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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung der Fahrsituation eines Kraftfahrzeugs sowie ein entsprechendes System nach dem Oberbegriff des betreffenden Hauptanspruchs.
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Aufgrund der zunehmenden Menge von im Fahrzeug zur Verfügung gestellten Informationen und den damit einhergehenden Anforderungen an den Fahrer, ist es notwendig ihn bei hoher Belastung aufgrund der Verkehrssituation gezielt zu entlasten.
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Aus der
DE 195 23 111 A1 ist eine Einrichtung zur Regelung des Abstandes eines Kraftfahrzeuges zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bekannt, wobei ein Abstandsregler mit einem künstlichen neuronalen Netzwerk vorgesehen ist, dem eingangsseitig Daten über die momentane Abstandsregeldifferenz zugeführt werden und der ausgangsseitig ein Stellsignal für den Antriebsstrang und/oder die Bremsanlage des Fahrzeugs abgibt, wobei das künstliche neuronale Netzwerk anhand eines nichtlinearen Fahrzeuglängsdynamikmodells unter Bewertung der abgegebenen Stellsignale mittels eines vorgegebenen Gütefunktionals trainiert wird.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren und ein System zur Entlastung des Fahrers.
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Diese Aufgabe wird durch die in den betreffenden unabhängigen Ansprüchen genannten Maßnahmen verfahrens- bzw. vorrichtungsmäßig gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Ein wesentlicher Aspekt des erfindungsgemäßen Verfahrens liegt in der Verwendung von in dem Kraftfahrzeug bereitgestellten Daten die den Wert mindestens einer Zustandsgröße des Fahrzeugs angeben. Diese Daten können zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens beispielsweise über den Datenbus des Kraftfahrzeugs zur Verfügung gestellt werden. In einem ersten Schritt wird ein die Historie der mindestens einen Zustandsgröße angebender Datensatz bereit gestellt. In einem zweiten Schritt wird in dem Kraftfahrzeug ein neuronales Netz durch einen entsprechend programmierten Rechner bereit gestellt. Das neuronale Netz des erfindungsgemäßen Verfahrens weist vorzugsweise mindestens eine Eingangs-Schicht und eine Ausgangs-Schicht auf und jede der Schichten hat eine Mehrzahl von Perzeptronen. In einem dritten Schritt wird der jeweilige Wert der mindestens einen Zustandsgröße des betreffenden Zeitpunkts, vorzugsweise wie alle anderen Werte auch auf den Bereich von 0 bis 1 normiert, jeweils einem Perzeptron des neuronalen Netzes zugeführt wird, und von den Perzeptronen der Ausgangs-Schicht des neuronalen Netzes, nachdem es trainiert worden ist, wird die aktuelle Fahrsituation ausgegeben.
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Ein Perzeptron ist eine durch Software gebildete mathematische Funktion (Software-Funktion), die aus Eingangswerten einen Ausgangswert berechnet, der an verschiedene Perzeptronen weitergeleitet wird. Die Eingangswerte werden gewichtet und der Ausgangswert des Perzeptrons ist eine Abbildungsfunktion der gewichteten Eingangswerte gemäß der Software-Funktion.
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Nachfolgend werden bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung näher erläutert.
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Ein bevorzugtes neuronales Netz ist ein Sigmoid-Netz, das vorzugsweise drei Schichten aufweist. Jedes Perzeptron wird in diesem Fall durch die an sich bekannte Sigmoid-Funktion gebildet. Sigmoid-Netze zeichnen sich vorteilhafterweise dadurch aus, dass der Ausgangswert des Perzeptrons bzw. der Software-Funktion weitgehend linear zum Eingangswert ist, was die Weiterverarbeitung vereinfacht.
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Bevorzugt wird der gegenwärtige Fahrzustand des Fahrzeugs aus einer zeitlichen Abfolge ermittelter Fahrsituationen festgestellt bzw. festgelegt. Einer zeitlichen Abfolge von ermittelten Fahrsituationen wird auf der Basis mindestens einer Zuordnungsvorschrift ein aktueller Fahrzustand zugeordnet. Anstelle des früheren Fahrzustands wird vorzugsweise erst dann ein neuer Fahrzustand festgelegt, wenn der neue Fahrzustand innerhalb eines zurückliegenden Zeitintervalls bereits mehrfach festgestellt bzw. festgelegt worden ist.
