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Die
vorliegende Erfindung betrifft einen Knochennagel zur operativen
Versorgung von Knochenbrüchen,
insbesondere von Brüchen
der Röhrenknochen,
wie Oberarm- oder Unterarm.
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Als
gängige
Alternative zum Gips werden zur operativen Versorgung von Knochenbrüchen, insbesondere
Oberarmbrüchen,
Verriegelungsnägel
oder Platten verwendet. Um eine sichere und dauerhafte Ruhigstellung
der Fragmente zueinander sicherzustellen, muß der Nagel in der Knochen-Längsachse rotationsstabil
verankert werden. Eine Vielzahl von Nagel-Systemen zur Versorgung von Oberarmbrüchen, sogenannte
Humerus-Nagelsysteme, mit verschiedenen Verankerungsmechanismen
im Knochen sind bekannt.
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Der
Zugang zum Oberarmschaft kann sowohl über den Oberarmkopf als auch über den
Ellenbogenbereich erfolgen. Der Zugang über den Oberarmkopf ist allerdings
problematisch, da dafür
die Rotatorenmanschette gespalten werden muß und dies zu Verkalkungen
oder ausgeprägten
Narbenbildungen führen
kann, was wiederum zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im
Schultergelenk führt.
Daher ist dieser Zugang nur in Erwägung zu ziehen, wenn im Bereich
des Ellenbogen Verletzungen vorliegen, die eine Nagelung von dort
aus nicht erlauben.
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Massive
Titannägel,
die in verschiedenen Durchmessern und verschiedenen Längen erhältlich sind,
werden für
die operative Versorgung von Oberarmbrüchen verwendet. Diese Nägel weisen
an ihren Enden Verriegelungslöcher
zur Aufnahme von Schrauben zur Befestigung des Nagels im Knochen auf.
Um das Eintreten der Schrauben zu erleichtern, sind die Löcher an
den Rändern
gemuldet. Dadurch wird allerdings das Implantat geschwächt, was
zum Versagen führen
kann. Weiterhin sind aufgrund des kleinen Durchmessers des Nagels,
der notwendig ist, um den Nagel in den Markraum des Oberarms einbringen
zu können,
auch die Verriegelungslöcher klein.
Daher ist es technisch anspruchsvoll, die kleinen Verriegelungen
während
der Operation mit den Schrauben zu treffen. Dadurch verlängert sich
die Operationszeit, was wiederum zu langen röntgenographischen Durchleuchtungszeiten
während
der Operation führt,
die mit einer hohen Belastung für den
Patienten und das Personal verbunden sind. Überdies ist als Folge der hohen
Rigidität
des Systems auch das Risiko, bei engem Schaft und kleinem Markraumdurchmesser
eine Fraktur im distalen Bereich zu setzen, gegenüber einem
elastischeren System erhöht.
Alle Kraft wird bei diesen Systemen über die Verriegelungsschraube
zwischen Nagel und Knochen vermittelt. Bei osteoporotischem Knochen
ist das Schraubenlager häufig
zu weich. Daraus entstehen Lockerungen der Verriegelungsschrauben.
Sie wandern rückwärts dem
Gewinde folgend aus und das gesamte Konstrukt verliert seine Stabilität.
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Ein
weiteres Humerus-Nagelsystem ist der sogenannte Marchetti-Nagel
(siehe 1a und b). Dieser Nagel weist
ein solides kurzes Stück
auf, aus dem vier bis fünf
Federnägel
entspringen. Diese werden über
eine dünne
Seele aus Draht zusammengehalten. Nachdem der Nagel in den Knochen
eingebracht ist, wird die Seele entfernt und die Federnägel springen
auseinander und verteilen sich im Markraum. Der wesentliche Vorteil
dieses Systems besteht darin, dass die freihändige Verriegelung am Nagelende
nicht erforderlich ist. Aufgrund der Flexibilität ist das Risiko, über Verhebelungen
iatrogene Frakturen zu setzen, minimal. Nachteilig dagegen ist die punktförmige Auflage
der Federnägel,
wodurch Perforationen entstehen können. Da die Federnägel gerade
auslaufen, kann es bei axialem Zug zum Teleskoping, d.h. zum Auseinanderziehen
des Knochens an der Bruchstelle kommen. Weiterhin ist nur der ellenbogennahe
Zugang möglich.
