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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur irreversiblen Enzyminaktivierung in Saaten durch Erwärmen der Saatkörner, wobei die Saatkörner auf einem Fördermittel gefördert und dabei mittels einer Infrarotstrahlungsquelle bestrahlt werden, sowie nach diesem Verfahren erhältliche Saat. Die vorliegende Erfindung betrifft ferner ein Verfahren zur Herstellung von bitterstoffarmem Presskuchen aus Saaten sowie einen Presskuchen ohne antinutritive Stoffwechselprodukte, erhältlich nach diesem Verfahren.
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Saaten kommen in verschiedener Weise als Nahrungs- und Futtermittelquelle zum Einsatz. Angesichts des weltweit nach wie vor stetig steigenden Bedarfs an Nahrungs- und Futtermitteln kommt der Erschließung bislang nicht genutzter Nahrungs- und Futtermittelquellen eine große Bedeutung zu. So ist beispielsweise die umfassende Nutzung von Saaten als Nahrungsmittel bislang nicht möglich, da sich aufgrund der in den Saaten enthaltenen sekundären Pflanzstoffe Beschränkungen ergeben.
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Sekundäre Pflanzenstoffe dienen den Pflanzenzellen als Fraß- und UV-Schutz und schützen vor Befall durch Bakterien und Pilze. Sie sind nativ in Gemüse, Obst, Ölsaaten und Hülsenfrüchten enthalten und entfalten hier eine mannigfaltige biologische Aktivität. Auch wenn sie nicht lebensnotwendig sind, fördern sie unsere Gesundheit in vielerlei Hinsicht, jedoch können einige Stoffe auch die Gesundheit schädigen und hierdurch die Verwendung als Lebens- oder Futtermittel ausschließen oder begrenzen. Beispielhaft seien hier sekundäre Pflanzenstoffe in Rapssaat und Senfsaat angeführt.
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Raps zählt zu den wirtschaftlich bedeutendsten Nutzpflanzen, dennoch bleibt die Nutzung im Lebensmittelbereich auf das Öl beschränkt. Dies liegt u. a. an den im Raps enthaltenen sekundären Pflanzenstoffen, hier speziell den Bitterstoffen und Glucosinolaten. Die nach Pressung des Öls verbleibenden Schrote (ca. 0,7 Tonnen Schrot bei einer Tonne Saat als Ausgangsprodukt) dienen als Eiweißfuttermittel in der Tiermast, da die vorhandenen Bitterstoffe im Schrot eine Verwendung als Lebensmittel ausschließen. Diese Bitterstoffe (phenolische Verbindungen, Phytinsäure) wie auch die vorhandenen Glucosinolate sind nicht 100% nativ in den Saaten enthalten, sondern entstehen auch durch die für die Ölgewinnung optimierte Form der Saatenverarbeitung selbst und reichern sich durch den Ölentzug bei der Saatenverarbeitung im Rapsschrot an. Die Phenolsäuren sind wie die Glucosinolate sehr reaktive Verbindungen, die einer raschen enzymatischen Umsetzung unterliegen können. Die Abbauprodukte der Glucosinolate sind ebenfalls hochreaktiv und gelten als Ursache für Unverträglichkeiten. Phenolsäuren und Phytinsäure gehen enzymatische Reaktionen mit Proteinen ein. Die hierbei entstehenden Stoffwechselprodukte sind für den Bittergeschmack verantwortlich. Im Übrigen enthält die faserreiche Schale der Rapssaat einen hohen Ligninanteil, der sich nachteilig auf die Verdaulichkeit auswirkt.
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Für die Tierfutterindustrie stellen die Glucosinolate nach wie vor ein Problem dar, weil auch nach Inaktivierung des Myrosinase-Enzyms die Glucosinolate im Darm der Nutztiere (Schweine, Hühner) durch dortige Bakterien aufgespalten werden können und hierdurch antinutritive Bestandteile entstehen, die den Schilddrüsenstoffwechsel negativ beeinflussen. Hier kann eine Reduktion des Glucosinolatgehaltes im Ausgangsprodukt den Einsatz begünstigen.
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Weitaus bedeutender und gefordert ist der zukünftige Einsatz von Rapssaat als Lebensmittel, da die Massentierhaltung sowohl klimaschädlich als auch in Hinblick auf das Tierwohl in der Kritik ist.
