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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug und ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems für ein Kraftfahrzeug.
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Stand der Technik
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Typische Bremskraftverstärker arbeiten als Unterdruckverstärker (Vakuumverstärker) oder hydraulisch. Bei neueren Fahrzeugen mit effizienten Verbrennungsmotoren, Hybridantrieben oder in reinen Elektrofahrzeugen werden typischerweise vakuumunabhängige Lösungen für das Bremssystem eingesetzt. Hierunter sind Bremskraftverstärker zu verstehen, welche nicht als Unterdruckverstärker arbeiten.
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Ein beispielhafter vakuum-unabhängiger, elektromechanischer Bremskraftverstärker ist der iBooster von Bosch. Bei elektromagnetischen Bremskraftverstärkern lässt sich schnell Bremsdruck aufbauen und über die elektronische Steuerung sehr genau einstellen. Dies ist insbesondere für automatische Notbremssysteme vorteilhaft, da sich kürzere Bremswege insbesondere bei automatischen Notbremsungen ergeben.
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Ein elektromechanischer Bremskraftverstärker ist aus der
DE 10 2009 001 401 A1 bekannt. Hier wird ein Bremssystem und Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems vorgeschlagen, wobei das Bremssystem dazu ausgelegt ist, unter Berücksichtigung eines von einer fahrzeugeigenen Sensor- und/oder Steuervorrichtung bereitgestellten Steuersignals ein Verstärkungsdrucksignal auszugeben und über ein Hydraulikaggregat ein Verstärkungsdrucksignal an den Radbremszylinder weiterzuleiten.
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Bei Fahrzeugen ohne elektromechanische Bremskraftverstärker erfolgt der automatische Bremseingriff typischerweise ausschließlich über ein Fahrerassistenzsystem zur Fahrdynamik, etwa ein ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm)-System.
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Das Antiblockiersystem (ABS) ist eine weitere Komponente der meisten Bremssysteme. Das Antiblockiersystem regelt automatisch den Radschlupf an mindestens einem der Räder des Kraftfahrzeugs. Typischerweise erkennt das ABS-Steuergerät im Fall einer manuell initiierten Notbremssituation einen Drehzahlsprung am Rad und mindert daraufhin den Bremsdruck am Rad über die ABS-Hydraulik, d.h. über zwei Magnetventile, die an der Druckleitung angebracht sind. Zu Beginn verschließt dabei das erste Magnetventil die Leitung zum Hauptbremszylinder. Wenn die Raddrehzahl weiter sinkt, wird mit dem zweiten Magnetventil Bremsflüssigkeit abgelassen und der Bremsdruck sinkt leicht. Eine Elektropumpe im Hydraulikaggregat pumpt diese Bremsflüssigkeit wieder zurück ins System.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Erfindung stellt ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug und ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems eines Kraftfahrzeuges mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche bereit.
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Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der jeweiligen Unteransprüche.
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Gemäß einem ersten Aspekt betrifft die Erfindung demnach ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug, mit einer Betätigungseinrichtung, welche dazu ausgebildet, eine hydraulische Kraft zu erzeugen, einer Übertragungseinrichtung, welche dazu ausgebildet ist, die von der Betätigungseinrichtung erzeugte hydraulische Kraft auf mindestens eine Radbremse des Kraftfahrzeugs zu übertragen, einem Antiblockiersystem, mit einer Hydraulikeinheit (Magnetventileinheit), wobei die Hydraulikeinheit dazu ausgebildet ist, eine an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegende hydraulische Kraft zu reduzieren, und einer automatischen Notbremsvorrichtung, welche dazu ausgebildet ist unter Verwendung von Sensordaten eine Objektliste zu ermitteln und die Objektliste anhand neu hinzukommender Sensordaten kontinuierlich zu aktualisieren, anhand der Objektliste zu einem ersten Zeitpunkt ein Bremsereignis zu ermitteln, und die Betätigungseinrichtung zum Erzeugen einer hydraulischen Kraft anzusteuern, falls ein Bremsereignis ermittelt wird, anhand der aktualisierten Objektliste zu einem nach dem ersten Zeitpunkt liegenden zweiten Zeitpunkt zu erkennen, ob das Bremsereignis weiter vorliegt, und die Hydraulikeinheit direkt zum Reduzieren der an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegenden hydraulischen Kraft anzusteuern, falls ermittelt wird, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt.
