelegt werden – die Änderung des Benetzungsverhaltens soll sich umgehend einstellen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das sich in die Mikro- oder Nanostruktur 10 hineinziehende Fluid 6 deren Grund erreicht.
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Um die beschriebenen Effekte für eine fluidische Systemkomponente nutzbar zu machen, wird erfindungsgemäß der Effekt genutzt, dass das Fluid reversibel vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand überführt werden kann, bzw. dass die entstehende Kontaktwinkeländerung (im Rahmen der Kontaktwinkelhysterese) reversibel ist. Der Übergang zwischen beiden Zuständen wird beispielsweise durch Electrowetting oder durch die Wirkung eines elektrostatischen Feldes realisiert. Er kann vollständig oder teilweise vollzogen sein.
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Erfindungsgemäß wird die beschriebene Veränderung der Eindringtiefe als Aktuierungsbewegung – d. h. als Quellenelement – genutzt, welches zur Erzeugung der Strömung dient. Das setzt voraus, dass die Aktuierungsbewegung reversibel und wiederholbar stattfindet. Dies kann durch geeignete Auslegung der Strukturierung erreicht werden. Dabei sind chemische und physikalische Gesichtspunkte der Materialen, Strukturen, Oberflächen und des zu fördernden Fluids zu beachten.
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Erfindungsgemäß ist der vollständige Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand und umgekehrt zwar als Aktuierungsbewegung geeignet, jedoch nicht zwingend notwendig: es genügt, wenn das Fluid zyklisch, aber nur teilweise in die Mikro- bzw. Nanostrukturen 10 hineingezogen wird. Auf diese Weise wird das Volumen der virtuellen Pumpkammer periodisch vergrößert bzw. verkleinert, sodass in Verbindung mit Ventilstrukturen eine Pumpwirkung erzielt wird (siehe auch 8).
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In 8 ist eine Längsschnittdarstellung einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung gezeigt. Abbildung a) zeigt den CASSIE-BAXTER-Zustand, Abbildung b) den zumindest teilweise erreichten WENZEL-Zustand. Die Pumpkammer 2 ist durch Ventilstrukturen 16, die einen Zufluss 3 und einem Abfluss 4 bilden, begrenzt. Auf der Innenwand 17 der Pumpkammer 2 ist ein lyophober Volumenänderungsabschnitt, in der dargestellten Ausführungsform ausgeführt als Mikro- oder Nanostrukturen 10, vorgesehen. Die Mikro- bzw. Nanostrukturen 10 auf der Festkörperoberfläche 8 der Innenwand 17 der Pumpkammer 2 können dabei durch Lithografieverfahren, insbesondere UV-Lithografie, Nano-Imprint-Lithografie (NIL) oder Elektronenstrahllithografie, selbstmaskierende Ätzprozesse (z. B. Siliciumgras bzw. black silicon) oder durch selbstorganisierende Wachstumsprozesse (z. B. carbon nanotubes) erzeugt werden.
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Durch den schnellen und wiederholten Wechsel zwischen CASSIE-BAXTER (Abbildung a) – und WENZEL-Zustand (Abbildung b) – je nachdem, ob eine elektrische Spannung U1 anliegt oder nicht – wird der effektive Kanalquerschnitt AK im betreffenden mikro- oder nanostrukturierten Kanalabschnitt – der Pumpkammer 2 – zyklisch vergrößert bzw. verkleinert. Die durch die Oberflächenspannung gebildete Grenzfläche des Fluids 6 bildet dabei eine virtuelle Membran 18. Damit geht summiert über die Grundfläche der Elektroden der Elektrodenanordnung (hier nicht dargestellt) eine Volumenänderung durch Vergrößerung und Verkleinerung der virtuellen Membran 18 einher, ohne dass sich dabei die physische Geometrie der Innenwand verändert. Durch die Kombination dieses veränderlichen, schaltbaren Volumens, welches dem Pumpenhub entspricht, mit der Ventilstruktur 16, welche eine Vorzugsrichtung für die periodische Strömung in das System einprägt (z. B. passive Mikroventile wie Düsen-Diffusor- oder Klappenmikroventile), wird eine Pumpwirkung erzielt.