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Wünschenswert wäre daher, den Rapsschrot ohne oder zumindest mit relevant reduziertem Gehalt an Bitterstoffen (phenolische Verbindungen, Phytinsäure) wie auch Glucosinolaten zur Verfügung zu stellen.
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Es bedarf für die simultane Öl- und Proteingewinnung für den Einsatz als Lebensmittel jedoch einer sorgfältigeren Verarbeitung der Rapssaat, die die Erhaltung der Speicherproteinlöslichkeit und Fettverfügbarkeit gewährleistet bei gleichzeitiger Vermeidung des Entstehens von Bitterstoffen. Gleichzeitig muss der Ligninanteil der Schale für eine bessere Verdaulichkeit reduziert werden.
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Die dem Raps nah verwandte Nutzpflanze Senf liefert mit ihren Samen aus der Pflanzenart sinapis alba den Grundstoff für die Herstellung von Speisesenf und dient als Würz- und Bindemittel in der Lebensmittelindustrie. Für die Schärfe verantwortlich sind Senföl-Glucoside, die nach Zerstören des Zellgewebes bei Verbiss oder Vermahlung der Senfsaat, durch das Enzym Myrosinase u. a. zu stechend scharfen Isothiocyanaten abgebaut werden. Das Senfmehl vereint hydro- und lipophile Eigenschaften und wird daher auch als reines Bindemittel in der Saucen-, Gewürz- und Fleischindustrie verwendet. Hierbei kommt es in entschärfter Form zum Einsatz, da die funktionellen Eigenschaften als Füllstoff in Fleischprodukten und Saucen im Vordergrund stehen.
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Es besteht somit ebenfalls Bedarf an Senfmehl ohne oder zumindest mit relevant reduziertem Gehalt an den unerwünschten enzymatischen Abbauprodukten, also im Falle des Senfmehls der Isothiocyanate.
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Ein Ansatz zum Erhalten der vorstehend genannten gewünschten Produkte ist die Abtrennung der Bitter- oder Scharf- und sonstigen unerwünschten Stoffe. Eine solche Abtrennung ist schwierig und mit großem Kostenaufwand möglich. Eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung ist bisher nicht möglich.
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Ein alternativer Ansatz besteht darin, die Aktivität der Enzyme, die ihrerseits das Entstehen der unerwünschten Stoffe auslösen oder katalysieren, zu hemmen.
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Dazu ist in der
US 6,955,831 B2 ein Verfahren zur Herstellung von in Bezug auf die Inhaltsstoffe verbesserten Nahrungsmittelprodukten aus Ölsamen offenbart. Dabei werden die Ölsamen zunächst einer Wärmebehandlung unterzogen, um unerwünschte Bestandteile, die üblicherweise in den Ölsamen enthalten sind, zu reduzieren. Dazu werden die Samen mittels Infrarotstrahlung über 90 Sekunden auf 110-115°C erwärmt. Diese Bedingungen sollen neben einer Entkeimung bewirken, dass Enzyme wie Myrosinase und andere inaktiviert werden.
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Ein Verfahren zur Herstellung eines Produktes aus Rapsölsamen, bei dem die Saat zur Enzyminaktivierung wärmebehandelt wird, ist in der
WO 2004/112493 A1 beschrieben. Die Wärmebehandlung erfolgt bevorzugt mit Wasserdampf, aber auch die Verwendung von Infrarotstrahlung, Mikro- oder Radiowellen ist erwähnt.
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Die Problematik der enzymatischen Reaktionen bei Erwärmung von Ölsaaten ist auch Gegenstand der
EP 0 187 877 B1 . Um hier eine Verbesserung zu erzielen, wird statt der bis dahin üblichen feuchten Wärmebehandlung eine trockene Wärmebehandlung vorgeschlagen. Diese kann z. B. mit einer Wirbelschichtapparatur oder einem Trommelkonditionierer erfolgen. Dieses herkömmliche Verfahren zur Verarbeitung von Raps besteht in einer konventionellen Hitzebehandlung durch Trommelkonditionierer oder Wirbelschichtapparaturen; die Saat wird angewalzt oder im Ganzen 5-45 Minuten bei 80-120°C erhitzt und anschließend gepresst. Es folgen weitere Schritte zur Optimierung der Ölausbeute. Das System muss kontinuierlich unter Dampf gehalten werden, was eine Produktion kleinerer Mengen ausschließt.
