DE10351021A1 - Carboplatin-artige Platin (II)-Komplexe - Google Patents

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Henri Prof. Dr. Brunner
Nick Dipl.-Chem. Gruber
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Universitaet Regensburg
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    • C07ORGANIC CHEMISTRY
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    • C07F15/00Compounds containing elements of Groups 8, 9, 10 or 18 of the Periodic Table
    • C07F15/0006Compounds containing elements of Groups 8, 9, 10 or 18 of the Periodic Table compounds of the platinum group
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Abstract

Die Erfindung betrifft Carboplatinderivate, Arzneimittel, enthaltend dieselben, sowie die Verwendung der Carboplatinderivate zur Herstellung von Arzneimitteln für die Tumortherapie.

Description

  • Die zytostatische Wirkung von cis-Diammin(dichloro)platin(II) (Cisplatin), eines aufgrund der d8-Konfiguration des Metalls quadratisch-planaren Komplexes, wurde in den sechziger Jahren durch Zufall von B. ROSENBERG entdeckt. Er untersuchte den Einfluss schwachen Wechselstroms auf das Wachstum von Escherichia coli-Bakterien und verwendete dazu scheinbar inerte Platinelektroden. Das Ergebnis war eine Hemmung der Zellteilung ohne gleichzeitige Inhibition des Bakterienwachstums, was zur Bildung langer, fadenförmiger Zellen führte. Im Laufe der Untersuchungen stellte sich heraus, dass nicht der elektrische Strom selbst, sondern die in Spuren durch Oxidation der Platinelektrode gebildeten cis-konfigurierten Chlorokomplexe wie cis-Diammin(dichloro)platin(II) ("Cisplatin") oder cis-Diammin(tetrachloro)platin(IV) für diesen biologischen Effekt verantwortlich waren.
  • Das seit 1978 zugelassene Cisplatin wird als Einzelpräparat oder in Verbindung mit anderen, synergistisch wirkenden Zytostatika wie Bleomycin, Vinblastin, Methotrexat, Adriamycin, Cyclophosphamid, Doxorubicin oder Ethidiumbromid gegen Hoden-, Ovarial-, Blasen- und Lungenkarzinome sowie gegen Tumore im Hals-Kopf-Bereich eingesetzt. Die deutlich gesunkene Mortalität bei Hoden- und Blasenkrebs ist zumindest teilweise auf die bis über 90 % angestiegenen Heilungschancen für diese Tumorarten zurückzuführen.
  • Die Cisplatin-Therapie ist in der klinischen Anwendung mit einer Reihe gravierender Nebenwirkungen verbunden. Das intravenös verabreichte Cisplatin führt zu unmittelbaren Nebenwirkungen wie Beeinträchtigungen des Gastrointestinalbereichs (Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen), Nephrotoxizität (nierenschädigende Wirkung), Ototoxizität (Gehörschädigung), Myelotoxizität (knochenmarkschädigende Wirkung) und peripheren Neuropathien (Schädigung peripherer sensibler Nerven) sowie psychischen Belastungen. Die toxikologische Wirkung von Cisplatin beruht hauptsächlich auf der Koordination von Platin an Thiolgruppen von Proteinen. Der dosislimitierende Faktor ist heute vor allem die Myelotoxizität, da die starke Nephrotozität durch zusätzliche Gabe von Schwefelverbindungen, wie Thioharnstoff oder Natriumdiethyldithiocarbamat, sowie durch Hydration und Mannitol-induzierte Diurese verringert werden kann, weil die renale Ausscheidung von Platinverbindungen beschleunigt wird. Um Übelkeit und Erbrechen abzumildern, werden Antagonisten von Dopamin und Serotonin verabreicht, und Schwefelverbindungen wie Glutathion können neurotoxische Effekte reduzieren.
  • Problematisch beim klinischen Einsatz von Platinverbindungen ist auch die in den Tumorzellen auftretende Wirkstoffresistenz bei längeren Therapieanwendungen. Man diskutiert verschiedenste Mechanismen der Resistenzentwicklung, wie Veränderungen des transmembranen Transports von Cisplatin, Deaktivierung von Cisplatin durch intrazelluläre Thiole wie Glutathion oder Metallothionein, verbesserte DNA-Reparaturfähigkeit, Beeinflussung der Aktivität der Proteinkinase, Variationen im Folat-Metabolismus und in der Expression von Onkogenen.
  • Als bestes Analogon zu Cisplatin erwies sich bisher Carboplatin ( US 4,657,927 ), das seit 1990 auf dem Markt ist. Carboplatin zeigt eine mit Cisplatin vergleichbare Wirksamkeit bei Ovarial-, Bronchial- und Zervix-Karzinomen sowie Kopf- und Halstumoren. Ein wesentlicher Vorteil von Carboplatin liegt in der erheblich reduzierten Nephrotoxizität, die im angewendeten Dosisbereich keine Rolle mehr spielt, einem geringeren emetischen Potenzial, d. h. Verminderung von Übelkeit und Erbrechen, und der verringerten Neurotoxizität und Ototoxizität. Dies wird allerdings mit einer stärkeren Knochenmarktoxizität und damit einhergehender Thrombozytopenie und Leukozytopenie erkauft. Diese Myelotoxizität ist für Carboplatin dosislimitierend. Im Unterschied zu Cisplatin trägt Carboplatin als Abgangsgruppe die 1,1-Cyclobutandicarbonsäure und ist damit gegenüber Hydrolyse stabiler. Die nicht koplanare Struktur von Carboplatin aufgrund des tetraedrisch konfigurierten Spiro-Kohlenstoffatoms führt möglicherweise zu einem verminderten Abbau zu schädigenden Derivaten. So beträgt die Halbwertszeit im Blutplasma bei 37°C für Carboplatin 30 Stunden, für Cisplatin jedoch nur 1,5 bis 3,6 Stunden (S. Hanessian, J. Wang, Can. J. Chem. 1993, 71, 896).