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9 zeigt die in 8 dargestellte erfindungsgemäße Mikropumpe (ohne Elektrodenanordnung) in einer räumlichen Darstellung. Mit der virtuellen Membran 18 auf der Festkörperoberfläche 8 mit Mikro- und Nanostrukturen 10 als Aktor auf der Basis von Electrowetting ohne bewegte Elemente als Vorrichtung zum Transport von Fluiden. Der oben beschriebene Ansatz des Electrowettings auf (super)lyophoben Oberflächen wird mit den Ventilstrukturen 18, die hier als zwei passive Düsen-Diffusor-Mikroventile ausgeführt sind, kombiniert, die dem periodisch aktuierten Fluid eine Vorzugsrichtung einprägen, wodurch eine Pumpwirkung erzielt wird.
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Voraussetzung für die Erzeugung der Pumpwirkung ist in der dargestellten Ausführungsform die elektrische Kontaktierung oder anderweitige elektrische oder elektrostatische Beeinflussung des Fluids 6 selbst, während die Mikro- bzw. Nanostrukturen 10 in ihrer Gesamtheit als isolierte erste Elektrode dienen. Auf diese Weise liegt erfindungsgemäß ein elektrostatischer Aktor vor, in welchem das Fluid 6 gleichzeitig (verformbare und bewegliche) Elektrode und Dielektrikum ist (engl. leaky dielectric).
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Die dargestellte beispielhafte Ausführungsform kann folgendermaßen hergestellt werden: Sowohl der Kanal (Boden und Seitenwände der Mikropumpe, als auch die Ventilstrukturen 16 und die Mikro- oder Nanostrukturierung 10 werden mittels Trockenätzverfahren (z. B. reaktives Ionenätzen (RIE – reactive ion etching) oder tiefes reaktives Ionenätzen (DRIE – deep reactive ion etching, ASE – advanced silicon etch) gefertigt. Die metallische Beschichtung erfolgt durch PVD-Verfahren (z. B. Sputtern, Bedampfen), die dielektrische Beschichtung durch CVD-Verfahren (PECVD, LPCVD). Die Strukturierung erfolgt jeweils durch Lithografie in Kombination mit Ätzverfahren oder mit Lift-Off-Verfahren. Abschließend wird der Kanal gedeckelt, z. B. durch anodisches Bonden mit Glas. Dem Fachmann sind solche mikroelektronischen bzw. mikrosystemtechnischen Herstellungsverfahren bekannt.
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Es liegt weiterhin im Bereich der Erfindung, das anstelle der Pumpkammer 2 in Kombination mit Ventilstrukturen 16 auch mehrere Pumpkammern 2 seriell vom Fluid 6 durchströmt werden, wobei die Vorzugsrichtung durch peristaltische (d. h. phasenverschobene) Aktuierung in das Fluid 6 eingeprägt wird.
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Die erfindungsgemäße Mikropumpe kann im Zusammenhang mit dem heizbaren Membranabschnitt auch als Durchflusssensor nach dem Prinzip eines Hitzedrahtanemometers oder eines kapazitiven Sensors verwendet werden. In Verbindung mit speziellen Fluiden, die bei Temperaturänderung ihre Viskosität verändern, ist die Mikropumpe als schaltbares Ventil verwendbar.
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Bezugszeichenliste
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Verwendete Formelzeichen
- θEW
- Kontaktwinkel während der Electrowetting-Aktuierung
- θY
- YOUNGscher Kontaktwinkel
- θmak
- makroskopischer Kontaktwinkel
- ε0
- elektrische Feldkonstante (Permittivität von Vakuum)
- εr
- relative Permittivität des Dielektrikums,
- d
- Dicke des Dielektrikums,
- σlv
- Grenzflächenspannung flüssig-gasförmig
- σsl
- Grenzflächenspannung fest-flüssig
- σsv
- Grenzflächenspannung fest-gasförmig
- U1
- elektrische Spannung
- AK
- effektiver Kanalquerschnitt