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Die bisher beschriebenen Methoden, die u. a. der Hitzeinaktivierung von Enzymen dienen, sind zu träge, weil die erforderliche Wärme zu langsam in die Zellen eindringt und daher stets Restaktivitäten der Enzyme vorhanden sind, die zu antinutritiven Bestandteilen führen. Gleichzeitig führen lange Verweilzeiten bei hohen Temperaturen oder auch zu schnelles Erhitzen zur Freisetzung von Bitterstoffen in den Saaten, die ebenfalls antinutritiv zu bewerten sind und die Nutzung als Proteinquelle in der menschlichen Ernährung ausschließen. Auch das Verfahren zur Herstellung von entschärftem Senfmehl folgt der o.g. Methode, mit dem Unterschied, dass die ganze Saat erhitzt wird und die Gewinnung von Senföl hierbei keine Rolle spielt, da das Senföl aufgrund seines Erucasäuregehaltes als Lebensmittel nicht zugelassen ist.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es daher, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das eine effektive Saatenkonditionierung ermöglicht, bei der die Enzyme, die Abbaureaktionen zu unerwünschten antinutritiven Stoffen bewirken oder katalysieren, wirksam inaktiviert werden.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit einem Verfahren der eingangs genannten Art dadurch gelöst, dass das Verfahren mit folgenden Parametern durchgeführt wird:
- - Bestrahlung mit Infrarotstrahlen mit einer Wellenlänge im Bereich von 780 bis 3.000 nm,
- - Bestrahlungsdauer mindestens 8 und höchstens 30 Sekunden,
- - Energiezufuhr von 15 bis 80 kW/qm.
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Die Bestrahlung erfolgt mit kurzwelligem Infrarotlicht, das üblicherweise als IR-A (Bereich von 780 bis 1.400 nm) und IR-B (Bereich von 1.400 bis 3.000 nm) bezeichnet wird.
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Überraschenderweise wurde gefunden, dass bei Durchführung des Verfahrens mit den genannten Parametern eine irreversible Enzyminaktivierung durch Denaturierung der beteiligten Proteine erfolgt. Außerdem erfolgt ein Aufschluss der faserreichen Schale mit hohem Ligninanteil sowie eine Reduktion des Glucosinolatgehalts im Ausgangsprodukt. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werden Abbauprodukte der Glucosinolate vermieden und gleichzeitig die Neubildung selbiger ausgeschlossen: Die Hälfte der Glucosinolate wird erst bei Verletzung der Zellstruktur durch z. B. längere Hitzezufuhr wie im herkömmlichen Verfahren gebildet, weil die Aminosäuren der Proteinbiosynthese entzogen und von der Pflanze für den enzymatischen Aufbau von Glucosinolaten genutzt werden. Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren werden Ölsaaten derart als ganze Saat vorkonditioniert, dass sekundäre Pflanzenstoffe nicht neu gebildet werden und Abbauprodukte bereits vorhandener nicht entstehen und zu antinutritiven Eigenschaften führen. Gleichzeitig bleibt die Wasserlöslichkeit der Speicherproteine erhalten, und die Fettverfügbarkeit ist gewährleistet.
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Indem die Vorbehandlung der Saat erfindungsgemäß schneller erfolgt, als die Pflanze ihr genetisches Programm zur Zellabwehr (Fraßschutz, UV-Schutz) ablaufen lassen kann, wird die Bildung der unerwünschten Stoffe verhindert. Die Enzyme liegen in der Zelle kompartimentiert vor, sodass der enzymatische Abbau nach Verletzung der Zelle einer gewissen Zeit bedarf, das heißt die Enzyme müssen erst zu den Vakuolen vordringen, in denen die Speicherproteine und Glucosinolate gespeichert sind. Bei Verzehr der Senfsaat z. B. entsteht durch die Myrosinaseaktivität erst nach ca. 15 Sekunden die typische Senfschärfe, hierbei werden Senfölglykoside in Glucose und u. a. in Allyl-Senföle gespalten, letztere sind für die Schärfe verantwortlich.