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Gemäß einem zweiten Aspekt betrifft die Erfindung demnach ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems eines Kraftfahrzeuges. Eine Objektliste wird unter Verwendung von Sensordaten ermittelt, wobei die Objektliste anhand neu hinzukommender Sensordaten kontinuierlich aktualisiert wird. Ein Bremsereignis wird anhand der Objektliste zu einem ersten Zeitpunkt ermittelt. Eine hydraulische Kraft wird durch eine Betätigungseinrichtung des Bremssystems erzeugt, wobei eine Übertragungseinrichtung des Bremssystems die von der Betätigungseinrichtung erzeugte hydraulische Kraft auf mindestens eine Radbremse des Kraftfahrzeugs überträgt. Es wird anhand der aktualisierten Objektliste zu einem nach dem ersten Zeitpunkt liegenden zweiten Zeitpunkt ermittelt, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. Die an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegende hydraulische Kraft wird durch eine Hydraulikeinheit eines Antiblockiersystems des Bremssystems reduziert, falls ermittelt wird, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt.
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Vorteile der Erfindung
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Die vorliegende Erfindung ermöglicht es, auf Falsch-positiv-Detektionen sehr schnell zu reagieren. Hierunter sind Detektionen zu verstehen, bei welchen zunächst ein Bremsereignis detektiert wird, d. h. eine mögliche Gefahrensituation, in welcher ein automatisches Abbremsen erforderlich ist. Bei einer Falsch-positiv-Detektion wird somit die automatische Notbremsung ausgelöst, obwohl die Situation in Bezug auf das Unfallrisiko nicht kritisch ist. Anschließend wird aufgrund genauerer Auswertung der Sensordaten oder unter Zuhilfenahme weiterer Sensordaten erkannt, dass ein automatisches Abbremsen nicht erforderlich ist. In diesem Fall wird die Bremskraft an mindestens einer Radbremse unter Verwendung des Antiblockiersystems reduziert.
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Die Erfindung sieht somit eine Koppelung der Hydraulikeinheit des Antiblockiersystems mit der automatischen Notbremsvorrichtung (englisch: autonomous emergency braking system; AEB-System) vor. Die automatische Notbremsvorrichtung ist dabei ein wichtiger Teil der aktiven Sicherheit. Insbesondere muss eine Abwägung hinsichtlich auftretender Falsch-positiv- und Falsch-negativ-Detektionen getroffen werden. Falsch-negativ-Detektionen müssen weitestgehend vermieden werden, da in diesem Fall gefährliche Situationen nicht erkannt werden. Eine signifikante Anzahl an Falsch-positiv-Detektionen führt herkömmlicherweise zu einem häufigen und zu starken Abbremsen, wodurch es ebenfalls zu Gefahren kommen kann, etwa durch mögliche Auffahrunfälle.
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Erfindungsgemäß wird ein zu starkes Abbremsen vermieden, indem das Antiblockiersystem zum Reduzieren des Bremsdrucks verwendet wird, sodass es bereits zur Reduktion des Bremsdrucks kommen kann, bevor die Betätigungseinrichtung den Bremsdruck vollständig aufgebaut hat.
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So dauert typischerweise das Aufbauen des Bremsdrucks durch die Betätigungseinrichtung mindestens 150 Millisekunden. Durch den Druckablass mittels des Antiblockiersystems kann beim Erkennen einer Falsch-positiv-Detektion (falls also kein Bremsereignis mehr vorliegt) der hochfahrende Bremsdruck in beispielsweise weniger als 30 Millisekunden abgebaut werden. Somit bleiben nach der Korrektur nur eine minimale Bremswirkung und insbesondere auch keine signifikante Geschwindigkeitsänderung.