Ist der Markraum stark tailliert, gewinnen diese Nägel keinen
ausreichenden Halt, da sie sich dann an der Engstelle anlegen, darüber aber
ohne Kontakt bleiben.
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Auf
einem ähnlichen
Prinzip basiert ein weiteres bekanntes System, das einen Hohlnagel
aufweist, durch dessen Lumen zwei Kirschnerdrähte geführt werden, die an der Spitze
austreten (siehe 2a und 2b) (Halder humeral nailing system (Hersteller
Corin)). Am anderen, unteren Ende des Nagels werden die Drähte umgebogen
und über
eine kleine Platte gesichert. Auch bei diesem Modell ist keine weitere
freihändig
anzulegende Verriegelung am Nagelende erforderlich. Der Nagel ist
sehr rigide und kann nur vom Ellenbogen aus eingebracht werden.
Die sehr spitzen Ausklinkdrähte
bergen ein erhebliches Perforationsrisiko im Oberarmkopf. Wie beim
Marchetti-Nagel kann es bei axialem Zug zum Teleskoping oder im
Falle einer Trümmerzone
in Schaftmitte beim Aufstützen
des Armes zum Perforieren des Nagels durch den Oberarmkopf kommen. Weiterhin
gilt auch hier, analog zum Titannagel, dass das Risiko, eine iatrogene
Fraktur zu setzen, erhöht ist.
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Ein
neu auf dem Markt befindliches System ist das sogenannte Fixion-System.
Bei diesem System ist der Nagel vor der Implantation zusammengefaltet
und bildet so einen kleeblattförmigen
Querschnitt. Nach dem Einsetzen wird er über ein Ventil mit einer Kochsalzlösung gefüllt und
somit ausgedehnt (siehe 3a und b).
Dadurch entsteht ein runder Querschnitt mit aufliegenden Verstärkungen, die
gleichzeitig eine Stabilisierung gegen Rotationskräfte bewirken.
Jegliche Verriegelung durch Schrauben oder Drähte entfällt. Bei ausreichender Kontaktfläche ist
eine hohe Stabilität
gegeben. Die Anwendung ist allerdings dadurch erheblich eingeschränkt, dass über und
unter dem Bruch eine intakte Stelle von je etwa 5 cm Knochen vorhanden
sein muß,
also nur Brüche
der Schaftmitte versorgt werden können. Fraglich ist weiterhin
die Sicherung des Druckes im Nagel über den Heilungszeitraum. Im
Fall eines frühzeitigen
Druckverlusts liegt keine ausreichende Stabilität mehr vor, so dass das Risiko
einer Fehlheilung oder Pseudarthrose dann sehr hoch ist. Auch ist
die ausreichende Verklemmung immer dann nicht gewährleistet,
wenn der Nagel so gewählt
werden muß, dass
er zwar den kleinsten Durchmesser zu passieren vermag, aber dann
im darüber
gelegenen Areal – bei
weitem Markraum – nicht
so weit expandieren kann, dass ein sicherer Reibschluß erreicht
wird.
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Ein
weiteres neues System ist der Trueflex-Nagel, ein Titannagel mit
einem sternförmigen Profil
mit sehr scharf geschnittenen Kanten. Diese Kanten schneiden sich
beim Vortreiben durch die Spongiosa bis in die Kortikalis ein. Eine
weitere Verriegelung ist deshalb nicht mehr erforderlich. Jedoch ist
bei diesem System die Gefahr des Verklemmens des Nagels beim Eintreiben
in den Oberarmknochen groß.
Hier gilt in besonderem Maß,
dass die stabile Verbindungs Nagel–Knochen nur im Bereich des engsten
Durchmesser zuverlässig
erfolgt.
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Zusammengefaßt bestehen
bei allen auf dem Markt verfügbaren
Nagelsystemen Nachteile, wie beispielsweise eine aufwendige Operation,
Gefahr der Schädigung
des Knochens durch die Haltemechanismen, mangelhafte Tragfähigkeit
im osteoporotischen Knochen und lange röntgenographische Durchleuchtungszeiten
während
der Operation.