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Senf und Raps enthalten unterschiedliche Isoformen der Myrosinasen, die eine relativ hohe Hitzestabilität aufweisen. Durch an die Myrosinase bindende Proteine bilden sich stabilere Komplexe, die Temperaturen besser standhalten. Daher bedarf es der Erhitzung der Saat auf Temperaturen über 100°C, um den Myrosinase-Enzymkomplex mit einem Temperaturoptimum von 60°C zu inaktivieren.
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Die wertvollen Speicherproteine in Raps, Napin und Cruciferin, denaturieren im reinen Extrakt bei 94,5°C und 100,9°C. In ganzer Saat ist von einer höheren Denaturierungstemperatur auszugehen. Auch sie besitzen eine relativ hohe Hitzestabilität. Gleichzeitig ist die Aktivierungsenergie der Speicherproteindenaturierung etwas größer als die der Myrosinase-Inaktivierung. Es besteht also die Möglichkeit durch die Wahl eines geeigneten Temperaturbereichs und durch Minimierung der Dauer der thermischen Einwirkung die Inaktivierung der Myrosinase zu erreichen und dabei die Speicherproteinlöslichkeit weitgehend zu erhalten.
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Pflanzenphenole können hingegen bereits bei Raumtemperatur bei Verletzung der Zelle mit Enzymen reagieren und Bitterstoffe erzeugen. Jedoch besteht durch den fehlenden Zellaufschluss eine Möglichkeit auf die Stoffwechselvorgänge Einfluss zu nehmen, wenn die Pflanze zu wenig Zeit hat diese auszulösen. Zu rasche hohe Temperaturen und zu lange Einwirkzeiten können jedoch die Bildung von Bitterstoffen begünstigen.
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In einer besonders bevorzugten Ausführungsform beträgt der Abstand von der Infrarotstrahlungsquelle zu den geförderten Saatenkörnern zwischen 5 und 30 cm. Auf diese Weise kann eine besonders gute Erwärmung der Saatenkörner erreicht werden.
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Insbesondere ist das erfindungsgemäße Verfahren für Ölsaaten geeignet.
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Erfindungsgemäß vorbehandelte Rapssaat kann vermahlen und direkt in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden: Als proteinreiches Mehl und auch in Mischungen zum direkten Verzehr. Die erfindungsgemäße Infrarotbehandlung führt zu einer Keimreduktion mit irreversibler Inaktivierung von Mikroorganismen. Die nachhaltige Keimreduktion ist untrennbar mit der genannten effektiven Saatenvorbehandlung verbunden. Alternativ kann die durch Infrarotstrahlung vorbehandelte Saat, die durch die Erwärmung eine verbesserte Viskosität im Ölanteil erfährt, direkt für die Rapsölgewinnung genutzt und der verbleibende Rapskuchen zu Rapsmehl vermahlen werden, das für die menschliche Ernährung genutzt werden kann.
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Senfsaat kann nach Vorbehandlung gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren vermahlen und das entschärfte Senfmehl als geschmacksneutraler Füllstoff und Bindemittel in der Fleisch- und Gewürzindustrie eingesetzt werden.
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Besonders bevorzugt erfolgt die Bestrahlung mit Infrarotstrahlen mit einer Wellenlänge im Bereich von 900 bis 1.400 nm, insbesondere 1.000 bis 1.300 nm. Dadurch wird eine besonders zügige Erwärmung der zu verarbeitenden Saatkörner auf die erforderliche Temperatur erreicht.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform sind die Saatkörner auf dem Fördermittel einlagig oder zweilagig, vorzugsweise einlagig, angeordnet. Indem die Saatkörner in nur einer oder maximal zwei Schichten auf dem Fördermittel angeordnet sind, kann die Infrarotstrahlung gleichmäßig in die zu bestrahlenden Saatkörner eindringen und so eine gleichmäßige Erwärmung der Saatkörner ermöglichen.
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Als Fördermittel sind verschiedene Förderer möglich. Als besonders vorteilhaft für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens hat sich ein Schwingförderer herausgestellt, auf dem die Saatkörner durch Rüttelbewegung weitertransportiert werden. Die Bewegung fördert die gleichmäßige Erwärmung der Saatkörner. Der Schwingförderer kann besonders bevorzugt als Schwingförderrinne ausgebildet sein.