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Vorzugsweise wird jedem Perzeptron der Ausgangs-Schicht bzw. dessen Ausgangssignal eine andere Fahrsituation zugeordnet. Das maximale Ausgangssignal aller Ausgangssignale der Perzeptronen der Ausgangs-Schicht gibt die aktuelle Fahrsituation des Kraftfahrzeugs an.
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Bevorzugt gibt das Ausgangssignal, vorzugsweise das Signal-Maximum, des ersten Perzeptrons der Ausgangs-Schicht des neuronalen Netzes die Fahrsituation „Stop & Go“ an. Das Ausgangssignal, vorzugsweise das Signal-Maximum, des zweiten Perzeptrons der Ausgangs-Schicht des neuronalen Netzes gibt die Fahrsituation „Stadtverkehr“ an. Das Ausgangssignal, vorzugsweise das Signal-Maximum, des dritten Perzeptrons der Ausgangs-Schicht des neuronalen Netzes steht für die Fahrsituation „Cruise“. Das Ausgangssignal, vorzugsweise das Signal-Maximum, des vierten Perzeptrons der Ausgangs-Schicht des neuronalen Netzes steht für die Fahrsituation „Sport“. Zusammenfassend wird der Eingangs-Schicht des neuronalen Netzes bzw. dem entsprechenden Computer-Programm bei dieser Ausführungsform der Erfindung chronologisch jeweils ein Datensatz mit Zustandsgrößen des Kraftfahrzeugs zugeführt und chronologisch jeweils die Fahrsituation anhand des maximalen Ausgangssignals aller Perzeptronen der Ausgangs-Schicht ermittelt. Es versteht sich, dass die ermittelte Fahrsituation auch in mehr oder weniger Klassen („Stop & Go“ etc.) eingruppiert werden kann.
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Bei einem Ausführungsbeispiel der Erfindung gilt die Fahrsituation als unbestimmt, wenn die Differenz zwischen dem Wert des maximalen Ausgangsignals aller Perzeptronen der Ausgangs-Schicht und dem Wert des nächst kleineren Ausgangssignals des betreffenden Perzeptrons kleiner als 20 % ist. Dasselbe gilt alternativ oder ergänzend bei einem weiteren Ausführungsbeispiel, wenn der Wert des größten Ausgangssignals aller Perzeptronen der Ausgangs-Schicht kleiner als 10% seines Maximalwertes ist. Durch diese optionalen erfindungsgemäßen Maßnahmen ist es möglich nur solche Fahrsituationen zu berücksichtigen, die mit hinreichender Sicherheit ermittelt worden sind. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung des Fahrzustands auf der Basis ermittelter Fahrsituationen.
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Bei einer anderen bevorzugten Ausführungsform der Erfindung orientiert sich der Umfang bzw. das Ausmaß der an den Fahrer des Kraftfahrzeugs weitergegebenen Informationen am ermittelten Fahrzustand. Bevorzugt werden dem Fahrer durch das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System während eines ihn stark beanspruchenden Fahrzustands, z.B. schnelle Autobahnfahrt, Informationen mit hoher Ablenkung, wie z.B. ein Telefonanruf, zeitweise vorenthalten bzw. zur späteren Anzeige etc. bei einem weniger anstrengenden Fahrzustand gespeichert.
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Bei einer erfindungsgemäßen Ausführungsform bzw. einem erfindungsgemäßen Mensch-Maschine-Interface kann der Fahrer auswählen, welche Informationen bzw. welche Summe von Informationen ihm bei dem Fahrzustand einer ersten Klasse, wie z.B. „Stop & Go“, bei einer zweiten Klasse, z.B. „Stadtverkehr“ etc. angezeigt bzw. ausgegeben werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend unter Verwendung von Figuren näher erläutert. Es zeigen:
- 1 Ein Ablaufdiagramm zur Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Ermittlung der Fahrsituation und des Fahrzustands eines Kraftfahrzeugs; und
- 2 die Zustandsmaschine der 1 in detaillierterer Form.