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Es
ist eine Aufgabe der Erfindung, einen neuartigen und verbesserten
Knochennagel zur Verfügung
zu stellen. Der Nagel soll eine optimale Verankerung im Knochen
ermöglichen,
bei zugleich einfachem und schnellem Handling während der Operation. Weiterhin
soll sowohl der Schaftbruch als auch der subkapitale Bruch, also
der Bruch unmittelbar unter der Oberarmkugel, optimal versorgt werden
können.
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Diese
Aufgaben werden mit den Merkmalen der Patentansprüche gelöst.
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Die
vorliegende Erfindung basiert auf der Grundidee, dass der Knochennagel
zumindest in einem Abschnitt ein Formgedächtnismaterial aufweist. Nach
der Aktivierung des Formgedächtnismaterials wird
eine Fixationseinrichtung ausgebildet, durch die der Nagel sicher
im Markraum gehalten wird.
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Vorzugsweise
ist der Nagel rohrförmig. Durch
mindestens einen Schlitz, der an mindestens einem Ende des Nagels
in Längsrichtung
angeordnet ist, wird der Nagel an diesem Ende in eine vorgegebene
Anzahl von Lamellen unterteilt. Beispielsweise können durch die Anordnung von
zwei kreuzförmig ausgebildeten
Schlitzen vier Lamellen vorgesehen werden, die nach außen aufgespreizt
werden können,
und so die Fixationseinrichtung bilden. Dabei ist die aufgespreizte
Form die Form des Formgedächtnismaterials
nach der Aktivierung. Die genaue Form bzw. Krümmung der Lamellen nach der
Aktivierung kann dabei bei der Herstellung des Nagels vorgegeben
und so die Aufspreizgeometrie der Lamellen an das Knocheninnere
angepaßt
werden. Durch eine geeignete Wahl der Wandstärke des rohrförmigen Nagels
kann weiterhin die Kraft während
der Aufspreizung vorgegeben werden.
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In
der Ausführungsform
des Nagels gemäß der vorliegenden
Erfindung wird das Formgedächtnismaterial
durch eine Temperaturerhöhung
aktiviert. Die Umwandlungstemperatur des Formgedächtnismaterials liegt dabei
vorzugsweise bei mindestens etwa 40°C, damit das Formgedächtnismaterial
nicht bereits beim Eintreiben des Nagels in den Knochen durch die
dort herrschende Körpertemperatur
aktiviert wird.
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Andererseits
sollte die Umwandlungstemperatur nicht größer als etwa 60°C betragen,
um den Knochen nicht durch Hitzenekrosen bei höheren Temperaturen während der
Aktivierung zu schädigen.
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Die
Temperaturerhöhung
nach Einbringen des Nagels in den Knochen kann durch direkten Stromdurchgang
durch den Nagel erfolgen, wobei durch getrennte Kontaktierung der
einzelnen Lamellen die Aufspreizung der Lamellen separat gesteuert werden
kann. Die Temperaturerhöhung
kann auch durch einen thermischen Kontakt, beispielsweise mit einem
Mantelheizleiter erfolgen. Auch sind andere Möglichkeiten zur Temperaturerhöhung, beispielsweise
induktives Heizen durch ein elektrisches Feld oder auch, falls die
Umwandlungstemperatur des Formgedächtnismaterials unterhalb der
Körpertemperatur
liegt, eine Aktivierung über
die körpereigene Erwärmung. In
diesem Fall muß allerdings
der Nagel vorher bzw. während
dem Einführen
in den Knochen gekühlt
werden.
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In
einer weiteren Ausführungsform
weist der Nagel superelastisches Material auf, also Formgedächtnismaterial,
dessen Umwandlungstemperatur unterhalb der Raumtemperatur, also
unterhalb etwa 15°C,
liegt. Der Nagel liegt daher bei Raumtemperatur in seiner aufgespreizten
Form vor. Zum Einbringen in den Knochen muß der Nagel durch eine geeignete
Vorrichtung, beispielsweise einen Haltedraht oder Nylonfaden, zusammengehalten
werden. Nach dem Einbringen des Nagels in den Knochen wird durch
Lösen der
Vorrichtung das Formgedächtnismaterial
aktiviert, der Nagel spreizt sich auf und bildet so die Fixationseinrichtung.
