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Die Erfindung betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Trajektorienführung für ein Ego-Fahrzeug. Weiterhin betrifft die Erfindung ein Fahrzeug umfassend die Vorrichtung.
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Es sind inzwischen eine Vielzahl an Fahrerassistenzsystemen bekannt, welche den Fahrer auch in komplexen Verkehrssituationen unterstützen. Fahrerassistenzsysteme, wie sie bereits auf dem Markt sind, erfordern jedoch eine permanente Aufsicht und Eingriffsbereitschaft durch den Fahrer für den Fall, dass das System fehlerhaft oder zumindest nicht adäquat reagieren sollte.
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Beim vollautomatisierten Fahren steht der Fahrer nicht mehr als Rückfallebene zur Verfügung. Im Hinblick auf hochautomatisierte Fahrfunktionen ist somit die Prognostizierung des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer und die Ermittlung einer sinnvollen Trajektorie zwingend erforderlich.
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Der vorliegenden Erfindung liegt daher die technische Aufgabe zugrunde, ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zu entwickeln, welche ein sicheres, autonomes Steuern des Fahrzeugs ermöglicht.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1, durch eine Vorrichtung gemäß Anspruch 12 sowie durch ein Fahrzeug gemäß Anspruch 13 gelöst. Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur autonomen Trajektorienführung für ein Ego-Fahrzeug umfasst folgende Schritte: Erfassen von Umfelddaten, die die Fahrzeugumgebung des Ego-Fahrzeugs beschreiben. Die Umfelddaten werden insbesondere mittels einer Sensoreinheit und/oder einer Kommunikationseinheit, so z. B. mittels einer Car-to-Car oder Car-to-X-Kommunikation erfasst. Die Sensoreinheit kann mindestens oder genau eine, vorzugsweise mindestens eine erste und eine zweite Sensoreinrichtung wie z. B. Kamera, Radar oder Lidar umfassen.
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Es wird ein erstes und ein zweites Umfeldmodell basierend auf den Umfelddaten berechnet, wobei das erste und das zweite Umfeldmodell sich voneinander unterscheiden. Ein Umfeldmodell beschreibt insbesondere das Umfeld des Ego-Fahrzeugs, sodass benötigte Angaben über Objekte, Infrastruktur, Fahrbahnverlauf, etc. zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise basiert das erste Umfeldmodell auf den Umfelddaten einer ersten Sensoreinrichtung und das zweite Umfeldmodell auf den Umfelddaten einer zweiten Sensoreinrichtung. Handelt es sich bei der ersten und zweiten Sensoreinrichtung um unterschiedliche Sensorenarten, kann auf diese Weise eine einfache Redundanz verhindert werden. Jedoch ist es z. B. ebenso möglich, dass das erste und zweite Umfeldmodell auf den Umfelddaten sowohl der ersten als auch der zweiten Sensoreinrichtung basieren.
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Es wird eine Mehrzahl von möglichen Ego-Trajektorien auf Basis des ersten Umfeldmodells ermittelt. Eine Ego-Trajektorie ist insbesondere ein berechnetes quer-längs kombiniertes Fahrmanöver für das Ego-Fahrzeug. Vorzugsweise unterscheiden sich die ermittelten Ego-Trajektorien zumindest in Bezug auf einen Zielpunkt wie z. B. Fahrzeuggeschwindigkeit, Bewegungsrichtung, Zielstandort oder Zielzeitpunkt. Eine solche Ego-Trajektorie wäre rein beispielhaft „Spurhaltung auf der aktuellen Fahrspur mit gleicher Geschwindigkeit“ oder „Spurwechsel auf die linke Fahrspur, Geschwindigkeit von 90 km/h auf 120 km/h erhöhen“.
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Weiterhin erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien auf Basis des zweiten Umfeldmodells. Bei der Plausibilitätsprüfung erfolgt beispielsweise eine Konformitätsprüfung der ermittelten Umgebungsinformationen und der Verläufe der ermittelten Ego-Trajektorien. Vorzugsweise wird beurteilt, ob es sich bei den ermittelten Ego-Trajektorien unter den gegebenen Bedingungen im Hinblick auf Kollisionsfreiheit und Komfort um korrekte und insbesondere optimale Ego-Trajektorien handelt. Insbesondere erfolgt bei der Plausibilitätsprüfung keine Anpassung der ermittelten Ego-Trajektorien in ihren Verläufen.