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Die automatische Notbremsvorrichtung kann somit mindestens einen Zyklus früher den Bremsdruck reduzieren als bei Bremssystemen, bei welchen der Bremsdruck über ein ESP-System reduziert wird. Dies stellt eine signifikante Reduzierung dar, wenn die Kette der Latenzen in Notbremsvorrichtungen betrachtet wird.
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Weiter wirkt sich das frühe Abbrechen von unerwünschten Bremsprozessen positiv auf das Fahrgefühl aus, da der Fahrer weniger Auswirkungen spüren wird. Weiter kann ein möglicherweise auftretende kleiner Ruck auch dazu dienen, die Aufmerksamkeit des Insassen zu erhöhen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems weist die Betätigungseinrichtung einen elektromechanischen Bremskraftverstärker auf, welcher dazu ausgebildet ist, den Bremsdruck aufzubauen. Der elektromechanische Bremskraftverstärker ist dabei vakuum-unabhängig.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems ist die automatische Notbremsvorrichtung weiter dazu ausgebildet, die Betätigungseinrichtung zum Reduzieren der hydraulischen Kraft anzusteuern, falls die automatische Notbremsvorrichtung ermittelt, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt. Damit wird der Bremsdruck weiter reduziert.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems ist die automatische Notbremsvorrichtung dazu ausgebildet, Sensordaten zu fusionieren und unter Verwendung der nach dem ersten Zeitpunkt fusionierten Sensordaten zu ermitteln, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. So können etwa Sensordaten von mehreren Sensoren gleichen Typs (oder mehreren Kameras oder Radarsensoren) oder auch Sensordaten unterschiedlicher Sensoren fusioniert werden. Dadurch wird die Erkennung, ob tatsächlich ein Bremsereignis vorliegt, weiter verbessert. Falls etwa aufgrund der Sensordaten eines einzelnen Sensors ein Bremsereignis detektiert wurde und die automatische Bremsung eingeleitet wurde, kann die Korrektur durch Ansteuern des Antiblockiersystems erfolgen, falls sich eine Neubewertung anhand der Sensorfusion ergibt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems ist die automatische Notbremsvorrichtung dazu ausgebildet, Trajektorien des Kraftfahrzeugs und/oder von Objekten im Umfeld des Kraftfahrzeugs zu ermitteln und unter Verwendung der ermittelten Trajektorien zu ermitteln, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. Beispielsweise kann ein Tracking von Objekten durchgeführt werden. Ergibt sich anhand des Trackings, dass keine Kollision zu erwarten ist, kann die Korrektur durch Ansteuern des Antiblockiersystems erfolgen. Dadurch kann die Erkennung, ob tatsächlich ein Bremsereignis vorliegt, präzise durchgeführt werden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems ist die automatische Notbremsvorrichtung dazu ausgebildet, nach dem Ermitteln, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt, das Antiblockiersystem zum Reduzieren der an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegenden hydraulischen Kraft anzusteuern, bevor die Betätigungseinrichtung die zu erzeugende hydraulische Kraft vollständig erzeugt hat. Das Bremssystem kann dadurch sehr schnell auf Falsch-positiv-Detektionen reagieren.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform weist das Bremssystem zur Übertragung eines Signals eine Bypassverbindung auf, welche die Notbremsvorrichtung direkt mit der Hydraulikeinheit verbindet, wobei die Notbremsvorrichtung dazu ausgebildet ist, die Hydraulikeinheit direkt über die Bypassverbindung zum Reduzieren der an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegenden hydraulischen Kraft anzusteuern, falls ermittelt wird, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt. Dadurch wird die Hydraulikeinheit schnell und direkt angesteuert.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems ist die automatische Notbremsvorrichtung dazu ausgebildet, auf Basis weniger Sensordaten das Bremsereignis zu ermitteln. Beispielweise kann die automatische Notbremsvorrichtung lediglich ein oder zwei Video-Frames, Lidar-Frames und/oder Radar-Frames auswerten. So kann einerseits ein robusteres AEB-System erreicht werden, während andererseits eine höhere Effizienz in realen Fällen, die nicht durch aktuelle Verbrauchertests etc. abgedeckt werden, erzielt wird. Das Bremssystem ermöglicht es somit, die Eingriffsstrategie progressiver und damit zeitlich früher zu wählen, da es die Möglichkeit zur sehr schnellen Korrektur gibt. Diese Zeit lässt sich direkt in die Wirksamkeit der Notbremssysteme umrechnen. Besonders im Fußgängerschutz kann die verbesserte Reaktionszeit zu signifikanten Verbesserungen führen.