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Für zukünftige Fahrzeuggenerationen ist es wichtig, die Benutzung der MMI-Systeme (MMI = Mensch-Maschine-Interface) und der Fahrzeugelektronik adaptiv an die Bedürfnisse des Fahrers anzupassen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass die Menge der angebotenen Informationen im MMI des Fahrzeugs in dynamischen Fahrsituationen (z.B. Sport- oder Autobahn-Fahrt) verringert wird, wobei dem Fahrer bei entspanntem oder gar ruhendem Fahren (z.B. Stop & Go) mehr Informationen angeboten werden.
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Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Fahrsituation, wie beispielsweise schnelles, konzentriertes Fahren auf einer Schnellstrasse oder Autobahn, suchendes Fahren in einem Innenstadtbereich oder entspanntes „Cruisen“ auf einer Landstrasse. Diese Fahrsituation gilt es durch ein Software-Verfahren zu „erkennen“ - möglichst auf der Basis von allgemein im Fahrzeug verfügbaren Daten. Idealerweise soll es möglich sein, mit im Fahrzeug ohnehin zur Verfügung stehenden Daten, beispielsweise Daten, Nachrichten bzw. Telegramme auf dem CAN-Bus des Fahrzeugs, die Fahrsituation zu erkennen. Ein Problem ist hierbei, dass eine Fahrsituation sehr subjektiv wahrgenommen wird. Außerdem kann man die Fahrsituation nicht punktuell aufgrund eines einzelnen Zeitpunkts bestimmen, sondern muss einen Zeitraum bestimmter Länge in der Vergangenheit berücksichtigen. Eine Vorraussetzung hierfür ist die autonome Erkennung der Fahrsituation durch das Fahrzeug selbst.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird auf einem erfindungsgemäßen Software-System ausgeführt, das mittels der über das elektronische Fahrzeug-Bussystem (z.B. CAN-Bus) vorwiegend ohnehin bereitgestellten Daten, die aktuelle Fahrsituation erkennt. Die optionale, ausschließliche Verwendung von ohnehin bereitgestellten Daten hat den Vorteil, dass keine zusätzliche Sensorik oder Steuergeräte benötigt werden - auch ein GPS System ist nicht unbedingt erforderlich.
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Das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System auf der Basis eines neuronalen Netzes, insbesondere eines Sigmoid-Netzes, eignet sich aber auch zur Erkennung von mehr, weniger oder anderen Fahrsituationen, wenn es auf die neuen Fahrsituationen trainiert wird - siehe unten. Im nachfolgend beschriebenen Ausführungsbeispiel werden die folgenden Fahrsituationen anhand von deren Charakteristika unterschieden:
- - Die Fahrsituation Stop & Go” ist gekennzeichnet durch Stau bzw. zähfließendem Verkehr bei niedrigen Geschwindigkeiten und oft Stillstand;
- - die Fahrsituation „Stadtverkehr“ zeichnet sich aus durch flüssigen Verkehr bei Geschwindigkeiten von ca. 15km/h bis ca. 70 km/h, häufige Lenkbewegungen und manchmal Stillstand;
- - die Fahrsituation „Cruise“ ist gekennzeichnet durch entspanntes Fahren bei Geschwindigkeiten über 70 km/h, wenig Lenkbewegungen und flüssiges Fahren, und
- - die Fahrsituation „Sport“ zeichnet sich aus durch sportliches Fahren, höhere Längs- und Querbeschleunigung und häufige Lenkbewegungen.
