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Die Erfindung betrifft ein Suppositorium, enthaltend eine in vivo gas-
und/oder schaumbildende Substanz neben aktivem Wirkstoff wie
beispielsweise Pharmazeutika, und deren Verwendung.
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Die Schleimhaut des Enddarmes resorbiert viele Pharmazeutika
ausgezeichnet und ist damit prinzipiell als Applikationsort für
Medikamente gut geeignet. Wegen der nach Applikation nicht mehr
kontrollierbaren Homogenität der Medikamentenverteilung auf der
Rektumschleimhaut weisen die Medikamenten-Plasmaspiegel der
entsprechenden Patienten oder Probanden jedoch wesentlich größere
Streubreiten als beispielsweise bei oraler Einnahme auf. Dies ist unter
anderem der Grund, warum beispielsweise der Wirkstoff Paracetamol
als Suppositorium für die entsprechende Altersgruppe doppelt so hoch
dosiert ist wie in einer oralen Applikationsform.
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Die Gasbildung einer rektalen oder auch vaginalen Anwendung ist an
sich Stand der medizinischen Technik; zwei Beispiele seien im
Folgenden beschrieben:
Das Präparat Lecicarbon® betrifft ein Suppositorium mit abführender
Wirkung; je nach Wirkstärke werden im Darm maximal ca.
30/60/120 ml CO2 (Applikationsgrößen für Säuglinge/Kinder/Erwachsene)
erzeugt und dadurch ein Defäkationsreflex (= Stuhldrang) provoziert.
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Das Präparat Patentex oval® betrifft ein Ovulum zur vaginalen
Applikation und wirkt dadurch empfängnisverhütend, dass es neben
einer spermiziden Substanz CO2-schaumbildende Stoffe enthält, die vor
dem Muttermund haften und so zusätzlich die Penetration von Spermien
in die Gebärmutter verhindern sollen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht in der Bereitstellung
eines Suppositoriums, das geeignet ist, einem Wirkstoff auf die
Schleimhaut des Enddarmes gleichmäßig und großflächig zu verteilen
und somit die Resorption der pharmakologisch wirksamen Stoffe zu
verbessern oder zu anderen Zwecken (z. B. bei Verwendung von
Aktivkohle oder hochgereinigten, physiologischen Bakterienkulturen mit
dem Zweck der Darmsanierung) die Verteilung der Wirkstoffe
homogener und großflächiger zu gestalten.
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Die Erfindung betrifft in einer ersten Ausführungsform ein
Suppositorium, enthaltend eine in vivo gas- und/oder schaumbildende
Substanz neben aktivem Wirkstoff.
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Als Gas, welches in vivo gebildet wird, kommt namentlich CO2 in Frage;
denkbar sind jedoch auch andere, chemisch weitgehend inerte
Substanzen wie beispielsweise O2, N2 und/oder N2O.
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Die Beschreibung der vorliegenden Erfindung bezieht sich exemplarisch
auf die Applikationsform einen Suppositoriums (Zäpfchen zum Einführen
in den Darm), da dies vermutlich die häufigste rektale Applikationsform
darstellt; eine andere denkbare, vom Patentanspruch umfaßte
Applikationsform ist das Klysma.
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Im Sinne der Erfindung wurde festgestellt, daß in vielen Fällen die
rektale Applikation eines Medikamentes wesentlich besser als eine
andere Applikationsform ist. Beispielhaft seien folgende, mögliche
Vorteile genannt:
- - Der Wirkstoff wird nicht durch Magensäure (HCl) und/oder
Verdauungsenzyme des Magen-Darm-Traktes beeinträchtigt.
- - Die Resorption des Wirkstoffes ist unter Umgehung des Magen-
Darm-Traktes wesentlich schneller; so werden pharmakologisch
wirksame Plasmaspiegel oft in ca. 10-15 Minuten erreicht.
- - Die Verträglichkeit des Wirkstoffes ist unter Umgehung des
Magen-Darm-Traktes wesentlich besser (z. B. keine Übelkeit)
- - Die rektale Applikation von Medikamenten ist bei einigen
Patientengruppen (Kleinkinder, moribunde Patienten, aber auch
z. B. bei bewußtlosen Patienten, die zu schlechte Venen für einen
intravenösen Zugang haben) unabhängig von der Compliance.
