Definition Gliazellen
Unter
Gliazellen versteht man Zellen, die Nervenzellen umgeben. Zu den
Funktionen der Gliazellen zählen
die Versorgung mit Nährstoffen,
der Abbau von toten Neuronen, Isolierung und physikalischer Halt.
Zu den Gliazellen gehören
Astrozyten, Microglia, Oligodendrozyten, Schwann'sche Zellen, Satellitenzellen und Müller'sche Gliazellen.
Krankheiten
Für die normale
Nervenfunktion im zentralen Nervensystem (ZNS) müssen die Nerven mit Myelin umgeben
sein. Die Myelinschicht wird von Oligodendrozyten (OL) produziert.
OL sind klein und haben Fortsätze.
Als sogenannte „Satellitenzellen" der Nervenzellen
bilden sie die Markscheiden.. Die Myelinschicht, die von Oligodendrozyten
angelegt wird, vermittelt die normale Nervenimpulsübertragung
im ZNS, wobei die Nerven von ihrer Umgebung elektrisch isoliert
sind.
Bei
neurodegenerativen Erkrankungen, wie z.B. der multiplen Sklerose
(MS), ist die Myelinschicht der Axone beschädigt oder zerstört. In vielen Fällen sind
auch die OL selbst verletzt. In der MS gibt es stellenweise Narbengewebe,
das die Nervensignalübertragung
in bestimmten Fällen
permanent verhindert. Zudem wurde beobachtet, dass im zentralen Nervensystem
(ZNS) praktisch keine Remyelinisierung stattfindet, was bei der
MS zu zunehmender Verschlechterung des Zustandes führt. Im
Gegensatz dazu hat man im peripheren Nervensystem das Phänomen der
Remyelinisierung beobachten können.
Z.B. beim Guillain-Barre-Syndrom
ist das Myelin des peripheren Nervensystems betroffen, wobei sich in
85 % der Fälle
die Myelinschicht innerhalb von 4 bis 6 Monaten selbst regeneriert.
Des weiteren tritt die Demyelinisierung des peripheren Nervensystems bei
der Charcot-Marie-Tooth (CMT) Krankheit auf. In diesem Fall ist
der Defekt genetisch vererbt und kann auf verschiedene Mutationen
zurückgeführt werden. Die
häufigste
Form des CMT ist der Typ 1, wobei das Peripheren Myelinprotein Gen
22 (PMP-22) mutiert ist. Weitere Formen der CMT mit Demyelinisierung sind
Typ 1A (CMT 1A), 1B (CMT 1B), Typ 2 (CMT 2), Typ3 (CMT 3) oder Dejerine
Sottas Krankheit, Typ 4 (CMT 4) und CMTX.
Eine
weitere progressive Demyelisierungskrankheit ist die Adrenoleukodystrophie(ALD),
die auch zur Erblindung und Tod führen kann. Bei der amyotrophischen
Lateralsklerose (ALS oder Lou Gehrig's Krankheit) ist vor allem das Rückenmark
betroffen.
Jetzige Behandlungsmethoden
Zu
den derzeitigen Behandlungen von MS gehört das Interferon beta, das
T-Lymphozyten und Entzündungsvorgänge hemmt.
Allerdings hat Interferon beta keine heilende Funktion und kann
somit den Verlauf der Krankheit nur verlangsamen. Auch wirkt Interferon
beta nicht bei allen MS Patienten (keine dauerhafte Remission).
10-20% der MS Patienten haben einen relativ gutartigen Verlauf,
so dass nicht jeder Patient eine solche „krankheitsmodifizierende Therapie" benötigt.
Als
weitere Behandlung gibt es Glatirameracetat (Copaxone®),
ein synthetisches Copolymer, zusammengesetzt aus Alanin, Glutamin,
Lysin und Tyrosin. Copaxone® kann die Symptome der
MS lindern, aber auch keine dauerhafte Remission bewirken.
Da
Zytostatika die Leukozytenproliferation hemmen und somit auch eine
immunsuppressive und entzündungshemmende
Aktivität
haben, werden diese auch bei der MS eingesetzt. Eine eindeutige Verbesserung
des Krankheitsverlaufs bei der MS konnte jedoch noch nicht gezeigt
werden. Im besten Fall wird eine Abschwächung der MS-Schübe (Zahl und
Intensität)
erreicht, jedoch keine Heilung der Demyelinisierung.
Als
zusätzliche
Behandlung werden auch Steroide eingesetzt, die die Antikörperproduktion
und Entzündungsreaktionen
verlangsamen, die Myelinanschwellung reduzieren und somit Symptome
lindern. Die Steroide eignen sich aufgrund der vielen Nebenwirkungen
nur für
kurzzeitige Anwendungen, aber nicht für eine kontinuierliche Behandlung.
Des
weiteren wird in der Literatur die Verwendung von Zytokinen, speziell
von Interleukin-12 und
Interleukin-10, diskutiert.
Ein
anderer Ansatz ist Wirkstoffe zu finden, die eine Remyelinisierung
bewirken können.
Zu diesen Stoffen gehören
insbesondere Wachstumsfaktoren.
Wachstumsfaktoren
sind Proteine, die aufgrund ihrer spezifischen Wechselwirkung mit
einem Rezeptor in der Lage sind, Zellteilungs-, Migrations-, Differenzierungs-
und Reifungsprozesse anzuregen bzw. zu beeinflussen. Die Proteine
lassen sich in großem
Maßstab
sowohl in genetisch modifizierten Eukaryonten als auch Prokaryonten
herstellen (
EP0994188 ,
WO0022119). Die Bedeutung von Wachstumsfaktoren bei der Myelinisierung
und Demyelinisierung wurde in mehreren Studien untersucht (Du and
Dreyfus, 2002; Webster, 1997; Woodruff and Franklin, 1997). Dabei
konnten positive Wirkungen für
Fibroblast Growth Faktor (FGF), Glial Growth Faktor 2 (GGF2), Insulin
Growth Faktor (IGF) und Neurotrophine (z.B.NGF, BDNF, CNTF, GDNF, NT-3,
NT-4/5, NT-6 und NT-7) gezeigt werden. (
US 6268340 ,
US 5885584 )
ProNGF
ist das Vorläuferprotein
des NGF. Humaner NGF wird in vivo als präproNGF synthetisiert. Die prä-Sequenz
umfasst eine Länge
von 21 Aminosäuren
und wird nach der Translokation des Proteins in das endoplasmatische
Retikulum abgespalten. Das entstandene Proprotein wird anschließend N-
und C-terminal proteolytisch prozessiert, wodurch der reife NGF
zugänglich
wird. ProNGF besitzt ein Molekulargewicht von 49 kDa, besteht aus
221 Aminosäuren
und tritt in seiner reifen Form als Homodimer auf. Die pro-Sequenz
ist auf der Oberfläche des
gefalteten NGF lokalisiert, nahezu unstrukturiert (Rattenholl et
al., Eur. J. Biochem. 2001, 268, 3296-3303; J. Mol. Biol. 2001,
305, 523-533) und umfaßt
103 Aminosäuren
am N-Terminus.
Die
Wirkung von Wachstumsfaktoren wird über deren Bindung an spezifische
Rezeptoren vermittelt. Für
NGF sind zwei Rezeptoren beschrieben, TrkA, ein hochaffiner Rezeptor
mit Tyrosinkinaseaktivität,
und P75, ein niedrig affiner Rezeptor, an den neben NGF auch andere
Neurotrophine (z.B. BDNF, CNTF, GDNF, NT-3, NT-4/5, NT-6 und NT-7)
binden. Die Ex pression von TrkA wurde auf Oligodendrozyten nachgewiesen
(Althaus et al., 1997; Althaus and Richter-Landsberg, 2000; Nataf
et al., 1998). Neben dem hochaffinen Rezeptor konnte man auch die
Expression von P75 in myelinierenden Zellen, wie z. B. den Oligodendrozyten
nachweisen (Althaus et al., 1997; Ladiwala et al., 1998; Nataf et
al., 1998; Starkey et al., 2001).