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Ein Aspekt der Erfindung liegt in der „Abschätzung“ der Ähnlichkeit der realen Fahrsituation mit den oben definierten Fahrsituationen, weil eine exakte Übereinstimmung so gut wie nie gegeben ist. Ein weiterer Aspekt ist, dass es sich bei Fahrsituationen um Situations-Muster handelt, die - um sie zuverlässig zu erkennen - über eine gewisse Zeitspanne beurteilt werden sollten. Würde man nur die aktuellen Daten, insbesondere CAN-Daten, zum jeweiligen Zeitpunkt verwenden (z.B. alle 500 ms) würde sich die Fahrsituation evtl. alle 500 ms ändern, was nicht erwünscht ist. So würde beispielsweise ein Ampel-Stop oder kurzes Halten bereits als „Stop & Go“ klassifiziert, während es sich vielleicht nur um eine kurze Unterbrechung der Fahrsituation „Cruise“ handelt. Bevorzugt wird das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System daher mit einer gewissen „Trägheit“ versehen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System wird bevorzugt durch eine Softwarelösung bzw. eine programmierte Ablaufsteuerung realisiert, die ein neuronales Sigmoid-Netz bildet. Das Sigmoid-Netz gibt nach dem kontinuierlichen Zuführen von Werten, die Zustandsgrößen des Fahrzeugs beschreiben, eine Klassifikation der auf der Basis der Werte ermittelten Fahrsituation aus. Mit anderen Worten: Das neuronale Netz bzw. Sigmoid-Netz liefert einen „Ähnlichkeitswert“, der die Ähnlichkeit der zugeführten Daten bzw. Werte mit gespeicherten Daten bzw. Werten angibt, die den o.g. Fahrsituationen entsprechen und im Rahmen eines Trainings des Sigmoid-Netzes bei den genannten Fahrsituationen ermittelt worden sind. Bei hoher Ähnlichkeit wird die den entsprechenden, gespeicherten Werten zugeordnete Fahrsituation als aktuell zutreffend angenommen. Als Eingangsgrößen in das Sigmoid-Netz werden in diesem Ausführungsbeispiel standardkonforme CAN-Nachrichten aus dem fahrzeugintemen und standardisierten CAN-Bus verwendet. Diese werden bevorzugt zeitlich diskretisiert und normalisiert. Ggf. können selbstverständlich ergänzend oder alternativ auch Daten eines anderen im Fahrzeug vorgesehenen Daten-Busses zur Bestimmung der Fahrsituation bzw. des Fahrzustands herangezogen werden.
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Eine Softwarekomponente greift in regelmäßigen Abständen, z.B. Abstände im Zeitintervall von ca. 500 ms bis ca. 2000 ms, die festgelegten Nachrichtentypen vom CAN-Bus ab und bereitet sie entsprechend auf. Hierbei werden die folgenden bekannten Datentelegramme des CAN-Busses ausgewertet:
- - CcarSpeed (Geschwindigkeit sowie Längs- und Querbeschleunigung des Fahrzeugs. CAN-Identifier: 416 Geschwindigkeit)
- - CgearBox (eingelegter Gang bzw. Wählhebelstellung. CAN-Identifier: 772 Status Gang)
- - CsteeringWheelAngle (enthält Positionsinformationen des Lenkrads).
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Es versteht sich, dass auch weniger oder mehr Datentelegramme bzw. Daten zur Berechnung der Fahrsituation und des Fahrzustands herangezogen werden können, wenn dies zweckdienlich oder nötig ist.
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Um die Erfindung leichter verstehen zu können, werden zunächst die Grundzüge des erfindungsgemäßen Verfahrens, ein Kurzabriss eines neuronalen Netzes der Erfindung und dann folgt eine detaillierte Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens bzw. Systems.
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Das erfindungsgemäße Verfahren gliedert sich grob in zwei Teile:
- Im ersten Schritt wird das erfindungsgemäße neuronale Netz, insbesondere ein Sigmoid-Netz, parametrisiert. Bei der Parametrisierung wird das neuronale Netz trainiert und die Übergänge und Parameter der „Trägheit“ des Systems werden eingestellt.
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In einem zweiten Schritt wird eine Berechnung der momentanen Fahrsituation und des aktuellen Fahrzustands im Fahrzeug vorgenommen. Der zweite Schritt gliedert sich in:
- - abgreifen relevanter Fahrzeugdaten vom CAN-BUS in angemessenen Zeitschritten,
- - Aufbereitung der Daten zur optimalen Auswertung,
- - Berechnung der aktuellen Fahrsituation zum momentanen Zeitpunkt auf Basis aktueller und vergangener CAN-Daten, und
- - Berechnung des aktuellen Fahrzustands.
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Neuronale Netze sind bekannte Verfahren bzw. Systeme aus der Informatik, die beispielsweise bei der Bild- oder der Spracherkennung zum Einsatz kommen. Ein neuronales Netz besteht aus einer Menge sog. Perzeptronen. Ein Perzeptron ist eine Softwarefunktion, die eine Menge von Eingabewerten besitzt und daraus einen Ausgabewert berechnet, der an verschiedene Perzeptronen als Eingabe weitergeleitet wird. Der Ausgabewert eines Perzeptrons ist das Ergebnis einer Abbildungsfunktion der gewichteten Eingangswerte (Inputs) gemäss der folgenden Funktion, bevorzugt die Sigmoid-Funktion:
,wobei „Inputs“ die Menge der gewichteten Eingabekanten ist.