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Es wird wenigstens eine der plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien für die Führung des Ego-Fahrzeugs anhand zumindest eines Auswahlkriteriums ausgewählt. Die wenigstens eine ausgewählte Ego-Trajektorie wird beispielsweise an eine Steuereinrichtung zur Führung des Ego-Fahrzeugs weitergeleitet und von dieser ausgeführt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren setzt einen Sicherheitsstandard um, welcher Anforderungen bzgl. funktionaler Sicherheit für autonomes Fahren genügt. Darüber hinaus erzielt die Plausibilitätsprüfung einen weitreichenden und korrekten Überblick selbst über komplexe Verkehrssituationen. Das ist bemerkenswert, da nunmehr eine komfortable Fahrzeugführung priorisiert werden kann, welche deutlich schwierigen Bedingungen in der Umsetzung unterliegt als z. B. eine einfache Notfalltrajektorie wie eine Notbremsung. Folglich kann nicht nur der erforderliche Sicherheitsstandard, sondern auch ein Komfortstandard erreicht werden, welcher beim autonomen Fahren erwartet wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist das mindestens eine Auswahlkriterium die ermittelte Kollisionssituation entlang der entsprechenden Ego-Trajektorie, die mit der Ego-Trajektorie verbundene Fahrdynamik, ein ermittelter Kostenwert für Fahrerziele, so z. B. das Erreichen einer Sollgeschwindigkeit oder eines Fahrkomforts, und/oder ein Kollisionszeitpunkt mit einem Objekt. Hierbei erfolgt eine Priorisierung des Sicherheitsaspekts, insbesondere der Kollisionsfreiheit. Folglich bleiben beispielsweise die kollisionsgefährdenden, als komfortabel ermittelten Ego-Trajektorien unberücksichtigt, sollte mindestens eine plausibilitätsgeprüfte, kollisionsfreie Ego-Trajektorie ermittelt worden sein. Insbesondere wird der Kostenwert einer Trajektorie mithilfe einer Kostenfunktion berechnet, die eine Vielzahl von Bewertungskriterien der gesamten Trajektorie in einem mathematischen Wert zusammenfasst. Solche Bewertungskriterien sind beispielsweise die maximale und/oder durchschnittliche Längsbeschleunigung, die maximale und/oder durchschnittliche Querbeschleunigung, der maximale und/oder durchschnittliche Querruck, die Abweichung von der gewünschten Fahrzeuggeschwindigkeit oder der laterale und longitudinale Abstand von Objekten.
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Eine weitere bevorzugte Ausführungsform sieht vor, dass sich das erste und das zweite Umfeldmodell in der Komplexität und/oder in den Umfelddaten unterscheiden, insbesondere in der Erfassungsdistanz, in dynamischen Objekten, in stationären Objekten und/oder in sicherheitskritischen Objekten und/oder in den verwendeten Sensoren. So ist es möglich, dass es sich bei dem ersten Umfeldmodell um ein Detailmodell und bei dem zweiten Umfeldmodell um ein Grobmodell handelt, welche sich in detektierten Objekten, Reichweiten und/oder Perspektiven unterscheiden. Es ist möglich, dass das zweite Umfeldmodell kleine, nicht sicherheitskritische Objekte vernachlässigt, sodass eine unnötige Datenmenge und ein hiermit verbundener Rechenaufwand vermieden wird. Weiterhin ist es z. B. möglich, dass das erste Umfeldmodell durch ein neuronal netzwerkbasiertes Rechenverfahren ermittelt wird, wohingegen das zweite Umfeldmodell durch ein klassisches Rechenverfahren ermittelt wird.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung umfasst die Sensoreinheit mindestens die erste und zweite Sensoreinrichtung. Im Falle der mindestens ersten und zweiten Sensoreinrichtung können diese als gleiche oder unterschiedliche Sensorart ausgebildet sein. Beispielsweise ist die erste Sensoreinrichtung als Surround View Kameraeinheit ausgebildet, welche das Fahrzeugumfeld erfasst und die zweite Sensoreinrichtung eine Radareinheit, welche ausschließlich zur Detektion sicherheitskritischer Objekte dient.