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Durch
die besonderen Eigenschaften des Formgedächtnismaterials erfolgt die
Aufspreizung des Nagels nach der Aktivierung mit einer konstanten Kraft
während
des gesamten Aufspreizvorgangs. Während in der ersten Ausführungsform
die Kraft und der Grad der Aufspreizung zwischen der zusammengefalteten
Form und der dem Formgedächtnismaterial
antrainierten aufgespreizten Form durch die Temperaturerhöhung gesteuert
werden kann, spreizt sich der Nagel der zweiten Ausführungsform
nach Lösen der
Vorrichtung zum Festhalten der zusammengefalteten Form selbstständig durch
Entspannung und damit wiederum mit einer konstanten Kraft bis zu
der dem Formgedächtnismateral
antrainierten Form auf.
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Als
Formgedächtnismaterial
wird vorzugsweise eine NiTi-Formgedächtnislegierung (Nitinol) verwendet.
Es liegen langfristige Erfahrungen mit der Biokompatibilität des Materials
vor.
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In
einem weiteren Aspekt stellt die vorliegende Erfindung ein Verfahren
zur Herstellung eines Knochennagels zur Verfügung, der mindestens in einem
Abschnitt ein Formgedächtnismaterial
aufweist. Der Nagel wird hierbei verformt, so dass eine Fixationseinrichtung
ausgebildet ist, in dieser Form mechanisch festgehalten, und zum
Fixieren der Form erhitzt, wobei die Temperatur während des
Erhitzens vorzugsweise zwischen etwa 200°C und 500°C beträgt. Nach dem Abkühlen auf
Raumtemperatur wird der Nagel nahezu in den Zustand vor dem Verformen zurückverformt.
Liegt die Umwandlungstemperatur des Formgedächtnismaterials oberhalb der
Raumtemperatur, kann der Nagel in den Knochen eingebracht werden
und durch Temperaturerhöhung über die
Umwandlungstemperatur, die dem Formgedächtnismaterial während dem
Erhitzen antrainierte Form ausgebildet werden. Liegt die Umwandlungstemperatur
dagegen unterhalb der Raumtemperatur wird der Nagel zum Einbringen
in den Knochen mittels einer Vorrichtung zusammengehalten bzw. geschlossen
und durch Lösen
der Vorrichtung nach dem Einbringen in den Knochen die Fixationseinrichtung
ausgebildet.
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Der
erfindungsgemäße Nagel
kann zum operativen Versorgen von Knochenbrüchen, insbesondere Frakturstabilisierung
von Oberarm- oder Unterarmbrüchen,
als auch als Stützimplantat
in der Wirbelsäulenchirurgie
oder als Dübel
zum Verankern von Schrauben in osteoporothischen Knochen verwendet
werden.
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In
einem weiteren Aspekt stellt die Erfindung eine Haltevorrichtung
zur Verfügung,
die zum Festhalten der eine Fixierungseinrichtung bildende Form eines
Knochennagels gemäß der vorliegenden
Erfindung während
dem Erhitzen zum Fixieren dieser Form geeignet ist. Diese Haltevorrichtung
ist vorzugsweise so gestaltet, dass die Lamellen eines rohrförmigen Nagels
gemäß der vorliegenden
Erfindung in einem nach außen
auf Kreisbahnen, oder in einer anderen an das Knocheninnere angepassten
Form, aufgespreizten Form während
dem Erwärmen
festgehalten werden. Vorzugsweise besteht die Haltevorrichtung aus
Edelstahl, beispielsweise Chrom-Nickel-Stählen.
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Der
Knochennagel der vorliegenden Erfindung hat einerseits den Vorteil,
dass eine freihändige Fixierung
des Nagelendes während
der Operation beispielsweise durch Schrauben nicht erforderlich
ist. Durch den Einsatz von Formgedächtnismaterial lassen sich
weiterhin die Kräfte,
die während
des Aufspreizens auf den Knochen wirken, kontrollieren. Insbesondere
liegt der Vorteil beim Einsatz von superelastischem Formgedächtnismaterial
im wesentlich flacheren Spannungs-Dehnungs-Verlauf dieses Materials.
Während
eine entsprechende Konstruktion aus Stahl, wie sie beispielsweise
bei dem bekannten Marchetti-Nagel
vorliegt, bei engem Markraum sehr hohe, möglicherweise den Knochen schädigende Kräfte ausübt, dagegen
andererseits bei weitem Markraum möglicherweise zu niedrige Kräfte auf
die Knochenwand ausübt,
ist die Kraft bei Formgedächtnismaterial über weite
Bereiche fast konstant. Durch die kontrollierte Aufspreizung können Schäden am Knochen
weitgehend vermieden und dennoch eine sichere Fixierung des Knochennagels
im Knochen gewährleistet
werden.