  • Figure 00040001
  • In US 4,657,927 wurden Platin(II)malonatokomplexe mit der Formel [Pt(II)Ax(OOC)2-CRR1] beschrieben, wobei A aus NH3-Gruppen (x = 2) und R bzw. R1 jeweils aus H-Atomen, Alkyl-, Aryl-, Aralkyl-, Alkenyl-, Cycloalkenyl-, Alkoxy- oder OH-Gruppen bestehen können bzw. R und R1, mit dem C-Atom derartig kombiniert werden können, dass Cycloalkyl- oder Cycloaklenylgruppen und deren substituierte Derivate gebildet werden. Ein Cl- und OH-substituierter Cycloalkylrest, findet keine Erwähnung.
  • Ausgehend hiervon ist es die Aufgabe der vorliegenden Erfindung neue Carboplatinderivate anzugeben, die insbesondere in der Tumortherapie eingesetzt werden können und die wirksamer sind als die bisher bekannten.
  • Diese Aufgabe wird durch die Carboplatinderivate mit dem Merkmal des Anspruchs 1, Carboplatin enthaltende Arzneimittel mit den Merkmalen des Anspruchs 16 und die in Anspruch 17 beschriebene Verwendung gelöst.
  • Erfindungsgemäß werden Carboplatinderivate der allgemeinen Formel I
    Figure 00040002
    mit
    R1 bis R6 unabhängig voneinander H, F, Cl, Br, I, OH, OR' mit R7 = Alkyl, Aryl, Acetyl oder Acyl, CnF2n+1, wobei mindestens einer der Reste R1 bis R6 nicht gleich H ist,
    R8 und R9 unabhängig voneinander NH3; NH2R10 mit R10 = Alkyl, Aryl, rac-1,2-Diaminocyclohexan, RR-1,2-Diaminocyclohexan, SS-1,2-Diaminocyclohexan, H2N-CHR11-CHR12-NH2 mit R11 und R12 unabhängig voneinander Alkyl, Aryl, C5H4N-CHR13-NH2 mit R13 = H, Alkyl, Aryl oder 1,1'-Bipyridyl
    bereitgestellt.
  • Weitere bevorzugte Verbindungen sind den Ansprüchen 2 bis 15 zu entnehmen.
  • Die Erfinder konnten nun überraschenderweise zeigen, dass durch Einführung von Elektronen-anziehenden Substituenten wie z. B. Halogenen oder Hydroxylgruppen in Carboplatin das Wirkprofil derartiger Carboplatinderivate im Vergleich zu Cisplatin und Carboplatin deutlich verbessert wird.
  • Besonders bevorzugt ist, wie aus den nachfolgenden Untersuchungen hervorgeht, das Carboplatinderivat bei dem R1 Chlor ist.
  • Die Erfindung betrifft weiterhin Arzneimittel, die die vorstehend beschriebenen Carboplatinderivate enthalten. Die Arzneimittel enthalten selbstverständlich an und für sich bekannte Träger und Hilfsstoffe, damit eine entsprechend verträgliche Formulierung hergestellt werden kann.
  • Die Erfindung betrifft weiterhin die Verwendung der Carboplatinderivate nach der allgemeinen Formel I zur Herstellung eines Arzneimittels für die Tumortherapie. Wie nachfolgend gezeigt wird, hat es sich herausgestellt, dass die neuartigen Carboplatinderivate hierfür besonders geeignet sind.
  • Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Herstellungsbeispielen und Versuchsergebnissen näher erläutert.
  • Beispielgruppe 1
  • Diamminplatin(II)-Komplexe
  • 1. Aktivierung von Cisplatin
  • 1.1. Allgemeines
  • Um das Diamminplatin(II)-Fragment in Komplexe mit entsprechenden Abgangsgruppen einbauen zu können, ist es notwendig, Cisplatin in ein aktiviertes Hydrolyseprodukt zu überführen. Man rührt Cisplatin eine Woche lang unter Lichtausschluss mit zwei Moläquivalenten Silbernitrat in wässriger Lösung. Dabei werden die beiden Chlorid- durch Aqualiganden ersetzt. Silberchlorid fällt aus und Nitrationen sorgen für den Ladungsausgleich. Anschließend tauscht man die Nitratgegen Hydroxidionen, indem man über einen stark basi schen Ionenaustauscher chromatographiert. Es bildet sich hierbei cis-Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid 2, das man zur Komplexierung im Lösungsmittelgemisch Wasser/Ethanol (1:1) aufnimmt (1).
  • 1.2. Vorschrift für Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid (2)
  • 300 mg (1,00 mmol) Cisplatin werden in 50 ml H2O im Ultraschallbad suspendiert. Dazu gibt man eine Lösung von 340 mg (2,00 mmol) AgNO3 in 10 ml H2O. Anschließend wird 7 d unter Lichtausschluss bei RT gerührt. Das ausgefallene AgCl wird über ein Membranfilter abgesaugt, wobei man ein farbloses Filtrat erhält. Dieses wird auf einen aktivierten, stark basischen Ionenaustauscher (Fa. Merck, Ionenaustauscher III) gegeben und das Eluat aufgefangen. Die Aktivierung erfolgt, indem man den Ionenaustauscher zunächst mit 100 ml 2 N NaOH spült und dann solange mit H2O eluiert, bis das ablaufende Eluat einen pH-Wert von 9 aufweist. Nach Abziehen des Lösungsmittels im ÖV erhält man einen glasigen, lichtempfindlichen Rückstand, der im Dunkeln bei –20°C über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden kann. Erst unmittelbar vor der Verwendung nimmt man den Rückstand in 50 ml H2O/EtOH (1:1) auf.
  • 2. Darstellung der Diamminplatin(II)-Komplexe
  • 2.1. Allgemeines
  • Um eine Komplexierung der 1,1-Cyclobutandicarboxylato-Liganden, die sich von 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäure 9 und 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäure 14 ableiten, mit dem wasserlöslichen cis- Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid 2 zu erreichen, müssen die Liganden in Wasser oder zumindest in einem mit Wasser mischbaren Solvens wie Methanol, Ethanol, Tetrahydrofuran, Aceton oder Dimethylforamid gelöst werden.