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Beispielsweise wird die Mehrzahl an ermittelten Ego-Trajektorien in einer Trajektorienliste gespeichert, wobei den abgespeicherten Ego-Trajektorien zumindest Positionsdaten des Ego-Fahrzeugs im zeitlichen Verlauf, einem Kostenwert der jeweiligen Ego-Trajektorie, die Kennzeichnung kollisionsgefährdend und kollisionsfrei und/oder die Kennzeichnung einer Notfall- oder Komfort-Trajektorie zugeordnet sind. Mittels der Trajektorienliste werden die nötigen Informationen zentral und somit auf effiziente Weise vollumfänglich bereitgestellt.
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Weiterhin ist bevorzugt, dass bei der Plausibilitätsprüfung von den ermittelten und abgespeicherten Ego-Trajektorien diejenigen als ungültig eingestuft werden, zu denen das Ergebnis der Kollisionssituation mit denselben ermittelten Objekten unterschiedlich ist und/oder ausschließlich im zweiten Umfeldmodell ein neues, kollisionsgefährdendes Objekt ermittelt wurde. Bei einem kollisionsgefährdenden Objekt handelt es sich insbesondere um ein Objekt, mit dem eine Kollision unterhalb eines vorgegebenen Schwellwerts des berechneten Kollisionszeitpunktes ermittelt wurde. Für die Auswahl wenigstens einer der kollisionsgeprüften Ego-Trajektorien sind die als ungültig eingestuften Ego-Trajektorien vorzugsweise ausgeschlossen.
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Vorzugsweise legt das mindestens eine Auswahlkriterium Kollisionsfreiheit, Komfort, Streckeneffizienz zugrunde, wobei die Sicherheit höher priorisiert wird als der Komfort. Durch diese Gewichtung wird beispielsweise eine kollisionsfreie Komfort-Trajektorie ausgewählt, wenn kollisionsfreie Notfall- und Komfort-Trajektorien zur Auswahl stehen sollten. Weiterhin wird vorzugsweise eine Notfall-Trajektorie mit dem besten, z. B. niedrigsten Kostenfaktor ausgewählt, sollten ausschließlich gültige Notfall-Trajektorien ermittelt worden sein. Auf diese Weise ist die Bereitstellung einer effizienten, sicheren und falls vorhanden, komfortablen Ego-Trajektorie erzielt.
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Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Plausibilitätsprüfung alle mittels des ersten Umfeldmodells ermittelten Ego-Trajektorien als ungültig ausgewertet werden. In einem solchen Fall sieht eine bevorzugte Ausführungsform vor, dass mindestens oder genau eine Rückfall-Trajektorie ausschließlich auf Basis des zweiten Umfeldmodells ermittelt wird. Es handelt sich somit um insbesondere eine ad-hoc Rückfallebene, welche beispielsweise parallel oder anschließend zu den auf den ersten Umfeldmodell ermittelten Ego-Trajektorien ermittelt wird. Weiterhin ist bevorzugt, dass die Rückfall-Trajektorie ausschließlich dann ausgewählt wird, sollte sie kollisionsfrei bewertet worden sein.
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In einer weiteren Ausführungsform wird davon ausgegangen, dass keine der aus dem ersten Umfeldmodell ermittelten Ego-Trajektorien als kollisionsfrei bewertet wurden. In diesem Fall ist bevorzugt, dass eine Neuplanung mindestens oder genau einer Ego-Trajektorie basierend auf einer Addition des ersten und zweiten Umfeldmodells vorgenommen wird. Insbesondere bedeutet Addition in diesem Zusammenhang, dass die beiden Objektlisten des ersten und zweiten Umfeldmodells zusammen für die Neuplanung verwendet werden. Die mindestens oder genau eine aus den addierten Umfeldmodellen ermittelte Ego-Trajektorie wird ausgewählt, sollte diese als kollisionsfrei und komfortabler als die Rückfall-Trajektorie bewertet worden sein. Komfortbedingungen, die eine Ego-Trajektorie als komfortabler als andere einstufen, sind beispielsweise die aus der quer-längs Regelung resultierende Fahrdynamik, insbesondere die Stärke einer Beschleunigung bzw. negativen Beschleunigung oder die Bewegungsdynamik in der Lenkung. Somit erfolgt die Ermittlung der Ego-Trajektorie völlig neu aufgesetzt auf Basis der addierten Umfeldmodelle.