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Die Robustheit wird besonders wichtig, wenn Szenarien durchfahren werden, in denen eine erhöhte situative Unschärfe existiert oder es zu einer plötzlichen Zuspitzung der Situation (zum Beispiel unter dem Einfluss von Sichtverdeckungen) kommen kann. Solche Situationen sind relevant, werden daher auch in aktuellen Verbraucherschutztests und hier in zunehmenden Maße adressiert. Eine beispielhafte Situation kann auftreten, falls Personen oder Kinder zwischen zwei Fahrzeugen auf die Straße treten, ggfs. auch unter widrigen Umweltbedingungen, etwa bei Regen oder schlechten Lichtverhältnissen. An dieser Stelle kann eine progressivere Einstellung der Parameter für die automatische Bremsvorrichtung gewählt werden und somit bis zu 100 ms früher eine Vollbremsung gestartet werden und im Notfall bis zu 100 ms früher durchgeführt werden. In der Folge kann die Kollision mit dem Fußgänger gänzlich verhindert werden oder zumindest die Auftreffgeschwindigkeit auf den Fußgänger deutlich reduziert werden. Dies hat zur Folge, dass der Fußgänger ein deutlich geringeres Verletzungsrisiko davonträgt und ein Kontakt zwischen Fußgängerkopf und beispielsweise der Windschutzscheibe verhindert werden kann.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform umfasst das Bremssystem ein ESP-System sowie eine Schnittstelle zwischen der automatische Notbremsvorrichtung und dem ESP-System, wobei das ESP-System dazu ausgebildet ist, das Antiblockiersystem zu steuern. Über die Schnittstelle kann die automatische Notbremsvorrichtung einen Befehl zum Abbauen des Drucks mittels des Antiblockiersystems an das ESP-System übertragen, auch wenn der unabhängige Vorgang des Druckaufbaus mittels der Betätigungseinrichtung noch nicht abgeschlossen ist.
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Weiterhin grenzt sich das erfindungsgemäße Vorgehen vom Vorgehen bei rekuperativen Bremseinrichtungen ab. Dort wird, um einen möglichst hohen Rekuperationsgrad zu erzielen, eine Verblendung des Bremsmoments durchgeführt, d.h. es werden in unterschiedlichen Situationen die Bremsmomente der Radbremszylinder auf unterschiedliche Weise an das aktuelle Bremsmoment der rekuperativen Bremseinrichtung angepasst.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Bremssystems wird weiter ermittelt, ob der Fahrer manuell bremst. Ist dies der Fall, wird das Antiblockiersystem nicht zum Reduzieren der an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegenden hydraulischen Kraft angesteuert. Der Fahrer sollte somit die letztendliche Kontrolle über das Bremsverhalten behalten können.