  • In diesem Fall werden die Liganden 9 und 14 in Wasser gelöst. Nach Zugabe einer äquimolaren Menge Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid-Lösung wird die Reaktionslösung fünf Tage bei Raumtemperatur unter Lichtausschluss gerührt. Das gebildete metallische Platin wird abfiltriert und das Lösungsmittel des Filtrats im Ölpumpenvakuum bis zur Trockne abdestilliert. Das gelbliche Rohprodukt wird zur Reinigung aus Wasser umkristallisiert. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht erhitzt wird, da sonst eine Zersetzung des Komplexes stattfindet. Mit Hilfe dieser Methode konnten die zwei neuen Carboplatin-artigen Komplexe cis-Diammin(3-chlor-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) 89 und cis-Diammin (3-hydroxy-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) 90 synthetisiert werden (2).
  • Die beiden Komplexe 89 und 90 können in Form von farblosen Kristallen isoliert werden. Die Wasserlöslichkeit beider Verbindungen liegt im Bereich von Carboplatin bei etwa 18 g·l–1. Es ist allerdings deutlich zu erkennen, dass der Hydroxy-Komplex 90, wie zu erwarten, besser wasserlöslich ist als der entsprechende Chlor-Komplex 89.
  • Vergleicht man die Synthesewege von Carboplatin und der Komplexe 89 und 90 hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, so wird deutlich, dass die Verbindung 89 und 90 wesentlich aufwändiger herzustellen sind als Carboplatin. Während bei Carboplatin das Cyclobutan dicarbonsäure-Fragment relativ einfach durch Kondensation von 1,3-Dibrompropan mit Malonsäurediethylester dargestellt werden kann, erfolgt die Darstellung der Carboplatin-artigen Komplexe 89 und 90 über eine mehrstufige, aufwändige Synthese.
  • 2.2. Darstellung von Cl-Carboplatin (89)
  • 2.2.1. Ligandensynthese
  • Ausgangsverbindung für die Synthese von 1,1-Cyclobutandicarbonsäuredichlorid ist die käufliche 1,1-Cyclobutandicarbonsäure. Zu dieser wird langsam ein Überschuss an frisch destilliertem Thionylchlorid zugetropft. Das Reaktionsgemisch wird anschließend unter Feuchtigkeitsausschluss unter Rückfluss erhitzt, bis die Gasentwicklung beendet ist. Bei der Reaktion entstehen die gasförmigen Produkte O2 und HCl. Dann destilliert man den Überschuss an Thionylchlorid auf dem Wasserbad ab. Die Reinigung des gelblichen, flüssigen Rohprodukts erfolgt durch fraktionierte Destillation im Wasserstrahlvakuum.
  • Für die radikalische Chlorierung wird 1,1-Cyclobutandicarbonsäuredichlorid mit katalytischen Mengen AIBN und äquimolarer Menge frisch destilliertem Sulfurylchlorid leicht erwärmt, wobei eine exotherme Reaktion zu beobachten ist. Das orangefarbene Rohprodukt enthält als Verunreinigung noch Edukt und wird durch mehrmalige fraktionierte Destillation gereinigt. Es ist bekannt, dass die radikalische Chlorierung von 1,1-Cyclobutandicarbonsäure mit Sulfurylchlorid eine hohe Selektivität aufweist, sodass die Chlorierung praktisch ausschließlich in 3-Position erfolgt.
  • Um 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäure zu erhalten, muss das 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäuredichlorid hydrolysiert werden. Dazu wird 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäuredichlorid mit einem leichten Überschuss Wasser versetzt und auf dem Wasserbad milde erwärmt. Nach kurzer Induktionsperiode setzt eine exotherme Reaktion ein. Durch Extraktion der wässrigen Phase mit Diethylether kann 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäure als farbloser Feststoff in guten Ausbeuten isoliert werden.
  • 2.2.2. Komplexsynthese allgemein
  • Die Komplexierung mit dem Platinfragment erfolgt nach bewährtem Schema. Man rührt Cisplatin eine Woche lang unter Lichtausschluss mit zwei Moläquivalenten Silbernitrat in wässriger Lösung. Dabei werden die beiden Chlorid- durch Aqualiganden ersetzt. Silberchlorid fällt aus und Nitrationen sorgen für den Ladungsausgleich. Anschließend tauscht man die Nitrat- gegen Hydroxidionen aus, indem man über einen stark basischen Ionenaustauscher chromatographiert. Es bildet sich hierbei cis-Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid, das man zur Komplexierung im Lösungsmittelgemisch Wasser/Ethanol (1:1) aufnimmt. Zunächst wird 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäure in Wasser gelöst. Nach Zugabe einer äquimolaren Menge Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid-Lösung wird die Reaktionslösung fünf Tage bei Raumtemperatur unter Lichtausschluss gerührt. Der gebildete grauschwarze Niederschlag wird abfiltriert und das Lösungsmittel des Filtrats im Ölpumpenvakuum bis zur Trockne abdestilliert. Das gelbliche Rohprodukt wird zur Reinigung aus Wasser umkristallisiert. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht erhitzt wird, da sonst eine Zersetzung des Komplexes stattfindet. Auf diese Weise wurde der neue Carboplatin-artige Komplex cis-Diammin(3-chlor-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (Cl-Carboplatin) dargestellt.
  • 2.2.3. Vorschrift für cis-Diammin(3-chlor-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (89)
  • Es werden 71,4 mg (0,4 mmol) 3-Chlor-1,1-cyclobutandicarbonsäure in 10 ml H2O gelöst. Nach Zugabe von 20 ml (0,4 mmol) Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid-Lösung 2 wird 5 d bei RT unter Lichtausschluss gerührt. Der gebildete graue Niederschlag, der elementares Platin enthält, wird über ein Membranfilter abgesaugt. Das Lösungsmittel des Filtrats wird bis zur Trockne abdestilliert und das gelbliche Rohprodukt aus H2O/Aceton ohne Erhitzen umkristallisiert. Die resultierenden farblosen Kristallnadeln werden im ÖV getrocknet.