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Ein neuronales Netz besteht aus n Schichten, die ihrerseits aus Perzeptronen bestehen, wobei ein Perzeptron der n-ten Schicht alle Perzeptron Ausgänge der (n-1)-ten Schicht als Eingabewerte hat. Bevorzugt wird ein dreischichtiges Sigmoid-Netz bei dem erfindungsgemäßen Verfahren bzw. System verwendet.
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Ein wichtiger Aspekt von Neuronalen Netzen besteht darin, dass sie „trainierbar“ und damit an die konkrete Aufgabenstellung anpassbar sind. Beim „Training“ wird das Netz durch Beispiele mit dem bekannten, sogenannten „Backpropagation“-Verfahren so eingestellt, dass es neue Eingabewerte ähnlich wie „Trainingswerte“ klassifiziert.
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Beim Training durch das „Backpropagation“-Verfahren wird an der Eingabe-Schicht des Sigmoid-Netzes ein zu erkennendes Signalmuster angelegt. Die Perzeptronen bzw. die entsprechenden Software-Komponenten führen eine Berechnung entsprechend der Sigmoid-Funktion durch. Das Ergebnis der Berechnung wird in Form eines Signalmusters von der Ausgabe-Schicht des Sigmoid-Netzes ausgegeben. Die Parametrisierung der Gewichte der einzelnen Perzeptronen erfolgt mittels bekannter Lernverfahren (Algorithmen), bei denen Beispiele von Eingabemustern angelegt werden und dementsprechende Ausgangsmuster vorgegeben werden. Der Algorithmus stellt dann die Gewichte derart ein, dass zu den vorgegebenen Eingangsmustern die vorgegebenen Ausgangsmuster berechnet bzw. gebildet werden.
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Beispiel der Erfindung: Das Eingangsmuster ist ein Satz CAN Nachrichten, die der Fahrsituation „Stadtverkehr“ entsprechen. Die Gewichte werden derart eingestellt, dass das Ausgangsmuster alle Perzeptronen der Ausgabeschicht liefert den Signalpegel 0, nur Perzeptron Nummer 2 liefert Signalpegel 1 ist. Signalpegel 1 an Perzeptron 2 sei stellvertretend für die Fahrsituation „Stadtverkehr“. Nach Abschluss des Trainings klassifiziert das Sigmoid-Netz der Erfindung reale Fahrsituationen in ähnlicher Weise wie bei den Beispielen des Trainings. Hierbei reicht es, wenn die realen Fahrsituationen bzw. deren Datenmuster den trainierten Fahrsituationen bzw. deren Datenmuster ähnlich sind. Eine volle Übereinstimmung ist zur weitgehend zuverlässigen und richtigen Klassifizierung vorteilhafterweise nicht erforderlich.
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Nachfolgend wird das im Fahrzeug vorgesehene erfindungsgemäße Verfahren bzw. System detaillierter beschrieben:
- In einer ersten Stufe wird die Fahrsituation in regelmäßigen zeitlichen Abständen aufgrund der momentanen relevanten CAN-Daten und einer bestimmten Datenhistorie dieser Daten mittels des 3-schichtigen neuronalen Netzes, vorzugsweise ein Gradienten- oder Sigmoid-Netz, bestimmt. Beispielsweise wird alle 0,5 Sekunden die aktuelle Fahrsituation unter Verwendung der Geschwindigkeits- und Beschleunigungsdaten zum aktuellen Zeitpunkt t und den Daten zu den Zeitpunkten t - 2 Sekunden und t - 4 Sekunden bestimmt.
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Danach wird in einer zweiten Stufe aufgrund der aktuellen Fahrsituation und der vergangenen erkannten Fahrsituationen der Fahrzustand bestimmt. Bei der Bestimmung des Fahrzustands geht die aktuelle erkannte Fahrsituation, die vergangenen erkannten Fahrsituationen und der momentane Fahrzustand mit ein.