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Sollten keine gültigen Ego-Trajektorien und/oder kollisionsfrei bewerteten Rückfall-Trajektorien ausgewertet worden sein, sieht eine weitere bevorzugte Weiterbildung vor, dass eine Notbremsung mit vorgegebener Verzögerung geradeaus geführt oder mit aktuellem Lenkwinkel oder eine allgemein gültige Notfalltrajektorie ausgeführt wird. Die allgemein gültige Notfalltrajektorie ist vorzugsweise auf einer separaten, z. B. auf einer ESC-Steuereinrichtung abgespeichert.
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Ein weiterer Gegenstand betrifft eine Vorrichtung zur autonomen Trajektorienführung des Ego-Fahrzeugs. Die Vorrichtung umfasst eine Umfelderfassungseinheit zur Erfassung von Umfelddaten, die die Fahrzeugumgebung des Ego-Fahrzeugs beschreiben. Vorzugsweise umfasst die Umfelderfassungseinheit mindestens die erste und zweite Sensoreinrichtung, welche z. B. zumindest teilweise unterschiedliche Umfeldinformationen erfassen.
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Weiterhin umfasst die Vorrichtung eine Verarbeitungseinheit, welche mit der Umfelderfassungseinheit verbunden und ausgebildet ist, ein erstes und ein zweites Umfeldmodell basierend auf den Umfelddaten zu berechnen, wobei das erste und zweite Umfeldmodell sich voneinander unterscheiden.
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Die Verarbeitungseinheit ist ausgebildet, eine Mehrzahl von möglichen Ego-Trajektorien auf Basis des ersten Umfeldmodells zu ermitteln. Des Weiteren ist die Verarbeitungseinheit ausgebildet, eine Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien auf Basis des zweiten Umfeldmodells durchzuführen. Weiterhin ist die Verarbeitungseinheit, insbesondere eine Prüfeinrichtung der Verarbeitungseinheit ausgebildet, wenigstens eine der plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien für die Führung des Ego-Fahrzeugs anhand zumindest eines Auswahlkriteriums auszuwählen.
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Die Vorrichtung kann insbesondere einen Mikrocontroller oder -prozessor, eine zentrale Verarbeitungseinheit (CPU), einen Grafikprozessor (GPU), einen Digital Signal Processor (DSP), einen ASIC (Application Specific Integrated Circuit), einen FPGA (Field Programmable Gate Array) und dergleichen mehr sowie Software zur Durchführung der entsprechenden Verfahrensschritte umfassen.
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Die vorliegende Erfindung kann somit in digitalen elektronischen Schaltkreisen, Computer-Hardware, Firmware oder Software implementiert sein.
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Ein weiterer Gegenstand der Erfindung betrifft ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung der vorhergehenden Beschreibung.
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Weitere Merkmale und Vorteile der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus den nachfolgenden Zeichnungen von Ausführungsbeispielen anhand derer die Erfindung beispielhaft näher erläutert werden soll, ohne die Erfindung auf diese zu beschränken.
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Dabei zeigen:
- 1 in einer schematischen Darstellung eine Vorrichtung zur autonomen Trajektorienführung eines Ego-Fahrzeugs;
- 2 ein beispielhaftes Verkehrsszenario, bei dem ein Verkehrsteilnehmer V1 durch ein erstes Umfeldmodell U1 der in 1 gezeigten Vorrichtung nicht erfasst ist;
- 3 kollisionsgeprüfte Ego-Trajektorien durch die aus 1 gezeigte Vorrichtung;
- 4 einen Ablaufplan des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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1 zeigt schematisch dargestellt eine Vorrichtung 1 zur autonomen Trajektorienführung angeordnet in einem Ego-Fahrzeug 2 wie z. B. einem PKW, wobei die Vorrichtung 1 insbesondere ausgebildet ist, eine Ego-Trajektorie E1, E2, E3, Ex für das Ego-Fahrzeug 2 festzulegen und auszuführen.
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Die Vorrichtung 1 umfasst eine Umfelderfassungseinheit 3 zur Erfassung von Umfelddaten. Z. B. weisen die Umfelddaten Sensordaten von mindestens einer ersten und einer zweiten Sensoreinrichtung 3a, 3b auf. Die mindestens erste und zweite Sensoreinrichtung 3a, 3b können gleicher Sensorart sein, jedoch sind unterschiedliche Sensoren wie z. B. Kamera und Radar ebenso möglich.
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Weiterhin umfasst die Vorrichtung 1 eine Verarbeitungseinheit 4, wobei die Umfelderfassungseinheit 3 mit der Verarbeitungseinheit 4 für die Übermittlung der Sensordaten der Sensoreinrichtungen 3a, 3b verbunden ist.