    C6H11ClN2O4Pt (405,70)
    Ausbeute: 90 mg (0,2 mmol, 50 %) farblose Kristallnadeln
    Schmp.; 2,10°C (CO2-Entwicklung)
    IR (KBr): υ [cm–1]: 3520-3200 (NH3); 2960, 2920 (-CH); 1630 (C=O, Carboxylat, antisymmetrische Valenzschwingung); 1370 (C=O, Carboxylat, symmetrische Valenzschwingung).
    PI-LISIMS: m/z (%) (Glycerin/H2O): 407 (100), MH+.
    1H-NMR (250 MHz, D2O, 24°C, TMS): δ [ppm] = 4,67 (sb, NH3), 4,30 (qi, 3J(H, H) = 7,6 Hz, 1 H, -CH2-CHCl- CH2-), 3,45/2,91 (2 m, 4 H, CHCl(CH2)2C(CO2–)2, symmetrische Aufspaltung, diastereotope H).
    Elementaranalyse: [%] ber. C 17,76, H 2,73, N 6,93; gef. C 18,03, H 2,96, N 6,58.
  • 2.3. Darstellung von OH-Carboplatin (90)
  • 2.3.1. Ligandensynthese
  • Die Synthese von 1,3-Dibrom-2-benzyloxypropan erfolgt durch Umsetzung von Epibromhydrin ((±)-1-Brom-2,3-epoxypropan) mit Benzylbromid und katalytischen Mengen HgCl2. Die Reaktionsmischung wird acht Stunden auf 155-160° C Innentemperatur erhitzt, wobei eine Dunkelbraunfärbung auftritt. Das Produkt wird durch Destillation im Ölpumpenvakuum gereinigt. Um die Ausbeute zu erhöhen, wird der Vorlauf, der die Edukte enthält, wiederum mit HgCl2 erwärmt und entsprechend aufgearbeitet.
  • Für die Darstellung von 3-Benzyloxy-1,1-cyclobutandicarbonsäurediethylester wird Malonsäurediethylester mit 1,3-Dibrom-2-benzyloxypropan alkyliert. Bei der Durchführung ergaben sich zwei Synthesevarianten.
  • Die erste Variante wendet die Umsetzung von 1,3-Dibrom-2-benzyloxypropan mit Malonsäurediethylester in Gegenwart von Natriumethanolat in Benzol als Lösungsmittel an. Um die erforderliche Temperatur von 170°C mit Benzol als Lösungsmittel erreichen zu können, bedarf es eines Autoklaven als Reaktionsgefäß. Zunächst wird die Hälfte der benötigten Menge Natriumethanolat-Lösung dem Reaktionsgemisch zugesetzt. Nach kurzem Erhitzen lässt man die Reaktionslösung erkalten, gibt den Rest der hergestellten Natrium ethanolat-Lösung und etwas Benzol zu und erhitzt weitere sechs Stunden auf 170°C. Dabei baut sich ein Druck von etwa 10 atm auf. Die erhaltene neutrale Lösung wird durch Abnutschen von dem ausgeschiedenen NaBr getrennt und auf dem Wasserbad eingedampft. Das NaBr wird in Wasser gelöst, die Lösung mit Ether extrahiert und der etherische Auszug eingeengt. Das darin enthaltene Rohprodukt wird dann mit der Hauptfraktion vereinigt und durch mehrmalige fraktionierte Destillation gereinigt.
  • Die alternative Variante bedient sich der basischen Wirkung von Natriumhydrid. Dabei wird zu 1,3-Dibrom-2-benzyloxypropan unter Stickstoffschutz eine Suspension von Natriumhydrid in Dioxan langsam zugetropft. Dann erfolgt die vorsichtige Zugabe von Malonsäurediethylester, wobei eine exotherme Reaktion unter Wasserstoffentwicklung einsetzt. Nach 24stündigem Erhitzen unter Rückfluss lässt man dem Reaktionsgemisch nochmals eine Suspension von Natriumhydrid in Dioxan zutropfen und erhitzt weitere 120 Stunden. Von der abgekühlten Reaktionslösung wird das Lösungsmittel bei vermindertem Druck weitgehend vertrieben und der Rückstand vorsichtig mit Wasser behandelt. Eine anschließende Etherextraktion und mehrmalige fraktionierte Destillation liefern 3-Benzyloxy-1,1-cyclobutandicarbonsäurediethylester als gelbliche, ölige Flüssigkeit.
  • Wichtig ist für beide Synthesestrategien, dass die Reaktionen unter völligem Wasserausschluss durchgeführt werden, um die Reaktivität von Natriumethanolat bzw. Natriumhydrid aufrecht zu erhalten.
  • Die hydrogenolytische Spaltung von 3-Benzyloxy-1,1-cyclobutandicarbonsäurediethylester erfolgt in einer ethanolischen Lösung unter Zusatz von Palladium auf Aktivkohle als Katalysator. Über eine Gaseinleitungsapparatur wird fünf Tage Wasserstoff in das heterogene Reaktionsgemisch geleitet. Die Reinigung erfolgt nach Abfiltrieren des Katalysators durch fraktionierte Destillation im Ölpumpenvakuum. Als Nebenprodukt entsteht Toluol, das aufgrund der deutlich niedrigeren Siedetemperatur von 110°C relativ leicht abgetrennt werden kann. Auf diese Weise wird 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäurediethylester als farblose Flüssigkeit erhalten.