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Die
Erfindung wird nachstehend mit Bezug auf die beiliegenden Zeichnungen
näher erläutert. Es zeigen:
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1 einen
bekannten Marchetti-Nagel im a) zusammengehaltenen und b) aufgespreizten
Zustand;
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2 einen
bekannten Knochennagel mit Ausklinkdrähten (Halder System);
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3 einen
Nagel des bekannten Fixion-Systems im a) zusammengefalteten und
b) ausgedehnten Zustand; und
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4 Graphische
Simulation einer Röntgenaufnahme
eines Oberarmknochens mit eingebrachtem Knochennagel gemäß der folgenden
Erfindung a) vor der Aktivierung und b) nach der Aktivierung des
Formgedächtnismaterials.
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Zur
Herstellung eines Knochennagels gemäß der vorliegenden Erfindung
wird das Formgedächtnismateral
Nitinol in Form eines etwa 200 bis 280 mm langen Rohres mit einem
Durchmesser von etwa 6 bis 10 mm, entsprechend der typischen Größe des Oberarmschafts,
das an einem Ende mit Schlitzen versehen wurde, verwendet. Ein solches
Material ist beispielsweise von der Fa. Euroflex, Pforzheim, Deutschland
erhältlich.
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Die
Grundlage des Formgedächtniseffekts ist
die martensitische Umwandlung, eine diffusionslose Phasenumwandlung.
Bei martensitischen Umwandlungen bewegen sich die Atome zueinander nicht
wesentlich, vielmehr scheren ganze Gitterebenen zueinander. Die
bei einer martensitischen Umwandlung beteiligten Zustände werden
als Austenit-Phase (Hochtemperatur-Phase) und die Martensit-Phase
(Tieftemperatur-Phase) bezeichnet. Die Temperatur, bei der die Umwandlung
von der Martensit-Phase in die Austenit-Phase beginnt, wird als
untere Austenit-Temperatur bezeichnet. Die Umwandlung läuft allerdings
nach Erreichen der unteren Austenit-Temperatur nicht vollständig ab.
Längeres
Halten bei einer Temperatur oberhalb der unteren Austenit-Temperatur
bringt keine weitere Umwandlung, erst bei weiterer Aufheizung setzt
sich die Umwandlung fort. Die Temperatur, bei der sich das ganze
Material umgewandelt hat, wird als obere Austenit-Temperatur bezeichnet.
Um dem Material die gewünschte
Form in der Austenit-Phase, d.h. die Hochtemperaturform anzutrainieren,
im vorliegenden Fall also die Form, in der die Fixationseinrichtung
des Knochennagels ausgebildet ist, wird das geschlitzte Rohr verformt,
d.h. die Lamellen aufgespreizt, die so entstandene Form in einer
Spezialform aus Edelstahl fixiert, und das Material anschließend auf
etwa 300°C bis
400°C mehrere
Stunden lang erhitzt. Die Umwandlungstemperatur, also die untere
und obere Austenit-Temperatur kann durch Variieren der Temperatur
und der Dauer des Heizvorgangs eingestellt werden. Nach Abkühlen auf
Raumtemperatur ist der Nagel in der gewünschten Form stabil.
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Um
die Fixationsvorrichtung auszubilden, können die einzelnen Lamellen
an ihren Enden in Form von Kreisabschnitten nach außen aufgespreizt werden.
Da aber nicht davon auszugehen ist, dass ein solches kreisförmiges Aufspreizen
die ideale Passung an das Knocheninnere bietet, können verschiedene
Aufspreizgeometrien durch entsprechende Haltevorrichtungen bei der
Wärmebehandlung realisiert
werden. So kann der Nagel der Anatomie des Knochens und insbesondere
der Form des Markraums, in dem die Lamellen nach dem Aufspreizen angeordnet
sind, angepaßt
werden. Nach der Abkühlung
auf Raumtemperatur kann das Material leicht wieder zu einem nahezu
geschlossenen rohrförmigen
Nagel zurückverformt
werden. Die Schlitze, durch die die Lamellen gebildet werden, können sich hierbei
entweder über
eine Länge,
die im wesentlichen der gesamten Länge des Nagels entspricht,
bis etwa zur Hälfte
der Länge
des gesamten Nagel erstrecken, wie in 4 gezeigt,
oder nur im oberen Bereich, der dem Bereich des Knochens entspricht, in
dem der Markraum gebildet ist, ausgebildet sein. Die Anzahl der
Lamellen wird entsprechend der Anwendung gewählt. Vorzugsweise werden jedoch
vier oder sechs Lamellen, also zwei bzw. drei Schlitze verwendet.