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Beispielsweise kann zunächst eine Notbremsung aufgrund von Querverkehr an Kreuzungen erfolgen. Nach der Neubewertung der Situation anhand weiterer Sensordaten kann die Korrektur durch Ansteuern des Antiblockiersystems vorgenommen werden. Ein Eingriff bei Querverkehr kann beispielsweise gestartet werden, wenn die Kollision zwar absehbar ist, die genaue Trajektorie der beteiligten Fahrzeuge aber noch mit hohen Unsicherheiten behaftet ist. Dann könnten eine große Geschwindigkeitsreduktion und eine große Verschiebung des Auftreffpunktes eingeleitet werden. Da letzte quadratisch mit der Zeit wächst, ist hier ein früher Eingriff besonders wichtig. Eine Neubewertung der Situation könnte dann den Eingriff korrigieren oder ganz abbrechen und so den Effekt soweit reduzieren, dass kaum ein Unterschied zum Nicht-Eingriff vorliegt.
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Als weiteres Beispiel kann die Auslösung des automatischen Bremsmanövers aufgrund eines kreuzenden Fahrzeugs auf Kollisionskurs erfolgen. Die automatische Notbremsvorrichtung steuert durch das Bremsmanöver einen optimalen Auftreffpunkt an. Falls sich nach weiteren Messungen herausstellt, dass sich der Auftreffpunkt in eine ungünstige Position verschiebt, z.B. in die Fahrgastzelle, kann die Aufhebung der Bremsung eine Verschlechterung der Situation verhindern.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens zum Betreiben eines Bremssystems werden Sensordaten fusioniert, wobei unter Verwendung der nach dem ersten Zeitpunkt fusionierten Sensordaten ermittelt wird, ob das Bremsereignis weiter vorliegt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens zum Betreiben eines Bremssystems werden Trajektorien des Kraftfahrzeugs und/oder von Objekten im Umfeld des Kraftfahrzeugs ermittelt, wobei unter Verwendung der ermittelten Trajektorien ermittelt wird, ob das Bremsereignis weiter vorliegt.
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Figurenliste
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Es zeigen:
- 1 ein Blockdiagramm eines Bremssystems gemäß einer Ausführungsform der Erfindung;
- 2 ein beispielhafter Verlauf von Beschleunigungen als Funktion der Zeit;
- 3 ein beispielhafter Verlauf von Geschwindigkeiten als Funktion der Zeit;
- 4 ein beispielhafter Verlauf von zurückgelegten Strecken als Funktion der Zeit;
- 5 beispielhafte zeitliche Verläufe verschiedener Fahrsituationen;
- 6 beispielhafte zeitliche Verläufe zum Ermitteln von Bremsereignissen mit hoher Auslösschwelle;
- 7 beispielhafte zeitliche Verläufe zum Ermitteln von Bremsereignissen mit niedriger Auslösschwelle; und
- 8 ein Flussdiagramm eines Verfahrens zum Betreiben eines Bremssystems gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.
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In allen Figuren sind gleiche bzw. funktionsgleiche Elemente und Vorrichtungen mit denselben Bezugszeichen versehen. Die Nummerierung von Verfahrensschritten dient der Übersichtlichkeit und soll im Allgemeinen keine bestimmte zeitliche Reihenfolge implizieren. Insbesondere können auch mehrere Verfahrensschritte gleichzeitig durchgeführt werden.
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Beschreibung der Ausführungsbeispiele
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1 zeigt ein Blockdiagramm eines Bremssystems 1 für ein Kraftfahrzeug. Das Bremssystem 1 umfasst eine Betätigungseinrichtung 2, mittels welcher eine hydraulische Kraft erzeugt werden kann. Die Betätigungseinrichtung 2 umfasst ein Bremspedal 21 und einen elektromechanischen Bremskraftverstärker 22. Bei einem Druck auf das Bremspedal 21 wird der elektromechanische Bremskraftverstärker 22 aktiv und die hydraulische Kraft wird erzeugt.