  • Bei der Verseifung von 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäurediethylesters zu 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäure erwies sich die bewährte Methode zur Hydrolyse von substituierten Malonsäurediethylestern als erfolgreich. Dabei wird der Ester in einer konzentrierten Lösung von KOH in Ethanol unter Zusatz von Wasser vier Stunden am Rückfluss erhitzt. Nach weitgehendem Abziehen des Lösungsmittels wird der Rückstand (Kalium-Salz der Dicarbonsäure) mit etwas Wasser aufgenommen und unter Eisbadkühlung durch Zutropfen konzentrierter Salzsäure auf einen pH-Wert von 1 gebracht. Die wässrige Phase wird anschließend 20 Stunden mit Diethylether extrahiert.
  • 2.3.2. Vorschrift für cis-Diammin(3-hydroxy-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (90)
  • Es werden 64,0 mg (0,4 mmol) 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäure mit 20 ml (0,4 mmol) Diammin(diaqua)platin(II)-dihydroxid-Lösung 2 5 d bei RT umgesetzt. Nach Abdestillieren des Lösungsmittels und Umkristallisation aus Wasser/Aceton wird das Produkt 90 in Form farbloser Kristallnadeln erhalten.
    C6H12N2O5Pt (387,25)
    Ausbeute: 74 mg (0,192 mmol, 48 %) farblose Kristallnadeln
    Schmp.: 250°C (CO2-Entwicklung)
    IR (KBr): υ [cm–1]: 3280 (NH3, -OH); 2990, 2940, 2890 (-CH); 1630, 1600 (C=O, Carboxylat, antisymmetrische Valenzschwingung); 1380, 1350 (C=O, Carboxylat, symmetrische Valenzschwingung).
    PI-LISIMS: m/z (%) (Glycerin/H2O): 388 (100), MH+.
    1H-NMR (250 MHz, D2O, 24°C, TMS): δ [ppm] = 4,67 (sb, NH3, -OH), 4,10 (qi, 3J(H, H) = 7.6 Hz, 1 H, -CH2-CH(OH)-CH2-), 3,23/2,50 (2 m, 4 H, HO-CH(CH2)2C (CO2–)2, symmetrische Aufspaltung, diastereotope H).
    Elementaranalyse: [%] ber. C 18,61, H 3,12, N 7,23; gef C 18,63, H 3,30, N 6,92.
  • 2.3.3. Molekülstruktur von cis-Diammin(3-hydroxy-1,1-cyclobutandicaroxylato)platin(II) (90)
  • Von cis-Diammin(3-hydroxy-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (90) konnten durch langsame Kristallisation für die Röntgenstrukturanalyse geeignete Kristalle erhalten werden. Dazu wird 90 in Wasser gelöst und mit etwas Aceton überschichtet. Die klare Lösung lässt man im Dunkeln bei Raumtemperatur und geöffnetem Kolben stehen, so dass das Lösungsmittel langsam verdampfen kann. Dabei kristallisiert 90 in Form farbloser, plättchenförmiger Kristalle aus.
  • Das Ergebnis der Kristallstrukturanalyse ist in 3 dargestellt. Dabei ist die im Rahmen der Messgenauigkeit quadratisch planare Koordination von Pt1 deutlich zu erkennen. Bei dem sechsgliedrigen Chelatring ergibt sich eine Wannenkonformation, da das C2-Atom und auch das Pt1-Atom aus der Ebene O1-C1-C3-O4 in gleicher Richtung herausgeklappt sind. Weiterhin ist anzumerken, dass der Cyclobutanring nicht planar, sondern verdrillt vorliegt und die Hydroxylgruppe in äquatorialer Position angeordnet ist. Der Torsionswinkel C6-C2-C4-C5 von 20.1(7)° (Tabelle 1) verdeutlicht dies. Die wichtigsten Bindungsparameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
  • Tabelle 1:
    Figure 00160001
  • Bei Betrachtung der Wasserstoffbrückenbindungen wird deutlich, dass die Moleküle im Kristall in Ketten angeordnet sind. Die Wasserstoffatome der NH3-Gruppen verbinden die Moleküle über die Carboxylat-Sauerstoffatome durch Wasserstoffbrückenbindungen. Die angegebenen Bindungslängen und -winkel entsprechen den Werten von Carboplatin. Wie bei Carboplatin zeigt ein Kohlenstoffatom des Cyclobutanrings, das C5-Atom, eine ausgeprägte thermische Bewegung. Dies kann als dynamische Faltung des Cyclobutanrings interpretiert werden. Als Konsequenz unterliegt der Cyclobutanring bei Raumtemperatur einer dynamischen Inversion zwischen zwei Konformationen. Bei den Bindungslängen wird ersichtlich, dass die C-O-Bindungen des Chelatrings um etwa 50 pm länger sind als die zu 02 und 03 und somit mehr Einfachbindungscharakter haben. Beide liegen innerhalb des charakteristischen Bereichs für C-O-Doppelbindungen. Die C5-O5-Bindungslänge von 1.411 Å befindet sich in der Größenordnung einer C-O-Einfachbindung.
  • Beispielgruppe 2
  • Diaminplatin(II)-Komplexe
  • 1. Aktivierung von (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(dichloro)platin(II) (88)
  • 1.1. Vorschrift für (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(diaqua)platin(II)-dihydroxid (91)
  • Es werden 760 mg (2,00 mmol) (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(dichloro)platin(II) 88 in 60 ml H2O im Ultraschallbad suspendiert. Dazu gibt man eine Lösung von 680 mg (4,00 mmol) AgNO3 in 20 ml H2O. Anschlie ßend wird 7 d unter Lichtausschluss bei RT gerührt. Das ausgefallene AgCl wird über ein Membranfilter abgesaugt, wobei man ein farbloses Filtrat erhält. Dieses wird auf einen aktivierten, stark basischen Ionenaustauscher (Fa. Merck, Ionenaustauscher III) gegeben und das Eluat aufgefangen. Die Aktivierung erfolgt, indem man den Ionenaustauscher zunächst mit 100 ml 2 N NaOH spült und dann solange mit H2O eluiert, bis das ablaufende Eluat einen pH-Wert von 9 aufweist. Nach Abziehen des Lösungsmittels im ÖV erhält man einen glasigen, lichtempfindlichen Rückstand, der im Dunkeln bei –20°C über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden kann. Erst unmittelbar vor der Verwendung nimmt man den Rückstand in 100 ml H2O/EtOH (1:1) auf.
