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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftrads, ein entsprechendes Steuergerät sowie ein entsprechendes Computerprogrammprodukt.
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Stand der Technik
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Zum Ermitteln eines Reibungszustands zwischen einem Rad und einem Untergrund ist eine Kraftübertragung in einer Längsrichtung des Rads erforderlich, um kontrolliert Schlupf zwischen dem Rad und dem Untergrund zu erzeugen. Der Schlupf kann durch ein Bremsen oder Beschleunigen des Rads erzeugt werden. Bei einem Kraftrad kann ein Vorderrad in der Regel nur gebremst werden. In vielen Fahrsituationen soll das Vorderrad jedoch frei rollen und nur Seitenkräfte zur Spurhaltung übertragen. Daher konnte bisher während dieser Fahrsituationen kein Reibungszustand des Vorderrads ermittelt werden.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund werden mit dem hier vorgestellten Ansatz ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftrads, ein entsprechendes Steuergerät, sowie ein entsprechendes Computerprogrammprodukt gemäß den unabhängigen Ansprüchen vorgestellt. Vorteilhafte Weiterbildungen und Verbesserungen des hier vorgestellten Ansatzes ergeben sich aus der Beschreibung und sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Vorteile der Erfindung
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Bei dem hier vorgestellten Ansatz wird auf einen Reibungszustand an einem frei rollenden Vorderrad eines Kraftrads geschlossen, indem Anzeichen für einen Übergang des Vorderrads von einem Haftreibungszustand zu einem Gleitreibungszustand erkannt werden, ohne dass dafür eine Kraft in Längsrichtung aufgebracht wird. Diese Anzeichen sind charakteristische Veränderungen eines an einem Vorderrad des Kraftrads wirkenden Lenkmoments.
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Das Lenkmoment wird während einer Kurvenfahrt durch einen Fahrer des Kraftrads über einen Lenker des Kraftrads ausgeglichen. Das Lenkmoment ist unter anderem abhängig von dem Reibungszustand. Wenn sich der Reibungszustand von der Haftreibung in Richtung Gleitreibung verschiebt, verringert sich bei ansonsten gleichbleibenden Parametern eine übertragbare Seitenkraft und damit das Lenkmoment. Der Fahrer kann sich auf die sich ankündigende Änderung des Lenkmoments nicht schnell genug anpassen und übt zu viel Kraft auf den Lenker aus. Damit beginnt der Fahrer den Lenker stärker einzuschlagen und es kommt ohne stabilisierenden Eingriff zu einem Kontrollverlust.
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Durch den hier vorgestellten Ansatz kann der Beginn der Reduktion des Lenkmoments erkannt werden. Durch die automatisierte Erkennung kann automatisiert ein stabilisierender Eingriff angesteuert werden, bevor der Fahrer den Lenker durch eine Überkompensation einschlägt, da eine verwendete Elektronik frühzeitiger als der Fahrer reagieren kann.
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Es wird ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftrads vorgeschlagen, wobei ein das Kraftrad stabilisierender Eingriff angesteuert wird, wenn ein aktuell an einem Vorderrad des Kraftrads wirkendes Lenkmoment um mehr als eine Toleranz von einem Referenzmoment abweicht.
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Ideen zu Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung können unter anderem als auf den nachfolgend beschriebenen Gedanken und Erkenntnissen beruhend angesehen werden.
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Ein Kraftrad kann ein angetriebenes Zweirad sein. Das Kraftrad kann beispielsweise ein Motorrad, Mokick oder ein Motorroller sein. Das Kraftrad kann einen elektrischen Antrieb oder einen Verbrennungsmotor aufweisen. Der Antrieb kann insbesondere auf ein Hinterrad des Kraftrads wirken. Ein Vorderrad des Kraftrads kann insbesondere nur gebremst und gelenkt werden.
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Ein stabilisierender Eingriff kann beispielsweise eine Reduktion eines Antriebsmoments des Kraftrads sein. Durch das verringerte Antriebsmoment ist weniger Seitenführungskraft am Vorderrad erforderlich, um die Kurvenfahrt mit einem gewählten Kurvenradius fahren zu können. Das Antriebsmoment kann auch durch das Aufbringen eines Bremsmoments am Hinterrad verringert werden.