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Die Verarbeitungseinheit 4 umfasst einen Hauptpfad H, in dem ein erstes Umfeldmodell U1 basierend auf den Umfelddaten berechnet wird. Auf Basis des ersten Umfeldmodells U1 wird eine Mehrzahl von möglichen Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex ermittelt, wie beispielhaft in 3 gezeigt wird.
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Die Bereitstellung von verlässlichen Ego-Trajektorien kann allein mit den im Hauptpfad H1 ermittelten Ego-Trajektorien nicht sichergestellt werden. Rein beispielhaft zeigt 2 einen Verkehrsteilnehmer V1, welcher in dem ersten Umfeldmodell U1 nicht erfasst ist. Jedoch kann die Annahme einer freien linken Fahrspur einen geplanten Fahrspurwechsel auf die linke Fahrspur und folglich eine kritische Kollisionsgefahr des Ego-Fahrzeugs 2 mit dem Verkehrsteilnehmer V1 zu Folge haben. Für das vollautonome Fahren ist somit eine Vorrichtung und ein Verfahren gewünscht, einen Sicherheitsstandard bereitzustellen, der den autonomen Fahrbedingungen genügt, insbesondere inakzeptable Risiken, insbesondere Kollisionsgefahren zu verhindern.
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Vor diesem Hintergrund umfasst die Verarbeitungseinheit 4 zusätzlich einen Überwachungspfad S, in dem ein zweites Umfeldmodell U2 basierend auf den Umfelddaten berechnet wird, wobei sich das erste und zweite Umfeldmodell U1, U2 voneinander unterscheiden. Bei den ersten Umfeldmodell U1 handelt es sich z. B. zum aktuelle Umfeld- und Egodaten, bei dem zweiten Umfeldmodell U2 werden beispielsweise ausschließlich Objekte wie Fußgänger, Fahrzeuge, Fahrbahnbegrenzungen berücksichtigt.
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Des Weiteren ist die Verarbeitungseinheit 4 ausgebildet, eine Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex auf Basis des zweiten Umfeldmodells U2 durchzuführen. Insbesondere kann mittels der Plausbilitätsprüfung eine Redundanz der Umfeldmodelle U1, U2 und der hieraus ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex sichergestellt werden. Die Verarbeitungseinheit 4 ist ausgebildet, wenigstens eine der plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex für die Führung des Ego-Fahrzeugs 2 anhand zumindest eines Auswahlkriteriums auszuwählen.
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Zur Berechnung der Mehrzahl von Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex umfasst die Verarbeitungseinheit 4 im Hauptpfad H z. B. eine Fahrplanungseinrichtung 5. Das ausgewertete erste Umfeldmodell U1 wird z. B. über eine Auswerteeinrichtung, welche das Umfeldmodell U1 auswertet und bereitstellt, an die Fahrplanungseinrichtung 5 übermittelt. Die Fahrplanungseinrichtung 5 ist insbesondere anhand Planungszielen ausgebildet die Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex vorzugsweise unter Berücksichtigung von Optimierungskriterien zu erzeugen. Die Anwendung eines Optimierungskriteriums mit einer Kostenfunktion stellt sicher, dass die Ego-Trajektorie in Bezug auf das Planungsziel kollisionsfrei, effizient und komfortabel ist, soweit möglich.
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Eine erste beispielhafte Ego-Trajektorie E1 ist: „Eigene Fahrspur halten, mit 5m/s2 abbremsen“. Vorgegebene Planungsziele sind rein beispielhaft:
- - Laterales Planungsziel „Mitte der aktuellen Ego-Fahrspur“
- - Longitudinales Planungsziel „Erreiche -5m/s2 möglichst schnell“
- - Gelöschtes Planungsziel „Erreiche/Halte Ego-Zielgeschwindigkeit“
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Weitere Optimierungskriterien sind beispielsweise „minimiere Längsruck, vermeide Kollisionen, minimiere Querruck“.
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Eine zweite beispielhafte Ego-Trajektorie ist: „Wechsel auf die linke Fahrspur der eigenen Fahrspur, Ziel max. Beschleunigung 0,7m/s2, max. Querruck 2m/s3“. Vorgegebene Planungsziele sind beispielsweise:
- - Laterales Planungsziel „Linke Seite der aktuellen Ego-Fahrspur ohne Spurmarkierung zu berühren“
- - Longitudinales Planungsziel „Halte Ego-Geschwindigkeit
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Weitere aktive Optimierungskriterien sind z. B. „max. lat. Beschleunigung 0,7m/s2, max. Ruck 2m/s3, minimiere Längsruck, vermeide Kollisionen“.