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Weiter umfasst das Bremssystem 1 eine Übertragungseinrichtung 6, 7, welche die von der Betätigungseinrichtung 2 erzeugte hydraulische Kraft auf mindestens eine Radbremse des Kraftfahrzeugs überträgt. Weiter umfasst das Bremssystem 1 ein Antiblockiersystem 3, welches zwischen einem ersten Abschnitt 6 der Übertragungseinrichtung, welcher zu dem elektromechanischen Bremskraftverstärker 22 führt, und einem zweiten Abschnitt 7 der Übertragungseinrichtung, welcher zu den Radbremsen führt, angeordnet ist.
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Das Bremssystem 1 umfasst eine automatische Notbremsvorrichtung 4. Die Notbremsvorrichtung 4 ermittelt unter Verwendung von Sensordaten eine Objektliste. Beispielsweise kann die Notbremsvorrichtung 4 hierzu Sensordaten von Radarsensoren, Lidarsensoren, Fahrzeugkameras oder dergleichen auswerten. Die Notbremsvorrichtung 4 führt ein Objekttracking durch, aktualisiert also die Objektliste anhand neu hinzukommender Sensordaten kontinuierlich. Dabei können mehrere Unterprozesse durchgeführt werden.
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So kann zuerst in einem Assoziation-Schritt ermittelt werden, welche Daten aus der aktuellen Messung zu einem bereits erfassten Objekt gehören, diesem also assoziiert werden.
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In einem Update-Schritt wird ermittelt, wie die aktuelle Messung den Objektstatus der Objekte der Objektliste beeinflusst. Beispielsweise kann ein zunächst als Verkehrsteilnehmer oder Hindernis klassifiziertes Objekt anhand neuer Sensordaten neu klassifiziert werden. Beispielsweise kann ein nicht unter- oder überfahrbares Objekt aufgrund neuer Messungen als unter- oder überfahrbares Objekt klassifiziert werden. Dadurch kann insbesondere bestimmt werden, ob die Objekte der Objektliste weiterhin relevant sind.
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Weiter kann ein Prädiktion-Schritt durchgeführt werden, bei welchem vorhergesagt wird, wie sich das Objekt bewegen wird, d. h. Trajektorien der Objekte ermittelt werden. Auch die Trajektorie des eigenen Kraftfahrzeugs kann berechnet und aktualisiert werden.
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Anhand der Objektliste zu einem ersten Zeitpunkt ermittelt die automatische Notbremsvorrichtung 4 ein Bremsereignis und leitet einen Bremsvorgang ein. Die Betätigungseinrichtung 2 wird von der Notbremsvorrichtung 4 zum Erzeugen einer hydraulischen Kraft angesteuert, falls diese das Bremsereignis ermittelt.
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Die Notbremsvorrichtung 4 überprüft kontinuierlich anhand der neu hinzugekommen Sensordaten, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. Ergibt sich aufgrund einer Neubewertung der Objekte, etwa wegen einer anderen Klassifikation oder einem geänderten zu erwartenden Bewegungsverlauf, dass zu einem späteren zweiten Zeitpunkt kein Bremsereignis mehr vorliegt, steuert die Notbremsvorrichtung 4 direkt die Hydraulikeinheit 31 an. Die Hydraulikeinheit 31 reduziert dann die an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegende hydraulische Kraft.
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Das Reduzieren der hydraulischen Kraft kann durch die gewöhnliche Funktionsweise der Hydraulikeinheit 31 des Antiblockiersystems 3 erfolgen. Die Hydraulikeinheit 31 reduziert somit durch Öffnen und Schließen von Ventilen der Hydraulikeinheit 31 und durch Rückpumpen vom Bremsflüssigkeit den an den Radbremsen anliegenden Bremsdruck.
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Parallel dazu kann die Notbremsvorrichtung 4 auch die Betätigungseinrichtung 2 zum Reduzieren der hydraulischen Kraft ansteuern.