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Ein Lenkmoment kann durch eine Messeinrichtung an einer Gabel oder einem Lenker des Kraftrads erfasst werden. Beispielsweise kann eine Verformung eines Bauteils in einem Kraftfluss zwischen Lenkergriffen eines Lenkers des Kraftrads und einer Vorderachse des Kraftrads erfasst werden und in das Lenkmoment umgerechnet werden. Die Messeinrichtung kann die Verformung beispielsweise unter Verwendung von Dehnungsmessstreifen erfassen.
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Ein Referenzmoment kann für einen aktuellen Fahrzustand des Kraftrads bestimmt werden. Das Referenzmoment kann unter Verwendung von aktuell am Kraftrad gemessenen Messwerten und konstruktiv gegebenen Parametern bestimmt werden. Als Messwerte und Parameter können beispielsweise eine Masse des Kraftrads und Vorderads, eine Masseverteilung der Masse zwischen dem Vorderrad und dem Hinterrad des Kraftrads, eine Geschwindigkeit des Kraftrads, eine Drehrate des Kraftrads, ein Schräglagewinkel des Kraftrads, eine Längsbeschleunigung des Kraftrads und/oder eine Querbeschleunigung des Kraftrads erfasst werden. Die Messwerte und Parameter können Eingangsgrößen eines Algorithmus sein. Das Referenzmoment kann eine Ausgangsgröße des Algorithmus sein. Ebenso können die Messwerte verwendet werden, um das Referenzmoment aus einer mehrdimensionalen Tabelle mit vorberechneten Werten beziehungsweise Zwischenwerten auszulesen.
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Das Referenzmoment kann unter Verwendung von Geometrieparametern des Kraftrads bestimmt werden. Als Geometrieparameter können beispielsweise eine Reifenbreite des Vorderrads, ein Winkel einer Lenkachse des Vorderrads, eine Masse des Kraftrads und des Vorderrads, eine statische Masseverteilung der Masse zwischen dem Vorderrad und dem Hinterrad und/oder ein Nachlauf des Vorderrads verwendet werden. Die Geometrieparameter können Eingangsgrößen des Algorithmus sein. Das Referenzmoment kann eine Ausgangsgröße des Algorithmus sein. Ebenso können die Geometrieparameter verwendet werden, um das Referenzmoment aus einer mehrdimensionalen Tabelle mit vorberechneten Werten beziehungsweise Zwischenwerten auszulesen.
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Unter Verwendung der Messwerte und der Geometrieparameter können Rechenwerte berechnet werden. Beispielsweise kann unter Verwendung der statischen Masseverteilung und dem Nachlauf ein angepasster Nachlauf berechnet werden. Weiterhin kann unter Verwendung des Nachlaufs und der Längsbeschleunigung ein dynamischer Nachlauf berechnet werden. Die dynamische Masseverteilung kann unter Verwendung der statischen Masseverteilung und der Längsbeschleunigung berechnet werden. Die Rechenwerte können Eingangsgrößen des Algorithmus sein. Ebenso können die Rechenwerte verwendet werden, um das Referenzmoment aus einer mehrdimensionalen Tabelle mit vorberechneten Werten beziehungsweise Zwischenwerten auszulesen.
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Das Lenkmoment kann gefiltert werden. Insbesondere kann das Lenkmoment unter Verwendung eines Tiefpassfilters gefiltert werden. Das Lenkmoment kann auch unter Verwendung einer Vertikalbeschleunigung des Kraftrads gefiltert werden.
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Der Eingriff kann angesteuert werden, wenn das das Lenkmoment um die Toleranz kleiner als das Referenzmoment ist. Das Gegenmoment und das Lenkmoment nehmen bei dem Übergang von dem Haftreibungszustand in den Gleitreibungszustand ab. Die Toleranz kann so gewählt sein, dass das Vorderrad einen gewünschten seitlichen Schlupf nicht überschreitet. Die Größe des Toleranzbandes kann im Fahrzeug nach Bedarf eingestellt werden.