  • 2. Darstellung der Diaminplatin(II)-Komplexe
  • 2.1. Allgemeines
  • Für die Darstellung der Diaminplatin(II)-Komplexe ist eine direkte Umsetzung der Cyclobutandicarboxylato-Liganden mit (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(dichloro)platin(II) 88 nicht möglich. Auch hier ist es, wie bereits im Falle von Cisplatin, notwendig, den Dichloroplatin(II)-Komplex 88 durch einwöchige Umsetzung mit AgNO3 in ein aktiviertes Hydrolyseprodukt zu überführen. Durch Chromatographie über einen stark basischen Ionenaustauscher ersetzt man schließlich die Nitrationen durch Hydroxidionen. Nach Abziehen des Lösungsmittels erhält man einen glasartigen Rückstand, der sich im Dunkeln bei –20°C über mehrere Wochen ohne Zersetzungserscheinungen lagern lässt. Kurz vor der Komplexierung nimmt man den Rückstand im Lösungsmittelgemisch Wasser/Ethanol (1:1) auf. Bei Graufärbung durch elementares Platin wird die Lösung des aktivierten Komplexes über ein Membranfilter filtriert (4).
  • Diese aktivierte Spezies 91 wird mit den in Wasser gelösten Cyclobutandicarboxylato-Liganden 9 und 14 umgesetzt. Anschließend wird fünf Tage bei Raumtemperatur unter Lichtausschluss gerührt. Das gebildete metallische Platin wird über ein Membranfilter abfiltriert und das Lösungsmittel des Filtrats im Ölpumpenvakuum bis zur Trockne abdestilliert, wobei nicht zu stark erhitzt werden sollte, da sonst eine Zersetzung des Komplexes stattfindet. Die Reinigung des gelblichen Rohprodukts erfolgt durch Umkristallisation bei Raumtemperatur aus Wasser, wobei farblose Kristallnadeln von den Komplexen 93 und 94 erhalten werden können (5).
  • 2.2. Vorschrift für (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(3-chlor-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (93)
  • Man löst 71,43 mg (0,4 mmol) 9 in 20 ml H2O, tropft 20 ml (0,4 mmol) (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(diaqua)platin(II)-dihydroxid-Lösung 91 zu und lässt 5 d bei RT rühren. Nach Abfiltrieren des grauen Niederschlags wird das Filtrat bis zur Trockne eingeengt und das Rohprodukt aus H2O bei RT umkristallisiert, wobei das Produkt 93 in Form farbloser Kristallnadeln isoliert werden kann.
    C12H19ClN2O9Pt (485,83)
    Ausbeute: 116,8 mg (0,24 mmol, 60 %) farblose Kristallnadeln
    Schmp.: > 250°C
    IR (KBr): υ [cm–1]: 3260, 3200, 3110 (-NH); 2960, 2880 (-CH); 1630 (C=O, Carboxylat, antisymmetrische Valenzschwingung); 1360 (C=O, Carboxylat, symmetrische Valenzschwingung).
    PI-ESIMS: m/z (%) (H2O + 1 % AcOH): 487 (100), MH+.
    1H-NMR (250 MHz, d6-DMSO, 24°C, TMS): δ [ppm] = 5,60 (m, 4 H, -NH2), 4,31 (qi, 3J(H, H) = 7,9 Hz, 1 H, -CH2-CHCl-CH2-), 3,50/2,80 (2 m, 4 H, CHCl(CH2)2C(CO2-)2, symmetrische Aufspaltung, diastereotope H), 2,04, 1,81, 1,45, 1,21, 1,02 (5, m 10 H, -C6H10-)
    Elementaranalyse: [%] ber. C 29,67, H 3,94, N 5,77; gef. C 29,26, H 4,07, N 5,50.
  • 2.3. Vorschrift für (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(3-hydroxy-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II) (94)
  • 65,05 mg (0,4 mmol) 3-Hydroxy-1,1-cyclobutandicarbonsäure werden in 20 ml H2O mit 20 ml (0,4 mmol) (±)trans-1,2-Diaminocyclohexan(diaqua)platin(II)dihydroxid-Lösung 91 5 d bei RT umgesetzt.
  • Nach Abdestillieren des Lösungsmittels und Umkristallisation aus Wasser wird das Produkt 94 in Form farbloser Kristallnadeln erhalten.
    C12H20N2O5Pt (467.38)
    Ausbeute: 46,2 mg (0,10 mmol, 25 %) farblose Kristallnadeln
    Schmp.: 248°C (CO2-Entwicklung)
    IR (KBr): υ [cm–1]: 3600-3200 (-OH); 3260, 3220, 3120 (-NH); 2960, 2920, 2880 (-CH); 1620 (C=O, Carboxylat, antisymmetrische Valenzschwingung); 1360 (C=O, Carboxylat, symmetrische Valenzschwingung).
    PI-ESIMS: m/z (%) (H2O + 1 % AcOH): 468 (100), MH+.
    1H-NMR (250 MHz, d6-DMSO, 24°C, TMS): δ [ppm] = 5,51 (m, 4 H, -NH2), 4.91 (sb, 1 H, -OH), 3.84 (qi, 3J(H, H) = 7,6 Hz, 1 H, -CH2-CH(OH)-CH2-), 3,09/2,31 ( 2 m, 4 H, HO-CH(CH2)2C(CO2–)2, symmetrische Aufspaltung, diastereotope H), 2,03, 1,80, 1,45, 1,21, 1,01 (5 m, 10 H, -C6H10-).
    Elementaranalyse: [%] ber. C 30,84, H 4,31, N 5.99; gef. C 30,72, H 4,65, N 5.63.