Die
Wirkung, die über
die Interaktion des NGF mit den jeweiligen Rezeptoren vermittelt
wird, ist bislang nicht genau geklärt. P75 wird als Rezeptor beschrieben, über den
apoptotische Prozesse vermittelt werden (Lee et al., 2001; Starkey
et al., 2001). Es wurde allerdings auch gezeigt, dass die durch TrkA
vermittelten Prozesse wie Proliferation und Überleben sowie Differenzierung
von Zellen in Gegenwart von P75 verstärkt werden können. Das
Verhältnis
beider Rezeptoren zueinander, der Zelltyp, aber auch der zelluläre Entwicklungsstatus,
spielen demnach eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die durch
NGF vermittelte Wirkung. Aus der Literatur ist bekannt, dass proNGF
den Zelltod von Oligodendrozyten nach Rückenmarksverletzungen induziert (Neuron
2002; 36(3):375-86). Die Apoptose wird hierbei durch den p75 Rezeptor
vermittelt.
In
vivo wurde proNGF in verschiedenen Geweben nachgewiesen. Darüber hinaus
wurde die biologische Aktivität
von NGF-Vorstufen und Peptidsequenzen des Precursorproteins in verschiedenen
in vitro- und in vivo-Systemen (Induktion des Neuritenwachstums
bzw. Umverteilung des F-Actin in PC 12-Zellen, Steigerung der Aktivität cholinerger
Enzyme nach intrazerebroventrikularer Injektion in neonatale Ratten)
nachgewiesen (Chen et al., Mol. Cell. Endocrinol. 1997, 127, 129-136;
Clos et al., Develop. Brain Res. 1997, 99, 267-270). Die biologische
Bedeutung von proNGF, von der aufgrund von Sequenzhomologien der
Prosequenzen innerhalb der Neurotrophine und der Lokalisation in
verschiedenen Geweben ausgegangen wird, ist bislang nicht geklärt. Die
Proproteine werden als Reservoir des reifen aktiven Proteins diskutiert.
Ausserdem wird der pro-Sequenz eine Funktion als Helfer der Faltung
des reifen Proteins (Rattenholl et al., Eur. J. Biochem. 2001, 268,
3296-3303; J. Mol. Biol. 2001, 305, 523-533) oder eine Rolle bei
der Sortierung der Neurotrophine hinsichtlich anaboler oder kataboler
Wege (Farhadi et al., J. Neurosci. 2000, 20, 4059-4068) zugeschrieben.
Die
pharmazeutische Aktivität
von proNGF wurde zum ersten Mal in der
EP 0 994 188 gezeigt. Im Beispiel
4f wird die Stimulierbarkeit und das Überleben sensorischer Neuronen
aus dissoziierten Dorsalwurzelganglien anhand der Ausbildung von
Neuriten untersucht. Bei die sen Versuchen ergab sich eine halb so
große
biologische Aktivität
für das
rekombinante proNGF im Vergleich zum rekombinanten reifen β-NGF. Aufgrund
dieser Versuchsergebnisse wurde vorgeschlagen, rekombinanten proNGF
zur Herstellung eines Arrneimittels zur Behandlung von Neuropathien
einzusetzen, wobei die Wirkung von proNGF sich auf die Neuronen
/ Nerven bezieht. Eine Wirkung auf andere Zelltypen, insbesondere
auf myelinisierende Zellen, wird nicht beschrieben.
Die
WO 96/08562 beschreibt NGF, welcher N-Terminal um ein Peptidfragment
von bis zu ca. 19 Aminosäuren
verlängert
ist, wobei es sich bei diesem Peptidfragment um das C-terminale Fragment
des Precursor-Anteils von NGF handelt. Dieser Precursor enthält am C-Terminus eine Konsensusspaltstelle des
Furintyps, in der ein Austausch in der Aminosäure-1 und/oder -2 erfolgt ist.
Es wird vorgeschlagen, derartige NGF-Varianten in Arrneimitteln
zur Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems einzusetzen, beispielsweise
von degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, wie die Retinadegeneration,
bei der Behandlung von Verletzungen oder Beschädigungen des Nervensystems
usw., wobei die Wirkung stets über
die Nervenzellen selbst stattfindet. Z.B. wird beschrieben, daß das Überleben
dopaminerger und cholinerger Neuronen durch die genannten NGF-Derviate
mit einem deletierten pro-Anteil gefördert wird. Eine Anwendung
auf myelinisierende Zellen, wie z. B. Oligodendrozyten und Schwann'sche Zellen, wird
nicht gezeigt. Ganz im Gegenteil wird darauf hingewiesen, daß die NGF-Derviate
mit dem deletierten pro-Anteil die Vermehrung von Astrogliazellen
verhindern, also auf myelinisierende Zellen eine supprimierende
Wirkung ausüben.
Auch
in der Veröffentlichung
von Beattie et al. (Neuron 2002, 36, 375-386) wird gezeigt, dass
der Neurotrophinrezeptor P75, der bei verschiedenen Verletzungen
des Nervensystems induziert wird, durch seine Verbindung mit proNGF
den Zelltod von Oligodendrozyten fördert. Durch proNGF spezifische Antikörper konnte
die apoptotische Wirkung des proNGF-P75-Rezeptorkomplexes verhindert werden.
Diese Daten zeigen, dass proNGF bei der Eliminierung von geschädigten Nervenzellen
durch Aktivierung der P75-vermittelten Apoptose ein entscheidende
Rolle spielt. Die Aktivierung von P75 durch proNGF bewirkt damit
den Zelltod von Oligodendrozyten. Das Wechselspiel zwischen dem
P75-Neurotrophinrezeptor und proNGF ist damit ein zentraler Punkt
bei den Apoptoseprozessen nach Verletzungen des Nervensystems.
Weitere
Hinweise auf P75-vermittelte Apoptoseprozesse werden in Zusammenhang
mit einer erhöhten
proNGF-Konzentration im Gehirn von Alzheimer Patienten diskutiert
(Fahnestock et al. Mol. Cell. Neurosci. 2001, 18, 210-220).
Die
EP 0786520 beschreibt N-terminal
verlängerten β-NGF, der,
genauso wie natürlicher β-NGF, eine Wirkung
auf Neuronen zeigen soll. Eine Wirkung auf die hier vorgeschlagenen
Indikationsgebiete wird nicht diskutiert.
Es
ist eine Aufgabe der Erfindung, neue, pharmazeutisch wirksame Mittel
zur Behandlung demyelinisierender Erkrankungen bereitzustellen,
insbesondere solcher Erkrankungen, bei denen proliferative und myelinisierende
Prozesse von Gliazellen stimuliert und die Vitalität von Gliazellen
aufrechterhalten werden sollen, um z.B. die Regenerationsprozesse
der Gliazellen zu unterstützen
bzw. stimulieren.
Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch
die Verwendung von proNGF, Derivaten von proNGF, mit Ausnahme solcher,
bei denen der pro-Anteil vollständig
deletiert wurde, und/oder einem funktionellen Teil hiervon in einer
wirksamen Menge zur Prophylaxe und/oder Therapie von demyelinisierenden
Erkrankungen . Diese Stoffe bewirken eine Stimulation der Proliferation
der Gliazellen, die Aufrechterhaltung der Vitalität der Gliazellen
und unterstützen
und stimulieren die Regeneration und die Migration von Gliazellen,
um eine Myelinisierung zu erreichen und demyelinisierende Prozesse
zu inhibieren.