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Weiterhin ist es besonders günstig, wenn das Fördermittel von unten beheizt ist. Dies bewirkt eine noch schnellere Erwärmung der Saatkörner auf die gewünschte Temperatur und ermöglicht so eine besonders effektive Inaktivierung der Enzyme. Die Erwärmung von unten kann beispielsweise durch in das Fördermittel eingelassene Wärmequellen erfolgen. Ist das Fördermittel eine Schwingförderrinne, so kann die Erwärmung in einer besonders vorteilhaften Ausführungsform erfolgen, indem warmes Wasser durch Rohre, die in den Boden der Schwingförderrinne eingelassen sind, geführt wird. Die Wassertemperatur beträgt bevorzugt 80-95°C, insbesondere 85 bis 92°C.
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Für eine besonders effektive Inaktivierung der Enzyme erfolgt die Erwärmung der geförderten Saatkörner vorzugsweise auf eine Temperatur von 100 bis 140°C, vorzugsweise 120 bis 135°C.
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Weiterhin beträgt die Bestrahlungsdauer in einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens mindestens 10 und höchstens 15 Sekunden. Auf diese Weise wird die Entstehung unerwünschter Nebenprodukte besonders wirksam verhindert.
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Die vorliegende Erfindung betrifft auch die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhältliche Saat. Da sie frei von unerwünschten Stoffen wie Bitter- oder Scharfstoffen ist, wird kein zusätzlicher Behandlungsgang erforderlich, sondern sie kann direkt vermahlen und in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Besonders geeignet ist beispielsweise erfindungsgemäß behandelte Rapssaat als Ausgangsprodukt für proteinreiches Mehl für Mischungen zum direkten Verzehr.
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Die vorliegende Erfindung betrifft darüber hinaus auch ein Verfahren zur Herstellung von bitterstoffarmem Presskuchen ohne antinutritive Stoffwechselprodukte aus Saaten umfassend die Schritte:
- a) irreversible Enzyminaktivierung der Saaten durch Erwärmen der Saatkörner dem erfindungsgemäßen Verfahren;
- b) Pressung der Saaten und
- c) Gewinnung des Presskuchens,
sowie den nach diesem Verfahren erhältlichen Presskuchen.
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Optional kann sich an den Schritt c) noch ein Schritt d) des Vermahlens des Presskuchens zu Mehl anschließen. Dies ist insbesondere gewünscht, wenn der Presskuchen in der Lebensmittelindustrie zur Anwendung kommt. Wird der Presskuchen als Tierfutter verwendet, geschieht dies üblicherweise ohne weiteres Vermahlen als Schrot. Das bei der Pressung in Schritt b) gewonnene Öl wird ebenfalls in der Lebensmittelindustrie verarbeitet.
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Die erfindungsgemäß durch Infrarotstrahlung vorbehandelte Saat erfährt durch die Erwärmung eine verbesserte Viskosität im Ölanteil. Daher kann sie beispielsweise besonders gut direkt für die Rapsölgewinnung aus Rapssaat genutzt und der verbleibende Rapskuchen zu Rapsmehl vermahlen werden, das angesichts des geringen Bitterstoffanteils für die menschliche Ernährung genutzt werden kann.
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Es ist gerade ein entscheidender Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens, dass es der Gewinnung von Rapsöl nicht entgegensteht, sondern aus dem nach Ölpressung verbleibenden Produkt ein hochwertiges proteinreiches Mehl für die menschliche Ernährung zur Verfügung steht. Hierbei muss hinsichtlich des Umfangs der Ölpressung die Anreicherung der Lignin-haltigen Schale beachtet werden, die die Verdaulichkeit beeinträchtigen kann und eine zu hohe Temperaturbelastung vermieden werden, um die Löslichkeit der wertvollen Proteine zu erhalten.
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Die Infrarotbestrahlung im erfindungsgemäßen Verfahren kann zu 100% mit Ökostrom betrieben werden, ebenso nachfolgende Ölpressen und/oder Stiftmühlen. Bei einer Flächenleistung von im Schnitt 40 kW/qm pro Stunde hängt der Energieverbrauch von der Größe der Anlage zur Saatenkonditionierung ab. Da jedoch die Art der Konditionierung rasch erfolgt, d. h. ein kurzes Zeitfenster fordert, lassen sich mit einer 1 qm großen Anlage nach dem heutigen Stand der Technik bei einschichtiger Bestrahlung ca. 100 kg konditionierte Saat pro Stunde erzeugen. Bei 2-schichtiger Bestrahlung von Rapssaat entsprechend ca. 200 kg pro Stunde. Zur Erhöhung der Produktivität können mehrere der beschriebenen Anlagen parallel betrieben werden.