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Der Eingriff kann angesteuert werden, wenn eine Änderungsgeschwindigkeit des Lenkmoments größer als ein Schwellenwert ist. Wenn sich der Reibungszustand aufgrund einer Veränderung des Untergrunds schlagartig ändert, hat der Fahrer kaum eine Chance, das Kraftrad zu beherrschen, da eine Reaktionszeit des Fahrers zu lang ist. Wenn die plötzliche Veränderung des Reibungszustands durch eine plötzliche schnelle Änderung des Lenkmoments erkannt wird, kann unmittelbar der stabilisierende Eingriff angesteuert werden.
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Das Verfahren ist vorzugsweise computerimplementiert und kann beispielsweise in Software oder Hardware oder in einer Mischform aus Software und Hardware beispielsweise in einem Steuergerät implementiert sein.
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Der hier vorgestellte Ansatz schafft ferner ein Steuergerät oder ein Funktionsmodul eines Steuergerätes, das dazu ausgebildet ist, um die Schritte einer Variante des hier vorgestellten Verfahrens in entsprechenden Einrichtungen durchzuführen, anzusteuern bzw. umzusetzen.
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Das Steuergerät kann ein elektrisches Gerät mit zumindest einer Recheneinheit zum Verarbeiten von Signalen oder Daten, zumindest einer Speichereinheit zum Speichern von Signalen oder Daten, und zumindest einer Schnittstelle und/oder einer Kommunikationsschnittstelle zum Einlesen oder Ausgeben von Daten, die in ein Kommunikationsprotokoll eingebettet sind, sein. Die Recheneinheit kann beispielsweise ein Signalprozessor, ein sogenannter System-ASIC oder ein Mikrocontroller zum Verarbeiten von Sensorsignalen und Ausgeben von Datensignalen in Abhängigkeit von den Sensorsignalen sein. Die Speichereinheit kann beispielsweise ein Flash-Speicher, ein EPROM oder eine magnetische Speichereinheit sein. Die Schnittstelle kann als Sensorschnittstelle zum Einlesen der Sensorsignale von einem Sensor und/oder als Aktorschnittstelle zum Ausgeben der Datensignale und/oder Steuersignale an einen Aktor ausgebildet sein. Die Kommunikationsschnittstelle kann dazu ausgebildet sein, die Daten drahtlos und/oder leitungsgebunden einzulesen oder auszugeben. Die Schnittstellen können auch Softwaremodule sein, die beispielsweise auf einem Mikrocontroller neben anderen Softwaremodulen vorhanden sind.
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Von Vorteil ist auch ein Computerprogrammprodukt oder Computerprogramm mit Programmcode, der auf einem maschinenlesbaren Träger oder Speichermedium wie einem Halbleiterspeicher, einem Festplattenspeicher oder einem optischen Speicher gespeichert sein kann und zur Durchführung, Umsetzung und/oder Ansteuerung der Schritte des Verfahrens nach einer der vorstehend beschriebenen Ausführungsformen verwendet wird, insbesondere wenn das Programmprodukt oder Programm auf einem Computer oder einer Vorrichtung ausgeführt wird.
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Es wird darauf hingewiesen, dass einige der möglichen Merkmale und Vorteile der Erfindung hierin mit Bezug auf unterschiedliche Ausführungsformen beschrieben sind. Ein Fachmann erkennt, dass die Merkmale des Steuergeräts und des Verfahrens in geeigneter Weise kombiniert, angepasst oder ausgetauscht werden können, um zu weiteren Ausführungsformen der Erfindung zu gelangen.
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Kurze Beschreibung der Zeichnung
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Nachfolgend werden Ausführungsformen der Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen beschrieben, wobei weder die Zeichnungen noch die Beschreibung als die Erfindung einschränkend auszulegen sind.
- 1 zeigt eine Darstellung eines Kraftrads mit einem Steuergerät gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 2 zeigt eine Darstellung eines Steuergeräts gemäß einem Ausführungsbeispiel; und
- 3 zeigt einen Vergleich zwischen einem Lenkmoment und einem Referenzmoment gemäß einem Ausführungsbeispiel.