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Auf diese Weise ist sichergestellt, dass sich die ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex voneinander unterscheiden und demnach eine breite Abdeckung möglicher befahrbarer Wege auch mit Fahrspurwechseln vorliegt. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei der Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex auf Basis des zweiten Umfeldmodells U2 gültige Ego-Trajektorien ermittelbar sind auch für den Fall, dass z. B. Objekte in den Umfeldmodellen U1, U2 in einem bestimmten Bereich nicht übereinstimmen sollten.
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Die ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex des Hauptpfads H werden z. B. in einer Trajektorienliste zusammengeführt. Die Trajektorienliste umfasst beispielsweise eine Trajektoriennummerierung, Trajektoriendaten wie den Zeitstempel, den ermittelten Kostenwert der jeweiligen Ego-Trajektorie und/oder eine Kennzeichnung Notfalltrajektorie oder Komforttrajektorie. Die Trajektorienliste wird insbesondere an eine Prüfeinrichtung 6 des Überwachungspfads S zur Plausibilitätsprüfung weitergeleitet.
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Das ausgewertete zweite Umfeldmodell U2 wird z. B. über eine Auswerteeinrichtung des Überwachungspfads S ausgewertet und bereitgestellt. Insbesondere wird das zweite Umfeldmodell U2 und/oder eine durch die Auswerteeinrichtung des Überwachungspfads S erfolgte Situationsbewertung an die Prüfeinrichtung 6 übermittelt. Die Verarbeitungseinheit, insbesondere die Prüfeinrichtung 6 ist ausgebildet, eine Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex auf Basis des zweiten Umfeldmodells U2 durchzuführen.
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Insbesondere wird ein Straßenmodell und eine Objektliste aus dem zweiten Umfeldmodell U2 an die Prüfeinrichtung 6 des Überwachungspfads S übermittelt. Vorzugsweise umfassen die an die Prüfeinrichtung 6 übermittelten Informationen eine Trajektorienvorhersage zumindest aller Objekte, die einen Distanz- und/oder Geschwindigkeitsgrenzwert zum Ego-Fahrzeug 2 unterschreiten. Insbesondere ist die Prüfeinrichtung 6 ausgebildet, mittels der Trajektorienvorhersagen der Objekte aus dem zweiten Umfeldmodell U2 die Plausibilitätsprüfung insbesondere auf Kollisionen der ermittelten Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex in der Trajektorienliste des Hauptpfads H durchzuführen. Beispielsweise wird die Trajektorienliste im Falle von erkannten Kollisionen die entsprechenden kollidierenden Ego-Trajektorien mit einer Kennzeichnung „Kollision erkannt“ und einem weiteren Wert „Zeit bis zur Kollision“ erweitert. Demnach wird geprüft, welche der ermittelten Ego-Trajektorien im autonomen Fahrbetrieb sicher fahrbar sind. Eine sichere und komfortable Fahrzeugführung ist auf diese Weise umgesetzt.
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In 3 wird rein beispielhaft aufgezeigt, dass bei der Plausibilitätsprüfung von allen ermittelten Ego-Trajektorien des Hauptpfads H die Ego-Trajektorien E3, E5, E9, E11 als kollisionsgefährdend bewertet wurden aufgrund der Kollisionsgefahr mit dem nunmehr berücksichtigten Verkehrsteilnehmer V1.
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Beispielsweise wird die Trajektorienliste um die Gültigkeit der Ego-Trajektorien erweitert. Vorzugsweise werden die plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien als ungültig bewertet, sollte eine Kollisionsgefährdung ermittelt worden sein, insbesondere der ermittelte Wert bis zur Kollision TTC einen vorgegebenen zeitlichen Grenzwert unterschreiten.
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In einem nächsten Schritt erfolgt die Auswahl wenigstens einer der plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien für die Führung des Ego-Fahrzeugs anhand zumindest eines Auswahlkriteriums. Vorzugsweise werden ausschließlich die gültig bewerteten Ego-Trajektorien in dem Auswahlverfahren berücksichtigt.