Eine
bevorzugte Verwendung ist die Prophylaxe und Therapie von Multipler
Sklerose, der Charcot-Marie-Tooth (CMT) Krankheit, von Adrenoleukomyeloneuropathien,
beispielsweise der Adrenoleukodystrophie, und von amyotrophischer
Lateralsklerose (ALS).
Erfindungsgemäß wurde
festgestellt, daß proNGF,
seine Derivate, mit Ausnahme solcher, bei denen der pro-Anteil vollständig deletiert
wurde, und/oder funktionelle Teile hiervon das Überleben und die Regeneration
von Gliazellen, beispielsweise von Oligodendrozyten, insbesondere
des Menschen, verbessern und fördern.
Die Erfindung ermöglicht
damit den Einsatz von proNGF allein oder in Verbindung mit weiteren
pharmazeutisch wirksamen Bestandteilen, um Krankheiten vorzubeugen
oder zu heilen, bei denen Gliazellen geschädigt sind oder geschädigt werden
können,
wenn sie mit einer Demyelinisierung von Nerven einhergehen, insbesondere die
Multiple Sklerose.
Von
der Erfindung umfaßt
werden auch Derivate des proNGF, bei denen ein oder mehrere Aminosäuren ausgetauscht,
deletiert, hinzugefügt
und/oder chemisch modifiziert wurden, immer unter Beibehaltung der
oben beschriebenen pharmaeutischen, medizinischen und biologischen
Wirksamkeit.
Aminosäuresubstitutionen
können
auf Grundlage der Ähnlichkeit
in der Polarität,
Ladung, Löslichkeit,
Hydrophobie, Hydrophilie, und/oder der amphipatischen (amphiphilen)
Natur der involvierten Reste vorgenommen werden. Beispiele für unpolare (hydrophobe)
Aminosäuren
sind Alanin, Leucin, Isoleucin, Valin, Prolin, Phenylalanin, Tryptophan
und Methionin. Polare neutrale Aminosäuren schließen Glycin, Serin, Threonin,
Cystein, Thyrosin, Asparagin und Glutamin ein. Positiv geladene
(basische) Aminosäuren
schließen
Arginin, Lysin und Histidin ein. Und negativ geladene (saure) Aminosäuren schließen Asparaginsäure und
Glutaminsäure
ein.
"Insertionen" oder "Deletionen" bewegen sich typischerweise
im Bereich von ein bis fünf
Aminosäuren.
Der erlaubte Variationsgrad kann experimentell durch systematisch
vorgenommene Insertionen, Deletionen und/oder Substitutionen von
Aminosäuren
in einem Polypeptidmolekül
unter Verwendung von DNA-Rekombinationstechniken und durch Untersuchen
der sich ergebenden rekombinanten Varianten bezüglich ihrer biologischen Aktivität ermittelt
werden.
Bei
der Durchführung
dieser Änderungen kann
auch der hydropathische Index der Aminosäuren in Betracht gezogen werden.
Jeder Aminosäure kann
auf der Grundlage ihrer Hydrophobizität und ihrer Ladungseigenschaften
ein bestimmter hydropathischer Index zugeschrieben werden. Beispiele
hierfür
finden sich in der WO 00/32039, in der
US 4,554,101 sowie in Kyte & Doolittle, 1982,
auf die hier mit ihrem Inhalt Bezug genommen wird. Es ist bekannt,
daß bestimmte
Aminosäuren
durch andere Aminosäuren
substituierbar sind, wenn sie einen ähnlichen hydropathischen Index
besitzen und bei Ihrem Austausch eine vergleichbare biologische
Aktivität
des Gesamtmoleküls
bewirken. Entscheidend ist bei allen Derivatisierungen des proNGF
immer, daß die
biologische, medizinische bzw. pharmazeutische Wirksamkeit beibehalten
bleibt.
Die
Derivatisierungen von proNGF können sich
sowohl auf den pro-Anteil als auch auf den NGF-Anteil beziehen.
Die Abänderungen
des pro-Anteils umfassen auch Aminosäureadditionen am N-Terminus
des pro-Anteils, die durch den pre-Anteil definiert sind. Die Sequenz
des pre-Anteils, des pro-Anteils von NGF und von NGF selbst sind
bekannt, und es wird hier beispielsweise verwiesen
auf:http://www.ncbi.nlm.nih.gov:80/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=nucleotide&list uids=2173196&dopt=GenBank bzw.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov:80/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=nucleotide&list uids=2171804&dopt=GenBank
Unter "proNGF" werden erfindungsgemäß, auch
wenn nicht gesondert aufgeführt,
auch immer die Derivate von proNGF verstanden, mit der Ausnahme
derjenigen Derivate, bei denen der pro-Anteil vollständig deletiert
wurde, und die funktionellen Anteile von proNGF, wie sie in der
vorliegenden Anmeldung näher
definiert werden.
Unter "funktioneller Teil" von proNGF werden erfindungsgemäß solche
Teile verstanden, welche die in der vorliegenden Anmeldung beanspruchten Indikationen
und Verwendung erfüllen,
bei gleichzeitiger Ausschaltung, z.B. durch Deletion, solcher Anteile
von proNGF, die zur Funktion nicht beitragen.
Die
funktionellen Anteile können
von einem Fachmann beispielsweise durch Deletionsanalysen ermittelt
werden. Durch systematische Deletionen des pro-Anteils, des prepro-Anteils
und/oder des NGF-Anteils und einer nachfolgenden Analyse des verbleibenden
Moleküls
auf die hier beschriebenen und beanspruchten Indikationen ist der
Fachmann in der Lage, die gewünschten
funktionellen Abschnitte zu ermitteln. Beispielsweise sind derartige
funktionelle Anteile die 25 bzw. 71 Aminosäuren des pro-C-Terminus von
proNGF, insbesondere vollständige
Domänen.
Der
Wirkstoff proNGF umfasst solchen humanen Ursprungs, tierischen Ursprungs,
insbesondere von Nagern wie Ratte, Kaninchen und Maus, von Rind
und Schwein, sowie rekombinant hergestellten proNGF. Zu den rekombinanten
Formen des proNGF gehören
auch Fusionsproteine des proNGF, bei denen proNGF mit einem anderen
Protein bzw. Peptid verknüpft
wurden. Des weiteren kann proNGF als DNA über Expressionsvektoren oder
mittels proNGF exprimierenden Zellen appliziert werden. Zu Beispielen
für NGF,
in denen Fusio nierungen mit Proteasen eine kontrollierte Freisetzung
des NGF aus Matrices ermöglichen,
verweisen wir auf Sakiyama-Elbert et al., FASEB J. 2001, 15, 1300-1302;
Park et al., J. Drug Target 1998, 6, 53-64
Die
Derivate des pro-Anteils von NGF umfassen insbesondere solche pro-Formen,
bei denen mindestens 25, weiterhin bevorzugt 71 Aminosäuren des
pro-C-Terminus am N-Terminus des NGF vorhanden sind (Dicou et al.,
J. Cell. Biol. 1997, 136, 389-398). Weiterhin bevorzugt werden solche
Derivate des proNGF, die auf Aminosäureebene eine Homologie zur
pro-Form, zur prepro-Form
und/oder zum NGF-Anteil des proNGF von mindestens 80% aufweisen,
bevorzugt von 85%, von 90% oder von 95% oder darüber. Voraussetzung für die erfindungsgemäße Anwendbarkeit
der Derivate ist immer, daß nach
der Derivatisierung die Wirksamkeit in den hier beanspruchten Einsatzgebieten
erhalten bleibt. Verschiedene Testsysteme zur Bestimmung der Aktivität des proNGF
und seiner Derivate sind in den nachfolgenden Beispielen angegeben.