  • 2.4. Molekülstruktur von (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan(3-hydroxy-1,1-cyclobutandicarboxylato)platin(II)
  • Durch langsame Kristallisation konnten von Komplex 94 für die Röntgenstrukturanalyse geeignete Kristalle erhalten werden. Dazu löst man die Verbindung 94 in Wasser und lässt die klare Lösung im Dunkeln bei Raumtemperatur und geöffnetem Kolben stehen, um ein langsames Verdampfen des Lösungsmittels zu gewährleisten.
  • Die Röntgenstrukturanalyse der erhaltenen farblosen Kristallnadeln zeigt, wie zu erwarten, dass die vermessenen Kristalle aus einer 1:1-Mischung der beiden Diastereomeren aufgebaut sind. Dieser Befund ergibt sich aus der Verwendung des Racemats (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan für die Komplexierung bei der Synthese des Vorläuferkomplexes 88 unter Berücksichtigung der räumlichen Anordnung der OH-Gruppe am Cyclobutanring. Das Ergebnis der röntgendiffraktometrischen Untersuchungen ist in 6 dargestellt.
  • Wie bei der Molekülstruktur des Carboplatin-artigen Komplexes 90 ist auch hier die quadratisch planare Koordination von Pt1 bzw. Pt2 deutlich zu erkennen. Der sechsgliedrige Chelatring liegt ebenfalls in der Wannenkonformation vor, da das C3-Atom und auch das Pt1-Atom aus der Ebene O1-C1-C2-O3 in gleicher Richtung herausgeklappt sind. Der Torsionswinkel C6-C3-C4-C5 von 12.6(5)° (Tabelle 2) illustriert die Verdrillung des Cyclobutanrings, wobei die Hydroxylgruppe in äquatorialer Position angeordnet ist. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Bindungsparameter findet sich in Tabelle 2. Die Strukturdaten des zweiten Diastereomers entsprechen innerhalb der Messgenauigkeit den angegebenen Werten.
  • Tabelle 2: Ausgewählte Strukturdaten des Diaminplatin(II)-Komplexes 94.
    Figure 00230001
  • In Analogie zu den Strukturdaten des Diamminplatin(II)-Komplexes 90 sind auch bei Verbindung 94 die C-O-Bindungen des Chelatrings um etwa 80 pm länger als die zu O2 und O4 und besitzen somit mehr Einfachbindungscharakter. Beide Bindungslängen liegen jedoch innerhalb des charakteristischen Bereiches für C-O-Doppelbindungen. In 6 ist auch die Sesselkonformation des Cyclohexanrings sehr schön zu beobachten, wobei die Aminosubstituenten jeweils in der energetisch günstigeren diäquatorialen Stellung angeordnet sind, da in diesem Fall keine 1,3-Wechselwirkung auftreten kann.
  • Beispielgruppe 3
  • Pharmakologische Testung
  • Um die Proliferationshemmung zu bestimmen, wurde die Urothelkarzinom-Zelllinie J82([G3]) als In-vitro-Modell ausgewählt.
  • Als Maß für die Wirksamkeit wurde der T/C-Wert bestimmt.
    Figure 00240001
    T = Zelldichte nach Einwirkung der Testsubstanz
    C = Zelldichte der Kontrolle
    Co = Anfangszelldichte der Kontrolle
  • Die T/C-Werte geben die prozentuale Hemmung des Zellwachstums im Vergleich zu einer Referenz (nur Lösungsmittel ohne Substanzinkubation) an. Dabei bedeutet 0 % ein zum Stillstand gekommenes Zellwachstum, während 100 % ein der unbehandelten Referenz entsprechendes Wachstum anzeigt. Gemäß der Definition des T/C-Werts sind auch Werte über 100 % möglich. Diese signalisieren ein stimuliertes Zellwachstum durch den Wirkstoff. Negative Werte ergeben sich durch eine geringere Zelldichte als bei der Referenz, d. h. die Substanzen üben keinen zytostatischen, sondern einen zytotoxischen Effekt aus. Somit zeigen T/C-Werte um 0 % eine optimale Wirksamkeit an.
  • 1. In einer Versuchsreihe wurde ein Single-endpoint-Assay mit einer Inkubationszeit von 96 Stunden durchgeführt. Cl-Carboplatin zeigte insbesondere in den Konzentrationen 5 und 10 μMol eine deutlich gestei gerte wachstumshemmende Aktivität im Vergleich zum klinisch eingesetzten Carboplatin und OH-Carboplatin. Auch die Komplexe 93 und 94 zeigen eine höhere Wirksamkeit als 92, das (±)-trans-Diaminocyclohexan-Analogon von Carboplatin. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 zusammengestellt, die die T/C-Werte für die Carboplatin-artigen Diamminplatin(II)-Komplexe 89 und 90 und die Diaminplatin(II)-Komplexe 93 und 94 mit Carboplatin und 92, dem (±)-trans-Diaminocyclohexan- Analogon von Carboplatin, als Referenzen zeigt.
  • Tabelle 3
    Figure 00250001
  • Eine Zusammenstellung der Testergebnisse der Komplexe 89, 90, 93 und 94 für die Konzentration 1 μM und 5 μM findet sich in den 7 und 8. So zeigt die 7 die Testergebnisse für Carboplatin und die Carboplatin-artigen Diamminplatin(II)-Komplexe 89 und 90 und die Diaminplatin(II)-Komplexe 92-94 in der Konzentration 1 μM und 8 in der Konzentration 5 μM. Während bei den Diamminplatin(II)-Komplexen 89, 90 und Carboplatin bei einer Wirkstoffkonzentration von 10–6 mol-l–1 keine Hemmung der Zellteilung zu beobachten ist, ergeben sich bei 92 bis 94 T/C-Werte von 30 bis 60 %. Auch bei höheren Konzentrationen ist die zytostatische Aktiviät der Diaminocyclohexanplatin(II)-Komplexe stets größer als die der Diamminanaloga. Die größte Wirksamkeit wurde jeweils mit den Chlor-Derivaten 89 und 93 erreicht. Bestrahlung beeinflusst die Testergebnisse nicht.