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Bevorzugt erfolgt die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens auf einer kontrolliert und von unten beheizten Schwingförderrinne. Die Beheizung der Schwingförderrine erfolgt vorzugsweise über in der Rinne eingelassene Wasserrohre. Die Temperatur des durch die Rohre laufenden Wassers wird über einen Regler eingestellt. Für das erfindungsgemäße Verfahren wird die Wassertemperatur vorzugsweise auf zwischen 85 und 95°C, insbesondere zwischen 87 und 92°C, eingestellt. Über einen Trichter wird die zu behandelnde Saat der Schwingförderrinne kontrolliert zugeführt. Oberhalb der Schwingförderrinne sind Infrarotstrahler zur Erwärmung der Saat von oben angebracht. Optional kann die Förderrinne mit Temperaturfühlern versehen sein, um eine kontinuierliche Überprüfung der Temperatur zu ermöglichen. Ebenfalls optional kann am Ende des Erwärmungsprozesses eine Schwingförderkühlrinne vorgesehen sein, auf der die erwärmte Saat vor der Weiterverarbeitung abgekühlt wird.
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Auf die genannten und noch andere zweckmäßige und vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Unteransprüche gerichtet. Lediglich besonders zweckmäßige und vorteilhafte Ausbildungsformen und -möglichkeiten werden anhand der folgenden Beschreibung der in der schematischen Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiele näher beschrieben. Jede beschriebene Einzel- oder Detailgestaltung innerhalb eines Ausführungsbeispiels ist als strukturell selbstständiges Detailbeispiel für andere nicht oder nicht vollständig beschriebene, unter die Erfindung fallende Ausführungen und Gestaltungen zu verstehen.
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Es zeigt
- 1 eine Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in schematischer Darstellung.
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Beispiel 1
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Die in 1 gezeigte Vorrichtung umfasst einen Trichter 1, über den die Saat der Vorrichtung zugeführt wird. Die Saat gelangt auf eine Schwingförderrinne 2 aus Stahl. Über der Schwingförderrinne 2 sind IR-Strahler 3 angebracht, die die Saat auf der Schwingförderrinne 2 von oben erwärmen. Für eine weitere Erwärmung sind in die Schwingförderrinne 2 (in 1 nicht gezeigte) Wasserrohre eingelassen, durch die warmes Wasser geleitet wird. Die Wassertemperatur wird mittels eines Reglers eingestellt. Über auf der Rinne angebrachte Temperaturfühler 4 wird die Temperatur der Schwingförderrinne 2 kontrolliert, um sie ggf. über Änderung der Wassertemperatur oder Änderung der IR-Strahler-Parameter anzupassen.
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Die Saat passiert die Schwingförderrinne 2 in Förderrichtung F. Die Saatkörner verweilen im Schnitt zwischen 10 und 15 Sekunden in der Infrarotstrahlung auf der Schwingförderrinne 2. Sie werden dabei durch IR-Strahler 3 und die mittels Warmwassers erwärmte Schwingförderrinne 2 erwärmt. In der in 1 gezeigten Vorrichtung schließt sich an die Schwingförderrinne 2 noch eine Schwingförderkühlrinne 5 an. Diese ist optional. Die Kühlung erfolgt ebenfalls über Wasserrohre, die von unten in die Rinne 5 eingelassen sind, durch die in diesem Fall kaltes Wasser geleitet wird.
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Beispiele
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Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren wird sowohl Rapssaat (Beispiel 1) wie auch Senfsaat (Beispiel 2) behandelt. Die Behandlung erfolgt auf einer Vorrichtung, wie sie mit Bezug auf 1 beschrieben ist mit folgenden Parametern:
- Rapssaat: Firma Hartmann & Popp (GmbH & Co. KG), Hamburg
- Senfsaat: Firma Hartmann & Popp (GmbH & Co. KG), Hamburg
- Heiz-Schwingförderrinne: Modell FRUT 20/15-O-ERF (2,5 m lang, 0,35 m breit) der Firma Vibra Maschinenfabrik Schultheis GmbH & Co.