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Die Figuren sind lediglich schematisch und nicht maßstabsgetreu. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen gleiche oder gleichwirkende Merkmale.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 zeigt eine Darstellung eines Kraftrads 100 mit einem Steuergerät 102 gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Kraftrad 100 ist während einer Kurvenfahrt dargestellt. Um durch die Kurve fahren zu können, hat ein Fahrer 104 des Kraftrads 100 das Kraftrad 100 in Schräglage gebracht und kompensiert an einem Lenker 106 des Kraftrads 100 ein an einem Vorderrad 108 des Kraftrads 100 angreifendes Lenkmoment 110.
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Das Lenkmoment 110 ist stark abhängig von einem Reibungszustand zwischen dem Vorderrad 108 und einem Untergrund 112 unter dem Vorderrad 108 und einem Lenkwinkel 113 des Vorderrads 108. Wenn der Reibungszustand von einem Haftreibungszustand in einen Gleitreibungszustand übergeht, wird das Lenkmoment 110 kleiner, da weniger Kraft zwischen dem Vorderrad 108 und dem Untergrund 112 übertragen werden kann.
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Der Lenkwinkel 113 kann mittels eines Lenkwinkelsensors 115 an der Vorderradführung gemessen werden.
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Das Steuergerät 102 liest das aktuelle Lenkmoment 110 ein und vergleicht das Lenkmoment 110 mit einem Referenzmoment 114. Wenn das Lenkmoment 110 um mehr als eine Toleranz 116 von dem Referenzmoment 114 abweicht, wird ein stabilisierender Eingriff 118 insbesondere an einem Hinterrad des Kraftrads 100 angesteuert, um das Kraftrad 100 zu stabilisieren.
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Das Lenkmoment 110 kann beispielsweise durch einen Sensor 120 an einer Gabel 122 des Kraftrads 100 gemessen werden.
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Beispielsweise kann das Hinterrad 118 abgebremst werden, indem eine Hinterradbremse aktiviert wird und/oder ein Antrieb des Kraftrads 100 abgeregelt wird.
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2 zeigt eine Darstellung eines Steuergeräts 102 gemäß einem Ausführungsbeispiel. Das Steuergerät 102 entspricht dabei im Wesentlichen dem Steuergerät in 1. Das Steuergerät 102 weist einen Referenzrechner 200 und einen Vergleicher 202 auf. Im Steuergerät 102 wird das Lenkmoment 110 mit dem Referenzmoment 114 verglichen. Das Referenzmoment 114 wird dabei in dem Referenzrechner 200 für die jeweilige Fahrsituation unter Verwendung von Messwerten 204 und Geometrieparametern 206 des Kraftrads berechnet. Das Lenkmoment 110 wird in dem Vergleicher 202 mit dem Referenzmoment 114 verglichen. Die Geometrieparameter 206 sind im Steuergerät 102 hinterlegt. Die Messwerte 200 werden von Sensoren des Kraftrads kontinuierlich bzw. in geeignet kurzen Zeitabständen erfasst.
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In einem Ausführungsbeispiel wird das Referenzmoment 114 unter Verwendung einer Geschwindigkeit 208 des Kraftrads, einer Drehrate 210 des Kraftrads, einem Schräglagewinkel 212 des Kraftrads, einer Längsbeschleunigung 214 des Kraftrads, einer Querbeschleunigung 216 des Kraftrads, dem Lenkwinkel 113, einer Masse 217 des Vorderrads und einer Masse 218 des Kraftrads bestimmt.
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In einem Ausführungsbeispiel wird das Referenzmoment 114 unter Verwendung einer Reifenbreite 220 des Vorderrads, einem Winkel 222 einer Lenkachse des Vorderrads, dem Lenkwinkel 113 und einem Nachlauf 224 des Vorderrads bestimmt.
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In einem Ausführungsbeispiel wird unter Verwendung einer Masseverteilung 226 zwischen Vorderrad und Hinterrad ein angepasster Nachlauf 228 berechnet. Zusätzlich wird aus dem angepassten Nachlauf 228 und der Längsbeschleunigung 214 ein dynamischer Nachlauf 230 berechnet. Weiterhin wird unter Verwendung der Längsbeschleunigung 214 und der Masseverteilung 226 eine dynamische Masseverteilung 232 berechnet. Die dynamische Masseverteilung 232 und der dynamische Nachlauf 230 werden dann zur Berechnung des Referenzmoments 114 verwendet.