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Die Notbremsvorrichtung 4 übermittelt an die elektronischen Bremskraftverstärker 22 und das Antiblockiersystem 3 somit sowohl ein Ansteuersignal 8 bezüglich einer Sollverzögerung, falls ein Bremsereignis erkannt wird, als auch ein Ansteuersignal 9 zum Abbrechen des Bremsvorgangs, falls erkannt wird, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt. Zum Ansteuern der Hydraulikeinheit 31 kann dabei eine Bypassverbindung verwendet werden, über welche direkt auf die Hydraulikeinheit 31 zugegriffen werden kann. Weiter kann ein Signal 5 an vom elektronischen Bremskraftverstärker 22 an das Antiblockiersystem 3 übertragen werden, ob der Fahrer selbst bremst. Das Reduzieren des Bremsdrucks wird nur durchgeführt, falls der Fahrer nicht selbst bremst.
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Die automatische Notbremsvorrichtung 4 kann dazu ausgebildet sein, relativ früh auszulösen, d. h. ein Bremsereignis zu ermitteln. Die hierzu berücksichtigten Daten können Sensordaten oder fusionierten Sensordaten, sowie weitere Informationen, etwa die Latenzzeiten der Sensoren und der Fusion, umfassen.
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Der Effekt einer schnellen Öffnung der Bremse wird in den 2 bis 4 illustriert.
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2 zeigt einen beispielhaften Verlauf von Beschleunigungen als Funktion der Zeit. In 2 ist die Beschleunigung a in m/s2 als Funktion der Zeit illustriert. 3 zeigt die Geschwindigkeit in m/s als Funktion der Zeit. 4 zeigt schließlich die durch die Bremsung hervorgerufene Verringerung der zurückgelegten Strecke s in Meter als Funktion der Zeit. Im Fall einer detektierten Kollision wird die Bremskraft so schnell wie möglich gesteigert, um einen möglichst großen Effekt auf die Geschwindigkeitsreduktion und die Verschiebung des Auftreffpunktes zu haben. Ist dieser Effekt dann doch nicht gewünscht und die Korrektur erfolgt schnell, bleibt der Effekt vergleichbar zum Nicht-Eingriff. Der Beschleunigungsverlauf 21, der Geschwindigkeitsverlauf 23 und der Verlauf der Strecke 25 entsprechen der Beschleunigung, Geschwindigkeit bzw. Strecke für den ursprünglich eingeleiteten Eingriff und der Beschleunigungsverlauf 22, der Geschwindigkeitsverlauf 24 und der Verlauf der Strecke 26 entsprechen dem korrigierten Eingriff.
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Beim Eingriff mittels Antiblockiersystem 3 reduziert der kurze Bremsdruckaufbau die Geschwindigkeit v nur geringfügig. Die relative Fahrzeugposition, d. h. die durch die Bremsung verringerte zurückgelegte Strecke s beträgt bei dem ursprünglichen Eingriff mehrere Meter und reduziert sich durch die Korrektur auf einige Zentimeter.
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5 zeigt beispielhafte zeitliche Verläufe verschiedener Fahrsituationen 51, 52, 53, wobei jeweils das Risiko einer Kollision für verschiedene Messzyklen n bis n+5 (also als Funktion der Zeit t) aufgetragen ist. Hinsichtlich des Risikos wird dabei von einem sehr hohen Risiko 54 bis hin zu einem sehr niedrigen Risiko 57 unterschieden, d. h. es werden beispielhaft vier Stufen unterschieden. Die Erfindung ist jedoch nicht auf eine bestimmte Anzahl an Stufen beschränkt.
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Bei einem ersten Verlauf 51 steigt das ermittelte Risiko zunächst von der niedrigsten Stufe zur zweitniedrigsten Stufe und zur zweithöchsten Stufe und fällt dann wieder auf die niedrigste Stufe. Bei einem zweiten Verlauf 52 steigt das ermittelte Risiko zunächst von der niedrigsten Stufe zur zweitniedrigsten Stufe, bleibt bei der zweitniedrigsten Stufe und fällt dann wieder auf die niedrigste Stufe. Bei einem dritten Verlauf 53 steigt das Risiko in jedem Zyklus an, von der niedrigsten Stufe bis zur höchsten Stufe.