- Infrarotstrahler: Infrarot Strahlermodul MX 500/1145 der Firma Heraeus Noblelight GmbH
- Flächenleistung IR-Strahler: 60 kW/qm
- Wellenlänge IR-Strahler: 1.100 nm
- Abstand Strahler-Schwingförderrinne: 20 cm
- Wassertemperatur Schwingförderrinne: 90°C
- Mittlere Verweildauer unter IR-Strahlung auf der Rinne = Behandlungsdauer: 12 Sekunden
- Erwärmung der Saat auf 130°C
- Wassertemperatur Schwingförderkühlrinne: 10°C
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Ein Geschmackstest gibt Auskunft über den Erfolg des Verfahrens. Als Vergleichsbeispiel wird herkömmlich behandelte Rapssaat (Vergleichsbeispiel 1) bzw. Senfsaat (Vergleichsbeispiel 2) herangezogen, die jeweils zunächst angewalzt und dann bei 100°C für 40 Minuten in einem Trommelkonditionierer hitzebehandelt wird.
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Die Proben werden einem Geschmackstest unterzogen. Im Falle der Rapssaat wird unterschieden nach bitter/nicht bitter, im Falle der Senfsaat wird unterschieden nach scharf/nicht scharf.
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Beispiel/Vergleichsbeispiel 1 - Senfsaat
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Im Geschmackstest zeigt die herkömmlich behandelte Senfsaat (Vergleichsbeispiel 1) den für Senf typischen scharfen Geschmack. Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelte Senfsaat (Beispiel 1) hingegen, weist keine merkliche Schärfe auf. Es ist ein deutlicher Unterschied zum Vergleichsbeispiel feststellbar.
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Beispiel/Vergleichsbeispiel 2 - Rapssaat
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Im Geschmackstest zeigt die herkömmlich behandelte Rapssaat (Vergleichsbeispiel 2) den bei der üblich behandelten Rapssaat typischen bitteren Geschmack, der eine Verwendung in Lebensmitteln unattraktiv macht. Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren behandelte Rapssaat (Beispiel 2) hingegen, weist keinen merklichen Bittergeschmack auf. Stattdessen ist der Geschmack erdnussig. Es ist ein deutlicher Unterschied zum Vergleichsbeispiel feststellbar. Verantwortlich für den Erdnussgeschmack ist vermutlich die Phenolsäure Sinapinsäure, die der Zelle als UV-Schutz dient und in Rapssaat noch in deutlich höherer Konzentration vorkommt als in Erdnuss. Der Erdnussgeschmack wird in der nativen Saat durch Bitterkeit überdeckt.
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Die Beispiele zeigen, dass die erfindungsgemäß behandelten Saaten einen deutlich reduzierten Gehalt an Bitter- und Scharfstoffen aufweisen.
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Wichtig ist auf der anderen Seite, dass die wertvollen Speicherproteine trotz der Behandlung im Wesentlichen erhalten bleiben. Wie die folgende Tabelle 1 am Beispiel von Rapssaat zeigt, bleibt der Gehalt (angegeben in Gew.-%) an Aminosäuren bei gemäß Beispiel behandelter Saat (B1) im Vergleich zu unbehandelter Saat (VGB1) im Wesentlichen unverändert. Tabelle 1: Gehalt an Aminosäuren in Gew.-%
| B1 [Gew.-%] | VGB1 [Gew.-%] |
Lysin | 1,19 | 1,13 |
Methionin | 0,38 | 0,36 |
Cystein | 0,49 | 0,46 |
Asparaginsäure | 1,42 | 1,34 |
Threonin | 0,87 | 0,84 |
Serin | 0,84 | 0,80 |
Glutaminsäure | 3,33 | 3,09 |
Prolin | 1,22 | 1,13 |
Glycin | 1,03 | 0,96 |
Alanin | 0,88 | 0,82 |
Valin | 0,89 | 0,87 |
Isoleucin | 0,79 | 0,74 |
Leucin | 1,36 | 1,27 |
Tyrosin | 0,67 | 0,63 |
Phenylalanin | 0,86 | 0,81 |
Histidin | 0,52 | 0,52 |
Arginin | 1,21 | 1,14 |
Tryptophan | 0,27 | 0,24 |
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 6955831 B2 [0013]
- WO 2004112493 A1 [0014]
- EP 0187877 B1 [0015]
- MX 5001145 [0046]