Der Fachmann kann aber auch andere beispielhafte Testsysteme aus
der Literatur ermitteln oder entwickeln. (z.B. der Ratten Pheochromozytoma
PC12 Zellassay Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 1976 ;73(7):2424-8);
Auswachsen der Neuriten aus embryonalen dorsalen Spinalganglien,
Neuroscience Lett. 1999; 262: 29-32; Oligodendrozyten Assay (J.
Neurochem Suppl. 2001:78:49)
In
einer bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung wird die Aminosäuresequenz
des pro-Anteils
so abgeändert,
daß unter
physiologischen Bedingungen der pro-Anteil in der Zelle nicht oder
erst zu einem späteren
Zeitpunkt als unter physiologischen Bedingungen abgespalten wird.
Mittels der site-directed Mutagenese oder PCR Mutagenese kann die
natürliche
Furinspaltstelle mutiert werden, so dass das NGF nicht abgespalten
wird (Hempstead et al., Science 2002, 294, 1945-1948). Dazu wird
die Konsensussequenz für
die Furinkonvertase, Arg-X-(Arg/Lys)-Arg, mutiert, die im humanen proNGF
an der Aminosäureposition
104 vorkommt.
Aber
auch ohne Änderungen
in der Aminosäuresequenz
ist proNGF über
einen Zeitraum nachweisbar, der ausreicht, um eine therapeutische/prophylaktische
Wirksamkeit zu entfalten. So kann beispielsweise in Zellkultur proNGF über eine
Zeitspanne bis zu 8 Stunden nachgewiesen werden (Mowla et al., 1999).
Die
Derivatisierungen von proNGF können sowohl
auf Aminosäure-Ebene
stattfinden über
direkte chemische Modifikationen von Aminosäuren. Bevorzugt ist aber eine
Modifikation durch Mutagenese der für das Protein kodierenden DNA.
Hierzu gehört beispielsweise
die site directed-Mutagenese, wie sie aus dem Stand der Technik
bekannt ist und beständig weiterentwickelt
wird (Brannigan und Wilkinson, Nat. Rev. Mol. Cell. Biol. 2002,
3, 964-970).
Die
Herstellung von proNGF und seiner Derivate durch rekombinante Techniken
ist beschrieben, und auf diese vorveröffentlichte Literatur wird hier
Bezug genommen (Rattenholl et al., Eur. 7. Biochem. 2001, 268, 3296-3303;
Rattenholl et al., J. Mol. Biol. 2001, 305, 523-533). Die Herstellung von proNGF und
der von der Erfindung umfaßten
Abwandlungen einschließlich
der für
die proNGF-Proteine kodierenden DNA und der die DNA enthaltenden Expressionsvektoren
liegen im Bereich des fachmännischen
Könnens
eine Biotechnologen, insbesondere eines Proteinchemikers. Die Herstellung
rekombinanter DNA, von Vektoren, transformierten Wirtszellen, der
Proteine und Proteinfragmente durch gentechnologische Methoden ist
also bekannt. Nur beispielsweise sei hier auf die nachfolgenden
Publikationen hingewiesen: WO 97/10365, WO 97/27317, Laboratory
Techniques in Biochemistry and Molecular Biology: Theory and Nucleic
Acid Preparation, P. Tijssen, ed. Elservier, N.Y. (1993) Sambrook
et al., Molecular Cloning: A Laboratory Manual (2nd ed.)
Vols 1-3, Cold Spring Harbor Laboratory (1989), oder Current Protocols
in Molecular Biology, F. Ausübel
et al., ed., Breene Publishing and Wiley-Interscience, N.Y. (1987).
In
einer Ausführungsform
der Erfindung werden die pharmazeutisch wirksamen proNGF-Wirkstoffe dem Patienten
durch gentherapeutische Methoden appliziert. In der Gentherapie
unterscheidet man 2 grundsätzliche
Methoden, mit deren Hilfe ein Gen, hier proNGF, in den Patienten
gebracht werden kann.
Bei
der ex vivo Applikation wird das therapeutisch aktive proNGF-Gen
mittels Vetoren in eine Zelle, bevorzugt eine Körperzelle, insbesondere bevorzugt
eine Gliazelle, des Patienten eingeschleust, und die so behandelten
Zellen werden dem Patienten, beispielsweise durch Mikro- oder Nanopartikel, wieder
zugeführt.
Insbesondere bevorzugt ist hier eine spezifische Integration des
proNGF-Gens in das zelluläre
Genom.
Bei
der in vivo-Gentherapie wird das proNGF-Gen über Genfähren zur Targetzelle im Körper transportiert,
beispielsweise mit Hilfe von Viren, die die Zellen zwar infizieren
können
und das therapeutisch wirksame proNGF-Gen dabei einschleusen, sich
selber aber nicht mehr vermehren oder ausbreiten können. Auch
bei dieser Methode können
Nanopartikel oder Mikropartikel, beispielsweise Liposomen, die mit
der Zellmembran verschmelzen können, als
Genfähren
eingesetzt werden. Die somatische Gentherapie ist also auch für die Behandlung
der von der Erfindung umfaßten
Erkrankungen ein bevorzugtes Mittel der Wahl.
Beispielhafte
gentherapeutische Verfahren, einschließlich der liposomalen Transfektion
von Nukleinsäuren
in Wirtszellen, werden beispielsweise beschrieben in den US-Patenten
5,279,833; 5,286,634; 5,399,346; 5,646,008; 5,651,964; 5,641,484
und 5,643,567, auf die hier vollinhaltlich Bezug genommen wird.
Die
zu infizierenden Targetzellen, insbesondere Gliazellen des peripheren
und des zentralen Nervensystems, werden mit einer wirksamen Menge eines
proNGF-DNA-Moleküls
in Verbindung mit regulatorischen Sequenzen in einem geeigneten
Vektor, der die Expression des proNGF-Gens und seine Steuerung ermöglicht,
eingebracht. Die Zelle wird dann unter geeigneten Bedingungen vermehrt
und das Polypeptid zur Expression gebracht.
Techniken
zur Transformation und Transfektion einer Zelle sind an sich bekannt.
Verwiesen wird hier auf die oben zitierte Literatur.
Als
Genfähre
bzw. Trägervehikel
für das proNGF-Gen
kann beispielsweise ein Virus oder ein Antikörper eingesetzt werden, der
die Zielzelle spezifisch infiziert oder mit einem Antigen der Zielzelle eine
Immunreaktion eingeht. Als virale Vehikel können beispielsweise Retroviren
eingesetzt werden, die durch genetische Manipulationen eine Wirtsspezifität für die Gliazellen
erhalten haben oder diese bereits aufweisen, und bei denen die 3-LTR
inaktiviert wurde. Diese keinen Enhancer aufweisenden 3' LTRs, oft auch als
SIN (selbst inaktivierende Viren) bezeichnete Vektoren, sind zwar
in der Lage, die Wirtszelle zu infizieren und sich zu vermehren,
nach der produktiven Infektion wird jedoch die 3'LTR an das 5' Ende transferiert und beide viralen
LTRs sind bezüglich
ihrer Transskriptionsaktivität
inaktiv. Zwischen die beiden LTRs kann das zu klonierende Gen in
Verbindung mit regulatorischen Elementen, beispielsweise Promotoren
und Enhancer Elementen, insertiert werden. Ein Vorteil eines viralen
Infektionssystems liegt darin, daß die Zielzelle mit hoher Effizienz
infiziert wird.