  • In der vorliegenden Untersuchung zeigten die Platinkomplexe mit (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan als Nichtabgangsgruppe die höchste zytostatische Wirksamkeit. Dies überrascht nicht, da analoge Platinkomplexe mit (±)-trans-1,2-Diaminocyclohexan, wie etwa Oxaliplatin, kommerziell für die Tumortherapie bereits eingesetzt werden.
  • Der Carboplatin-artige Komplex 89 wurde wie Carboplatin in den Konzentrationen 5, 10 und 10 μM getestet. Besonders interessant ist dabei, dass 89 in gleicher Konzentration fast die koppelte Wirksamkeit im Vergleich zu Carboplatin zeigt. Dieses Ergebnis korreliert mit der im folgenden unter 3. untersuchten Komplexstabilität in physiologischer Kochsalzlösung. Da 89 gegenüber Carboplatin aufgrund des Chlorsubstituenten eine geringere Komplexstabilität aufweist, erfolgt die Hydrolyse zu aktivierten Hydroxokomplexen wesentlich schneller. Nachdem die Abgangsgruppe abgespalten wurde, kann das Diamminplatin-Fragment schneller an Bionukleophile binden und eine zytostatische Aktivität hervorrufen.
  • 2. In einer dreifach wiederholten Dosis-Wirkungsstudie für Cl-Carboplatin mit Carboplatin als Referenz im Sinne einer kinetischen Untersuchung wurde im Verlauf von 125 Stunden alle 24 Stunden der T/C-Wert bestimmt. In allen untersuchten Konzentrationen 5, 10 und 20 μMol ergibt sich für Cl-Carboplatin im Ver gleich zum klinisch eingesetzten Carboplatin nahezu die doppelte Wirksamkeit. 9a und 9b zeigen die entsprechenden Ergebnisse.
  • 3. Die Stabilität von Carboplatin und Cl-Carboplatin wurde durch 1H-NMR-Spektroskopie in wässriger Lösung untersucht. Dazu wurden 2,5·10–5 mol des jeweiligen Komplexes in 1 ml 0,9 %iger Lösung von NaCl in D2O gelöst, was einer physiologischen Kochsalz-Lösung entspricht, und in abgedunkelten NMR-Röhrchen bei Raumtemperatur aufbewahrt. Der Verlauf der Hydrolyse der Komplexe ließ sich durch Aufzeichnung der NMR-Spektren(10a und 10b) zu den angegebenen Zeitpunkten verfolgen.
  • 11 zeigt, dass in wässriger physiologischer Kochsalzlösung von Cl-Carboplatin bereits nach einer Stunde Hydrolyseprodukte auftraten und im Verlauf von 168 Stunden ein etwa 40 %iger Abbau zu Cisplatin erfolgte. Somit ist Cl-Carboplatin gegenüber Hydrolyse wesentlich sensitiver als Carboplatin. Durch den Chlorsubstituenten wird die Elektronendichte an den Sauerstoffatomen der Carbonsäuregruppen vermindert und somit die Substitutionsgeschwindigkeit beeinflusst. Die schnellere Hydrolyse ermöglicht eine schnellere Freisetzung des cis-Diamminplatin(II)-Fragments, das seinerseits, durch Interaktion mit den DNA-Basen die Vorgänge bei der Zellteilung beeinflusst und für die zytostatischen Eigenschaften verantwortlich ist.

Claims (17)

  1. Carboplatinderivate der allgemeinen Formel I
    Figure 00280001
    mit R1 bis R6 unabhängig voneinander H, F, Cl, Br, I, OH, OR7 mit R7 = Alkyl, Aryl, Acetyl oder Acyl, CnF2n+1, mit n = 1 bis 6, wobei mindestens einer der Reste R1 bis R6 nicht gleich H, R8 und R9 unabhängig voneinander NH3, NH2R10 mit R10 = Alkyl, Aryl, rac-1,2-Diaminocyclohexan, RR-1,2-Diaminocyclohexan, SS-1,2-Diaminocyclohexan, H2N-CHR11-CHR12-NH2 mit R11 und R12 unabhängig voneinander Alkyl, Aryl, C5H4N-CHR13-NH2 mit R13 = H, Alkyl, Aryl oder 1,1'-Bipyridyl sind.
  2. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = Cl und R2 bis R6 H sind.
  3. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = OH und R2 bis R6 = H sind.
  4. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = OR' mit R' = Alkyl, Aryl, Acetyl oder Acyl und R2 bis R6 = H sind.
  5. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = F und R2 bis R6 = H sind.
  6. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = Br und R2 bis R6 = H sind.
  7. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = I und R2 bis R6 = H sind.
  8. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 = CnF2n+1 mit n = 1 bis 6 und R2 bis R6 = H sind.
  9. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 und R2 nicht gleich H und R3 bis R6 = H sind.
  10. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R3 = Cl und R1, R2, R4 bis R6 = H sind.
  11. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R3 = F und R1, R2 und R4 bis R6 = H sind.
  12. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R3 = CnF2n+1 mit n = 1 bis 6 und R1, R2, sowie R4 bis R6 = H sind.
  13. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R3 und R4 = Cl sowie R1, R2, R5 und R6 = H sind.
  14. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R2 und R3 = F sowie R1, R2, R5 und R6 = H sind.
  15. Carboplatinderivate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R2 und R3 = CnF2n+1 mit n = 1 bis 6 und R1, R2, R5 und R6 = H sind.
  16. Arzneimittel enthaltend ein Carboplatinderivat nach einem der Ansprüche 1 bis 15 und geeignete Träger und Hilfsstoffe.
  17. Verwendung der Carboplatinderivate nach einem der Ansprüche 1 bis 15 zur Herstellung eines Arzneimittels für die Tumortherapie.
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