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6 zeigt beispielhafte zeitliche Verläufe zum Ermitteln von Bremsereignissen mit hoher Auslöseschwelle. In diesem Szenario wird erst ausgelöst, wenn die höchste Stufe erreicht wird. Somit wird lediglich im dritten Verlauf 53 im Zyklus n+3 das Bremsereignis erkannt und der Bremsvorgang eingeleitet. Nach drei Zyklen, d. h. im Zyklus n+5 ist der Bremsdruck vollständig aufgebaut.
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7 zeigt beispielhafte zeitliche Verläufe zum Ermitteln von Bremsereignissen mit niedriger Auslösschwelle. In diesem Szenario wird bereits ausgelöst, wenn die zweithöchste Stufe erreicht wird. Somit wird auch im ersten Verlauf zum Zyklus n+2 ein Bremsereignis erkannt. Da das Risiko anschließend jedoch wieder sinkt, wird die Hydraulikeinheit 31 zum Reduzieren der hydraulischen Kraft angesteuert. Im dritten Verlauf 53 kann bereits im Zyklus n+2 das Bremsereignis erkannt und der Bremsvorgang eingeleitet werden. Die Erfindung ermöglicht es aufgrund der Fähigkeit, schnell dem ausgelösten Bremsvorgang entgegenzuwirken, bereits früher ein Bremsereignis zu detektieren, d. h. bevorzugt etwa gemäß dem in 7 gezeigten Verfahren. Dadurch kann beispielsweise ein Zyklus früher reagiert werden. Aufgrund der progressiveren Auslösung kann früher gebremst werden. Ein begonnenes Bremsmanöver wird vor Eintritt einer signifikanten Geschwindigkeitsänderung korrigiert, sobald klar ist, dass sich die Situation nicht zuspitzt, also kein Bremsereignis mehr vorliegt.
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8 zeigt ein Flussdiagramm eines Verfahrens zum Betreiben eines Bremssystems, insbesondere eines oben beschriebenen Bremssystems 1.
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In einem ersten Verfahrensschritt S1 wird eine Objektliste unter Verwendung von Sensordaten ermittelt, wobei die Objektliste anhand neu hinzukommender Sensordaten kontinuierlich aktualisiert wird.
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In einem Verfahrensschritt S2 wird ein Bremsereignis anhand der Objektliste zu einem ersten Zeitpunkt ermittelt.
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In einem Verfahrensschritt S3 wird eine hydraulische Kraft durch eine Betätigungseinrichtung 2 des Bremssystems 1 erzeugt, wobei eine Übertragungseinrichtung 6, 7 des Bremssystems 1 die von der Betätigungseinrichtung 2 erzeugte hydraulische Kraft auf mindestens eine Radbremse des Kraftfahrzeugs überträgt.
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In einem Verfahrensschritt S4 wird anhand der aktualisierten Objektliste zu einem nach dem ersten Zeitpunkt liegenden zweiten Zeitpunkt ermittelt, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. Dazu können fusionierten Sensordaten herangezogen werden, welche von Sensoren nach dem ersten Zeitpunkt ermittelt worden sind. Insbesondere kann eine Klassifizierung der Objekte und/oder eine ermittelte Trajektorie der Objekte berücksichtigt werden, um zu erkennen, ob das Bremsereignis weiter vorliegt. Weiter wird die an mindestens einer Radbremse des Kraftfahrzeugs anliegende hydraulische Kraft durch eine Hydraulikeinheit eines Antiblockiersystems des Bremssystems 1 reduziert, falls ermittelt wird, dass das Bremsereignis nicht mehr vorliegt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009001401 A1 [0004]