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Beispielsweise erfolgt eine Sortierung der gültig bewerteten Ego-Trajektorien nach priorisierten Auswahlkriterien. Beispielsweise ist ein Auswahlkriterium Kollisionsfreiheit, das am höchsten priorisiert wird. Ein weiteres bevorzugtes Auswahlkriterium ist der Komfort einer Ego-Trajektorie, sodass als komfortabel gekennzeichnete Ego-Trajektorien den Notfalltrajektorien bevorzugt werden. Ein weiteres bevorzugtes Auswahlkriterium ist der Kostenwert, wobei die Ego-Trajektorien bevorzugt werden, die einen optimalen, insbesondere geringsten Kostenwert aufweisen. In dem in 3 gezeigten Ausführungsbeispiel wird demnach die Ego-Trajektorie E6 ausgewählt, da diese den niedrigsten Kostenwert aufweist, keine Kollisionsgefahr ermittelt wurde und es sich um eine Komforttrajektorie handelt. Die Auswahl der Ego-Trajektorien erfolgt beispielsweise über die Verarbeitungseinheit 4, insbesondere durch eine Auswahleinrichtung 7 der Verarbeitungseinheit. Die ausgewählte Ego-Trajektorie E6 wird beispielsweise an eine Steuereinrichtung 8 zur Führung des Ego-Fahrzeugs 2 weitergeleitet und von dieser ausgeführt.
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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ausschließlich Notfalltrajektorien oder Ego-Trajektorien mit Kollisionsgefahr ermittelt wurden. In einem solchen Fall wird insbesondere eine Ego-Trajektorie mit dem optimalen Kostenwert ausgewählt.
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Im Falle, dass ausschließlich kollisionsgefährdende Ego-Trajektorien ermittelt wurden, wird vorzugsweise die Ego-Trajektorie mit dem höchsten ermittelten Zeitwert bis zur Kollision (TTC) ausgewählt.
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Im Falle, dass bei der Plausibilitätsprüfung keine gültige Ego-Trajektorie ermittelt wurde, ist davon auszugehen, dass im Umfeldmodell U1 eine Vielzahl von Objekten nicht erkannt wurden oder aufgrund einer zu langen Rechenzeit durch den Trajektorienplaner keine Ego-Trajektorien übermittelt wurden. Vor diesem Hintergrund ist es eine weitere Aufgabe, stets eine gültige fahrbare Ego-Trajektorie bereitzustellen.
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Gelöst wird das Problem durch eine zusätzliche Ermittlung einer Rückfalltrajektorie ausschließlich basierend auf dem zweiten Umfeldmodell U2. Die Ermittlung der Rückfalltrajektorie kann unabhängig, so z. B. parallel zu der Ermittlung der Ego-Trajektorien basierend auf dem ersten Umfeldmodell U1 erfolgen. Da die Rückfalltrajektorie robust gegenüber Warnehmungsfehlern im Umfeldmodell sein muss und ausschließlich als Rückfallebene dient, ist bevorzugt, dass ein Suchraum für die Rückfalltrajektorie auf Spurhaltung und Notbremsung beschränkt wird. Sollte die Rückfalltrajektorie kollisionsfrei sein, wird diese den plausibilitätsgeprüften, kollisionsgefährdend bewerteten Ego-Trajektorien bevorzugt. Sollte hingegen die Rückfalltrajektorie ebenfalls kollisionsgefährdend sein, wird aus den verfügbaren Ego-Trajektorien diejenige Ego-Trajektorie mit dem höchsten ermittelten Zeitwert bis zur Kollision (TTC) ausgewählt.
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4 zeigt einen Ablaufplan des erfindungsgemäßen Verfahrens S100, welches folgende Schritte umfasst: Erfassen von Umfelddaten, die die Fahrzeugumgebung des Ego-Fahrzeugs beschreiben S101, Berechnen eines ersten und eines zweiten Umfeldmodells basierend auf den Umfelddaten S102, wobei das erste und zweite Umfeldmodell U1, U2 sich voneinander unterscheiden, Ermitteln einer Mehrzahl von möglichen Ego-Trajektorien E1, E2, E3, Ex auf Basis des ersten Umfeldmodells S103, Plausibilitätsprüfung der ermittelten Ego-Trajektorien S104, Auswahl wenigstens einer der plausibilitätsgeprüften Ego-Trajektorien für die Führung des Ego-Fahrzeugs anhand zumindest eines Auswahlkriteriums S105.