Neben
retroviralen Vektoren sind auch auf Adenoviren und Vaccinia basierende
Vektoren einsetzbar.
Bei
der Verwendung von Antikörpern
werden insbesondere monoklonale Antikörper bevorzugt, die beispielsweise
an poly-L-Lysin gekoppelt sind.
Mit
Hilfe von Nano- und Mikropartikeln können die die Information zur
Expression von proNGF tragenden Nukleinsäuren, und Zellen mit dieser
Information, in die Zielzellen bzw. den Zielort transportiert werden.
Beispielsweise wird hier hingewiesen auf Journal of Pharmacological
and Pharmaceutical Science 3 (2): 234-258, 2000, Microencapsulation:
Methods and Industrial Applications (Drugs and the Pharmaceutical
Sciences, Vol 73) by Simon Benita (Editor),Publisher: Marcel Dekker;
(April 19, 1996), Fundamentals of Animal Cell Encapsulation and
Immobilization von Mattheus F. A. Goosen; Publisher: CRC Press;
(November 10, 1992) und Microparticulate Systems for the Delivery
of Proteins and Vaccines von Smadar Cohen (Editor), Howard Bernstein (Editor)
,Publisher: Marcel Dekker; (September 1996).
Beispiele
für Nanopartikel
sind Micellen auf Basis biokompatibler Copolymere des Polyethylenoxids,
copolymerisiert mit Poly L-Milchsäure (PLA) und mit Poly(Beta-Benzyl-L-aspartat) PBLA. Die
Aldehydgruppen auf der Oberfläche
der PEO-PBLA-Micellen können
mit den Lysinresten der Zellproteine in Wechselwirkung treten. Weitere
Beispiele für
Nanopartikel sind: Poly(Lactid-co-glycolid)-[(propylenoxid)-poly(ethylenoxid),
Polyphosphazen-Derivate, Poly(Ethylenglycol)
beschichtete Nanosphären,
Azidothymidin (AZT)/ Dideoxycytidin (ddc) Nanopartikel, Poly (Isobutylcynoacrylat)
Nanokapseln, Poly (γ-Benzyl-L-Glutamat)/ Poly(Ethylenoxid),
Chitosan-poly(Ethylenoxid)-Nanopartikel, Methotrexat-o-Carboxymethylatchitosan,
feste Lipid-Nanopartikel.
Bei
Mikrokapseln und Mikrosphären
handelt es sich um sphärische
Teilchen mit einer Größe von zwischen
50 nm und 2 mm mit einer Kernsubstanz. Hierzu gehören beispielsweise
multiporöse
Kügelchen
aus Chitosan, beschichtete Mikrosphären aus Alginat, beispielsweise
Calciumalginat-Mikrokügelchen,
Mikrokügelchen
aus N-Aminoalkylchitosan, Chitosan/Kalziumalginat-Kügelchen,
Polyadipinsäureanhydridmikro-Kügelchen,
Kügelchen
aus Gellangummi, Poly(D,L-Lactid-coglycolid) -Mikrokügelchen, Mikrokügelchen
aus Alginatpoly-L-Lysin, aus quervernetzten Chitosanverbindungen,
aus Chitosan und Gelatine, Lipokügelchen
aus Triglyceriden, Polyelektrolytkomplexe aus Natriumalginatchitosan,
Mikrokapseln aus Polypeptiden und aus Albumin. Weiter Beispiele
sind bekannt und werden ständig
neu entwickelt.
Der
Fachmann wird in Abhängigkeit
von der Applikationsform, vom Patienten, der zu behandelnden Erkrankung
und des zu applizierenden Wirkstoffs, der Höhe der Dosis, der Zubereitungsform usw.
eine geeignete Applikationsform, sei es eine gentherapeutische Methodik
oder eine "klassische" pharmazeutische
Zubereitung, auswählen.
Die geeignete Zubereitungsform, die wirksame Dosis usw. wird der
Fachmann aufgrund seines Fachwissens anhand von experimentellen
Untersuchungen durch Austesten ermitteln. Die hier vorgeschlagenen
Dosismengen sind nur beispielhaft zu verstehen und können vom
Fachmann der gegebenen Problemstellung problemlos angepaßt werden.
Die Wirkstoffe der vorliegenden Erfindung werden vorzugsweise in
Form einer pharmazeutischen Zusammensetzung verwendet, in der sie
mit geeigneten Trägern
in solchen Dosen vermischt werden, so daß die Erkrankung behandelt
und/oder gelindert wird. Eine derartige Zusammensetzung kann (zusätzlich zu
den Wirkstoffen und dem Träger)
Verdünnungsmittel,
Füllmaterialien,
Salze, Puffer, Stabilisatoren, Solubilisierungsmittel, Penetrationsverstärker und
andere Materialien enthalten, die in der Technik wohlbekannt sind.
Der Begriff "pharmazeutisch
verträglich" ist als ein nichttoxisches
Material definiert, das die Wirksamkeit der biologischen Aktivität des aktiven
Inhaltsstoffes bzw. Wirkstoffes nicht stört. Die Auswahl des Trägers und der
weiteren Additive hängt
vom Verabreichungsweg ab. Bevorzugt wurden biolgisch verträgliche Träger und
Additive eingesetzt, die die Bluthirnschranke passieren können, falls
die Gabe nicht intrathekal oder intracerebral erfolgt..
Techniken
zur Formulierung bzw. Zubereitung und Verabreichung der Verbindungen
der vorliegenden Anmeldung sind in "Remington's Pharmaceutical Sciences", Mack Publishing
Co., Easton, PA, letzte Ausgabe, zu finden. Eine therapeutisch wirksame
Dosis bezieht sich ferner auf eine Menge der Verbindung, die ausreicht,
um eine Verbesserung der Symptome zu erreichen, beispielsweise eine
Behandlung, Heilung, Prävention
oder Verbesserung derartiger Zustände. Geeignete Verabreichungswege
sind insbesondere eine topische Anwendung.
Hierzu
können
die Zusammensetzungen in flüssiger
Form vorliegen, beispielsweise in Form von Emulsionen, Suspensionen
und Lösungen,
in Sprayform, in Form transdermaler Systeme wie Pflaster, in Form
einer Creme, einer Salbe oder eines Gels. Bevorzugt werden auch
Retardformen. Weitere, an sich bekannte Darreichungsformen sind
dem Fachmann geläufig.
Die
Menge an Wirkstoff, die adäquat
ist, um die oben beschriebenen Wirkungen zu erreichen, wird als
therapeutisch wirksame Dosis definiert. Die Menge, die für diese
Verwendung wirksam sind, hängen
vom Schweregrad des Zustandes des Patienten und seiner Erkrankung
ab. Einfache oder mehrfache Verabreichungen nach einem täglichen,
wöchentlichen
oder monatlichen Behandlungsplan können mit Dosisstärken und
Mustern kombiniert werden, die durch den behandelnden Arzt ausgewählt werden. Die
einzusetzenden Dosen werden ebenfalls durch den Arzt bestimmt, wobei
bevorzugt Mengen von 0,1 mikrog/kg bis 500 mikrog/kg Körpergewicht
bei Verabreichung durch Infusionen und von 2 mikrog/kg bis 2 mg/kg
Körpergewicht
bei Verabreichung durch Injektion eingesetzt werden. Selbstverständlich sind auch
andere Wirkstoffdosen einsetzbar, die beispielsweise auch von der
Formulierung des Wirkstoffs, von der Anwesenheit weiterer Wirkstoffe,
vom einzelnen Patienten, vom Applikationsort, von der Art der Erkrankung
usw. abhängen.