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In einem Ausführungsbeispiel wird das Referenzmoment 114 zusätzlich basierend auf dem Kammschen Kreis 234 berechnet.
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In einem Ausführungsbeispiel wird das Lenkmoment 110 unter Verwendung eines Tiefpassfilters 236 gefiltert. Dabei kann eine Vertikalbeschleunigung 238 des Kraftrads berücksichtigt werden.
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In einem Ausführungsbeispiel wird die Toleranz 116 abhängig von der Fahrsituation eingestellt.
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3 zeigt einen Vergleich zwischen einem Lenkmoment 110 und einem Referenzmoment 114 gemäß einem Ausführungsbeispiel. Der Vergleich wird wie in 2 im Steuergerät 102 des Kraftrads ausgeführt. Das Steuergerät 102 entspricht dabei im Wesentlichen der Darstellung in 2. Hier sind der Referenzrechner 200 und der Vergleicher 202 dargestellt. Zusätzlich ist in einem Diagramm ein Verlauf des Lenkmoments 110 während eines Übergangs von einem Haftreibungszustand in einen Gleitreibungszustand dargestellt. In dem Diagramm sind weiterhin eine untere Toleranzgrenze 300 und eine obere Toleranzgrenze 302 um den Referenzwert 114 dargestellt. Die untere Toleranzgrenze 300 und die obere Toleranzgrenze 302 sind um die Toleranz 116 voneinander beabstandet. Die Toleranzgrenzen 300, 302 können nach Bedarf von einem Einsteller 304 eingestellt werden.
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Während sich das Vorderrad im Haftreibungszustand befindet, verläuft das Lenkmoment 110 innerhalb der Toleranz 116 um das Referenzmoment 114. Beim Übergang in den Gleitreibungszustand sinkt das Lenkmoment 110 schnell ab. Wenn das Lenkmoment 110 kleiner als die untere Toleranzgrenze 300 ist, wird der beginnende Gleitreibungszustand erkannt und ein stabilisierender Eingriff 118 angesteuert. Daraufhin steigt das Lenkmoment 110 wieder an und verläuft weiter innerhalb der Toleranz 116.
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Nachfolgend werden mögliche Ausgestaltungen der Erfindung nochmals zusammengefasst bzw. mit einer geringfügig anderen Wortwahl dargestellt.
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Es wird ein Verfahren zur Bestimmung des Reibwerts am Vorderrad eines Zweirads vorgestellt.
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Zur Bestimmung eines stabilen Fahrzustands werden die Daten aus der mehrachsigen Inertialsensoreinheit IMU verwendet. Außerdem ist die Ermittlung der Schlupfwerte am Vorderrad und Hinterrad wesentlicher Bestandteil der ABS und MSC Regelsysteme zur Bestimmung der Fahrstabilität in Kurven und in der Geradeausfahrt.
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Für alle Systeme gilt, dass in der Kurvenfahrt das Stabilitätskriterium für das Gesamtfahrzeug berechnet wird. Für den Zustand des Kraftschlusses der Reifen auf der Fahrbahn ist entweder eine Bremsung oder Beschleunigung notwendig, um den Reibwert zu schätzen.
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Für das freirollende Vorderrad eines Zweirads liegen diese Informationen für das Durchfahren des gesamten Kurvenverlaufs nicht vor. Werden jedoch die Grenzen für die Übertragung der Seitenführungskräfte am Vorderrad, z.B. durch eine Reduzierung des Reibwerts, unterschritten, kommt es zum Sturz. Das Vorderrad dreht dabei in die Lenkrichtung weiter ein, die Schräglage erhöht sich und ist nicht mehr durch die Zentripetalkräfte bestimmt.
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Durch den hier vorgestellten Vergleich eines Referenzwerts für das Lenkmoment mit einem gemessenen Lenkmoment kann bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Überschreitung der übertragbaren Seitenführungskräfte am Vorderrad erfasst werden und beispielsweise durch eine Reduzierung der Antriebskräfte mittels eines Regelsystems der Übergang von Haft- in Gleitreibung verhindert werden.