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Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Ist der aktuelle Fahrzustand „Stadtverkehr“ und wird wiederholt „Stop & Go“ als Fahrsituatiön erkannt, so wird erst nach 8-fach kontinuierlichem Erkennen der Fahrsituation „Stop & Go“ auch der Fahrzustand auf „Stop & Go“ gesetzt bzw. als gegeben angesehen. Ansonsten würde im Stadtverkehr bereits eine einzige Ampel dazu führen, dass der Fahrzustand auf „Stop & Go“ gesetzt wird. Befindet sich das Fahrzeug allerdings im Fahrzustand „Cruise“, so wird bevorzugterweise hier ein „Stop & Go“ schon nach 3-fach kontinuierlich erkanntem Fahrzustand „Stop & Go“ auf „Stop & Go“ als Fahrzustand gesetzt.
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Wie im Ablaufdiagramm 100 der 1 dargestellt, greift eine Softwarekomponente 2 die zur Ermittlung der Fahrsituation erforderlichen Daten in geeigneten Zeitabständen, vorzugsweise 0,5 bis 2 Sekunden, vom CAN-Bus 1 ab und bildet eine Historie v (t), v (t-1), v (t-2) etc. abgegriffener Daten. Die Daten der Datenhistorie werden den Perzeptronen der Eingangsschicht des dreischichtigen Sigmoid-Netzes 3 zugeführt, das nach einer Parametrisierung und eines Trainings des Systems die berechnete momentane Fahrsituation 4 ausgibt. Die ermittelten Fahrsituationen werden einer sogenannten Zustandsmaschine 5 zugeführt, die auf der Basis der nachfolgenden Vorschriften aus den ausgegebenen Fahrsituationen den aktuellen Fahrzustand berechnet und ausgibt. Die unterschiedlichen Fahrzustände sind beispielhaft mit A, B, C, und D in 1 bezeichnet. Dies geschieht fortlaufend unter Verwendung der fortschreitenden Datenhistorie.
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Das Sigmoid-Netz wird mittels des Backpropagations- bzw. Gradientenabstiegs-Verfahrens auf die als zweckmäßig erachteten Fahrsituationen trainiert. D.h. bestimmten (typischen) Eingangsdaten in das Sigmoid-Netz wird eine bestimmte Fahrsituation zugeordnet und die Gewichtungen im Sigmoid-Netz derart eingestellt, dass dasjenige Ausgangs-Perzeptron einen Maximalwert zeigt, das für eine bestimmte Fahrsituation steht, die der zugeordneten Fahrsituation entspricht.
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Durch die Zustandsmaschine 5 wird einer Historie von Fahrsituationen ein Fahrzustand entsprechend der Tabelle in 2 zugeordnet. Diese Zuordnung bzw. Tabelle beruht auf Erfahrungswerten.
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Die Schritte des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Fahrsituation und des Fahrzustands wird nachfolgend anhand fiktiver Daten beispielhaft erläutert:
- 1. Abgreifen der relevanten Telegramme auf dem CAN-Bus in einem bestimmten Zeitintervall - z.B. alle 0,5 bis 2 Sekunden.
- 2. Aufbereitung der CAN-Daten zu einem Eingabevektor mit den folgenden Parametern:
- a Geschwindigkeit
- b Lenkwinkel wird über den Zeitraum des Fensters (t-1, t) kontinuierlich gemessen und gemittelt
- c Quer-Beschleunigung wird über den Zeitraum des Fensters (t-1, t) kontinuierlich gemessen und gemittelt
- d Längs-Beschleunigung wird über den Zeitraum des Fensters (t-1, t) kontinuierlich gemessen und gemittelt
- e Status Gang
Anschließend werden alle Daten normalisiert, so dass sie einen Wert zwischen 0 und 1 besitzen. - 3. Einspeisen der Eingabevektoren , und in das Sigmoid-Netz. Berechnung des aktuellen Fahrsituation aufgrund der aktuellen und letzten beiden Datensätze - also eine Beurteilung auf der Basis der Geschwindigkeit, des Lenkverhaltens und der Schaltung der letzten 6 Sekunden. Folgende Ausgaben der Ausgabeschicht des Sigmoid-Netzes werden verarbeitet:
- a. Perzeptron 0 ist Maximum: Fahrsituation = Stop & Go
- b. Perzeptron 1 ist Maximum: Fahrsituation = Stadtverkehr
- c. Perzeptron 2 ist Maximum: Fahrsituation = Cruise
- d. Perzeptron 3 ist Maximum: Fahrsituation = Sport
- e. Ist die Differenz zwischen erstem Maximum und zweitem Maximum < 0.2 oder Maximum ist <0.1 gilt die Fahrsituation als undefiniert.