Des
weiteren kann proNGF Protein enkapsuliert implantiert werden, bzw.
genetisch veränderte Zellen,
die proNGF sezereniern, können
direkt oder enkapsuliert implantiert werden. Oder proNGF kann mittels
eines geeigneten Vektorsystem gentherapeutisch eingesetzt werden.
Es
wird darauf hingewiesen, daß der
Ausdruck "proNGF", wie er vorliegend
eingesetzt wird, die in den Patentansprüchen angegebenen und der vorliegenden
Beschreibung näher
definierten Ausgestaltungen mit umfasst, also beispielsweise auch
Derivate des proNGF.
Nachfolgend
wird die Erfindung in weiteren Einzelheiten beschrieben, wobei der
Fachmann aufgrund seines Fachwissens in der Lage ist, die Erfindung
im Rahmen der Patentansprüche
abzuwandeln, so daß auch
Ausgestaltungen mitumfasst werden, die in der vorliegenden Beschreibung
nicht gesondert aufgeführt
sind.
Beschreibung
der Erfindung
Die
vorliegende Erfindung umfaßt
die Verwendung von proNGF zur Aufrechterhaltung der Vitalität von Gliazellen
und zur Stimulation proliferativer und myelinisierender Prozesse
von Gliazellen. ProNGF ist geeignet zur Behandlung von demyelinisierenden
Krankheiten mit dem Ziel einer Unterstützung bzw. Stimulation von
Regenerationsprozessen der Gliazellen.
Die
zugrunde liegende Verwendung von proNGF und seiner Derivate zur
Verbesserung demyelinisierender Krankheiten beinhaltet insbesondere
I.) Bereitstellung einer biologisch verträglichen Zusammensetzung, die
eine wirksame Konzentration an proNGF enthält, II.) intrathekale, intracerebrale, intravenöse, intramuskuläre oder
intraperitoneale Applikation der Zusammensetzung in das Gehirn,
die präventiv
oder therapeutisch die Gliazellen beeinflusst mit dem Ziel, eine
klinisch nachweisbare Verbesserung und/oder Heilung der Myelinisierung durch
Stimulation proliferativer und/oder migratorischer Prozesse der
Gliazellen zu erreichen bzw. die Demyelinisierung zu stoppen.
bzw.
periphere Gabe bei peripheren demyelinisierenden Krankheiten.
I Biologisch verträgliche Zusammensetzung,
die proNGF enthält
- A: Die Bezeichnung proNGF schließt ein:
1.) die Aminosäuresequenz
des NGF, die N-terminal
um die vollständige
oder partielle Sequenz des Proproteins bzw. Präproproteins erweitert ist,
wobei die Erweiterung mindestens die Aminosäuren ab Position 1 bis 25 des
C-Terminus der Prosequenz umfasst
und 2.) glykosyliert oder nicht glykosyliert vorliegt bzw. sich
im Glykosylierungsstatus unterscheidet, 3.) humanen oder nicht humanen
Ursprungs ist, 4.) rekombinant oder nicht rekombinant gewonnen wird,
5.) als Fusionsprotein mit einem anderen heterologen Protein als
Fusionspartner oder nichtfusioniert vorliegt, 6.) unmodifiziert
oder modifiziert ist durch Aminosäureaustausche, Deletionen oder
Insertionen oder chemisch modifizierte Derivate des proNGF. 7) gentechnisch
manipulierte Zellen, vor allem Säugerzellen, die
proNGF sezernieren; 8) DNA, die für proNGF kodiert und gentherapeutisch
eingesetzt wird.
- B: ProNGF kann mittels verschiedener Methoden gewonnen werden:
1.) Isolation aus humanem oder tierischem Gewebe, 2.) chemische
Synthese z.B. Festphasenpeptidsynthese, 3.) Herstellung durch gentechnisch
veränderte
Pro- oder Eukaryonten.
- C: Biologisch verträgliche
Zusammensetzungen sind Materialien wässriger, salbenartiger oder
gelartiger Konsistenz, die einen pharmazeutisch akzeptierten Träger enthalten.
Die Träger
können steriles
Wasser, verschiedene Puffer, Alkohole, organische Lösungsmittel,
emulsierende oder suspendierende Agenzien oder Verdünnungsmittel
enthalten.
Die Träger
können
bevorzugt weitere Hilfsstoffe, z.B. physiologisch verträgliche oberflächenaktive ionische
oder nicht-ionische Substanzen, enthalten. Die Träger können antibakte rielle,
antifungale Komponenten und/oder Konservierungsstoffe (z.B. Parabene,
Chlorbutanol, Sorbinsäure,
Phenol, Thimerosal) enthalten. Die Träger können Puffer zur Aufrechterhaltung
eines pH-Werts zwischen 5,0 und 8,0 enthalten. Die Puffer können konventionelle
Puffer sein, wie z.B. Phosphat-, Borat-, Zitrat-, Bikarbonat- oder
Tris-HCl-Puffer. Die Träger
können
durch Zugabe entsprechender osmotisch aktiver Komponenten (z.B.
Kochsalzlösung,
Phosphatpuffer, Zucker) isotonisch sein. Die Träger können andere solubilisierende
Komponenten wie proteinöse
Träger
oder Solubilisatoren (z.B. Albumin) enthalten. Die Träger können Antioxidantien
und Stabilisatoren wie z.B. Natriumbisulfit, Natriummetabisulfit,
Natriumthiosulfat, Thioharnstoff Proteininhibitoren enthalten. Mögliche Benetzungsagenzien
können
z.B. Polysorbat 80, Polysorbat 20, Poloxamer 282 oder Tyloxapol sein.
Die Träger
können
viskositätssteigernde Agenzien
wie z.B. Dextran 40, Gelatine, Pektin, Glycerin, Lanolin, Zellulosederivate
(z.B. Hydroxyethylzellulose, Hydroymethylpropylzellulose, Methylzellulose,
Carboxymethylzellulose), Vinylpolymere (z.B. Polyvinylalkohol, Polyvinylpyrrolidon)
Hyaluronsäure,
Polyacrylsäure,
Petrolatum, Polyoxyethylen, Polyethylenglycol, Polyoxypropylen,
Chitosan, Alginat, Protaminsulfat, Kollagene, Naturgummi und/oder
pflanzliche Öle
zur Erleichterung der Applikation und/oder für eine bessere Tolerierbarkeit
enthalten. Die Träger
können
Antibiotika zur Kontrolle von Infekten enthalten. Die Träger können Agenzien
zur verlangsamten Freisetzung des Wachstumsfaktors enthalten. Alle Bestandteile
des Trägers
sind dadurch gekennzeichnet, dass sie biologisch verträglich und
nicht toxisch sind.
Präservative,
Stabilisatoren, Feuchthaltemittel, Emulgatoren und Salze für den Ausgleich
des osmotischen Druckes sind weitere mögliche Zusatzstoffe.
- D: Wenn als biolgisch verträgliche
Lösung
zur Behandlung der Demyelinisierung Infusionen (intrathekale oder
intracerebrale Pumpe) verwendet werden, liegt die Konzentration
des proNGF im Träger
zwischen 0,1 μg/kg,
bzw. 0,5 μg/kg
Körpergewicht
und 50 μg/kg
bzw. 20 μg
Körpergewicht. Wenn
zur Injektion (i.v., i.m. oder i.p.) verträgliche Träger zur Behandlung der Demyelinisierung
in Form von Lösungen
verwendet werden, liegt die Konzentration des proNGF im Träger zwischen
2 μg, 5 μg und 400 μg /Injektion.
- E: proNGF kann im biologisch verträglichen Träger alleine oder in Kombination
mit anderen heilungsstimulierenden, antiinflammatorischen oder schmerzlindernden
Substanzen eingesetzt werden.