Im Lumen des Nagels am unteren Ende ist ein Gewinde geschnitten, über das
die Verriegelungsschrauben mittels eines Gewindebolzens winkelstabil
verklemmt werden können.
Damit wird die Stabilität
im osteoporotischen Knochen erhöht.
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In
einer ersten Ausführungsform,
in der die Verformung des Nagels in die Form, die die Fixationseinrichtung
bildet, also die Hochtemperaturform, durch Erhitzen des Nagels erfolgt,
wird der Nagel aus Nitinol-Material hergestellt, das eine Umwandlungstemperatur,
also eine untere Austenit-Temperatur oberhalb der Raumtemperatur
bei etwa 45°C
hat. Der Nagel wird im Zug der Operation in den geschädigten Knochen
eingebracht und nach erfolgter optimaler Positionierung durch einen
geeigneten Heizmechanismus über
seine Umwandlungstemperatur erwärmt.
Nun setzt im Nitinol die Rückformung
in die fixierte, die antrainierte Form ein, also das Aufspreizen der
Lamellen und damit die Fixation im Knochen.
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Als
Heizmechanismus des Nagels sind unterschiedliche Realisierungsarten
möglich:
Das
Heizen des Nagels kann durch direkten Stromdurchgang im Nitinol
erfolgen. Durch eine nach dem Einbringen und Positionieren des Nagels
eingebrachte stabförmige
Kontaktelektrode, die in den rohrförmigen Nagel bis zu dessen
Spitze eingeschoben wird, kann ein elektrischer Strom längs durch den
Nagel geleitet werden. Durch die beim Stromfluß im Nagel entstehende Wärme heizt
sich der Nagel auf die gewünschte
Umwandlungstemperatur auf und nimmt bei Erhöhung bis zur oberen Austenit-Temperatur
seine Endform an. Über
die Regelung der Stromstärke
kann die Stärke
der Aufspreizung des Nagels gezielt kontrolliert werden. So kann
beispielsweise durch Aufheizen bis zu einer Temperatur, die unterhalb
der oberen Austenit-Temperatur liegt, das Aufspreizen auch vor dem
Erreichen der zuvor fixierten Form abgebrochen werden. Außerdem kann über die
Temperatur die Größe der wirkenden
Kräfte bei
konstanter Position gezielt eingestellt werden. Weiter kann durch
eine entsprechend unterteilte Kontaktelektrode die Aufspreizung
der einzelnen Lamellen getrennt geregelt werden, um auf diese Weise auch
in ungünstigen
Geometrien des Knocheninnenraums eine optimale Verankerung zu erreichen.
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Weiterhin
ist das Heizen des Nagels durch einen innenliegenden Mantelheizleiter
möglich.
Nach dem Einbringen und Positionieren des Nagels wird ein geeignet
geformter Mantelheizleiter in das Rohr bis zu dessen Spitze eingebracht.
Mandelheizleiter sind kommerziell erhältlich und verursachen durch ihre
innenisolierte Führung
der stromtragenden Ader keine Kurzschlußprobleme. Durch den Mantelheizleiter
wird ein elektrischer Strom geleitet, der den Heizleiter erwärmt. Infolgedessen
heizt sich auch der Nagel auf die gewünschte Umwandlungstemperatur
auf und nimmt nach Erreichen der oberen Austenit-Temperatur seine
Endform an. Durch die Regelung der Stromstärke kann auch hier die Stärke der
Aufspreizung kontrolliert werden. Im Gegensatz zur oben beschriebenen
Möglichkeit
des Heizens durch direkten Stromdurchgang ist eine Kontrolle der
Einzellamellen auf diese Weise nicht möglich. Jedoch entfällt die Notwendigkeit
des Herstellen eines direkten elektrischen Kontakts zum Nagel.