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Die erfindungsgemäßen Suppositorien weisen, sofern Aktivkohle als
Wirkstoff enthalten ist, eine medizinisch durchaus verwertbare Wirkung
derart auf, daß, bedingt durch die Aktivkohle, übelriechende Flatulenzen
beseitigt wurden. Dieser Effekt ist besonders bei dem CO2-bildenden
Suppositorium vorhanden und derart vollkommen, schnell einsetzend
und langanhaltend, daß durchaus ein weitreichender medizinisch-
technischer Nutzen daraus gezogen werden kann. Zur weiteren
Kommentierung wird auf die FR-2 677 545 A1 verwiesen.
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In Versuchen an freiwilligen Probanden konnte bezüglich dieser
Eigenschaft, bei bewußt provokativer Nahrungsaufnahme von
beispielsweise großer Mengen Hülsenfrüchte, Kohlgemüse und
reichhaltiger Zwiebelgerichte, mit dem erfindungsgemäßen
Suppositorium eine hervorragende Wirkung über ca. 6 bis 12
Stundenerzielt werden. Die Wirkung tritt fast unmittelbar nach
Applikation des Suppositoriums ein. Eine sehr gute Wirkung war auch
nach der Einnahme von Antibiotika (unangenehme Flatulenzen sind dort
eine häufige Nebenwirkung) zu verzeichnen. An einem Probanden, der
an einer - an sich harmlosen - Laktose-Intoleranz (bei ca. 5% der
Bevölkerung genetisch bedingter Lactase-Mangel und damit verbundene
Unverträglichkeit gegen Trinkmilch) leidet, zeigte sich auch eine
ausgezeichnete Wirkung nach dem Genuß von 2 Litern Milch. Die
dadurch verursachten Durchfälle wurden jedoch nicht beeinflußt und
waren nur durch die zusätzliche Einnahme von Loperamid (=
Imodium®) zu behandeln.
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Oben angegebene Versuche legen den Schluß nahe, daß die Ursache der
Flatulenzen keine Rolle spielen; somit ist auch eine (wenn auch nur
symptomatische) Behandlung von Patienten mit krankhaften Flatulenzen
möglich.
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Alternative Versuche, durch orale Einnahme von handelsüblichen Kohle-
Tabletten dieselben Effekte zu erzielen, scheiterten jedoch (So führte
z. B. die Einnahme von 20 (!) Kohle-Compretten® (= 5000 mg) nur zu
einem mäßigen und stark verzögerten Erfolg; als Nebenwirkung trat
zusätzlich noch unangenehme Verstopfung ein).
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Insbesondere sind keine wesentlichen medizinischen Nebenwirkungen
(nur evtl. Schwarzfärbung des Stuhls), Gewöhnungen oder
Abhängigkeiten zu erwarten, wenn als Wirkstoff Aktivkohle eingesetzt
wird, da dieser Wirkstoff vom Körper nicht resorbiert wird.
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Die Anwendung des Suppositoriums allein oder - je nach Erkrankung in
eventueller Kombination mit anderen ärztlichen Maßnahmen - ist somit
unter anderem bei folgenden Störungen und Erkrankungen möglich,
wobei nur die Eigenschaft der unangenehmen Geruchsbildung des Flatus
die Indikation zur Anwendung des Suppositoriums sein könnte:
- - Fehlernährung
- - Bewegungsarmut
- - Übergewicht
- - Sphinkterinsuffizienz (Schließmuskelschwäche mit entspr.
"Undichtigkeit", z. B. für Darmgase), bedingt durch verminderten
Muskeltonus oder auch traumatisch (z. B. häufig
geburtstraumatisch bei der Gebärenden durch schwere
Dammrisse verursacht)
- - Hämorrhoidalleiden mit entspr. Sphinkterinsuffizienz
- - Bettlägerigkeit oder Querschnittslähmung (Rollstuhlfahrer!)