II Applikation
- A: Die Applikation des proNGF-enthaltenden
Arzneimittels kann nach Feststellung einer demyelinisierenden Krankheit
präventiv
oder therapeutisch erfolgen, in einer Menge, die ausreichend ist,
eine klinisch nachweisbare Stimulation der Myelinisierung durch
Stimulation proliferativer und/oder migratorischer Prozesse von
Gliazellen zu erreichen.
- B: Der proNGF-enthaltende Träger
wird in einer Menge zwischen 100 und 1000 μl, vorzugsweise 300 bis 700 μl appliziert.
- C: Kontinuierliche oder ein- oder mehrfache Applikationen sind
möglich,
vorzugsweise eine mehrfache (tägliche)
Applikation über
4 Wochen. Die Applikation kann zu jeder Zeit nach Feststellung einer
demyelinisierenden Krankheit beginnen.
- D: Unter demyelinisierenden Erkrankungen werden alle Vorgänge und
Zustände
verstanden die eine Schädigung
der Gliazellen im peripheren oder zentralen Nervensystem darstellen.
Die
EP0994188 und WO0022119
befassen sich mit der Herstellung von NGF (Nerve Growth Factor)
aus proNGF und beschreiben gleichzeitig die Verwendung von proNGF
als Arzneimittel. In dem in diesen Patentanmeldungen publizierten
in vitro-Assay (Dorsal Root Ganglion Assay) wird eine vergleichbare
Wirkung von proNGF und NGF hinsichtlich des Überlebens von Hühnerembryoneuronen
beschrieben, was eine vergleichbare Wechselwirkung mit den für NGF relevanten
Rezeptoren TrkA bzw. P75 vermuten lässt. Hempstead et al. (Science
2002, 294, 1945-1948) konnten jedoch zeigen, dass an der Furinspaltstelle
mutagenisiertes, nicht spaltbares rh-proNGF im Vergleich zu NGF
mit einer geringeren Affinität
an TrkA, aber mit einer höheren
Affinität
an P75 bindet. Die bevorzugte Bindung des proNGF an P75 und die
damit verbundene verstärkte
Aktivierung der P75-vermittelten Signalkaskade wird als Ursache der
durch proNGF induzierten Apoptoseprozesse beschrieben. In diesem
Zusammenhang wird die durch diese unterschiedliche Rezeptorbindung
beider Proteine vermittelte biologische Wirkung auf verschiedene
Wirkmechanismen zurückgeführt.
Die
Induktion der Apoptose durch proNGF wurde sowohl für Zellen,
die nur P75 exprimieren als auch für Neuronen, die beide Rezeptoren
tragen, nachgewiesen und scheint demnach durch die Koexpression
des hochaffinen Rezeptors TrkA nicht beeinflusst zu werden. Nach
diesen Ergebnissen wird proNGF als Stimulator von Apoptoseprozessen über eine
P75 vermittelte Signalkaskade angesehen während NGF über dessen bevorzugte TrkA-Bindung
das Überleben
der Zellen auch in Gegenwart von P75 bewirken kann.
Vor
dem Hintergrund der durch Hempstead et al. publizierten Apoptoseinduktion
durch proNGF scheint eine Anwendung von proNGF zur Stimulierung
der Gliazellen und bei den anderen, hier beschriebenen Indikationen über die
Induktion proliferativer Prozesse ungeeignet zu sein.
Bei
Untersuchungen von proNGF in in-vitro Zellsystemen wurde überraschenderweise
festgestellt, dass die erfindungsgemäß eingesetzten proNGF-Wirkstoffe
nicht wie bisher beschrieben die Apoptose induzieren, sondern bei
den erfindungsgemäß eingesetzten
Zellen die Proliferation und das Überleben der Gliazellen stimulieren.
Im Vergleich zu NGF wurde in in vitro-Tests sogar eine stärkere Wirkung
des proNGF auf die Proliferation von Müller'schen Gliazellen nachgewiesen. Darüber hinaus konnte
im Tierversuch gezeigt werden, dass proNGF eine stärkere Wirkung
auf die Remyelinisierung künstlich
gesetzter Demyelinisierung (Mause EAE Modell) im Vergleich zu NGF
hat.
Demnach
wird durch proNGF keine Apoptose in den von uns verwendeten Zellsystemen
induziert. Alle diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass der durch
proNGF vermittelte Wirkmechanismus über eine Interaktion mit P75
nicht ausschließlich apoptotische
Prozesse zu Folge hat, sondern überraschenderweise
auch proliferative Prozesse initiieren kann.
1.) Wirkung von proNGF
auf Gliazellen
Bei
den hier beschriebenen in vitro-Testsystemen handelt es sich um
Gliazellen aus der Retina, den Müller'schen Gliazellen,
die hinsichtlich der durch proNGF und NGF-vermittelten Effekte untersucht
wurden. Eine Apoptoseinduktion durch proNGF wäre nach obigen Ergebnissen
aufgrund der Wechselwirkung mit P75 zu erwarten gewesen.
Es
wurde jedoch eine bislang nicht beschriebene stimulatorische Aktivität von proNGF
auf die Proliferation der Gliazellen in vitro gefunden (Beispiel 1, 1). Überraschenderweise konnte in
diesem Testsystem im Gegensatz zu den bereits publizierten Daten
zur Apoptoseinduktion durch proNGF kein Nachweis einer Apoptose
erbracht werden. Darüber hinaus
konnte gezeigt werden, dass proNGF im Vergleich zu NGF eine stärkere Proliferationsinduktion (1) auslöst. Es wurden 25 ng/ml bis
100 ng/ml NGF und proNGF getestet. Da proNGF ein höheres Molekulargewicht
als NGF hat, 31 kD im Vergleich zu 16 kD, ist proNGF in einer niedrigeren
Konzentration aktiv.
2.) Wirkung von proNGF
auf den Krankheitsverlauf im EAE MS Modell
Im
Maus EAE Modell konnte überraschenderweise
gezeigt werden, dass der Krankheitsverlauf nach künstlicher
Induktion der Demyelinisierung im Gehirn durch proNGF verlangsamt
verläuft
und keine Anzeichen einer Apoptoseinduktion durch rh-proNGF zu beobachten
sind (Beispiel 2). Bei einer Dosis von 200 μg rh-proNGF/kg Körpergewicht/Tag
tritt eine fast vollständige
Remyelinisierung nach 18 Tagen auf, während die Vehikelkontrolle
erst am Tag 23 eine fast vollständige
Remyelinisierung zeigt (vgl. 2).
Unerwarteterweise
wurden bei Verwendung von proNGF auch die Nebenwirkungen reduziert.
So wurden beispielsweise die bei Verabreichung von NGF häufig beobachteten
Schmerzen deutlich reduziert. Die Erfindung wird durch die nachfolgenden Beispiele
illustriert. Alle Beispiele dienen der Illustration und sind nicht
einschränkend
zu verstehen.
Beispiele
Beispiel 1: Gliazellen
in vitro Assay
Im
Labor sind isolierte Gliazellen eine gutes Modell, um Faktoren zu
identifizieren, die die Proliferation, das Überleben und die Remyelinisierung
stimulieren können. Überraschenderweise
unterstützt proNGF
die Proliferation von Müller'schen Gliazellen. Dies
zeigt, dass proNGF auf Gliazellen nicht apoptotisch wirkt (1).