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Grundlage dazu ist die messtechnische Erfassung der Lenkmomente am Lenker des Zweirads. Dies kann beispielsweise mittels Dehnmesstreifen oder Kraftsensoren an der oberen Gabelbrücke erfolgen. Diese können die Kräfte, die am Aufstandspunkt des Vorderrads wirken, im Koordinatensystem des Fahrzeugs möglichst genau und hysteresefrei abbilden.
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Da das physikalisch ideale Rad durch die Reifenbreite verändert wird, kommt die Komponente Reifenbreite in Schräglage hinzu und kann in die Berechnung des Referenzwerts des Lenkmoments einbezogen werden.
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Der entscheidende Parameter ist der Nachlauf n. Der Aufstandspunkt des Vorderrads liegt um den Nachlauf hinter dem Durchstoßpunkt der Lenkachse auf der Fahrbahn. Der Nachlauf ist durch eine Größe des Vorderrads und einem Lenkachsenwinkel der Lenkachse bestimmt.
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Typische Werte für den Winkel der Lenkachse sind 65° bis 66° und für den Nachlauf 90 mm bis 110 mm. Die Kräfte, die am Aufstandspunkt des Reifens angreifen, üben durch den Hebelarm zur Lenkachse immer ein Moment aus.
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Der Lenkwinkel bestimmt den Aufstandspunkt des Vorderrades bezogen auf die Verbindungslinie zwischen Vorderrad und Hinterrad des ideal schmalen Reifens.
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Sobald in einer Fahrsituation der Aufstandspunkt des Vorderrads nicht in der Achse zwischen dem Durchstoßpunkt der Lenkachse und dem Aufstandspunkt des Hinterrads liegt, wird ein Moment auf die Lenkung ausgeübt, das zu einer Drehung der Lenkung führt. Der Fahrer/in kann das entsprechend seiner Intention zur Fahrtrichtungswahl kompensieren oder nutzen.
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Aus konstruktiven Daten des Fahrzeugs, aus statischen und dynamischen Belastungen und weiteren Größen kann ein Referenzwert für das Lenkmoment mLR in jeder Fahrsituation berechnet werden.
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Die Masse des Fahrzeugs und der Aufsassen bestimmt MF. Diese Masse ist zwischen Vorder- und Hinterrad typisch 50/50 verteilt. Durch die Längsbeschleunigung ax verschiebt sich diese Verteilung, was in der Berechnung berücksichtig wird.
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Der Winkel der Lenkachse bestimmt die Änderung des Nachlaufs über den Lenkwinkel.
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Die Fahrzeuggeschwindigkeit Vx bestimmt in der Kurvenfahrt die Schräglage für einen gewählten Kurvenradius.
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Die Drehrate ωz wird zur Bestimmung des Schwimmwinkels benutzt.
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Der Schräglagewinkel γ ist Bestandteil der Zentrifugalkraftberechnung und des theoretischen Reibwerts Reifen/Straße.
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Die Längsbeschleunigung ax bestimmt die Masseverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad und wird in der Berechnung des Referenzwerts des Lenkmoments als Beschleunigung oder Verzögerung des Fahrzeugs berücksichtigt.
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Der Nachlauf n ist konstruktiv vorgegeben und ändert sich durch die statische und dynamische Belastung.
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Die Querbeschleunigung ay ist in der Berechnung des Referenzwerts des Lenkmoments derart berücksichtigt, ob der Schwerpunkt des Fahrers sich gegenüber dem Schwerpunkt des Fahrzeugs zur Kurveninnen- oder Außenseite befindet.
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Die Reifenbreite des Vorderrads bestimmt in der Schräglage ein Moment, das dem Lenkmoment entgegenwirkt und in der Berechnung von mLR berücksichtigt ist.
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Aus diesen Größen wird im Momentrechner kontinuierlich ein Referenzwert mLR als Funktion der Zeit berechnet. In einem Vergleicher wird der Referenzwert mLR mit dem gemessenen Lenkmoment mLm verglichen.
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Das gemessene Lenkmoment mLm wird über einen Tiefpass TP gefiltert. Die Eckfrequenz des Tiefpasses ist abhängig von der Vertikalbeschleunigung. Damit werden Fahrsituationen wie z.B. ein abgehobenes Vorderrad ausgefiltert und nicht im Vergleicher berücksichtigt.