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Weiterhin
kann die Heizung des Nagels durch induktive Ankopplung oder durch
Kontakt mit einem Schlauch, in dem eine erhitzte Flüssigkeit fließt, erfolgen.
Weiterhin ist denkbar, das Formgedächtnismaterial so zu konditionieren,
dass die obere Austenit-Temperatur bei etwa 35°C liegt, so dass die körpereigene
Wärme das
Nitinol aktiviert.
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Durch
den Einsatz von sogenannten „Einweg-Formgedächtnismaterial" ist gewährleistet,
dass der Nagel nach Abkühlen
auf Körpertemperatur
nicht in die Ausgangsform zurückgeht.
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In
einer zweiten Ausführungsform
wird das Formgedächtnismaterial
durch eine Entspannung von superelastischem Nitinol aktiviert. In
diesem Fall wird Nitinol-Material mit einer Umwandlungstemperatur
unterhalb der Raumtemperatur, sogenanntes superelastisches Material
mit einem gummiartigen mechanischen Verhalten, zur Herstellung des
Knochennagels verwendet. In diesem Fall nimmt der Nagel auch bei
Raumtemperatur die aufgespreizte Form an. Diese wird vor dem Einbringen
in den Knochen mittels beispielsweise einem Haltedraht-Mechanismus
zur Form des geschlossenen Nagels umgewandelt. Nach dem Einbringen
des Knochennagels in den geschädigten
Knochen wird der Haltedraht gelöst,
worauf sich der Nagel aufspreizt. Bei dieser zweiten Ausführungsform
ist keine externe Heizvorrichtung für die Umwandlung des Nagels
nötig.
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Der
Vorteil der Verwendung superelastischen Materials besteht darin,
dass die Kraft während
der Entspannung, also während
dem Aufspreizen des Nagels, über
weite Bereiche im wesentlichen konstant ist. Wird hingegen die Entspannung
von konventionellem Material ausgenutzt, wie dies beim sogenannten
Marchetti-Nagel bereits realisiert ist, spreizen sich die Lamellen
nach dem Lösen
des Haltedrahts unkontrolliert auf. Im Gegensatz hierzu geschieht
das Aufspreizen bei der Anwendung superelastischen Materials kontrolliert
und während
des gesamten Aufspreizvorgangs mit einer im wesentlichen konstanten
Kraft.
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Neben
der Versorgung von Oberarmbrüchen ist
der Knochennagel gemäß der vorliegenden
Erfindung auch für
weitere Einsatzfelder geeignet: Analog zum Oberarmnagel können auch
Nägel mit
einem kleineren Durchmesser zur Frakturstabilisierung von Unterarmbrüchen hergestellt
werden. Dem Einsatz herkömmlicher
Nägel steht
hier der geringe Durchmesser des Markraums im Wege, der die Verriegelung
mittels Schraube am Nagelende in den sehr dünnen Nagel technisch äußerst schwierig
und damit fehlerbehaftet gestaltet. Weiterhin kann der Nagel der
vorliegenden Erfindung als verformbarer Längsträger für Fixateur-interne Systeme
in der Wirbelsäulenchirurgie
verwendet werden. Hier soll die Aufrichtung des gebrochenen Wirbelkörpers durch
das Umformen des Längsträgers im
System erfolgen. Damit läßt sich
eine gleichmäßigere und
dosiertere Aufrichtung als bisher durch den Einsatz langer Repositionshebel
erreichen. Weiterhin kann der erfindungsgemäße Nagel als Dübel zur
Plattenverankerung im Knochen verwendet werden. Die Plattenverankerung
in einem osteoporotischen Knochen ist sehr schwierig, da die Schrauben
keinen ausrechenden Halt im Knochen finden. Mittels eines Nitinol-Dübels, der
durch die Bohrung der vorhandenen Platte gesteckt wird und sich
im Markraum verformt und dadurch selbstständig verankert, kann eine großflächige Stabilisierung
und, bei Belegung von mindestens zwei Löchern pro Fragment, sogar eine
winkelstabile Konstruktion, ähnlich
einem Fixateur-internem System erreicht werden. Zusätzlich wird
eine sogenannte monokortikale Stabilisierung möglich, d.h. die Schraube muß nicht
die gegenüberliegende
Knochenwand durchbrechen.