Müller'sche Gliazellen werden
aus der Retina von Meerschweinchen isoliert (Moll et al. Invest Ophthalmol
Vis Sci 2002;43:766-773.). Dazu werden die Tiere z.B. mit Urethan
(2.0 g/kg, i.p.) anästhesiert. Dann
werden die Tiere dekapitiert und die Augen werden isoliert. Die
Retina wird herausgelöst
und in Kalzium- und Magnesium-freien Phosphatbuffer mit Nagarse
(1 mg/ml; Subtilisin, EC 3.4.21.14) für 30 Minuten bei 37°C inkubiert.
Danach werden die Zellen mit Phosphatbuffer plus DNase I (200 units/ml)
gewaschen und die Einzelzellen werden auf unbeschichtete Deckgläschen (z.B.
Durchmesser 15 mm; Glaswarenfabrik Hecht, Sontheim/Rhön, Germany)
ausgesät.
Die Zellen werden in Minimalmedium (MEM, von Sigma) plus 10% fötalem Kälberserum
(z.B. von Biochrom, Berlin, Germany) bei 37°C und 5 % CO2 kultiviert.
Das Medium wird zweimal pro Woche gewechselt. Bevor die Zellen konfluent
sind, ca. 8 Tage nach Beginn der Kultur, werden die Testsubstanzen, proNGF,
NGF und Vehikel, zur Kultur gegeben. Nach einer Inkubation von 16
Stunden werden die Zellen analysiert. Die Substanzen werden in serum-freiem Zellkulturmedium
getestet. Der Einfluss auf die Proliferation kann z.B. mittels des
BrdU-Tests gemessen werden. Dazu kann ein Kit von Roche (Kat. Nr. 144611)
verwendet werden. Der Nachweis des BrdU-Einbaus in die zelluläre DNA wird über anti-BrdU
spezifische Antikörper
nachgewiesen (Kodal et al., Invest Ophthalmol Vis Sci 2000;41:4262-4267).
Beispiel 2: Tiermodell:
Experimentelle autoimmune Encephalomyelitis (EAE)
Als
allgemein anerkanntes Tiermodel für die Multiple Sklerose gilt
die experimentelle autoimmune Encephalomyelitis. Dieses Modell wurde
in Detail von (Anedondo et al., 2001; Ratts et al., 1999) beschrieben.
Die EAE kann in Mäusen
(z.B. in SLJ, C57BL/6 oder NOD Mäusestamm)
durch eine Immunisierung mit Peptiden (z.B. MOG35-55 oder
Ac 1-11 MBP Peptid) induziert werden. MOG35-55 ist
ein enzephaloitogenisches Peptid mit der Sequenz MEVGWYRSPFSRVVHLYRNGK.
Die Immunisierung mit dem Peptid erfolgt in einer Emulsion von Freund'schen Adjuvans (z.B.
von Sigma), supplementiert mit 4 mg/ml of Mycobacterium tuberculosis Antigen
H37RA (Difco). Das Antigenchallenge erfolgt mittels i.v. Injektion
in die Schwanzvene von 350 ng Pertussis Toxin (Sigma) sofort und
48 Stunden nach der ersten Immunisierung. Die Mäuse werden für 25 Tage
beobachtet. Die Krankheit ist von Tag 10 bis 25 zu beobachten. Die
Behandlung der Mäuse
mit proNGF und Vehikel (PBS) erfolgt nach der Immunisierung und
wird während
des gesamten Untersuchungszeitraums durchgeführt (bis Tag 25). Dabei wird
proNGF oder Vehikel in einer 0.5 ml Lösung mittels intraperitonealer
Injektion in verschiedenen Dosen appliziert. Alternativ können Wirkstoff
und Vehikel auch intrathekal appliziert werden. Für die intrathekale
Applikation werden die Tiere anästhesiert, und
eine intraventrikulärer
Katheter wird mittels eines stereotaxischen Rahmens plaziert. Der
Katheter ist mit einer osmotischen Pumpe (Alzet) verbunden, die subkutan
implantiert wird.
Mittels
des EAE Modells kann gezeigt werden, dass Mäusen, denen proNGF bei einer
Dosis von 200 Mikrogramm/kg/Tag appliziert wurde, einen leichteren
Krankheitsverlauf zeigen verglichen mit Vehikel. Dies ist nach statischer
Auswertung (ANOVA und T-Test) mit einer Signifikanz von p < 0.0001 (vgl. 2).
Beispiel 3: Vergleich
der Langzeitgabe von NGF und proNGF und die Verursachung von Schmerzen
Für die intracerebrale
Langzeitgabe von NGF und proNGF werden die Ratten, z. B. männliche Sprague-Dawley,
ca. 250-300 g schwer, zunächst
anästhesiert
(z.B. mit Nembutal®, 50 mg/kg, i.p.). Die Ratten
werden in einen David Kopf stereotaxischen Apparat fixiert. Eine
Edelstahlkanüle
(z.B. Alzet Brain infusion kit) wird mittels der stereotaxischen
Koordinaten nach dem Atlas von Paxinos und Watson (4. Edition 1998,
Academic Press) in den lateralen Ventrikel eingeführt (0.8
mm posterior zu Bregma, +1.5 mm lateral zu Bregma und 5 mm dorsoventral
von der Oberfläche
des Schädels).
Mittels Zahnzement ( z.B. Dentalon Plus®) wird
die Kanüle
fixiert, ein Katheter verbindet die Kanüle mit einer Minipumpe (z.B. Alzet
3003, Flussrate 0.5 μl/Stunde
für 2 Wochen), die
mit dem Vehikel oder der Testsubstanz (NGF oder proNGF) gefüllt ist.
Die Minipumpe wird subkutan implantiert.
Der
Schmerztest wird an verschiedenen Tagen nach der Operation durchgeführt, z.B.
1 Tag, 7 Tage und 14 Tage nach der Operation. Als Schmerztest können z.B.
der „tail
flick" Test, die
Von Frey Haar Stimulation, die Kälteempfindlichkeit
und Hitzeempfindlichkeit mittels des „hot plate" Tests verwendet werden.
Überraschenderweise
empfinden die Tiere, die mit proNGF im Vergleich zu NGF behandelt
wurden, weniger Schmerzen.
- a) Von Frey Haar
Stimulation
Die Tiere werden auf ein Gitter in einem durchsichtigen
Plastikkasten gebracht. Nach der Akklimatisierungsphase wird ein
Filament (z.B. Dynamic plantar Aesthesiometer, Ugo basile) in den Kasten
eingeführt. Über das
Filament wird eine Reizung auf den Rücken ausgeübt. Die Stärke des Drucks wird erhöht, bis
die Ratte vokalisiert oder bis der Maximaldruck erreicht ist. Die
Zeit bis zur Vokalisierung (in Sekunden) und die Stärke der
Reizung (in Gramm) werden gemessen.
- b) Kälteempfindlichkeit
Ethylchlorid
wird auf den Rücken
der Ratte gesprüht.
Die Reaktion wird nach verschiedenen Graden beurteilt: 0 für keine
Reaktion, 1 für
lokalisierte Reaktion, 2 für
transiente Vokalisierung und Schütteln,
3 für dauerhafte
Vokalisierung und aversive Reaktionen.
- c) Hitzeempfindlichkeit: „hot
plate" Tests
Beim „hot plate" Test wird die Reaktion
auf einen Hitzestimulus gemessen. Dazu wird ein „Hot plate" Apparat (Columbus Instruments, USA)
verwendet. Die Heizplatte hat während
des Versuches ein exakt kontrollierte Temperatur von 54.0 ±0.2°C. Es wird
die Latenzzeit gemessen, die die Ratte braucht, um entweder die
Vorder- oder Hinterpfote zu lecken oder zu heben. Im Falle, dass die
Ratte keine Reaktion zeigt, wird die Latenzzeit auf 60 Sekunden
beschränkt.
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