- - Zustand nach Apoplex (Schlaganfall)
- - akuter Magen-Darm-Infekt
- - Adjuvans bei evtl. Antibiotika-Therapie oder einiger anderer
Medikamente
- - Colon irritabile ("nervöser Darm")
- - Bakterielle und/oder mycotische Fehlbesiedlung der Darmflora
- - Aerophagie (übermäßiges Luftschlucken)
- - Stoffwechselstörungen (z. B. Lactose-Intoleranz, Sprue,
Pankreasinsuffizienz)
- - entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Colitis
ulcerosa)
- - bestimmte Arten des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürs
- - bestimmte Arten von Karzinomerkrankungen
- - bestimmte Arten von Durchblutungsstörungen
- - bestimmte Arten von Leberschäden (z. B. portale Hypertension)
- - bestimmte Arten von psychischen, insbesondere neurotischen
Störungen
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Es sollte jedoch bei all diesen möglichen Indikationen immer daran
gedacht werden, daß das Suppositorium selbst keinerlei Heilwirkung hat
(Ausnahmsweise mag vielleicht die Applikation bei psychischen
Störungen zu einer Begünstigung der Grunderkrankung führen),
sondern lediglich eine - wenn auch psychisch und sozial zum Teil schwer
belastende - Befindlichkeitsstörung lindert. Mithin handelt es sich um ein
Medizinprodukt und nicht um ein Arzneimittel. Bei der Anwendung
dieses Medizinproduktes am menschlichen Körper handelt es sich somit
nicht um ein medizinisches Heilverfahren.
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Neben der oben genannten Aktivkohle ist aber auch der Einsatz von an
sich bekannten pharmazeutischen Wirkstoffen bekannt, die mit Hilfe der
erfindungsgemäßen Suppositorien eine verbesserte Resorption erfahren.
Bei der Anwendung dieser Arzneimittel handelt es sich somit um ein
medizinisches Heilverfahren.
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Als mögliche Wirkstoffe kommen beispielsweise Antibiotika, Sedativa
Hypnotika, Antiemetika, Opiate in Betracht. Prinzipiell sind jedoch alle
Pharmazeutika, die schleimhautresorptive Eigenschaften haben,
denkbar. So sind z. B. auch Insuline applizierbar.
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Dementsprechend eignen sich die erfindungsgemäßen Suppositorien
beispielsweise zur Behandlung von Infektionen, Schmerzen, zur
Kurznarkose, bei psychischen Erkrankungen, aber auch die Behandlung
des Diabetes mellitus ist durchaus möglich.
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Als zusätzliche Stoffe sind zur weiteren Verbesserung der
erfindungsgemäßen Suppositorien der Einsatz von Schaumstabilisatoren
zur Verfestigung des Schaums möglich. Stabilisatoren sind
beispielsweise geringe Mengen an CaSO4, Mucopolysaccharide,
Detergentien (bei zu hoher Dosierung jedoch starker Defäkationsreflex
!) oder auch Proteine. Ebenfalls ist der Zusatz von Haftstoffen möglich
(z. B. Methylcellulose), der den Substanzkontakt mit der
Darmschleimhaut intensiviert.
Ausführungsbeispiele
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Versuche an freiwilligen Probanden wurden wie folgt durchgeführt. Die
Suppositorien wurden wie folgt hergestellt:
Verum
Placebo
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Bei dem Verum wurde ca. 15-20 ml CO2 freigesetzt, eine Menge, welche
beim Erwachsenen normalerweise noch nicht zu einem
Entleerungsreflex für Stuhl oder Flatulenzen führt. Dafür wären
Größenordnungen von ca. 100 ml CO2 nötig. Rektoskopische Kontrollen,
die jeweils ca. 2 Stunden nach der Applikation der Suppositorien
durchgeführt wurden, zeigten bei der Applikation der Placebos einen
inhomogenen Kohlebelag der Darmschleimhaut; nach Applikation der
CO2-bildenden Suppositorien einen durchgehend homogenen Kohlebelag
auf ca. 10 cm Darmschleimhaut, ab anus gerechnet.
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Die Rezeptur o. a. Suppositorien versteht sich exemplarisch; so ist
sowohl der Gasbildner als auch die Grundmasse austauschbar. (z. B.
statt Macrogol Hartwachs oder Lecithin).
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Der Leidensdruck zweier Patienten sei an dieser Stelle kurz skizziert:
Ein männlicher Patient, Anfang 50, Hauptdiagnose Colon irritabile und
neurotische Persönlichkeitsstruktur, wurde unter anderem. wegen
seiner Darmprobleme frühpensioniert.
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Eine weibliche Patientin, 61 Jahre, weitgehend "ausgebrannter" Morbus
Crohn, ebenfalls frühberentet, berichtet in der Sprechstunde häufig, daß
sie bezüglich ihrer Erkrankung subjektiv unter den streng riechenden
Flatulenzen oft mehr leide als unter den Diarrhöen und den
Bauchkrämpfen, sie traue sich deshalb kaum noch in die Öffentlichkeit.
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Mit Hilfe des oben definierten Verums konnte den Patienten geholfen
werden.