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Das Ausgangssignal des Vergleichers wird einem Regelsystem zugeführt. Dieses Regelsystem kann beispielhaft ein Brems- oder Antriebsregelsystem sein.
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Für die Spurführung des Fahrzeugs ist der Kraftschluss des gelenkten Vorderrads mit der Fahrbahn auschlaggebend. Wird der Maximalwert der Haftreibzahl (Haftreibung) überschritten und es kommt zum Zustand der Gleitreibung, ist der Radius der Trajektorie immer größer als der, der sich aus dem Lenkwinkel ergeben würde.
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Kann in der Schräglage eines Zweirads bei Kurvenfahrt die Seitenführungskraft nicht mehr übertragen werden, ist das Gleichgewicht zwischen Zentrifugal- und Zentripetalkraft nicht mehr gegeben und es kommt zur Instabilität des Fahrzustands. Dieser Übergang ist am Vorderrad eines Zweirads nur in einem engen Bereich beherrschbar.
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Ein wesentlicher Faktor für den Übergang in die Instabilität ist die sich schlagartig erhöhende Schräglage, weil der Wirkung der Normalkraft keine Gegenkraft mehr gegenübersteht. Der Lenkwinkel wird größer und es kommt zum Sturz.
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Aus der Entwicklung von Brems- und Antriebsregelsystem und den Reifen für Zweiräder ist bekannt, dass die maximale Kraftübertragung bei einem Schlupf zwischen Reifen und trockener Fahrbahn von ungefähr 14% möglich ist. Bei Reibzahlen kleiner 1 ist dieser Schlupf geringer.
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Im Referenzrechner wird für jeden Zeitpunkt ein Minimalwert des Lenkmoments berechnet. Dieses Moment wird vom Fahrer für die gleichförmige, konstante Kreisfahrt ausgeglichen. Das System ist in einem stabilen Zustand. Beabsichtigt der Fahrer eine kleineren Kurvenradius zu fahren oder wird die Geschwindigkeit für den gegenwärtigen Kurvenradius erhöht, muss ein höheres Lenkmoment vom Fahrer gesteuert werden, was über die Sensorik gemessen wird.
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Der Vergleicher vergleicht den Messwert des Lenkmoments mit den minimalen und maximalen Referenzwertgrenzen.
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Ändert sich die Reibzahl oder wird die zu übertragende Seitenführungskraft zu groß, wird das gemessene Lenkmoment schlagartig kleiner. Diese Information wird an das Antriebsregelsystem weitergegeben, um die Antriebkräfte zu reduzieren. Durch die Reduzierung der Antriebskräfte können bei dieser Reibzahl die übertragbaren Seitenführungskräfte erhöht werden, weil eine geringere Schräglage für diese Momentangeschwindigkeit erforderlich ist.
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Zur genauen Differenzierung des Stabilitätszustandes wird auch die Richtungsänderung des gemessenen Lenkmoments (wird schnell sehr viel kleiner) ausgewertet und für die Größe der Antriebsreduzierung genutzt.
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Für die Verzögerung des Fahrzeugs durch das Bremssystem wirken die am Aufstandspunkt angreifenden Bremskräfte dem Lenkmoment in der Kurvenfahrt entgegen. Das wird durch in den Fahrer mittels der Lenkkräfte in der entgegengesetzten Richtung ausgeglichen. Ändert sich das Lenkmoment ebenfalls in der gezeigten Richtung, können die Bremskräfte reduziert werden, um einen stabilen Fahrzustand zu erhalten.
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Durch den hier vorgestellten Ansatz kann ein Instabilitätszustand erkannt werden, bevor das Gesamtfahrzeug mit seiner Massenträgheit eine erkennbare Änderung aufzeigt.
Ein weiterer Vorteil besteht in der frühen Erkennung der Fahrerabsicht zur Richtungsänderung.
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Eine Aktivierung des Systems kann in einem Anzeigeinstrument zur Fahrerinformation dargestellt werden.
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Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Begriffe wie „aufweisend“, „umfassend“, etc. keine anderen Elemente oder Schritte ausschließen und Begriffe wie „eine“ oder „ein“ keine Vielzahl ausschließen. Bezugszeichen in den Ansprüchen sind nicht als Einschränkung anzusehen.