- 4. Die aktuelle Fahrsituation, die alle 2 Sekunden berechnet wird, bestimmt den Fahrzustand folgendermaßen:
- f. Befindet sich das System zum Zeitpunkt im Fahrzustand A, erkennt Fahrsituation B und es wurde zum Zeitpunkt Fahrsituation C erkannt, so gilt:
- i. C = undefiniert, d.h. es bleibt beim noch aktuellen Fahrzustand
- ii. der der Fahrsituation B zugeordnete Wert ist größer oder gleich dem Wert der der Fahrsituation C zugeordnet ist: Ein Zählerstand Z wird um eins erhöht. Der Wert der betreffenden Fahrsituation sei festgelegt mit: „Stop & Go“ = 0, „Stadtverkehr“ = 1, „Cruise“ = 2, „Sport“= 3.
- g. Findet ein Fahrzustandswechsel statt, so wird der Zählerstand Z auf 0 gesetzt. Wird wiederholt die gleiche Fahrsituation erkannt, so verändert sich der ermittelte Fahrzustand. Dies geschieht durch eine Zustandsmaschine, die den Zählerstand in der Weise berücksichtigt, wie in der Tabelle der 2 angegeben. D.h. beispielsweise:
- - wird der Fahrzustand „Sport“ 4 mal hintereinander bzw. kontinuierlich über 8 Sekunden erkannt und ist der aktuelle Fahrzustand noch der Fahrzustand „Stop & Go“, so gilt der Fahrzustand „Sport“ als aktuell gegeben
- - wird der Fahrzustand „Cruise“ 8 mal hintereinander bzw. kontinuierlich über 18 Sekunden erkannt und ist der aktuelle Fahrzustand noch der Fahrzustand „Stadtverkehr“, so gilt der Fahrzustand „Cruise“ als aktuell gegeben.
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Das Verfahren kann mit verschiedenen Parametern (Historie, CAN-Daten etc.) angewendet werden. Daher folgt hier noch einmal eine allgemeine Beschreibung des Verfahrens.
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Das Verfahren hängt von der Menge der n Eingabeparameter, der Breite des Zeitfensters „delta“ und der Länge der Historie, in die zurückgeblickt wird, k · delta, ab. Das Verfahren gliedert sich grob in folgende Schritte:
- 1. Abgreifen, Diskretisierung und Aufbereitung der s Eingangs-Parameter:
- a. Abgreifen der Eingangsparameter zum Zeitpunkt t:
- b. Abgreifen der Eingangsparameter zum Zeitpunkt t+1 = t+delta:
- c. Bei manchen Signaltypen, die zwischen den Zeittakten t und t+1 schwanken, ist es von Nutzen die Werte zu mitteln. Wird das Signal p im Zeitfenstern [t, t+1] n-mal auf dem Bus ausgegeben, so wird berechnet:
- d. Wiederholen von Schritt 2 k-mal, so dass ein Eingabevektor zur Zeit t0 der folgenden Form entsteht:
- e. Normalisieren der Eingangsparameter, so dass alle Werte
- f. Eine eventuelle numerische Differenzierung nach t ausgewählter Signale erhöht die Erkennerleistung.
- 2. Berechnung des Eingabevektors mit Hilfe des dreischichtigen Sigmoid-Netzes
Ein Eingabesignalvektor der definierten Form aus 1.d wird in diskreten Zeitabständen delta in das Sigmoid-Netz eingespeist. Hierbei werden die Daten durch den Eingabevektor durchgeschoben („Sliding Window“).
- a. Für die Berechnung wird ein dreischichtiges Sigmoid-Netz verwendet, das jeweils ein Eingabeperzeptron für jeden zeitlichen Eingangswert hat (also k*n Eingangsperzeptronen).
- b. Anstelle der numerischen Differenzierung aus Punkt 1.d kann auch ein zweiter Hidden layer im Netz verwendet werden.
- c. Die Anzahl der Ausgabeperzeptronen ist gleich der Anzahl der zu erkennenden Fahrsituationen.
- 3. Berechnung der Fahrsituation:
- a. Perzeptron k ist Maximum: Fahrsituation k gilt als gegeben
- b. Ist die Differenz zwischen erstem Maximum und zweitem Maximum < 0.2 oder Maximum ist <0.1, so wird als erkannte Fahrsituation „undefiniert“ ausgegeben.
- 4. Auswertung und Zeitverzögerung durch Zustandsmaschine:
- Die aktuelle Fahrsituation, die periodisch bzgl. delta berechnet wird, hat nun folgenden Einfluss auf den ermittelten Fahrzustand.
- a. Befindet sich das System zum Zeitpunkt im Fahrzustand A, erkennt Fahrsituation B und es wurde zum Zeitpunkt Fahrsituation C erkannt, so gilt:
- i. C = undefined; es bleibt beim aktuellen Fahrzustand
- ii. Wert der Fahrsituation B größer oder gleich dem Wert der Fahrsituation C: Der Zählerstand Z wird um eins erhöht. Hierbei gilt eine zu definierende Ordnung der Fahrsituationen, d.h. den Fahrsituationen sind Werte, z.B. 0, 1, 2, 3, und 4 zugeordnet.
- b. Wurde wiederholt die gleiche Fahrsituation erkannt, so verändert sich der Fahrzustand. Dies geschieht durch die Zustandsmaschine, indem der Zählerstand Z entsprechend berücksichtigt wird (vgl. oben).
- c. Erreicht Z den definierten Wert, so wechselt der Fahrzustand und Z wird auf Null gesetzt.
- 5. Das Verfahren beginnt erneut bei Schritt 1.
Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System eine verlässliche Bestimmung der Fahrsituation und des Fahrzustandes ermöglicht. D.h. es wird die tatsächliche Fahrweise als Eingabe herangezogen, nicht die Fahrtumgebung (z.B. „Autobahn“) und die damit vermutete Fahrweise. Systeme, die auf Ortsbestimmung basieren („wenn auf der Autobahn (via GPS bestimmt), dann gilt Fahrsituation als „Schnelles Fahren“), sind ungenauer, weil die tatsächliche Fahrweise durchaus anders sein kann. Durch das hier beschriebene Verfahren und System ist es möglich, die Fahrsituation, unabhängig von der Fahrumgebung zu bestimmen. Wenn der Fahrer z.B. auf der Landstrasse ein Fahrverhalten, wie auf der Autobahn, zeigt, wird auch die Fahrsituation Autobahn erkannt - unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten.
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Das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System kann vorteilhafterweise - muss es aber nicht - auf Basis der ohnehin im Fahrzeug vorhandenen standardisierten CAN-Daten oder sonstigen Daten, die in jedem Fahrzeug, ohne dass es einer Sonderausstattung, wie ein Navigationssystem mit GPS, bedarf, in kostengünstiger Weise realisiert werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System ist leicht parametrisierbar und lässt sich somit flexibel an veränderte Rahmenbedingungen (z.B. neuer Fahrzeugtyp) anpassen. Ferner stellt es nur geringe Hardware-Anforderungen (CPU, Speicherverbrauch) und benötigt keine zusätzliche Sensorik. Auch unter diesem Aspekt kann es daher dem Fahrer kostengünstig zur Verfügung gestellt werden kann.
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Das erfindungsgemäße Verfahren bzw. System zur Fahrsituations- und/oder Fahrzustandserkennung kann zur fahrsituations- und/oder fahrzustandsabhängigen Adaption jeglicher entsprechend adaptierbarer Fahrzeugfunktionen bzw. Fahrzeugsysteme verwendet werden. Beispiele hierfür sind:
- - adaptive Getriebesteuerung
- - adaptives Fahrwerk
- - „Adaptive Cruise Control“
- - Anpassung des Maßstabs der Navigationskarte auf dem Display eines elektronischen Navigationssystems je nach erkannter Fahrsituation
- - adaptive Lenkübersetzung beim „Active Front Steering“
- - adaptive Leuchtweitenregulierung bzw. adaptive Leuchtkegelanpassung.
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Eine weitere mögliche Anwendung ist der fahrsituations- und/oder fahrzustandsabhängige Betrieb von Mensch-Maschine-Interfaces zur Entlastung des Fahrers, z.B. kann sich die Menge der an den Fahrer weitergeleiteten Informationen am aktuellen Fahrzustand orientieren. Selbstverständlich gibt es zahlreiche weitere Anwendungen unter Berücksichtung des aktuellen Fahrzustands.